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Wettbewerblicher Dialog | 04/2022

Ersatzneubau Dock A mit Tower und Dockwurzel am Flughafen Zürich (CH)

Gewinner / Zur Realisierung empfohlen

BIG Bjarke Ingels Group

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Beurteilung durch das Preisgericht

Form und Funktion

Formale Qualität (Architektur und Gestaltung)
Der Entwurf der ersten Phase wurde weiterentwickelt und in einem sehr hohen Detaillierungsgrad aus - gearbeitet. Auf die Kritiken wurde in vielen Punkten eingegangen, ohne die verschiedenen Qualitäten der 1. Stufe aufzugeben, sodass das weiterbearbeitete Gesamtkonzept auf vielen Ebenen durch ausgewogene Lösungen zu überzeugen vermag.
Die klare und gewürdigte ortsbauliche Setzung, welche Dock und Wurzel durch das kontinuierlich ansteigende Dach zu einem einzigen Baukörper zusammenfasst und den Tower an deren Schnittstelle anordnet, wurde beibehalten. Das Tragwerk hingegen folgt nicht mehr der Geometrie der westlichen Flugpiste, sondern wird neu orthogonal zum Baukörper angeordnet. Dank dieser Änderung konnten viele Anforderungen des Betriebs, wie auch die formale Gestaltung besser er - füllt werden, ohne innenräumliche Qualitäten aufzugeben. Demzufolge wurde auch die Stirnseite zur westlichen Flugpiste räumlich neu ausgebildet und über eine Staffelung von zwei Galerien – einem überhohen Raum und einer Aussichtsterrasse wurde eine attraktive Raumfolge geschaffen. Die durch das Tragwerk, die sich ändernden Querschnitte und das sich öffnende Oberlicht charakterisierte Halle des Docks wurde weiterentwickelt und ist nach wie vor überzeugend. Wenig bearbeitet und noch nicht erkennbar ist hingegen die Gestaltung und Identität der Einbauten mit den Infrastrukturnutzungen wie Gastronomie und Kommerz, welche auch einige technische Anforderungen zu erfüllen haben. Weiter bleiben Detailfragen im Stirnbereich des Docks bei der Struktur der Verglasung oder beim Übergang zum Lift noch offen.
Im Bereich der Wurzel wurde die Raumanordnung wesentlich weiter - entwickelt und verbessert, ohne die Stärken des übersichtlichen, zenital belichteten Atriums aufzugeben. Neu sind die anspruchsvollen Anforderungen der Passagierbewegungen besser berücksichtigt und erkennbar. Der räumliche Übergang von der Wurzel zum Airside -Center verspricht dank der zweigeschossigen Raumhöhe eine hohe räumliche Qualität, lässt jedoch hinsichtlich Passagierfluss und Einsehbarkeit noch Optimierungsbedarf erkennen. Auch in der Wurzel schafft die begradigte Geometrie des Tragwerks gute Voraussetzungen für die kommerziellen Nutzungen. Aufgrund der vorgelagerten Bereiche der Passagierbewegungen erscheinen diese aber in der vorhandenen Anordnung zu stark im Hintergrund und lassen sich nach wie vor nicht in der erwünschten Form präsentieren. In Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bedarf es hier einer räumlichen und gestalterischen Vertiefung.
Bei der architektonischen Erscheinung wurden die meisten Prinzipien der Gestaltung der ersten Phase beibehalten, in der Konstruktion aber überprüft und weiter verfeinert. Die Gesamtwirkung besticht nach wie vor durch die attraktive Gesamtform sowie die gute Einsicht auf die Passagier - ebenen und das Raumfachwerk. Positiv zu vermerken ist auch die weitere Bearbeitung der Vorfeld - türme, welche verkleidet durch eine leicht spiegelnde, rahmenlose Verglasung eine sehr einfache Erscheinung erhalten und sich zurückhaltend dem Hauptgebäude unterordnen. Als Sonnenschutz für den Hallenbau wurden verschiede - ne Varianten ¬geprüft und mit der im Glas integrierten Lösung eine plausible Wahl getroffen. Im Innern schafft die Wahl des Materials Holz für Tragwerk, Deckenstrukturen, Deckenuntersichten und teilweise Bodenbeläge den erwünschten eigenwilligen und identitätsstiftenden Raumcharakter.

Passagierprozesse
Das neu orthogonale Raster ist für die Passagierprozesse ein Befreiungsschlag: Durch die klaren Strukturen konnten die Vorbehalte bezüglich Flexibilität ausgeräumt und Sonderlösungen vermieden werden. Die Passagierprozesse sind insgesamt sehr gut gelöst. Das G1 Schengen ist in Dock und Wurzel klar und übersichtlich strukturiert. Einzig der Kreuzungspunkt der Hauptströme beim Eingang vom Airside-Center in die Wurzel ist noch zu eng gestaltet. Weiter ist im G2 Non -Schengen das Dock noch zu eng: Die Warteschlangen vor den Gates für Grossflugzeuge werden – so die Befürchtung – die Längszirkulation blockieren. Dies erscheint lösbar mit mehr, aber kürzeren Lichthöfen, sodass die Brücken jeweils bei den grossen Gates liegen. Im Gatebereich könnten im Bedarfsfall zusätzlich fassadenseitige Lichthöfe geschlossen werden. Im G1Z ist die Ausreise flächenmässig eher knapp. Die Passkontrollhalle G01 ist sehr übersichtlich und flexibel organisiert, die Ströme Richtung Aufgang zur Wurzel sind gut gebündelt und intuitiv verständlich. Gewisse Konflikte mit den Gepäckbändern vom Check -in sind noch zu lösen. –

Kommerzielle Nutzungen und Branding
Die Passagierflüsse sind im Zuge der Projektentwicklung in der 2. Stufe intelligent gelöst worden und schaffen eine gut durchflutete Kommerzzone. Der vermuteten Dominanz der Architektur in der Wurzel, welche die Sichtbarkeit von starken Kommerzbühnen und Icon Stores eventuell zu stark konkurrenziert, ist mit geeigneten gestalterischen Massnahmen zu begegnen. Die gesuchte und fest - gestellte Einsehbarkeit aus dem Airside -Center in die Wurzel könnte noch weiter optimiert werden. Die angedeutete, mögliche Doppelgeschossigkeit von Kommerzeinheiten ist noch nicht überzeugend um - gesetzt. Der enge Kreuzungspunkt von abfliegenden und ankommen - den Passagieren erscheint teils kritisch und dürfte die Aufenthaltsqualität in dieser Zone mindern. Noch nicht berücksichtigt sind die Anforderungen bezüglich eleganter architektonischer Integration von grossformatigen Werbeflächen.
Die Integration von Kommerz-Fachkompetenz hat in wesentlichen Punkten sehr positiv zum aktuellen Projektstand beigetragen und in Bezug auf die spätere Vermarktung vorteilhafte Voraussetzungen geschaffen.

Mietflächen Dritte
Die Lounge -Erlebniswelt in den obersten Geschossen der Wurzel (mit Erweiterungsoption zum Dock hin) bietet einen attraktiven Flächenzuschnitt mit hoher Nutzungsflexibilität. Das Projekt zeigt funktionierende, getrennte Erschliessungswege für Passagiere, Logistik und Personal. Die Wegführungen der Spezialprozesse (inkl. VIP-Services) sind nachvollziehbar und bieten eine solide Ausgangslage für ein attraktives Passagiererlebnis. Die Konzentration der Büro- und Aufenthaltsräume im Geschoss G2 ist zweckmässig und entspricht den gestellten Anforderungen.

Tower
Es liegt ein umfassender Konzeptentwurf zum Tower mit funktionaler Aufteilung und unter Berücksichtigung der gestellten Anforderungen vor, der gut als Grundlage für die weitere Projektierung geeignet ist.

Vorfeld und Vorfeldtürme
Die Stirnseiten der Standplätze mit den Vorfeldtürmen, Zufahrten und Handlingflächen sind gut organisiert, alle Flächen und Funktionen nachgewiesen. Die Vorfeldtürme sind gut positioniert und die Passagierfunktionen sind vollständig sowie mit Optionen für Zusatzfunktionen ausgewiesen.

Verkehr
Das Projekt zeigt in allen Bereichen ein klares, sehr gut entwickeltes und übersichtliches Strassen- und Verkehrssystem. Die Parkplatzsituation für Spezialprozesse (VIP, PRM) ist mit den dazugehörigen Passagierprozessen teils noch optimierbar (ungenutzte Platzreserven im Perimeter vorhanden). Auch die Rampe ins G01 mit den Parkplätzen erfordert noch Optimierungen.

Technik und Lifecycle

Umwelt und Ressourcen
Das Projekt ist hinsichtlich eines Gebäudelabels weit entwickelt (LEED Platinum) und weist einen hohen Anteil erneuerbarer Energien auf. Damit liefert das Projekt einen guten Klima-Zielbeitrag für den gesamten Flughafen Zürich. Die Auswirkungen des Klimawandels werden bezüglich der Energie aufgezeigt. In der nächsten Phase müssen die Klimaresilienz und Konsequenzen daraus weiter vertieft und weitere Möglichkeiten zur Energiereduktion und -effizienz entwickelt werden.

Energie und Technik
Das gewählte Gebäudetechnik- und Klimatisierungskonzept lässt Fragen bezüglich der Wirksamkeit offen. Unklarheiten und Unsicherheiten bestehen vorwiegend bei der Bewältigung von schnellen Last - wechseln durch stark schwankende Personenströme oder Witterungseinflüssen mittels des vorgeschlagenen Konzeptes mit statischen Kühlflächen und Hygieneluftwechsel. Auch die Lufteinbringung ins Dock muss in der nächsten Phase vertieft werden. Alles in allem muss das stark auf Nachhaltigkeit ausgelegte Konzept in der nächsten Phase mittels weiterer Simulationen verifiziert und im Bedarfsfall angepasst werden.

Brandschutz
Der Brandschutz ist gut in das Projekt integriert. Der Konzeptansatz ist plausibel, fokussiert jedoch stark auf die Bewilligungsfähigkeit. Aussagen zu den spezifischen Vorgaben der Veranstalterin werden teils vermisst und eine stärkere Bezugnahme auf internationale, flughafenspezifische Standards ist nötig (z.B. NFPA). Das Konzept sieht zahlreiche Brandlasten in der offenen Fläche vor. Um dort die geforderte Nutzungsflexibilität zu ermöglichen, dürften die Brandschutzmassnahmen aufwändig werden und bedürfen einer vertieften Analyse.

Baukosten und Wirtschaftlichkeit
Die Dokumentation der Kostengrobschätzung ist vollständig und nachvollziehbar. Die Kosten und Kennwerte des Teams liegen in Bezug zur vergleichenden Kostenschätzung der Veranstalterin in fast allen Gewerken tiefer. Die grössten Kostenunterschiede, im Vergleich zur vergleichenden Kostenschätzung der Veranstalterin, wurden in der Gebäudetechnik eruiert. Das Projekt zeigt in der 2. Stufe gegen - über der 1. Stufe eine konstante Flächenbilanz, jedoch deutlich höhere Baukosten. Die Kompaktheit ist im Vergleich zur 1. Stufe kaum verbessert. Hingegen konnten die Kommerzflächen bezüglich Ertragspotenzial optimiert werden. In ¬Kombination mit den im Quer - vergleich zu erwartenden durch - schnittlichen Betriebskosten stellt die Sicherstellung der Gesamtwirtschaftlichkeit eine Herausforderung dar und ist nur durch erhöhte Gebührenanteile erreichbar.

Bau und Betrieb

Schnittstellen und Sequenzierung
Der Bauablauf in fünf Bau- und Betriebsphasen ist sehr gut und schlüssig aufgezeigt. Die Bauzeit beträgt sieben Jahre. Die Sequenz bestehend aus Baulogistik → Erweiterung PKH und TWR/Scharnier → Bau Wurzel, Inbetriebnahme TWR → Bau Wurzel und Bau Dock, gleichzeitige Inbetriebnahme Dock und Wurzel → Rückbau altes Dock, Erstellung VT Süd ist schlüssig und zeigt einen effizienten Ablauf. Die Passagierwege und Betriebsstrassen sowie deren Umlagen sind gut und schlüssig dargestellt und in allen Phasen gewährleistet.

Bauwerk und langfristiger Gebrauchswert
Das neue Dock wurde als stringenter, robuster Entwurf in Holzbauweise entwickelt. Strategische Vereinfachungen wie Orthogonalität, Entkoppelung der Bauwerksteile etc. sind sinnvoll umgesetzt. Die Machbarkeit mit der Materialisierung aus Holz ist gut hergeleitet. Die Bearbeitungstiefe ist in strategischen Details weit bearbeitet. Die Einheit von Tragwerk und Architektur in der Wurzel als zentrales Merkmal wurde gut dargestellt. Die Flexibilität und Robustheit des Tragwerks im nördlichen Teil der Wurzel (Auskragungen) sind in der weiteren Projektierung weiter zu vertiefen und zu erhärten.

Bauablauf und Baulogistik
Es wird eine Montage von grossen, vorgefertigten Bauteilen vor Ort in konventioneller Bauweise auf - gezeigt. Die Vormontage von Tragwerksrahmen des Docks ist auf der Fläche im Westen mit nachfolgen - dem Transport über die Piste und das Vorfeld geplant. Diese Methode ermöglicht eine schnelle und effiziente Bauweise. Der Einsatz der geplanten Turmdrehkräne für den Wurzelbau zeigt eine effiziente Bauweise. Die Kräne durchstossen jedoch den Sicherheitszonenplan und sind hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Auswirkungen auf den Flugbetrieb noch weiter zu untersuchen. Die für die Montage geplanten Mobilkräne könnten Radar und Navigationsanlagen, sowie die Sichtbeziehung des neuen Towers beeinträchtigen.

Gesamtwürdigung

Das Projekt «Raumfachwerk» überzeugt auch nach der 2. Stufe der Bearbeitung auf sehr vielen Ebenen. Nicht nur wurden die betrieblich anspruchsvollen Anforderungen er - füllt, sondern zugleich auch die gestalterischen Qualitäten der 1. Stufe weiterentwickelt und verfeinert. Mit der charaktervollen Tragstruktur in Holz, der attraktiven Raumfolge von Dock, Tower und Wurzel und den vielen sinnvollen technischen Lösungen wurde ein unverwechselbares und einzigartiges Projekt erarbeitet, welches den Flughafen Zürich auf überzeugende Weise erweitern und prägen wird.