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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2022

Neue Mitte Universitätsklinikum Mannheim

3. Preis

Preisgeld: 70.000 EUR

gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Architektur

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Visualisierung

Erläuterungstext

Das Mannheimer Universitätsklinikum geht auf die 1922 in Betrieb genommenen „Städtischen Krankenanstalten“ zurück. Seither wurde die schlossartige Anlage am Neckarufer durch ein unübersichtliches Konglomerat von Neubauten aus verschiedenen Epochen erweitert. Die historischen Klinikbauten bleiben beim Bau der „Neuen Mitte“ ebenso erhalten wie ein Großteil des alten Baumbestands im Campus-Park.

Unser Entwurf schlägt einen L-förmigen Sockelbau vor, auf dem drei quadratische Bettenhäuser angeordnet sind. Das Raumprogramm beinhaltet unter anderem vierzehn OPs, siebzehn Allgemeinpflegestationen, acht Intensivstationen sowie die zentrale Notaufnahme und ein Logistikzentrum. Der Campus wird durch die neue Planung zeitgemäßer und kompakter organisiert.

Die Ziegelfassaden, deren heller, warmer Ton die Farbe der historischen Bauten aufnehmen, verleihen dem neuen Gebäude eine wertige und freundliche Anmutung. Eingebettet in den neugestalteten Park, ist der Bau auf allen Seiten von Grünräumen umgeben. Die Jury lobte gut organisierte Grundrisse sowie eine gestalterisch ruhige und in ihrer Funktionalität überzeugende Arbeit.


Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf orientiert sich am städtebaulichen Masterplan und platziert sich mit einem L-förmigen Sockelbereich und drei aufgesetzten quadratischen Baukörpern für die Pflegstationen um die bestehende Parkanlage im Norden. Zur Röntgenstraße wird ein Plateau ausgebildet, dass zum ebenerdigen Zugang zum Haupteingang auf Ebene 02 im Osten führt. Zur Röntgenstraße liegen auch die Zufahrt zur Tiefgarage, zur Taxivorfahrt und die temporäre Zufahrt für Rettungswagen. Im Süden wird durch die Raumkante ein großer Freiraum gefasst, der durch die Lage der ZNA und die Erschließung des Betriebshofes allerdings Einschränkungen erfährt. 


Das Gebäudeensemble erfährt seine maßstäbliche Gliederung durch den Rücksprung von Ebene 2 in der Fassade, die den zweigeschossigen Sockel und dreigeschossigen Aufbau der Pflegestationen mit einer wohltuenden Fuge in der Fassade trennt. Die Interventionsebene auf Ebene 2 wird so in der Fassadengliederung deutlich erkennbar und gewinnt zugleich an räumlicher Qualität durch die Öffnung mit Außenbereichen nach Süden und Westen. Insbesondere das Konferenzzentrum bekommt durch die Terrassenlandschaft seinen eigenen Stellenwert und vermittelt darüber hinaus sehr selbstverständlich zum Bestand im Westen. 


Mit einer großen gläsernen Eingangshalle adressiert sich der Eingang im Versatz der Baukörper und verbindet mit Rolltreppen und Aufzugsanlage zur Ebene 01 auf der Gartenebene. Hier schließen sich über eine großzügige Plaza eine Mall zum MMT Campus und eine großzügige Ost-West-Magistrale an. Die Mall öffnet sich zur Gartenebene, während die Magistrale an den Park im Norden führt. Das hohe gläserne Entrée überragt den Sockelbereich und tritt als große Geste in der ansonsten ruhigen Fassade hervor. Die Eingangshalle wird in Hinblick auf Überhitzung hinterfragt und aufgrund ihrer Dimensionierung und Gestaltung kritisch diskutiert. Die Anbindung an den MMT-Campus und der Anschluss an das Helmholtz-Institut sind noch nicht zufriedenstellend gelöst. Der Zugang zum MMT Campus über einen dunklen Tiefhof erzeugt eine Rückseite mit schlechter Belichtungssituation und birgt Einschränkungen für den geplanten Neubau des Helmholtz-Instituts. Das vorliegende Konzept macht deutlich, dass eine gute städtebauliche Lösung hier nur unter Einbeziehung des Helmholtz-Instituts entwickelt werden kann. 


Das Ankommen auf Ebene 1 gibt keine klare Richtung vor. Der Empfangspunkt liegt erst weit hinter dem Foyer. Die Magistrale verbindet als Kernbereich die Elemente der internen Erschließung und bildet auch in den oberen Ebenen das zentrale Rückgrat und Verbindungselement. Hier werden auf Ebene 1 für die Aufnahme und Diagnostik in übersichtlicher Folge die Anmeldungen und Aufnahmebereiche angeboten. Über einen Innenhof sind die Wartebereiche bei den Ambulanzen natürlich belichtet. Die Magistrale ist räumlich gut gefasst und funktional durchdacht. Das Motiv der Kolonaden, die als Übergangszone zum Park die inneren Wegeführung begleiten, markiert die Öffnung zum Park im Norden und führt gleichzeitig an die Westspange des Klinikums. 


Die Grundrisse sind gut organisiert über ein konsequent umgesetztes Doppelflursystem und das gezielte Angebot von funktional gesetzten Aufzugsgruppen. Die Sterilgut-Versorgung wird auf der Interventionsebene 2 in einem Kreislaufsystem durchgängig bis in den ambulanten OP-Bereich im zweiten Bauabschnitt geführt. Die Organisation und die Belichtung der OP-Bereiche mit indirektem Licht sind gut gelöst. 


Die Stützpunkte sind auf den Pflegestationen auf Ebene 4-6 in zentraler Lage und gegenüber den Erschließungskernen gut positioniert, im ersten Bauabschnitt können im Nachtbetrieb vier Pflegestationen verbunden werden. Das Raster ist mit 7.50 m allerdings sehr klein gewählt und wird auf der Pflegeebene als knapp bemessen für ein zukunftsfähiges funktionales Raumangebot eingeschätzt.  


Die Größe der Lichthöfe mag in den Obergeschossen ausreichend sein, in den Lagerräumen und Werkstätten auf der Logistik- und Haustechnik-Ebene 00 sind in den engen Lichthöfen wohl keine Vegetationsstrukturen mehr zu erwarten.  


Der lange Weg zur Einfahrt ZNA wird trotz guter Zufahrtsregelung kritisch gesehen, da der Eingang der ZNA den Park im Süden durch den zu erwartenden Verkehr stark belasten wird. Die RTW Vorfahrt scheint dabei noch zu klein bemessen zu sein. Auch die Anlieferung auf Ebene 0 erfolgt im Süden über eine Rampe und liegt über der ZNA. Logistik und der Betriebshof durschneiden damit einmal mehr den Freiraum im Süden und schränken die Qualität der südlichen Parkanlage ein. Die Tiefgarage mit vier Ebenen ist aufgrund des Grundwasserspiegels und der Nähe zum Neckar eine Herausforderung. 


Als Konstruktion wurde ein konventioneller Stahlbetonbau gewählt, der mit einer hinterlüfteter Vorsatzschale aus hellem Ziegel auf seine direkte Nachbarschaft mit den denkmalgeschützten Bestandsbauten und der Apotheke antwortet. Die Ziegelfassade wird zusätzlich gegliedert durch horizontale Bänder in Sichtbeton, während durchlaufende Kolonaden den räumlichen Übergang zum Park bilden und der Fassade Plastizität geben. Die Materialität nimmt den Kontext des Bestands gut auf und bietet eine ruhige und angemessene Antwort in diesem städtebaulichen Zusammenhang.  


Das dezentral angelegte System der Raumluftzentrale sitzt in den Staffelgeschossen auf den Pflegegeschossen. Nicht in der Abwicklung der Fassaden dargestellt, sind die großen Aufbauten doch als bauliche Setzungen sichtbar und wirksam.  


Die vorgeschlagene Gliederung in den ersten und zweiten BA ist sinnvoll gesetzt, die Gebäudekubatur des 1. BA kann als eigenständige städtebauliche Setzung stehen und eine klare Zäsur zum 2.BA ist gegeben. 


Aufgrund des hohen Gebäudevolumens und der hohen Hüllfläche liegt die Arbeit im Vergleich der eingereichten Arbeiten in ihren wirtschaftlichen Kennzahlen über dem Median. Dies ist bei mittlerer Kompaktheit nicht zuletzt der ungünstigen Flächeneffizienz geschuldet und auf die großzügige Erschließungszonen zurückzuführen. 


Insgesamt stellt der Beitrag eine gestalterisch ruhige und in ihrer Funktionalität überzeugende Arbeit durchaus dar, lässt aber in der komplexen städterbaulichen Setzung und Erschließung noch Fragen offen.