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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2022

Quartiersentwicklung Rüsternbreite in Köthen

3. Preis

Preisgeld: 6.700

KOPPERROTH - Architektur und Stadtumbau

Stadtplanung / Städtebau

fabulism

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches / räumliches Konzept  
Aus der großräumigen Betrachtung wird deutlich, dass Köthen von einem vielfältigen Netzwerk städtischer und stadtnaher Grünräume wesentlich geprägt und gestaltet wird. Insbesondere die Verbindung zwischen Altstadt, über die Fasanerie und das Projektgebiet zu den Feldern im Süden sticht dabei hervor.  Diese Betrachtung ist die Grundlage für den Entwurf, der mit einem zentralen, formgebenden „Park für Alle“ die Nachbarschaften und das Quartier Rüsternbreite selbst an den Stadtkern anschließt und mit der Umgebung verknüpft.  Darüber hinaus ist der Erhalt und die Modernisierung der bestehenden Bebauung Ausgangspunkt dieser Arbeit.  Die bestehende Bebauung im Wettbewerbsgebiet „Rüsternbreite“ wird im Zusammenspiel mit Neubauten zu vier deutlich ablesbaren Nachbarschaften vervollständigt.  Diese vier Nachbarschaften besetzen die Kreuzungspunkte entlang der umliegenden Straßen und spannen im Inneren des Quartiers einen großflächigen „Park für Alle“ auf, über den die Nachbarschaften miteinander verbunden sind.  Klare städtebauliche Kanten definieren einerseits den umliegenden Straßenraum, geben andererseits dem Park eine starke Form.  Diese Form macht den Park zu einem Verknüpfungsort sowohl zwischen dem Teil des Quartiers östlich der Krähenbergstraße und dem Nahversorgungszentrum im Westen, als auch zwischen dem Stadtzentrum und den Grünflächen der Fasanerie im Nordosten und den Kleingartenanlagen und den offenen Feldern im Süden.  Der Park wird zum neuen identitätsstiftenden, prägenden Element und transformiert so das Wettbewerbsgebiet zu einem attraktiven und zukunftsweisenden Wohnquartier.  Durch das Komplementieren des Bestandes mit unterschiedlichen Typologien entstehen sowohl vielfältige Nachbarschaften als auch insgesamt ein Quartier, dessen Angebot verschiedene Lebensrealitäten und Wohnbedürfnisse bedienen und somit zu einer sozialen Durchmischung und nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen kann.  Um die Qualität des großzügigen Freiraums zu erhalten wird eine urbane nachbarschaftliche Dichte hergestellt, ohne den Bestand qualitativ zu beeinträchtigen. Dies führt darüber hinaus zu einer stadtökonomischen und hochbaulichen Realisierbarkeit. Die Nachbarschaften können phasenweise unabhängig voneinander entwickelt werden. 

Freiraum und Umweltaspekte  
Im öffentlichen „Park für Alle“ wechseln sich Erholungsflächen mit naturnah gestalteten Kleinbiotopen ab, die durch eine leichte Topographie natürlich begrenzt werden. Die Kontur des Parks wird durch einen Saum gebildet, der die Eingänge in den Park markiert und Spiel- und Sportflächen wie auch den Freibereich des Quartierszentrums in unmittelbarer Nähe zur Regenbogenschule beinhaltet. In diesem Park treffen Bewohnerinnen beim Tischtennisspielen auf Nachbarn der angrenzenden Quartiere auf dem Weg zum Einkaufen, hier begegnen sich jene auf ihrem Spaziergang mit denen, die von ihrem Ausflug südlich von Köthen weiter durch die Fasanerie und zurück ins Stadtzentrum radeln. Gleichzeitig ist der „Park für Alle“ aber auch ein Ort der Ruhe sowie der Tier- und Pflanzenwelt (u.a. mit Kräutergärten und wartungsarmen Freiflächen).  Anknüpfend an die vorgefundene Situation im nordöstlichen Bereich des Gebietes bilden die vier Nachbarschaften gemeinschaftliche, halböffentliche Wohnhöfe aus. Hier finden sich geschütztere Räume zum Spielen für Kleinkinder, zum gemeinsamen Gärtnern oder zum Reparieren des Fahrrads. Die dortigen Grünflächen dienen der Flächenentwässerung des anfallenden Regenwassers und tragen so zu einem angenehmen Mikroklima der Nachbarschaft bei.  Neben dem öffentlichen und halböffentlichen Freiraumangebot gibt es zusätzlich die privaten Gärten der Reihen- und Einparteienhäuser.  Neben den nutzungsspezifischen Aspekten spielen die ökologischen Aspekte der großen zusammenhängenden Grünflächen des zentralen Parks eine wichtige Rolle, insbesondere bezüglich nächtlicher Abkühlung in Hitzeperioden und der Versorgung des Quartiers mit Frischluft.  Das vorhandene Fernwärmenetz wird für die Bestandsbebauung ergänzt. In den Neubauten können Wärmepumpen installiert werden. Die Dächer werden zur Verlangsamung des Regenwasserzuflusses begrünt bzw. mit PV-Anlagen ausgestattet. Damit werden die Neubauten zu 100% mit regenerativen Energien versorgt. Mit dem Erhalt der grauen Energie kann das Quartier so Vorbild für einen verantwortungsvollen und schonenden Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und zukunftsfähige Planung sein. 

Nutzungskonzept und Funktionen  
Durch den geringen Abrissanteil können ca. 90% des Wohnungsbestandes erhalten bleiben. Dieser wird saniert und wo möglich barrierearm umgebaut sowie ggf. mit Aufzugsanlagen ausgestattet. Zusätzlich erhalten insbesondere die kleinen Bestandswohnungen Wohnraumerweiterungen in Form von vorgesetzten Balkonzonen.  Der so ertüchtigte Bestand wird ergänzt durch eine Vielzahl an Wohntypologien. Reihen- und Einparteienhäuser ermöglichen individuelles Wohnen mit privatem Außenraum sowohl für Baugruppen als auch für einzelne Bauherren. Geschosswohnungsbauten als 3-4-Spänner, kompakte Apartments mit Laubengangerschließung, „Mehrgenerationenhäuser“ mit Senioren-WG’s, flexibles Wohnen mit Schaltzimmern in den Punktgebäuden ergänzen das Wohnraumangebot. Die 6- bis 7-geschossigen Punktgebäude markieren die Eingänge zum Park und bieten in den Erdgeschossen Platz für wohnergänzende Nutzungen wie Gemeinschaftsküchen, Home-Office-Büros, kleine Fahrradwerkstätten oder eine Concierge mit Paketannahme. Am und im Park selbst finden sich die öffentlichen Nutzungen: Kita „Max und Moritz“ im Norden, „Regenbogenschule“ und Quartierszentrum im Osten. An das Quartierszentrum schließen sich rund um den Wohnhof betreutes Wohnen, Apartments für Pflegepersonal und Gemeinschaftsräume an.  Die Nutzungszielstellung wird vollumfänglich erfüllt.  Die bestehende Verkehrsinfrastruktur der Nachbarschaften entlang der Krähenbergstraße wird weiterhin genutzt, in jenen an der Lelitzer Straße wird sie durch Stichstraßen ergänzt. Somit erfolgt die Erschließung der einzelnen Nachbarschaften von den umliegenden Straßen aus, was einen unmittelbaren Zugang zum zentralen Park ermöglicht.  Ziel des Entwurfes ist es, den Fuß- und Fahrradverkehr zu stärken und das Quartiersinnere autofrei zu gestalten. Dies wird einerseits mit dem Ausbau von Rad- und Fußwegen sowie durch die Diversifizierung der Stellplatzangebote erreicht. Die insgesamt knapp 1.000 Stellplätze sind entlang der Erschließungsstraßen, als kleine Nachbarschaftsparkplätze und bei Neubauten mittels Tiefgaragen angeordnet. Fahrradstellplätze sind wohnungsnah in den Nachbarschaften verteilt bzw. als Fahrradräume in den Erdgeschossen der Neubauten untergebracht. 

Gestaltungsqualität  
Die Definition und Positionierung der vier Nachbarschaften sowie die identitätsstiftende Form des öffentlichen Freiraums lassen ein robustes städtebauliches Leitbild entstehen, das eine qualitätsvolle Grundlage für die zukünftige Entwicklung darstellt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Qualität und Funktionalität des Freiraums zu. Durch die klare Zonierung und Programmierung wird er zum zentralen Ort des Quartiers und zum identitätsstiftenden Merkmal über die angrenzenden Nachbarschaften hinaus.  Die Robustheit des Konzepts ermöglicht die Integration von individuellen Bauvorhaben und Bauabschnitten und führt zu einem vielfältigen und zukunftsfähigen Quartier.  Diese Qualität setzt sich in den einzelnen Nachbarschaften fort. Mit einer ausgewogenen und fein abgestimmten Mischung unterschiedlicher Typologien, Konstruktionen und Materialien wird ein lebendiges Quartier entstehen, das beispielhaft für eine gelungene Weiterentwicklung steht.  Auf die vorhandenen Putzfassaden kann mit dezenten Variationen in Farbe und Oberflächenstruktur Bezug genommen werden, doch auch dem Material Holz kommt nicht nur eine wichtige Rolle als nachwachsender Rohstoff, sondern auch als gestalterisches Element zu.


Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit schlägt einen großzügigen Freiraum als zentrales Element des Quartiers Rüsternbreite vor, der die bestehenden Freiflächen der Kita und Schule aufnimmt und durch drei weitere Felder zu einem kraftvollen „Grünen Inneren“ zusammenfügt bzw. ergänzt.
Das Quartier Rüsternbreite wird dadurch in vier Teilbereiche mit gut bespielbaren, flexiblen Baufeldern unter-gliedert. Diese Teilquartiere definieren zu den umliegenden Straßenräumen klare, Raumkanten bildende Typologien, die zum Schallschutz beitragen und die Innenräume schützen. Zum „Grünen Inneren“ stuft sich die Höhenentwicklung ab und ermöglicht so Blickbeziehungen zum Freiraum für die Bewohnerinnen der dahinter liegenden größeren Riegel/ Bebauungsstrukturen. Mit dieser einfachen, klaren städtebaulichen Struktur gelingt es, sowohl den Bestand aus dem Quartier als auch die umliegende Bebauung schlüssig in der Höhenentwicklung und in den Raumprofilen einzubinden. Diese Einbindung eines Großteils der Bestandsbebauung ist nicht nur positiv für die städtebauliche Integration, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht und mit Blick auf die Gesamtnachhaltigkeit sehr positiv zu beurteilen. Hingegen sind die Typologien der Familienhäuser in ihrer tatsächlichen Nähe zur Geschosswohnbebauung und teilweise auch in den dargestellten Strukturen eher kritisch diskutiert worden. Es entsteht eine große, zusammenhängend bespielbare Freifläche, die über die unmittelbaren Grenzen des Quartiers heraus ausstrahlt. Es gelingt gut die halb-privaten Freiräume und die bestehenden Freiflächen von Schule und Kita räumlich einzubinden.
Wohltuend ist auch der Kontrast zu den kleinräumlichen halbprivaten Freiräumen, die sympathische kleinteilige Rückzugsräume anbieten und durch das Fußwegenetz ins gesamte Quartier eingebunden sind. Innerhalb der Dimensionierung der Freifläche sind die notwendigen Funktionen wie Versickerung etc. sehr selbstverständlich unterzubringen. Die im Grünraum liegenden Funktionen von Kita und Schule werden im südöstlichen Rand durch ein Quartierszentrum ergänzt, das die Funktion des Seniorenwohnens an zentraler Stelle mit aufnimmt. Es entsteht ein weiterer programmatischer Schwer-punkt entlang des „Grünen Inneren“, der den südlichen Teil des Quartiers sowie den östlichen Teil der gesamten Rüsternbreite einbindet. Die Entscheidung zu dieser Lage wurde durchaus kontrovers diskutiert. Die Grundrissdarstellungen sind plausibel, die Barrierefreiheit ist gegeben. Die Arbeit organsiert den ruhenden MIV relativ kostenintensiv in Tiefgaragen unter den Neubaustrukturen sowie auf Nachbarschaftsparkplätzen, der dadurch drohende Suchverkehr wird kritisch gesehen.
 Die Arbeit bietet einen robusten Rahmen für eine langfristige Entwicklung des Quartiers unter weitgehendem Einbezug der Bestandsbauten. Die Qualität der Freiräume zeigt noch wenig Prägnanz, dürfte aber mit Blick auf die gute Grundstruktur leicht zu entwickeln sein. Die Arbeit besticht durch ihre ausgewogene Proportionierung der Teilfelder und bietet eine ansprechende wie belastbare Grundstruktur für die Weiterentwicklung des Quartiers. Die Verfasser schaffen es ein überzeugendes Bild zu entwickeln, das auf der einen Seite einen tragfähigen Rahmen für eine längerfristige Entwicklung sowie den Raum für individuelle Ausgestaltungen z. B. der Familienhausfelder sichert.