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Zweiphasige Planungskonkurrenz | 06/2022

Neubau Bildungscampus West in Heilbronn

Finalist

asp Architekten GmbH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

TREIBHAUS Landschaftsarchitektur Berlin/Hamburg

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wissensstadt Heilbronn

Wissen und Innovationen entstehen heute mehr denn je in Netzwerken und durch Kooperationen. Vielfältige Impulse, das Erleben von unterschiedlichen, übergreifenden Blickwinkeln und Lebensentwürfen sind wichtige Treiber. Neben institutionellen Kooperationen und als Ergänzung zur virtuellen Zusammenarbeit gewinnen reale Orte der Begegnung und des Austausches zunehmend an Bedeutung. Arbeits-, Lern- und Wissensorte beschränken sich nicht mehr auf klassische Strukturen, sondern erweitern sich in den Stadtraum, ins Öffentliche aber auch ins Private.

Als Reaktion auf diese Entwicklungen sollen mit der Erweiterung des bestehenden Bildungscampus‘ zukünftig Hochschuleinrichtungen mit Büro- und Handelsfunktionen sowie mit hochschulbezogenem, studentischem Wohnen verschränkt und durch öffentliche Sport-, Freizeit-, Kultur- und Erholungsräume ergänzt werden. Dabei soll ein neuer Campus entstehen, der als Tauschplatz des Wissens fungiert und ein innovationsförderndes Umfeld schafft, um Talente für Morgen auszubilden. Ein Ort, der Schnittstellen in die Wirtschaft und zugleich in die Gesellschaft bietet. Für die Entwicklung des Ortes bedarf es eines räumlichen Leitbilds und eines Entwurfs, der einen eigenständigen Charakter entwickelt, der flexibel auf die kommenden Bedürfnisse reagiert, Begegnungen fördert und ein lebendiges, in die Stadt integriertes Wissensquartier ausbildet.

Räumlich flexible Entwicklung
Um möglichst resilient für die Zukunft aufgestellt zu sein, liegt dem Entwurf ein klares Raster zu Grunde, das mit unterschiedlichen Gebäudetypologien gefüllt werden kann. Somit kann flexibel auf zukünftige Anforderungen reagiert werden. Eine Abfolge öffentlicher und grüner Freiräume, Achsen und vertikaler Verbindungen reagiert differenziert auf das jeweilige Umfeld und gewährleistet die Verknüpfung der vielfältigen Nutzungen. Markante Baukörper an den Eingängen des Quartiers und an der Campusmitte erleichtern die Orientierung. Innerhalb des Quartiers wird die Baustruktur durch Dachterrassen kleinteilig ausgebildet und somit ein stark visueller und räumlicher Bezug zum Campus geschaffen. Vielfältige ökologische und soziale Freiraumqualitäten ergänzen die Gebäude.

Kommunikation im kreativen Milieu
Ein neuer Wissensort lebt von Begegnung, von einem kreativen Milieu, das sich aus einer räumlichen Verdichtung von technologischen und institutionellen, kulturellen und sozialen Faktoren zusammensetzt. Den Rahmen hierfür bildet die öffentliche Erdgeschosszone, spezifische Zonen in den Obergeschossen und auf den Dächern. Die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und Typologien der Gebäude generieren, zusammen mit dem Freiraumsystem, ein übergeordnetes Netz an Kommunikationsräumen. Außen und innen verzahnen sich, Treffpunkte entwickeln sich vom Straßenniveau bis auf die Dachflächen. Brücken als geschlossene und offene Grünraum-Verbindungen lassen zudem einen dynamischen Wissensaustausch zu. So werden die vielfältigen Forschungs- und Lebensräume sichtbar und befruchten sich wechselseitig.

Hybride Räume
Die Gebäude werden als Hybride ausgestaltet und vereinen unterschiedliche Funktionen in einem Baustein. Dadurch entstehen Cluster, die durch vier verschiedenen Raumkategorien angereichert werden: Collaboration Spaces bieten Platz für Nutzungen, die große zusammenhängende Flächen benötigen, wie Werkhallen, Makerspaces und Labore. Concentration Spaces sind hingegen kleinteilig parzelliert mit festen, individuellen Nutzungen.
In Community Spaces, die Bezug zur Öffentlichkeit aufweisen, aber teilweise zugangsbeschränkt sind, befinden sich vor allem Seminar- und Gruppenräume sowie studentische Lernwelt und Wohnen. Chill Out Spaces stellen Freizeitangebote, wie Gastronomie- und Sportflächen zur Verfügung. Durch das Zusammenwirken der vorgeschlagenen Raumkategorien können die unterschiedlichen Bedürfnisse, nach Austausch und Teamarbeit oder zurückgezogenem, konzentriertem Arbeiten flexibel bedient werden.

Attraktive Konnektivität
Der Campus ist als autofreies Quartier gedacht, der MIV wird in Mobilitäts-HUBs an den Quartierseingängen untergebracht. Auf Auswirkungen des Klimawandels und Schutz der Biodiversität wird reagiert. Die Tiefgarage und unterirdischen Lagerflächen werden so ausgebildet, dass Grünräume nicht unterbaut werden. Alle Gebäude sind andienbar, die Erschließungsräume haben jedoch die Qualität stark durchgrünter Shared-Space-Flächen. Die am Rand des Campus verteilten Mobilitätstationen sorgen für eine attraktive Anbindung des ÖPNV und des Zweiradverkehrs.
Rad- und Fußgängerbrücken verknüpfen den Bildungscampus mit dem Neckarbogen und dem Bestandscampus. Das Thema der hohen Konnektivität wird hier weitergeführt und die unterschiedlichen räumlichen Qualitäten somit verbunden und erfahrbar gemacht.

Campus am Wasser
Die Chance den Bildungscampus am Neckarufer entlang zu entwickeln, wird mit Freude aufgegriffen. Die Campusmitte dient als neuer Begegnungsort für HeilbronnerInnen und Hochschulangehörige und bietet Raum für eine Vielzahl von temporären Nutzungen und Bespielungen sowie Großveranstaltungen im Freien für bis zu 3000 Personen. Durch die räumliche Öffnung Richtung Süden bildet der Campus einen starken Bezug zum Wasser und dem gegenüberliegenden Neckarpark. Als pulsierendes Herz werden neue Qualitäten geschaffen, die den bestehenden Campus erweitern und ergänzen.
Die Neckarstufen ermöglichen durch die Transformation der Slipanlage einen direkten Zugang zum Wasser und laden zum Picknick und Sonnen ein. Am Wasser bildet sich eine hölzerne Plattform aus, die als Kulturbühne genutzt werden kann. Die starke Orientierung zum Neckar wird durch das terrassierte Gastronomie- sowie das Veranstaltungsgebäude weiter in den Campus hineingetragen.

Die Campusmeile stellt die zentrale Verknüpfung zum bestehenden Campus her und bietet sowohl schattigen Rückzug als auch Raum für öffentliche Aneignung und Nutzung. Der Ort wird geprägt durch ein Baumdach, das für Schatten und ein gesundes Mikroklima sorgt. Unter den Bäumen finden sich unterschiedlich gestaltete Zonen, die sich für Nutzungen wie Outdoor Learning oder Cafébetrieb anbieten.

Der Neckarweg schafft eine durchgehende Wegeverbindung entlang des Neckars, dessen Ufer in seiner weichen, biodiversen Struktur weitestgehend unberührt gelassen wird. Durch die mäandrierende Wegeführung bilden sich Uferpockets, kleine Freiräume wie die Strandbar oder das Sportfeld mit dem Sportsteg, die das Neckarerlebnis fördern.

Soziale und ökologische Freiräume
Neben der Campusmeile, der Campusmitte und der Uferzone ziehen sich durchgrünte Achsen durch die Baustruktur. Aurazonen vor den Gebäuden bieten einerseits einen Außenraum für die Erdgeschosse und andererseits die Möglichkeit für großzügige, bodengebundene Fassadenbegrünung. In offenen Rigolen wird Regenwasser gesammelt und erlebbar gemacht. Innerhalb der vorgeschlagenen Bebauungsstruktur entstehen außerdem differenzierte Höfe, die die Gebäudenutzungen nach außen tragen und öffentlich zugänglich machen. Sie sorgen für eine starke Belebung auch außerhalb der Campusmeile und laden dazu ein, den Freiraum mitzugestalten. Vertikale Freiraumstrukturen können Höfe räumlich einfassen, um beispielsweise Präsentationen und Veranstaltungen nach außen zu bringen. Der Makerhof kann bei Bedarf als Erweiterungsfläche des Fraunhofer Instituts dienen.

Durch die Staffelung der Gebäude entstehen vielfältige Dachterrassen, die als nutzungsbezogene Freiflächen beispielsweise für Urban Gardening oder sommerliche Arbeitsplätze dienen können. Extensive und intensive Gründächer übernehmen wichtige Funktionen für Regenwasserretention, Stadtklima und Biodiversität in der Stadt übernehmen und werden durch Photovoltaikanlagen zur grünen Stromgewinnung ergänzt. Im Zusammenspiel dieser Bausteine wird somit der räumliche Rahmen für Innovationsfähigkeit und -tätigkeit in der Region aufgespannt, den es in Zukunft zu füllen gilt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebaulich-freiräumliche Raster aus 33 x 33 m² großen Baufeldern bzw. Gebäuden überzeugt durch eine modulare Bauweise. Jedoch wird die Größe, Flexibilität, Adressbildung und Wiedererkennbarkeit sowie die Hierarchisierung dieses vorgegebenen Systems kritisch bewertet.

Das Raster wird durch eine großzügige Ost-West-Verbindung in der Mitte gegliedert. Die Anbindung an den bestehenden Bildungscampus nach Westen ist gut gelungen. Der östliche Abschluss dagegen endet unvermittelt zwischen Parkhaus und Rückseite Hochpunkt. Ebenso ist keine plausible Vernetzung in Nord-Süd-Richtung erkennbar – insbesondere nicht zwischen der im Norden verlaufenden Platzfolge und der mittleren Ost-West-Verbindung. Dieses wenig hierarchisierte Netz der öffentlichen Räume erzeugt darüber hinaus enorme Verkehrsflächen mit einem Anteil von über 40 %. Diese Flächen sind zusätzlich überwiegend versiegelt und an vielen Stellen ohne Baumbestand.

Der sich zum Neckar öffnende Platz erzeugt gute Blickbeziehungen zum Wasser, jedoch scheint der bedeutende Umlenkpunkt zwischen Platz und zentraler Ost-West-Verbindung räumlich nicht zu funktionieren. Wichtige belebende Nutzungen wie beispielsweise die Mensa orientieren sich unvorteilhafter Weise nicht zu diesem Stadtraum. Ein zweiter großer – ebenfalls versiegelter Freiraum – öffnet sich nach Osten Richtung verkehrsbelastetem Europaplatz und ohne Bezug zum Wasser. Zusätzlich treffen hier Mensaaußenbereich und Anlieferung Restaurant unglücklich aufeinander.

Die gleichförmigen Baukörper des Rasters werden im Süden durch einen freien Baukörper sowie ein großformatiges L-förmiges Gebäude ergänzt, können jedoch keine Einheit bilden und stehen unvermittelt nebeneinander. Die Idee die nördlichen Baukörper über Brücken zu verbinden wird als innovative Idee gewürdigt. In der Anordnung (keine Vernetzung der Dachflächen) sowie in ihrer Breite (Verschattung) kann dieser Vorschlag jedoch nicht überzeugen.

Insgesamt wird die konsequente Haltung der Arbeit positiv gewertet, kann aber in diversen prägenden und entwurfsrelevanten Punkten nicht überzeugen.