modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Neugestaltung und Erweiterung Volkspark in Marl

2. Preis

Preisgeld: 20.000

plancontext gmbh landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Vom Volkspark zum Klimapark Marl
Die Industrialisierung führte in Marl in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einer rasanten Stadtentwicklung. Der Volkspark wurde zur „Volksfürsorge“ angelegt, um gesundheitliche Belastungen abzumildern. Trotz Aufgabe des Bergbaus gilt das urbane Grün noch immer als entscheidender Faktor für die Gesundheit und Lebensqualität der Bewohner. Heute ist allerdings der Klimawandel eine der größten und brennendsten globalen Herausforderungen. Als grüne und kühle Oasen werden Parks und Gärten immer mehr Besucher anziehen. Dadurch ergeben sich neue Herausforderungen an die Nutzung und Gestaltung des Parks: Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Versickerung und Speicherung von Regenwasser, dem Umgang mit Starkregen (Schwammstadt sowie die Pflanzung klimaangepasster Bäume und den Artenreichtum fördernder Blühflächen, Gehölze und Stauden. Der „Volkspark“ wird daher modellhaft zum Klimapark entwickelt. Im neuen Volkspark sollen sich die unterschiedlichen Funktionen und Ansprüche überlagern, gegenseitig sinnvoll ergänzen und verstärken. Es entsteht ein „Hybridpark“, der Naturerlebnis und Erholung ebenso bietet wie sportliche Aktivitäten an der frischen Luft.

Vernetzung
Der Volkspark wird Teil des übergeordneten „Grünen Rings“ bzw. des „Grünen U“ mit der Stadtmitte im Zentrum. Er wird vor allem entlang des Weierbachs und über die Halden mit den Freiräumen Lippe und Haard angebunden.
Ziel der neuen parkinternen Erschließung ist eine durchgängige, barrierefreie und klar ablesbare Wegeführung. Sichtbeziehungen werden freigestellt, um das Sicherheitsgefühl und die Orientierung zu verbessern. Überdimensionierte oder parallele Erschließungen werden reduziert und Befestigungen entsiegelt. Die Wegebeläge sind wasserdurchlässig.

Nord-Süd-Verbindung
Der übergeordnete, kombinierte Geh- und Radweg Richtung Lippe setzt sich im Park fort. Er führt über die vorhandene baumüberstandene „Schattenpromenade“ und den neuen Abschnitt der „Sonnenpromenade“ am Rand der offenen Wiesenfläche. Von dort wird in Richtung Südwesten der geplante Radweg Westerholter Straße angebunden, in Richtung Nordosten eine parallel zur Bahnlinie führende Anbindung in die Innenstadt. Der Steg über die Bahnlinie führt zum südlichen Grünzug Weierbach und bindet das Neubaugebiet Stübbenfeld an.

Parkrundweg und Steg
Die vorhandene Wegtrasse am südwestlichen Waldrand wird als 3 Meter breite Tennenfläche erneuert. Die mittige Wegeachse wird als leicht erhabener Steg geführt. Der Wald soll zur Vorrangfläche für den Naturschutz gewidmet werden. Die ursprüngliche Gestaltidee einer „geschwungenen Acht“ als Parkerschließung bleibt erhalten.

Kulturpromenade
Die Promenade erschließt und verknüpft die Einrichtungen des Heimatmuseums, das Guido-Heiland-Bad und den „Kunstgarten“ und bildet einen wichtigen Parkeingang.

Anbindungen
Die Anbindungen an die Quartiere und umliegenden Freiflächen bleiben erhalten und werden gestärkt.
Parkerlebnis
Zwei „Erlebnisstege“ dienen als Leitsystem und zur Wissensvermittlung der Kernthemen „Ursprung“ und „Klima“. Sie erinnern in Materialität und Gestaltung an die Stege und Laufbänder der Zechen und Fabriken. Nach Möglichkeit sollen Anlagenteile der im Rückbau befindlichen Zeche Auguste Victoria verwendet werden.

Erlebnissteg „Zeitreise“
Er verbindet als begehbarer “Zeitstrahl“ die Einrichtungen des Heimatmuseums (Wassermühle, Schmiede, und Scherersche Villa) und ergänzt sie durch eine Freiluftausstellung. Wie auf einem Steg in einem Grabungsgelände führt der Weg die Besucher zu verschiedenen Exponaten und szenografischen Elementen („Zeitzeugen“ und „Meilensteine“). Stelen („Zeitspeicher“) informieren mittels Texten, Fotos und multimedialer Installationen. Im Zentrum entsteht eine Aufweitung, das „Forum“ mit Sitzstufen, das für kleinere Veranstaltungen und als Treffpunkt genutzt werden kann.

Erlebnissteg „Klima“
Der Steg verbindet als spielerischer, interaktiver Naturlehrpfad die Vielfaltsgärten (Schul- und Bürgergärten), gibt Informationen und Einblicke in die Lebensräume Wasser und Wald. Er führt über den Teich und durch den Klimawald. Im Westen faltet er sich, spannt sich als Kletternetz über den Bachlauf und führt in die Kronen der Bestandsbäume. Er wird dort Kletterspielplatz und Lernort mit vielen interaktiven Edutainmentelementen zugleich. Die Lebensbedingungen der Bäume werden thematisiert und unmittelbar erlebbar.
Lebensräume
Im Rahmen der Umgestaltung werden die ökologischen Qualitäten des Volksparks weiterentwickelt und den Besuchern vermittelt. Ziele sind die Erhöhung der ökologischen Qualität und Biodiversität, die Verbesserung der Funktion als Lebensraum für Flora und Fauna sowie die Förderung des Biotopverbunds.

Lebensraum Wald
Der waldähnliche Bestand des Volksparks wird zum „Klimawald“ entwickelt. Dadurch soll ein resilienter und anpassungsfähiger Mischwald entstehen, der den Effekten der globalen Erwärmung widersteht. Der Waldbereich dient zukünftig vorrangig dem Arten- und Biotopschutz und bleibt frei von intensiven Freizeitnutzungen. Trampelpfade sind möglich, die Wege am südwestlichen Teichrand werden aber nicht erneuert. Durch eine punktuelle Waldverjüngung, der Entnahme von Neophyten und der Neupflanzung klimaresilienter Arten wird seine ökologischen Qualität verbessert. Benjeshecken aus Schnittgut, Totholzinseln und -pyramiden schützen und schaffen neue Lebensräume. Einige Initialpflanzungen unterstützen die Entwicklung der potentiell natürlichen Vegetation.

Lebensraum Waldsaum
Die südwestlichen Ausgleichsflächen bilden als Waldsaum einen wertvollen Lebensraum für eine große Zahl verschiedener Pflanzen- und Tierarten. Er wird durch standortgerechte, gebietseigenen Solitärbäumen und eine Vielzahl verschiedener lichtbedürftiger Straucharten als „blühender Waldsaum“ aufgewertet und wird damit für den Erholungssuchenden vor allem im Frühjahr eine wahre Augenweide. Intensive Nutzungen und Versiegelungen werden entfernt. Sandlinsen, Schotterstreifen aus Abbruchmaterial oder „Insektenstämme“ aus Totholz erhöhen den ökologischen Wert.

Lebensraum Wasser
Die gewässerökologische Sanierung der Teiche und des Weierbachs wird basierend auf einem Gewässerentwicklungskonzept realisiert. Organischer Schlamm und Sedimente werden entfernt. Im südlichen Zufluss- und im nordöstlichen Abflussbereich werden Filter- und Pflanzenklärbereiche angelegt, die gleichzeitig die zukünftige Sedimentation verlangsamen sollen.
Das Wachstum von Wasser- und Sumpfpflanzen zur Stabilisierung des Ökosystems wird durch geeignete Initalpflanzungen verstärkt. Das Gewässer soll als Lebensraum für Amphibien, Vögel und anderen Artengruppen gestärkt werden.
Im Übergangsbereich zum ehemaligen Volksparkstadion werden die Tribünen und Erdwälle entfernt und die Fläche zum Wasser geöffnet. Der Teich selbst wird in diesem Bereich erweitert, um eine großzügige zusammenhängende Wasserfläche zu erhalten. Der Uferbereich wird hier freigeschnitten, abgeschrägt und vielfältig strukturiert, um attraktive Lebensräume zu bieten. Sitzstufen aus dem Material der ehemaligen Tribüne machen das Wasser für Besucher erlebbar.

Lebensraum Wiese
Die Fläche des ehemaligen Volksparkstadions wird als große, frei nutzbare Wiesenfläche in den Park integriert. Bestandsbäume bleiben weitgehend erhalten und werden durch klimaresiliente Neupflanzungen ergänzt. Die freie Fläche dient der Entstehung von Kaltluft und deren Weiterleitung in die Innenstadt. Gleichzeitig fungiert die tiefer liegende Wiese als Retentionsraum zum Hochwasserschutz. Durch Ausmuldungen und der Einleitung von Regen- und Oberflächenwasser entstehen wechselfeuchten Bedingungen und damit besondere Standorte für Pflanzen und Tiere.
Die Höhenunterschiede werden im Osten und Süden sanft modelliert und durch einen „Höhenweg“ erschlossen. Einige Sitzstufen bleiben erhalten und sind in die Böschung integriert. Bei Veranstaltungen wie dem Parkfest können sie als Tribüne genutzt werden.
Das ehemalige Kassenhaus erhält einen gläsernen Anbau und wird zum Treffpunkt mit gastronomischen Angeboten. Im Sommer wird die umgebende, erhöhte Fläche als Biergarten genutzt.
Gärten
Dem Naturraum aus Wald, Saum und Wasser wird eine Abfolge aus öffentlichen „Gärten“ entgegengesetzt. Sie bieten vielfältige Möglichkeiten der Nutzung und des bürgerschaftlichen Engagements.

Kirchgarten
Das historische Zentrum Alt Marl um St. Georg soll gestärkt und belebt werden. Der Kirchplatz wird neu gestaltet, die Freifläche südlich der Kirche wird zum „Kirchgarten“ und bildet den Auftakt des Gartenbandes. Die Barrierewirkung der Breiten Straße soll durch eine Neugestaltung überwunden und der Park besser angebunden werden.

Museumsgarten
Der Museumsgarten verbindet die Einrichtungen des Heimatmuseums und ergänzt sie durch eine moderne Freiluftausstellung. Er wird durch den „Erlebnissteg Zeitreise“ (siehe oben) erschlossen.

Kunstgarten
Der Kunstgarten zeigt zeitgenössische bildende Kunst im öffentlichen Raum und ergänzt die Sammlung des Marler Skulpturenmuseums. Die „Kunstvitrine“ ergänzt als leichter, gläserner Pavillon die Museumslandschaft. Wie in einer Vitrine werden Kunstwerke ausgestellt. Der Raum und sein Umfeld können auch für künstlerische Workshops und als Makerspace genutzt werden. Mehrstämmige rotlaubige Bluthartriegel und Bodenintarsien machen ihn selbst zum künstlerisch gestalteten Raum.

Vielfaltsgärten
Ein Schul- und ein Lerngarten bzw. „Grünes Klassenzimmer“ stehen vor allem der Overberg-Grundschule zur Verfügung. Öffentliche Kräuter-, Nasch- und Küchengärten zeigen regionaltypische Pflanzen. Eine „Pionierfläche“ wird gezielt der Sukzession überlassen. Hier bilden geschichtete Streifen aus Betonbruch wichtige Lebensräume. Einige Pioniergeölze werden als Strukturgeber eingebracht.

Klimagarten
Der „Klimagarten“ ergänzt den Gehölzbestand und zeigt beispielhaft regionale klimaangepasste Bäume und Pflanzungen.
Aktion

Klimaspielplatz
Der Spielplatz mit Wasserspielbereich, einer Sandlinse und einem Hindernisparcours macht die Topographie, Naturmaterialien und Pflanzen selbst zum Spielinhalt. Kinder können sich ausprobieren, die eigenen Grenzen kennen lernen und Naturerfahrungen sammeln.

Lauftraining und Trainingsspots (Hyrox)
Der Parkrundweg soll zum Wandern, Joggen, Nordic Walking, oder Langlauf einladen. Neben farblichen Markierungen und Übersichtstafeln schaffen Beacons, kleine Sender, Orientierung und unterstützen durch digitale Informationen das Training.
Hyrox ist ein Trendsport, der Laufen mit Workouts kombiniert. Entlang des Wegs bilden Trainingsspots so einen modernen Trimm-Dich-Pfad mit Trainingsmöglichkeiten für Kondition, Koordination und Motorik. Different-Walking, Balance-Parcours, Erdwellenlaufen, ein Sensorikweg und andere ermöglichen auf spielerische Weise die Aktivierung der gesamten Körpermuskulatur. Die Stationen können von Besuchern jeden Alters genutzt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser der Arbeit schlagen vor, den Volkspark zu einem Klimapark weiter zu entwickeln. Dabei sollen sich die unterschiedlichen Funktionen und Ansprüche überlagen, gegenseitig ergänzen und verstärken. So soll ein Hybridpark entstehen, der Naturerlebnis und Erholung ebenso bietet wie generationsübergreifende Spiel- und Sportaktivitäten. Dabei geht der neue Klimapark sehr behutsam und sensibel mit dem wertvollen Baumbestand um. Lediglich im Bereich des ehemaligen Stadions werden Rodungen vorgenommen, um die neue großzügig angelegte und multifunktional-nutzbare Wiesenlandschaft mit den Gewässern zu verbinden. 
Der vorhandene Waldbereich entlang der östlichen Parkseite bleibt davon unberührt und schafft somit einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Das neu angelegte Freizeit- und Aktionsband entlang der Ophoffstraße wird für angemessen empfunden und schafft eine Vielzahl an neuen Angeboten. Die Erschließung des Parks erfolgt über einen Rundweg, der alle Bereiche mit einander verbindet und gut mit der Umgebung verbunden ist. Die nördliche Anbindung an die Breite Straße erfolgt ausschließlich über den neu gestalteten Museumsgarten, was teilweise kontrovers diskutiert wurden ist. Die vorgeschlagene Zusammenführung bzw. Verbindung der Wasserflächen wird aufgrund der unterschiedlichen Höhenlagen kritisch gesehen. 
Die verwendeten Materialien erscheinen zu vielfältig und überzeugen nur in Teilen. Insgesamt stellt der Beitrag eine spannende und angemessene Weiterentwicklung des Volksparks dar, der viele spannende Bereiche und klimatisch-wertvolle Landschaften verspricht. 
Blatt 1

Blatt 1

Blatt 2

Blatt 2

Blatt 3

Blatt 3