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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Neugestaltung Marktplatz in Gerolzhofen

Perspektive Tag

Perspektive Tag

3. Preis

Preisgeld: 6.000 EUR

adlerolesch GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Herangehensweise

Der Marktplatz zwischen Altem Rathaus und der Stadtpfarrkirche ist das kulturelle und gesellschaftliche Zentrum der Stadt Gerolzhofen. „Hier trifft man sich“ – heißt es in der Auslobung.
Der Nutzungsanspruch an den Platz ist vielfältig. Der freiraumplanerische Entwurf soll Gastronomie, Aufenthaltsqualität, Kommunikation, Historie, Parken, Durchfahrt, Markt- und Festbetrieb gerecht werden und der Stadt und seinen Bewohnern eine Identität geben.
Der freiraumplanerische Entwurf ersucht insbesondere zur Stärkung des Platzcharakters und zur einfachen Orientierung im Raum, mit Hilfe weniger prägender Gestaltungelemente, grundlegende Zonierungen und Funktionsbereiche zu definieren. Dabei werden bestehende, historisch gewachsene Räume und Bauwerke aufgegriffen und neu in Szene gesetzt. Die Oberflächen des Platzes werden zurückhaltend mit einem durchgängigen Teppich von einheitlich verlegtem Natursteinpflaster gefasst.
Die gezielte Verortung der einzelnen Gestaltungselemente stärkt die visuelle Verbindung der Fußgängerzone (Spitalstraße) von Südosten und der gewerblichen Zone 20 (Marktstraße) im Nordwesten über den Marktplatz hinweg – die „historische Diagonale“. Außerdem werden die wichtigen Sichtachsen zu den beiden historischen Stadttor-Türmen im Westen und Osten frei gehalten und konzentriert.

3 Elemente - übergeordnet

Der freiraumplanerische Entwurf bedient sich dreier simpler raumbildender Grundelemente, die in verschiedenen Ausformungen durch geschickte Positionierung dem Stadtplatz eine neue Selbstverständlichkeit verleihen. Diese übergeordneten Gestaltungselemente dienen unter anderem auch der zielführenden Umsetzung eines nachhaltigen und zeitgemäßen Umgangs mit Ressourcen und dem Klimawandel.
Dies beinhaltet erstens ein neues Grünkonzept in Form von Baumpflanzungen und -ergänzungen des Bestands, zweitens die Neu-Inszenierung des Marktbrunnens in die neue Platzmitte und drittens ein Angebot von verschiedenen qualitativen öffentlichen Aufenthaltsbereichen in Form von Holzsitzelementen.

3 Elemente - im Einzelnen

„+ Grün“ - „+ Wasser“ - „+ Holz“ + Grün:
Baum Neupflanzungen in Form von lockeren Baumreihen um die Stadtpfarrkirche herum (Kirche im Grünen) bilden zusammen mit erhaltungswürdigen Bestandsbäumen eine ganz neue Qualität. Der Freiraum entlang der Kirchenmauern bietet sich besonders an, den Grünbestand am Marktplatz deutlich zu erhöhen, ohne dabei an Funktionalität einzubüßen und ohne der Kirche die Show zu stehlen. Einzelne Bereiche der Kirchenmauern werden sogar dadurch noch akzentuiert, unter den Bäumen entstehen flexible, sonnig bis halbschattige Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualiät.
Ein quadratisch geschnittenes Baumdach im Bereich vor dem Alten Rathaus, wo sich im Bestand die vier Platanen und der Brunnen befinden, schafft dahingegen einen geschützten grünen Raum zum Verweilen im Schatten. Das Baumdach übernimmt auch eine wichtige neue Funktion als starke östliche Raumkante des Marktplatzes, dessen Zentrum rückt dadurch mehr in die Mitte der Gesamtfläche zwischen Marktstraße und Weiße-Turm-Straße. Die Höhe der Baumkronenansätze von ca. 3,5 m garantiert freie Sicht auf die Fensterläden der umliegenden Geschäfte. Das Baumdach soll ausschließlich maximal das erste Geschoss der Gebäude abdecken.
An der südlichen Raumkante des Platzes, östlich des StadtCafés wird der Baumbestand zu einer Dreier-Baumgruppe ergänzt, sodass vorhandene Außengastronomieflächen zusätzlich grün aufgewertet und beschattet und dennoch die Fassaden der umgebenden Gebäude weitestgehend sichtbar bleiben.

+Wasser
Der Marktbrunnen von Manfred Reinhart wird erhalten, jedoch in die neue Mitte des Platzes verortet und somit neu inszeniert. Des Weiteren soll er durch eine flach wassergefüllte Muschelkalkschale von größerem Durchmesser erweitert werden, um das Element Wasser erlebbarer zu machen und ein informelles Spielangebot für Kinder zu schaffen.

+ Holz
Mit dem Element Holz werden die, durch die neuen Baumpflanzungen entstehenden Grünräume zu qualitativen Aufenthaltsbereichen. An der warmen, süd-exponierten Kirchenmauer entsteht eine hölzerne „Lange Bank“, die sowohl nach Süden und Osten, mit Blick auf die schönen alten Fassaden der Bestandsgebäude um den Marktplatz, als auch nach Norden zur Kirche hin (Figurengruppen) schauend genutzt werden kann. Aus demselben Holz geschnitzt stehen unter dem neuen Baumdach im lichten Schatten einige mobile Hocker (120/120 cm) zum Verweilen und zur Kommunikation bereit. Diese können zu Eventnutzungen des Platzes entfernt werden.

Verkehr

Eine formelle Differenzierung in Straße, Parkplätze und Gehwegbereiche ist nicht mehr notwendig.
Die Bereiche , die im „Shared Space“ für MIV zur Verfügung stehen, differenzieren sich klar lesbar im Raum. Der Brunnen, die Lange Bank und das Baumdach im nördlichen Teil des Platzes leiten den Autofahrer unmissverständlich über den Platz. Zwei helle, breite Natursteinplatten-Rinnen, einige Fahrradstellbügel und Bäume markieren die befahrbare Grenze im südlichen Teil des Stadtplatzes. Die kostenpflichtigen 13 PWK Stellplätze vor Hotel, Modegeschäft und BäckereiCafe am südwestlichen Platzrand sind ebenfalls durch eine Rinne vom informellen Fahrbereich differenziert. Zwei Kurzzeit Behindertenstellplätze sind informell nördlich längs an der Rinne vor dem Floristikgeschäft möglich.

Materialität

Um den besonderen Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht zu werden und durch die verminderte Anforderung an die Belastungseigenschaften durch Verkehrseinschränkung wird die gesamte Oberfläche des Marktplatzes, wie im Bestand, einheitlich mit Natur-Kleinsteinpflaster in buntem Granit, als durchgehender Reihenverband, gebundene Bauweise, ohne Höhen-Differenzierung in Straße und Gehweg (als Shared Space) ausgebaut. An den Rändern des Platzes, um den Brunnen sowie um die zwei neuen öffentlichen Sitzbereiche wird aus Gründen der Nachhaltigkeit, anteilig 50/50 das gebrauchte Bestandspflaster wiederverwendet - an den Rändern jeweils stärker, zur Mitte der Fläche hin weniger stark ausgeprägt. Die Oberfläche der Steine wird gut begehbar/befahrbar behandelt (gesägt) ausgeführt, um Barrierefreiheit zu garantieren. Im Bereich der 13 PWK Stellplätze an der südwestlichen Platzkante ist die Verlegerichtung des Pflasters um 90 Grad gedreht. Einzig die Fläche unter dem neuen Baumdach wird als wassergebundene Wegedecke ausgebaut (-> Versickerung Oberflächenwasser), eingefasst durch ein Karree aus hellgrauen Granitplatten (40/80 cm), in Reihe verlegt. Die „Lange Bank“ steht frei auf einem Läufer großformatiger hellgrauer Granitplatten (120/240 cm). Zur Entwässerung des Platzes und zur informellen Fahrbahnmarkierung werden ebenso hellgraue Granitplatten 40/80 cm verwendet.

Beleuchtung

Das bestehende Beleuchtungskonzept an den Giebeln und Schaufenstern um den Marktplatz herum wird beibehalten. Die historischen Beleuchtungskörper an den Fassaden sowie die historischen Mastleuchten werden aufgegeben. Stattdessen werden schlichte Lichtstelen mit LED Leuchtmitteln zum Einsatz gebracht, die im Erscheinungsbild zurückhaltend – aber ausreichend hell zur Verkehrssicherheit - die Rand- und Funktionsbereiche des Platzes (nach unten gerichtet) ausleuchten. Zur Inszenierung der neuen Gestaltungselemente auf dem Platz wird eine neue Effektbeleuchtung des Marktbrunnens, der „Langen Bank“ und in Form von LED-Bodeneinbaustrahlern des Baumdaches vorgeschlagen.

Eventnutzung

Die Flächen des Marktplatzes ermöglichen weiterhin genügend Aufstellfläche, um das Bestuhlungskonzept des Stadt-/Weinfestes wie im Bestand um zu setzen. Die Bühne würde bestenfalls zum Schutz der neuen Baumgruppe beim Stadt Café einige Meter nach Osten wandern. Rettungsgassen können wie im Bestand frei gehalten werden. Versenkbare Poller an der Einfahrt von der Marktstraße und Weiße- Turm-Straße sind, falls gewünscht umsetzbar, auch versenkbare Versorgungseinheiten können für die Marktnutzung an geeigneter Stelle positioniert werden.
Durch die wegfallende Differenzierung in Straße und Gehweg und die reduzierte Haltung gegenüber der Bestückung der Flächen mit Mobiliar ist die Marktplatzfläche für Events deutlich flexibler bespielbar.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit den Themen ‚Grün, Wasser und Holz‘ definieren die Verfasser 3 übergeordnete Gestaltungselemente, die dem Marktplatz eine neue Identität verleihen sollen. Die Pflanzung eines lockeren grünen Kranzes kleinkroniger Bäume um die Kirche wird von großen Teilen des Preisgerichts positiv, aus denkmalpflegerischer Sicht jedoch nicht unkritisch gesehen. Lockere Baumgruppen und ein Platanendach bilden als weitere Grünelemente hierzu eine spannende Ergänzung. Das Baumdach wird in Größe und Lage hinterfragt; die Ergänzung der vorhandenen Schirmplatanen ist aber gut nachvollziehbar.

Der verlagerte Brunnen springt als neuer Mittelpunkt der freien Platzfläche ins Auge. Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit, des Verhältnisses von Aufwand und Nutzen wird die Verlegung allerdings skeptisch gesehen. Entwässerungsbänder im Belag ermöglichen eine klare Führung des Verkehrs, die Betonung der Diagonale scheint für die Raumfügung aber fraglich. Der ruhende Verkehr ist im westlichen Teil konzentriert und gut platziert. Die barrierefreien- und Kurzzeitparkplätze dagegen sind eher unglücklich positioniert.

Das nach zwei Seiten ausgerichtete zentrale Bankelement ist gut nutzbar für den ungezwungenen und konsumfreien Aufenthalt und generiert lichte und schattige Bereiche. Die Verwendung von Holz als Element der Region Steigerwald wird begrüßt. Fraglich scheint, ob mit groß dimensioniertem Sitzmöbel, vergrößertem Brunnen und vergrößertem Baumdach nicht eine interne Konkurrenz der Elemente, wie auch zu umgebenden Raumkanten entsteht, die die Gestaltung an dieser Stelle etwas überbetont.

Der Ansatz, vorhandenes Pflaster zu großen Teilen wiederzuverwenden wird gewürdigt. Der Arbeit gelingt es gut, den öffentlichen Raum zu einem einheitlichen Stadtboden zusammenzuziehen. Die Trennung zwischen Ideen- und Realisierungsbereich wird respektiert. Die Platzfläche ist multifunktional nutzbar.

Die gewählten Gestaltungselemente Grün - Wasser - Holz werden ambitioniert durchgespielt. In ihrer Gesamtschau scheinen die Themen jedoch fast etwas isoliert, ein deutlicheres Zusammenspiel wäre wünschenswert. Der vorliegende Beleuchtungsentwurf greift das vertikale Licht an den Platzrändern auf. Es wäre aber wünschenswert, wenn diese Beleuchtung auf einen aktuellen Stand der Technik gebracht würde. Formal schlichte Lichtstelen beleuchten vom Rand die Marktplatzfläche. Zusätzliche Lichtpunkte in unterschiedlichen Bereichen (Bank, Brunnen, Baumdach, etc.) sorgen für Akzente und runden das Konzept ab.   
Perspektive Nacht

Perspektive Nacht

Plan links

Plan links

Plan rechts

Plan rechts