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Einladungswettbewerb | 04/2021

SR75 – Bürogebäude am Sachsenring in Köln

Lothringer Straße

Lothringer Straße

ein 3. Preis

Preisgeld: 14.000

GRÜNTUCH ERNST ARCHITEKTEN

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Wer hundert Jahre alt werden will braucht gute Gene, ernährt sich ausgewogen und bewegt sich regelmäßig:
Sorgfältig geplant – Nachhaltig bewirtschaftet – Ein robustes Skelett für wandelbare Zeiten.
Städtebauliche Situation
Das Grundstück am Sachsenring befindet sich in einem heterogenen Umfeld, im Übergangsbereich der Stadt zwischen großer Ringstraße und Innenstadt im Norden und kleinteiligem, durchgrünten Quartier nach Süden.
Erklärtes Ziel ist es, zwischen diesen Polen eine vermittelnde Position einzunehmen: Das große, repräsentative Volumen am Sachsenring gliedert sich versöhnlich in Richtung Süden zur feinkörnigen und maßstäblichen Parzellengröße.
Erreicht wird dies durch eine Abstufung des Baukörpers von sechs Geschossen am Sachsenring bis auf zwei an der Lothringer Straße. Durch dergestalt skalierte Annäherungen gelingen harmonische Anschlüsse an die Nachbargebäude auf beiden Seiten der sich nicht verleugnenden durchgehenden Gesamtstruktur.
Organisation und Erschließung
Aufgrund seiner Länge ist der Baukörper zweigeteilt, jeweils erschlossen von einem Sicherheitstreppenhaus. Das Hauptfoyer des Gebäudes am Sachsenring liegt gut sichtbar unter dem Hochpunkt an der Gebäudeecke zur Hardefuststraße, aus der das zweite Treppenhaus erreicht wird. Pro Geschoss erschließen die beiden Treppenräume bis zu vier Einheiten (zwei je Etagenfoyer). Erfahrungsgemäß können geringfügige Überschreitungen der Brandabschnittsbereiche (400qm) durch kompensiert werden z.B. durch den Einsatz einer Brandmeldeanlage.
Beide Gebäudehälften lassen sich z.B. bei Nutzung durch einen Einzelmieter problemlos über die Brandwand in der Mitte des Gebäudes hinweg verbinden.
Gebäudetiefe und Stützenraster sind so gewählt, dass sich im Gebäude eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzungs- und Belegungskonzepte darstellen lässt. Flurzonen können entweder entweder innerhalb oder außerhalb der inneren Stützen angeordnet werden, wodurch sich Tiefe der Mittelzone und Büroflächen individuell anpassen lassen und die Büroeinheiten so ja nach gewünschter Infrastruktur an WCs, Archiven, Besprechungsräumen usw. wachsen und schrumpfen können.
Dem Skelettbau liegt ein 1,35m-Ausbauraster zu Grunde, dass alle denkbaren Größen von Einzel- über Gruppen- bis Großraumbüros ermöglicht und jederzeit Anpassungen an sich wandelnde Bedürfnisse zulässt.
Das erhöhte Erdgeschoss erweitert sich stützenfrei in den Innenhof und kann wahlweise einen Konferenzbereich oder andere gemeinschaftlich nutzbare Büroinfrastruktur beherbergen, ebenso wie gewerbliche Nutzer:innen oder auch zusätzliche Bürofläche.
Allen Geschossen sind vielfältig nutzbare Terrassen- und Parkflächen nach Süden zugeordnet, die nicht nur die Arbeitsbereiche aus den Büros unmittelbar in die Außenräume erweitern, sondern auch einen wertvollen Beitrag zur Qualifizierung des lokalen Mikroklimas leisten.
Die Tiefgarage unter dem Gebäude bietet Platz für 53 PKW. Erreicht wird die Garage über eine Rampe von der Lothringer Straße. Neben der PKW-Spur befindet sich eine weitere Spur für Radfahrer:innen, die den Abstellraum für Fahrräder ebenfalls im Untergeschoss vorfinden. Zur Förderung des Radverkehrs bieten wir Umkleiden und Duschen in der Nähe der Aufzüge im Untergeschoss an.
Alle Eingänge und Büroflächen des Gebäudes sind barrierefrei erreichbar.
Konstruktion
Das Gebäude wird als hybride Skelettkonstruktion geplant, die die natürlichen Stärken der Baustoffe Holz und Stahlbeton ausnutzt. Unter- und Erdgeschoss und die zur Aussteifung notwendigen Treppenkerne wird als konventionelle Stahlbetonkonstruktion errichtet.
Die Obergeschosse werden aus Fertigteilen in einer Skelettkonstruktion aus Brettschichtholzstützen und -trägern und Brettsperrholz-Decken errichtet. Die Holzdecke dient hier als verlorene Schalung für die darauf gegossene Ortbetondecke, die den geschossübergreifenden Brandschutz sicherstellt und durch Ihre Masse einen ausreichenden Schallschutz gewährleistet. Unterseitig bleibt so die Holzdecke sichtbar.
Auf der Rohdecke kommt ein Hohlraumboden von 20cm zum Einsatz.
Durch den hohen Vorfertigungsgrad der Skelettkonstruktion lässt sich auch die Bauzeit deutlich verkürzen.

Fassade
Die tragende Holzkonstruktion des Gebäudes spiegelt sich auch in der Gestaltung und Materialität der Fassade wieder. Sie gliedert sich analog zum Tragwerk im Inneren des Gebäudes. Die Stützen im Abstand von 2,7m bilden sich deutlich in der Fassade ab. Für die Verkleidung der Stürze sowie der Stützen schlagen wir Furnierschichtholz vor, welches durch Kesseldruckimprägnierung die notwendige Widerstandsfähigkeit gegenüber der Bewitterung erhält.
Zum Schutz vor Bewitterung ist außerdem das horizontale Fassadenprofil auskragend ausgebildet und wird oberseitig mit einer Zinkabdeckung versehen.
Die Fenster sind im 1,35m-Raster geteilt, jedes zweite Fensterfeld ist mit Öffnungsbegrenzer zu öffnen. So wird eine unkomplizierte Reinigung der Fassade von innen erreicht.
Im Erdgeschoss wird die Stahlbetonkonstruktion durch Sturz- und Stützenelemente aus hellen, sandgestrahlten Betonfertigteilen in der Fassade abgebildet. Diese sorgen für die notwendige Langlebigkeit der erdberührenden Bauteile.
Struktur und Materialität des Innenraumes werden nach außen getragen und zeigen zwischen der heterogenen Bebauung entlang des Sachsendamms deutlich, dass sie für ein neues, gewandeltes Verständnis von nachhaltigem und städtischem Leben und Arbeiten stehen.
Nachhaltigkeits- und Haustechnikkonzept
Ziel der Planung ist die Entwicklung eines ökonomisch und ökologisch optimierten Gebäudes für eine flexible Nutzung für einen Single- oder Multi-Tenant-Betrieb.
Die Errichtung eines Gebäudes ist für den Großteil seiner CO2-Emissionen verantwortlich. Diese zu minimieren, war unser Ziel. Dafür schlagen wir die oben beschriebe Holz-Hybrid-Konstruktion und Holz-Fassade vor. Alleine in den Deckenflächen lässt sich so der CO2-Ausstoß von ca. 270kg/m2 auf unter 35kg/m2 reduzieren.
Das kompakte Gebäudevolumen mit hervorragendem A/V-Verhältnis, die hochwärmegedämmte Fassade mit optimierten Wärmebrücken und ein intelligent steuerndes und vernetztes Gebäudetechniksystem sorgen außerdem für niedrige Kosten und CO2-Emissionen im laufenden Betrieb.
Die intensiv begrünten Dachflächen und der grüne Innenhof tragen durch ihre Bepflanzung wesentlich zur Verbesserung des Mikroklimas auf dem Grundstück bei. Zusätzlich zur CO2-Absorption und der messbar besseren Luftqualität werden die Luft- und Oberflächentemperaturen auf der Fassade in den Sommermonaten deutlich reduziert, was neben der Verringerung des städtischen Wärmeinseleffekts auch die notwendige Energie zum Kühlen um 5 - 7% reduziert.
Wir schlagen vor, das auf den Dachflächen aufgefangene Wasser zentral im Untergeschoss aufzubereiten, um es wieder in den TW-Kreislauf des Gebäudes einleiten zu können und die Einleitung des Regenwassers in das öffentliche Netz zu reduzieren.
Wasser ist eine Ressource, deren nachhaltige Bewirtschaftung insbesondere durch die Folgen des Klimawandels immer wichtiger wird. Wir schlagen daher vor, durch die Verwendung von gesammeltem Grauwasser den Frischwasserbedarf deutlich zu reduzieren.
Die Lüftung der Büroflächen erfolgt über dezentrale Geräte, die in die Fassade, bzw. den Hohlraumboden integriert werden. Diese sorgen für einen natürlichen, „atmenden“ Luftwechsel mit hoher Behaglichkeit und sind durch die effiziente Wärmerückgewinnung von über 80% sehr energiesparend. Die Regelung erfolgt über Zeit- oder CO2-Sensoren. Zusätzlich ist eine natürliche Fensterlüftung möglich über Öffnungsflügel mit Öffnungsbegrenzer.
Photovoltaik-Module auf der obersten Dachfläche erzeugen einen Anteil am Energiebedarf des Gebäudes.
Die Planung basiert auf einer strikten Verwendung von Baustoffen mit geringen negativen Umwelteinflüssen. Hierzu erfolgt eine planungs- und baubegleitende Prüfung und Dokumentation der Baustoffe hinsichtlich Materialgesundheit, Wiederverwendbarkeit und Kreislauffähigkeit. Es werden abfallarme Systeme eingesetzt. Der sortenreine Rückbau wird planerisch beachtet.
Naturbezug und natürliche, warme Materialien wie die geplanten Holzoberflächen tragen nachweislich zum Wohlbefinden und der Gesundheit der Mitarbeiter:innen bei. Nicht erst durch die Covid-19-Pandemie sind daher Aufenthalts-, Arbeits-, und Besprechungsmöglichkeiten im Freien immer stärker nachgefragt.
Zur Förderung von E-Mobilität schlagen wir vor, 20% der PKW-Stellplätze mit E-Ladestationen auszurüsten und die weiteren Stellplätze soweit vorzurüsten, dass eine nachträgliche Installation an sämtlichen Stellplätzen in der Zukunft möglich ist.
Durch diese Konzeptbausteine soll eine Platinzertifizierung nach DGNB oder LEED ermöglicht werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeigt sich in einer ruhigen, unaufgeregten und selbstverständlichen Haltung und integriert sich sehr gut in das städtebauliche Umfeld. Sehr positiv wurde der städtebauliche Ansatz dieser Arbeit mit einer prägnanten Eckerscheinung zum Sachsenring und einem stufenartig herabfallenden Baukörper in südlicher Richtung zur Wohnbebauung bewertet. Der Gebäudekörper fügt sich damit sehr gut in die Maßstäblichkeit der Nachbarschaftsbebauung ein und es entstehen große Dachebenen für die Bürowelten. Diese Abstaffelung wurde im Hinblick auf sehr die konsequente Bildung des Volumens kontrovers diskutiert.
Als stärkstes Argument für das abgestaffelte Volumen wurde die positive Auswirkung auf die Belichtung des Innenhofes sowie der Büroflächen hervorgehoben.
Die Ruhe und Selbstverständnis dieser Arbeit überzeugt; die sehr ausgeprägten Terrassen wurden durch das Preisgericht ausdrücklich gewürdigt.
Die horizontale Bänderung und die Strukturierung der Holzfassade wird als interessanter und feinfühliger Ansatz mit eigenständigen und handwerklichen Qualitäten gewertet.
Die Erschließung über 2 Treppenhäuser einmal über die Ecke Sachsenring/Hardefuststraße als Hauptfoyer sowie einem Nebeneingang von der Hardefuststraße erschienen ein wenig zu „gezwungen“. Sehr positiv wurde die separate Fahrradspur zur Tiefgarage nebst Umkleide und Duschen empfunden. Die Tiefgarage bleibt in der Größe hinter den Erwartungen zurück
Die Arbeit punktet mit der Idee einer Holzhybridkonstruktion, die vorgesehenen Holzaluminiumfenster ergeben eine Warmtonigkeit nach innen, die sehr strukturelle Fassade bieten ein homogenes Erscheinungsbild. Der Sonnenschutz wurde als architektonisches Element in den Entwurf mit eingebaut.
Durch die Konzentration auf die Terrassen lag der Fokus weniger in Hofnutzung, die dadurch in den Hintergrund gerückt ist. Die Integration des bestehenden Hofes hätte deutlicher erfolgen können. Der hohe Dachterrassenanteil hat Diskussionen zur Nutzbarkeit, Vermietbarkeit und dadurch der Wirtschaftlichkeit entstehen lassen.
Die Konferenzzonen im Erdgeschoss weisen eine zu hohe Gebäudetiefe aus, die eine alternative Nutzung erschweren. Die Grundrisse sind relativ klar und einfach, das Fensterachsmaß von 1,35 m lässt eine flexible Aufteilung zu, die höhere Gebäudetiefe allerdings lässt eine gute Flächeneffizienz in Frage stellen. Die grundsätzlichen Teilbarkeiten zwischen 270 – 520 m²-Einheiten wurde für vermarktungsfähig angesehen.
Gegebenenfalls könnten die WC-Kerne im Sinne des Durchbindens noch einmal durchdacht werden. Die abgestaffelte Bauweise wurde zu Lasten der Gebäudetiefe und somit Flächennutzungseffizienz gewertet. Insbesondere der Gebäudeteil zum Sachsenring zeigt eine Übertiefe der Gebäudestruktur und wurde daher kritisch betrachtet.
Die Vermietbarkeit der Dachterrassenflächen wurde in Frage gestellt und als in dieser Dimension für nicht, bis schwer vermietbar eingestuft.
Ein sehr hoher Anteil von Begrünung durch die parkähnlichen Dachterrassen, die PV-Anlage sowie die Berücksichtigung der Fahrrad- und Lastenfahrradstellplätze wurden mit einem hohen Nachhaltigkeitsfaktor hervorgehoben.
Das Projekt zeichnet sich durch eine überzeugend städtebauliche sensible Setzung aus, und durch eine gestalterisch zurückhaltende wie selbstverständliche Fassadengestaltung und ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie aus.
Sachsenring

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