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Award / Auszeichnung | 03/2022

nrw.landschaftsarchitektur.preis 2022

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Pflege- und Entwicklungskonzept Mindener Glacis

DE-32427 Minden

Zukunftspreis

L-A-E Ehrig GmbH

Landschaftsarchitektur

Stadt Minden

Bauherren

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Landschaft und Freiraum

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2018
    Fertigstellung: 01/2019

Projektbeschreibung

Klimaanpassungsstrategie für das Mindener Glacis

Minden ist eine ehemalige preußische Garnisonsstadt mit ca. 80.000 Einwohnern. Durch ihre landschaftliche Lage hatte sie lange Zeit eine besondere strategische Bedeutung als wichtige Festung und noch heute prägt das Glacis die Stadt. Die geschliffene Verteidigungsanlage umzieht die historische Altstadt über eine Länge von 3 Kilometern und in einer Breite von 25 bis 175 m. Das Glacis verleiht als grüner Ring der Stadt eine außergewöhnliche Lebensqualität.

Bereits in der Zeit der militärischen Nutzung wurden viele Gehölze, Bäume und Büsche in den Glacisanlagen gepflanzt. Mit dem Erwerb der Festungsanlage 1878 durch die Stadt Minden konnten die Gartenkünstler Georg Tattar und Julius Trip ab 1891 aus der Festungsanlage einen Parkwald gestalten. In den Mindener Glacisanlagen entstammen gut 40 % der ca. 3.000 Gehölze der Zeit zwischen 1764 bis 1924. Es handelt sich hierbei überwiegend um Buchen und Eichen sowie wenige Linden und Kastanien. Diese Bäume bilden den Grundstock des Bestandes im heutigen Waldpark und konnten sich somit über lange Zeit zu einem innerstädtischen Hochwald entwickeln und der Kühlung des Stadtklimas dienen. In der ab 1925 sich anschließenden Verfallsphase wird der nachwachsende Gehölzbestand hingegen zu knapp 60 % von sukzessiven Gehölzarten dominiert.

Eine wesentliche Erkenntnis des 2018 bis 2019 erstellten Pflege- und Entwicklungskonzeptes (P+E-Konzeptes) für die Mindener Glacisanlagen war es denn auch, in der vegetationsökologischen Analyse 1. nachzuweisen, warum historische Anlagen gegenüber klimawandelbedingten Änderungsprozessen besonders empfindlich reagieren und 2. geeignete Maßnahmen zur Stärkung der ökologischen Elastizität aufzuzeigen und angesichts klimawandelbedingter Herausforderungen 3. deutlich zu machen, dass die kühlende stadträumliche Ringstruktur für die zukünftige Lebensqualität in Minden von besonderer Bedeutung ist.

Es konnte gezeigt werden, dass der hohe Deckungsgrad eutrophiler Kräuter eine überhöhte Stickstoffkonzentration des Bodens anzeigt. Dieser Nachweis war wichtig, um im Beteiligungsprozess den Zusammenhang zwischen Eutrophierung und Dürrestress bei Bäumen überzeugend darlegen zu können. Denn Bäume in städtischen Parkanlagen bekommen Dürreperioden und Hitzestress eher zu spüren als Gehölze in der freien Landschaft, da diese von stadtklimatischer Überwärmung betroffen sind und unter eutrophierten Standorten zu leiden haben. Im Galcis wird ein Drittel der Krautschicht von nur zwei, in der Vegetationsökologie als Verschmutzungsanzeiger titulierten Arten dominiert; ein zweites Drittel der Krautschicht wird von fünf ausgesprochenen Stickstoffzeigern bewachsen.

Aus diesen stickstoffüberfrachteten Standorten resultiert ein Konkurrenzdruck, der Schattholzarten (vor allem Ahorn) fördert und damit beschattungssensible Lichtholzarten wie Trauben- und Stieleiche gefährdet. Diese Eichen sterben in Folge des Konkurrenzdrucks als hochgeastete Altbäume ab und überlassen damit den Raum den dicht hochgedrückten und damit instabilen Gehölzbeständen. Diese haben dann Trockenperioden oder Stürmen wenig entgegenzusetzen und knicken mitunter wie Streichhölzer ab.

Die Kernbotschaft des P+E-Konzeptes an die Mindener bestand deshalb darin, verständlich zu machen, dass der Altbaumbestand einem wenig zukunftsträchtigem Gehölzbestand zu weichen droht, da die Eutrophierung der Glacisanlagen wie ein Brandbeschleuniger für die Klimawandelprozesse wirkt. Die Nährstoffe erhöhen den Salzgehalt im Boden, wodurch der permanente Welkepunkt schneller erreicht wird. Eine Folge hiervon ist Sommerbruch, bei dem voll belaubte Äste nicht mehr ausreichend versorgt werden können und abbrechen. Dies führt neben dem Verlust wertvoller Parkbäume auch zu einem hohen Verkehrssicherheitsrisiko. Arten wie Ahorn können die zur Verfügung stehenden Nährstoffe besonders effizient zum Aufbau ihrer großen Blätter nutzen und profitieren überproportional von der Eutrophierung, sind jedoch aufgrund Ihrer großen Blätter, die viel Wasser verdunsten, unter Klimawandelaspekten wenig geeignet. Die Alteichen hingegen, die klimawandelgeeigneter wären, werden durch die unkontrollierte Nährstoffakkumulation und den damit verbundenen Konkurrenzdruck überproportional geschädigt.

Im Ergebnis des P+E-Konzeptes konnte gezeigt werden, dass das Glacis ein Oligotrophierungsmanagement in der Bewirtschaftung benötigt, um durch Laub- und Mahdgutentnahme den Nährstoffkreislauf zu entlasten und über die Abmagerung eine erhöhte Artenvielfalt zu erlangen. Diese Maßnahmen schaffen zugleich die erforderlichen Voraussetzungen zum Erhalt wertvoller Altbäume bzw. Lichtholzarten. Empfohlen wurde darüber hinaus auch, klimawandelgeeignete Ersatzbaumarten im Glacis anzupflanzen, die unseren heimischen Baumarten im Habitus möglichst ähnlich sein sollten, um das historische Leitbild mit seiner überlieferten Charaktistik zu erhalten. Ersatzbaumarten wie Fraxinus angustifolia und Carya-Arten für Eschen sowie Fagus orientalis, Castanea sativa, Ostrya carpinifolia für Rot- und Weißbuche und Quercus freinetto zur Ergänzung heimischer Eichen könnten helfen, unsere historischen Parkanlagen zukunftsbeständig umzubauen.

In Minden war die Aufklärungsarbeit durch intensive Bürgerbeteiligung und Einbeziehung der Politik und gesellschaftlicher Gruppierungen im Rahmen der Erarbeitung des P+E-Konzeptes erfolgreich. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Fördergelder über 7,0 Mio. € für die erarbeiteten Maßnahmen des Konzeptes bewilligt wurden. Die Bundestransferstelle

„Städtebaulicher Denkmalschutz“ hat das Konzept unter dem Thema „Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels in historischen Stadtquartieren“ sogar als eines von bundesweit drei Best-Practice Beispielen auf der Webpräsenz der Städtebauförderung benannt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Historische Parkanlagen sind in besonderem Maße vom Klimawandel betroffen. Im Bemühen um einen Ausgleich zwischen bewahrender Denkmalpflege, verkümmerten Unterhaltsetats, zunehmenden Erholungsdruck und den Herausforderungen durch Hitze, Trockenheit und Starkregen müssen Lösungen her, die diesen so wichtigen grünen Lungen unserer Städte eine Perspektive bieten können. Jenseits aller populären Schlagworte hat sich das Büro L-A-E aus Bielefeld auf den Weg gemacht, seine gartenhistorische Expertise um eine fachlich anspruchsvolle Analyse auf dem Gebiet der Boden- und Vegetationskunde zu ergänzen. Ergebnis ist eine Strategie, die in hunderten Gutachtenseiten und 62 Plänen dargelegt, wie durch fachgerechte Pflege und Nährstoffentzug Schädigungen im Bestand eingedämmt und durch Pflanzung geeigneter klimaangepasster Baumarten der Charakter des Glacis in die Zukunft gerettet werden kann. Nicht zuletzt haben das Büro und die Stadt die Mindener Bevölkerung eingebunden, um das Problem, den Auftrag und die Maßnahme allgemein verständlich zu machen.
Zielplan Gesamt

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