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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2022

Aufwertung Rathausquartier, Grabenstraße, Hauptstraße und Hintere Gasse in Heidenheim

Gesamtplan

Gesamtplan

Anerkennung

Preisgeld: 7.000

nsp landschaftsarchitekten stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock

Stadtplanung / Städtebau, Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das Konzept besteht darin, ein langfristig tragfähiges städtebauliches und freiraumplanerisches Grundgerüst zu entwickeln, das Flexibilität und Nutzungsoffenheit innerhalb der Innenstadt von Heidenheim ermöglicht. Entsprechend der Lagegunst und des innewohnenden Potentials werden einzelne Orte und Freiraumtypologien identifiziert, durch landschaftsarchitektonische Interventionen qualifiziert und miteinander vernetzt. Innerhalb des Verflechtungsbereichs entsteht ein übergeordnetes Freiraumsystem das erlebbare Bezüge und qualitätsvolle Verbindungen herstellt.

HAUPTSTRASSE / „ALTSTADTQUARTIER“

Ausgehend vom historischen Stadtkern entlang der Hauptstraße wird das “Hoidna Bändl” installiert: Ein System von Intarsien und Bändern aus wertigem Betonstein im Reihenverband fügt sich wie selbstverständlich in den Bestand ein und führt zu den umliegenden Stadtplätzen um diese als „freiräumliche Kleinode“ zu würdigen und zu aktivieren. Neben der ästhetischen Akzentuierung des Stadtraums fungieren die Bänder als  Informationsträger und Leitsystem. Mit ortsspezifischen Geschichten aus Historie und Gegenwart, touristischen Informationen und übergeordneten Routen entwickeln sich die “Hoidna Bändl” zu einem komplexen und erweiterbaren Informationssystem und einem ortsbildprägenden Entwurfsbaustein. Individuell angefertigte Platten ermöglichen die Hervorhebung prägnanter Bauten und Plätze in ihrem historischen und städtebaulichen Kontext.

 

Verbindungen z.B. vom Hauptbahnhof durch die Georges-Levillain-Anlage, durch die Altstadt bis zum Konzerthaus über den Johann-Matthäus-Voith-Platz werden betont und animieren Passanten sich auf Entdeckungsreise zu begeben und die qualitative Vielfalt an Orten zu entdecken.

Im zentralen Bereich der Hauptstraße erfolgt eine Aufweitung der Bänder zu einer linearen Platzformation mit der Addierung eines Quartiersplatzes im Bereich des Elmar-Doch-Hauses. In diesem Bereich wird das innenliegende Band zur Kontrastierung im Diagonalverband ausgeführt. Das Ensemble betont durch Materialität und Muster die kleinteiligen, historischen Strukturen der Altstadt und schafft zugleich einen großzügigen, nutzungsoffenen Aufenthaltsraum zum Flanieren, für Märkte und Stadtfeste. In den westlichen Seitengassen, entlang der Hinteren Gasse wird durch die Bänder ein Anschluss an die fußläufige Verbindung zum Museum Schloss Hellenstein geschaffen.

Nördlich des Elmar-Doch-Hauses wird in der hochbaulichen Nische ein urbaner Platzraum definiert. Die klare Struktur unterstreicht die Bau- und Wegefluchten und ermöglicht den Zugang und die Bespielung aus verschiedenen Richtungen. Hier entsteht zusätzlicher Raum für Außengastronomie, Märkte und ein attraktiver Stadtraum im Kontext der historischen Fassaden und Bauwerke. 

Um die Nutzungs- und Vegetationsvielfalt künftig zu erhöhen, wird im Bereich der Hauptstraße eine Bespielung mit mobilen Pflanz- und Sitzelementen vorgeschlagen. Die radialen Elemente bilden optisch sowie haptisch eine „Familie“ mit den Leucht- und den Bankelementen. Um eine möglichst hohe Nutzungsvielfalt zu gewährleisten werden drei Varianten des Elements entwickelt: Ein Sitz- und Spieldeck mit geschlossener Holzauflage ermöglicht unterschiedliche Blick- und Sitzrichtungen und freie Aneignung für mehrere Menschen gleichzeitig. Das Pflanzelement erlaubt vielfältige und üppige Vegetation, beispielsweise eine Kombination von insektenfreundlichen Blumen oder Stauden und mehrstämmigen Gehölzen. Aus einer Kombination der vorangegangenen Variationen entsteht ein weiteres Element mit Pflanzfläche und Sitzauflage. Masse und Volumen der Elemente erlauben den Transport mittels Hubwagen, wodurch ein rasches und unkompliziertes Verschieben ermöglicht wird.
Aus der Nutzungsvielfalt und Mobilität ergeben sich vielfältige Aufstellungs- und Kombinationsmöglichkeiten für unterschiedliche Anlässe. Im Bereich der Hauptstraße wird eine Bleuchtung mit „unsichtbaren“ Lichtstelen vorgeschlagen. Durch die Aussparung in der Ansicht erhalten die Stelen einen transparenten Charakter und werden eins mit der vielfältigen Abfolge der Fassaden, und der Vegetation. 


JOHANN-MATTHÄUS-VOITH-PLATZ

Im Rahmen des Konzepts erhält der Johann-Matthäus-Voith-Platz eine Qualifikation zu einem eigenständigen Stadtplatz, wodurch ein signifikanter Antritt in die südliche Altstadt gebildet  wird. Der Platz erhält einen großzügigen „Teppich“ aus wassergebundener Wegedecke mit Anbindung an das “Hoidna Bändl” in Richtung Süden. Die Platzrahmung, das Baumkarree und das radiale Sitzelement schaffen einen qualitätsvollen Aufenthaltsort zur freien Aneignung und einen markanten Punkt im Stadtgefüge.

 

Zwischen dem Johann-Matthäus-Voith-Platz und dem Eingang in die Altstadt wird der Straßenbereich Erchenstraße - St. Pöltener Straße als verkehrsberuhigte Mischverkehrsfläche ausgeführt. Der homogene Betonstein und die niederschwelligen Übergänge erzeugen eine Verknüpfung beider Teilräume und verleihen dem südlichen Antritt eine einladende Geste.

Am südlichen Eingang der Hauptstraße wird ein Teil der historischen Stadtmauer als Naturstein-Intarsie in den Belag eingearbeitet.
Durch die Figur und die Haptik wird ein prägnanter Eingang in die Altstadt geschaffen und ein Stück Stadtgeschichte im Raum erlebbar.  

 

CHRISTIANSTRASSE – GRABENSTRASSE / „RATHAUSQUARTIER“

Um das Ensemble zwischen Rathaus, der Pauluskirche, der Stadtbibliothek und dem künftigen Neubau herauszuarbeiten, erhält der Bereich einen „Teppich“ aus Betonwerkstein in changierenden Grau- und Beigetönen. Der Rathausvorplatz, der Straßenraum und die Zwischenbereiche werden hierdurch zu einer homogenen Fläche zusammengefasst und lassen einen fließenden Raumcharakter entstehen. Das einheitliche Material bildet einen vielseitig bespielbaren Belag und einen niederschwelligen Zugang in sämtliche Bereiche.
Haptik und Format des Steins machen den Straßenraum als eigenständigen Ort wahrnehmbar und bieten eine hohe Aufenthaltsqualität für Anwohner und Passanten. Die klare, transparente Raumstruktur dient der Stärkung der Raumkanten und Sichtachsen entlang der Christianstraße und der Grabenstraße.

Um eine übergeordnete Verbindung zwischen der Altstadt, dem Rathausvorplatz, dem Ploucquet-Areal und der Brenz zu schaffen, wird die Hauptrichtung entlang der Christianstraße mit einem zusätzlichen Band betont.

Das direkte Rathausumfeld wird in mit eingestreuten Kontraststeinen hervorgehoben und dadurch in seiner Eigenständigkeit betont. Die Fahrbahnen werden nach dem „Mischverkehrs-Prinzip“ niveaugleich ausgeführt.

Der neue Rathausvorplatz wird geprägt von einer skulpturalen Treppen- und Rampenanlage, welche die vorhandene Reliefenergie auffängt und einen fließenden Übergang zwischen Entree und Plaza herstellt. Die großzügigen Sitzstufen erzeugen zusammen mit den radialen Sitz- und Pflanzelementen und dem Wasserspiel einen Treff- und Anlaufpunkt und lassen eine prägnante Adresse entstehen.

Im Rahmen des Entwurfskonzepts wird der „Rathausgarten“ zur neuen gemeinschaftlichen Mitte des Quartiers umgestaltet. Durch die tanzenden Bodenmarkierungen werden Besucher bereits von der Grabenstraße abgeholt und auf das urbane Plateau geleitet. Hier entsteht eine skulpturale und facettenreiche Spiel- und Bewegungslandschaft: Schaukel- und Kletterspiel, Sand- und Wasserspielbereich ermöglichen zusammen mit den Fallschutzflächen und den Sitzpodesten eine Vielzahl von Aneignungsmöglichkeiten und Aktivitäten.
Gerahmt von Sitz- und Vegetationsinseln unter lichtem Blätterdach bietet der neue Rathausgarten Aufenthalts- und Nutzungsmöglichkeiten für alle Generationen.
Die eigenständige, zeitgenössische Formsprache und die Erschließung durch Rampen lassen einen attraktiven Raum für Alle entstehen. Auf dem Vorplatz und im Rathausgarten ermöglicht der Einsatz der transportablen Sitz- und Pflanzelemente unterschiedliche Möglichkeiten der Bespielung, je nach Anlass und Anforderung. 

Zusammen mit der Aufwertung der Grünflächen um die Pauluskirche, dem „Kirchgarten“, entstehen vegetativ geprägte Orte und eine besonders angenehme klimatische Situation, insbesondere an warmen Tagen. Im Kontext des Brenzufers und des Schlosshügels kommt den Orten wie dem „Rathausgarten“, dem „Kirchgarten“ und der Georges-Levillain-Anlage eine wichtige stadtklimatische Bedeutung zu.

Das Gesamtkonzept stärkt die vorhandenen Potentiale und schafft neue öffentliche Räume, die flexible Nutzung und freie Aneignung für alle Altersgruppen ermöglichen.

Insgesamt bilden die vorgeschlagenen Interventionen ein modernes, urbanes Freiraumsystem, das durch seine hohe Qualität und verbindende Funktion zur Aufwertung aller angrenzenden Stadträume beiträgt. Es entstehen Orte, die  ich mit eigenständiger Identität und neuen Qualitäten in das Stadtbild von Heidenheim einfügen. 

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf bietet eine Reihe interessanter Ansätze, lässt aber insgesamt eine tragfähige städtebauliche Idee bzw. deren stringente Umsetzung vermissen. So bieten die Verfasser an, Rathaus und Pauluskirche als Ensemble zu verstehen, was auch durch einen einheitlichen Belag und die teilweise Sperrung der Helmut-Bornefeldstraße unterstrichen wird. Dieser Ansatz wird aber nicht konsequent weiter verfolgt - etwa durch eine Stärkung der Wegebeziehungen innerhalb des Areals - sondern eher konterkariert, in dem der Umgang mit Relief und Vegetation wieder unterschiedlichen Haltungen folgt. Zudem überzeugt die nach Süden verlegte Zufahrt zur Tiefgarage aus städtebaulicher wie auch aus verkehrlicher Sicht nicht.

Auch bei dem von den Verfassern erdachten „Hoidna Bändl“ zeigt sich eine Diskrepanz zwischen Intention und Wirkung. Das Bändle könnte durchaus zur besseren Orientierung im Stadtraum und dem Verweis auf Sehenswürdigkeiten und besonderen Orten dienen (Leitsystem), verliert aber durch die formale Ausgestaltung entscheidend an Wirkungskraft. So wird der Bändl-Belag auch in Seitenstraßen geführt oder durch Intarsien in seiner Lesbarkeit geschwächt. Auch wird er nicht genutzt, um lesbare Eingänge in die Fußgängerzone auszubilden. In diesem Zusammenhang kritisiert die Jury insbesondere die Ausgestaltung des Eugen-Jaeckle-Platzes, der nicht in das übergeordnete Konzept einbezogen wird und des südlichen Stadteingangs, der überladen wirkt und nur geringe Aufenthaltsqualität bietet. Hier wird zudem nicht deutlich, wie das Konzerthaus angebunden wird - ein Anspruch, der ja im übergeordneten Wegekonzept formuliert wurde.

Auch in den Einzellösungen kann der Entwurf nicht überzeugen. Die Treppen- und Rampenfigur am Rathaus bietet zwar einen barrierefreien Zugang ins Rathaus, ist aber in ihrem skulpturalen Anspruch zu aufdringlich und lässt zu wenig Raum für eine Bespielung des Rathausvorfeldes. Auch der Spielbereich südlich des Rathauses wird in seiner formalen Ausgestaltung als überzogen kritisiert, da die weithin sichtbare Spielfigur im Gegensatz zum eher ruhigen und zurückgezogenen Charakter des Ortes steht. Auch wird nicht deutlich, wie der Neubau über der südlichen Tiefgaragenkante ausformuliert wird bzw. einen Mehrwert für die Platzgestaltung generiert.

Insgesamt bietet die Arbeit also einzelne interessante Ansätze, liefert aber insgesamt kein tragfähiges Konzept zur Umsetzung der gestellten Aufgabe.   
Visualisierung Rathaus

Visualisierung Rathaus

Visualisierung Elmar-Doch-Haus

Visualisierung Elmar-Doch-Haus

Visualisierung Stadteingang Süd

Visualisierung Stadteingang Süd

Lageplan Rathaus

Lageplan Rathaus

Lageplan Elmar-Doch-Haus

Lageplan Elmar-Doch-Haus

Lageplan Stadteingang Süd

Lageplan Stadteingang Süd

Ausschnitt Rathausplatz

Ausschnitt Rathausplatz

Schnitt Rathausplatz

Schnitt Rathausplatz

Schnitt Elmar-Doch-Haus

Schnitt Elmar-Doch-Haus