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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Entwicklung „Campus Dachgrub“ in Gaggenau

ein 1. Preis

Preisgeld: 20.000

schaudt architekten bda

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

freiraumconcept sinz-beerstecher + böpple

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wie wollen wir in Zukunft lernen und lehren?
Campus Dachgrub bietet zukünftig Raum für Schüler:innen, Kindergartenkinder, Eltern, Familien und
Stadtbewohner:innen um Kreativität anzuregen und einen Raum der Begegnung zu schaffen. Die Sanierung
und Erweiterung der Realschule Gaggenau stellt den Auftakt des Masterplans Campus Dachgrub dar. Der
Erweiterungsbau vervollständigt das Bestandsgebäude nach Nordosten und fügt sich wie
selbstverständlich zwischen Bestand und naturbelassenem Biotop ein. Der Erweiterungsbau nimmt in
Höhe und Kubatur Bezug zum Bestand und trägt zur Bildung des Vorplatzes und Schulhofs bei. Somit wird
die Wirkung des Komplexes als Gesamtensemble gestärkt. Durch die Verortung des Kindergartens sowie
die Erweiterung der Sporthalle wird der Campus zoniert und es entstehen geschützte Plätze mit
Blickachsen ins Grüne.

Freiraum
Der neue „Campus Dachgrub“ ist geprägt von den bestehenden Grünstrukturen, Baumgruppen und
Wiesenflächen. Zwischen den verschiedenen Schulen soll der Charakter des grünen Campus erhalten, bzw.
gestärkt werden. Wege und Wiesenflächen schlängeln sich spielerisch von Schule zu Schule und vernetzen
die verschiedenen Außenräume miteinander.
Im Übergang zu Sport- und Festhalle und zur neuen Kindertagesstätte lösen sich die Verkehrsräume zur
Platzfläche des zukünftigen Forums auf. Die Ankommenszone für den Hol- und Bringverkehr wird
größtenteils auf dem Parkplatz des Forums abgewickelt und liegt damit räumlich getrennt vom Campus.
Ein zentraler Parkplatz für die Mitarbeiter und Besucher vor der Sporthalle sowie dezentral vor den
Einrichtungen angeordnete Fahrrad- und Behindertenstellplätze sorgen für einen sicheren Schulbetrieb.
Der Zugang für die Schüler erfolgt über die zurückgebaute Mühlstraße.

Die landschaftlichen Gehölzstrukturen, Baumreihen und Heckenriegel der Umgebung werden über die
Hubstraße hinweg in den Freiraum des Schulgeländes überführt und zusammen mit dem vorhandenen
Baumbestand auf dem Campus zu Klimawäldchen verdichtet. In die Wäldchen werden verschiedene
Nutzungen eingelegt. Von der Waldweide, dem Schaukelwäldchen, der Mensaterrasse bis zum Ruhehain
der zum Aufladen der Akkus, der Erholung im Grünen oder auch mal als grüne Klassenzimmer genutzt wird.
Markante große Einzelbäume in den Vorzonen der verschiedenen Einrichtungen geben Orientierung und
wirken zusammen mit der individuellen Ausgestaltung der Wäldchen identitätsstiftend.
Ein durchgängiger Belagsteppich aus wasserdurchlässigem Pflasterbelag durchzieht den Campus als
multicodierte Pausenhoffläche mit Sitzskulpturen, Tischtennisplatten und Spiel-, Kletter- und
Bewegungsmöglichkeiten. In der Belagstextur öffnen sich Teilflächen zu Kräuterfugen oder Sickerrändern
die das Oberflächenwasser den Retentionsmulden und dem Wasserkreislauf zuführen.
Der nördlich Schulgarten wird über die Vegetationsstrukturen nach Osten erweitert und mit den
Weideflächen vernetzt. Werkhöfe, Schulgärten mit Hochbeeten bieten Lernräume im Freien, die
Experimente mit nachhaltiger Naturerfahrung im jahreszeitlichen Rhythmus fördern.

Innenraum und Architektur
Der Erweiterungsbau der Realschule schließt im Nordosten an das Bestandsgebäude an. Im ersten
Bauabschnitt werden die verschiedenen Nutzungseinheiten im Bestand neu organisiert und
umstrukturiert. So gelingt es im EG durch die Neuordnung der Bestandsräume sowie eine eingeschossige
Erweiterung des Sonderklassentrakts, genügend Fläche zu gewinnen, um eine großzügige Lernumgebung
für die künstlerische, handwerkliche und musische Lehre sowie den Aufenthalts- und Lehrerbereich zu
generieren. Der Neubau von Mensa und Mehrzweckraum im 2. Bauabschnitt sowie die Erweiterung der
Obergeschosse um 12 Klassen – bzw. Individualräume vervollständigen den Baukörper in Kubatur und
Grundrissorganisation. Mensa und Mehrzweckraum können zu einer großen multifunktional nutzbaren
Fläche zusammengeschalten werden. Durch ihre Ausrichtung zu Biotop und Weideflächen verschmelzen
sie mit dem Außenraum und ermöglichen durch eine großzügige Terrasse den Aufenthalt in der
unmittelbar angrenzenden Natur. Die Obergeschosse, welche der Nutzung als Lernumgebung vorbehalten
sind, werden in je 3 Bereiche zoniert. Jeder dieser Abschnitte wird einer Klassenstufe zugeteilt. Die deutlich
ablesbaren Cluster bieten je 4 variationsreiche flexible Klassenräume und 2 Individualräume zur
Differenzierung und individuellen Förderung. Darüber hinaus wird ein Forum als zentraler Treffpunkt des
Aufenthalts, freien Lernens und des sozialen Austauschs der Schüler untereinander geschaffen. So kann ein
zukunftsweisender Unterricht weit über die Grenzen des Klassenzimmers hinaus erfolgen.

Materialität
Der klare und in seiner Form stimmige zurückhaltende Baukörper fügt sich in die umgebende Bebauung
optimal ein und vereint in seinem äußeren Erscheinungsbild die Faktoren der Wirtschaftlichkeit,
Kompaktheit und Nachhaltigkeit in einer zeitgemäßen Architektursprache.
Die Fassade nimmt die horizontale Bänderung der Bestandsfassade auf und stärkt so das Gesamtensemble
aus Bestand und Erweiterung. Großflächig eingeschnittene Fensterelemente schaffen eine Verbindung der
Klassenräume zum Außenraum und bestimmen zusammen mit den geschlossenen Fassadenteilen das
einladende Erscheinungsbild der Realschule.
Im Inneren dominieren hell pigmentierte Böden, Wandflächen, Decken und Türen aus Holz von
heimischen, regional verfügbaren Baumarten.
Vereinzelt platzierte Farbakzente an Wänden und Decken sorgen für eine Belebung der Räume, dienen den
Schüler*innen als Orientierung und sollen die Kreativität und Lernbegeisterung anregen.

Architektur / Tragkonstruktion
Der Erweiterungsbau der Grundschule ist in nachhaltiger Holzbauweise angedacht. So werden die Werte
der Naturparkschule aufgenommen und sichtbar nach außen projiziert.
Die Gebäudehüllen, bestehend aus Wänden und Dach, sind als hochgedämmte Holzkonstruktion
konzipiert. So können z.B. die KfW-40 Anforderungen auf einfache Weise erreicht werden.
Das extensiv begrünte Dach soll in Teilen zusätzlich mit einer flächenbündigen PV-Anlage belegt werden,
die den benötigten Strom für das Gebäude erzeugt.
Bestand und Erweiterung werden durch eine vorgelagertes Holzstruktur zur Fassadenbegrünung optisch
zusätzlich in Einklang gebracht. Die Fassadenbegrünung schafft nicht nur zusätzlichen Lebensraum für Tiere
und reduziert die Lärmbelastung am Gebäude, sondern sorgt neben frischer Luft auch für die Verschattung
der Fassaden, die Reflexion des Sonnenlichts und eine geminderte Aufheizung des Gebäudes. Durch
zusätzlich angebrachte Verschattungselemente kann der Wärmeeintrag im Sommer auf ein Minimum
reduziert werden.
Die akustischen Anforderungen, sowie die Beleuchtung der Räume können über die Holzdecken erreicht
werden. Horizontale Fensterbänder, deren Position mit Bedacht gewählt wurde, um einen ausgewogenen
Öffnungsanteil der Fassade zu erreichen, bringen viel natürliches Licht in die Räume und dienen der
natürlichen Belüftung der Räume. Unterstützend können die Räume z.B. über dezentral gesteuerte
Fassadenlüftungsgeräte belüftet werden, die einen kostengünstigen Unterhalt garantieren.


Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt im Ideenteil durch die Konzentration auf nur wenige neue Bausteine, die sowohl städtebaulich als auch funktional die bestehenden Gebäude der Realschule, sowie der Sporthalle gelungen ergänzen. Die Gliederung der Freiflächen knüpft an die ursprüngliche Gestaltung an und bietet eine Fülle von Möglichkeitsräumen. 
Die Naturparkthematik wird über die „Waldweide“ Teil des Schulhofalltags. Im besten Sinne wird hier der Naturpark zur Marke der Schule, welche gemeinschaftliches Lernen im Freien ermöglicht. Kontrovers diskutiert wird die Platzierung des Standortes des neuen Kindergartens im Nord-Westen, direkt an der Straße „Am Gommersbach“, wodurch der Bezug zum Bildungscampus verloren geht. Nicht gut gelöst ist auch die freiräumliche Gestaltung vor der Festhalle mit der großen Parkfläche direkt vor dem Eingang. Begrüßenswert wäre hier eine Veranstaltungsfläche, welche die Festhalle in die Freifläche des Campus integriert. Die Verkehrssituation ist gegenüber der jetzigen Situation unverändert und müsste überarbeitet werden. Es wird angeregt zumindest einen Teil der barrierefreien Parkflächen direkt den Gebäuden zuzuordnen. 
Die Platzierung von mehrere Fahrradstellplätze im Campus wird begrüßt. Der Verkehrsübungsplatz ist an der Grundschule gut situiert. Die vorgeschlagene Ergänzung der Realschule im Realisierungsteil orientiert sich an der bestehenden Gebäudestruktur und Höhenentwicklung. So wird der eingeschossige Pavillon, sowie der dreigeschossige Hauptbau selbstverständlich und konsequent nach Nord-Osten räumlich ergänzt. Die bestehende innere Raumstruktur wird funktional schlüssig weitergeführt. Durch das Öffnen der Stirnseiten wird auf eine einfache Weise der Innenraum der Schule belichtet und Blickbeziehungen nach Außen ermöglicht. Auch die sackgassenartige Flurerschließung im eingeschossigen Bestand wird durch die Ergänzung räumlich aufgelöst. Die innere Struktur der Schule ist funktioniert gut organisiert und lässt einzelne Clusterbildungen und Nutzungssynergien zu. Der Aufzug ist für eine barrierefreie Nutzung zu klein gewählt. 
Der Vorschlag eines umlaufenden vorgesetzten Fluchtbalkons wird als positiver Beitrag hinsichtlich des Sonnenschutzes, Fassadenbegrünung und Fluchtweg begrüßt. Sie fasst als neue Fassadenstruktur auch gestalterisch gelungen Bestand und Neubau zusammen. Im Bereich des eingeschossigen Anbaus erweitert sich der Balkon zu grünen Klassenzimmern, die eine räumlich schöne Ergänzung des Bestandes sind. Hier stellt sich bei der tiefe der Balkone allerdings die Frage der inneren Belichtung der Räume. Kritisch bewertet wird die BA-Bildung. 
Die Flächenvorgaben sind im 1.BA erheblich unterschritten. Auch hinsichtlich der vorgeschlagenen Fluchtbalkone wird der 2. BA. Elementar für räumlich sowie gestalterischen Idee der Arbeit, da im 1. BA der Ringschluss der vorgesetzten Fluchtbalkone nicht möglich ist. Insgesamt stellt die Arbeit einen hochwertigen Beitrag für die komplexe Aufgabenstellung dar und besticht durch die vermittelnde Atmosphäre von Freiraumgestaltung und räumlich-funktionaler Erweiterung des Bestandes.