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Einphasige, wettbewerbliche, parallele Mehrfachbeauftragung für eine Gutachterliche Stellungnahme | 06/2022

Ausweichspielstätte für die Musik- und Tanztheatersparten des Staatstheaters Nürnberg

Teilnahme

gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Architektur

Erläuterungstext

Operninterim Nürnberg

Unsere Standortempfehlung ist der Innenhof als „Möglichkeitsraum“. Er bietet flexible und spannende Synergien für alle zukünftigen Nutzer des Rundbaus samt Interim und schafft eine neue kulturelle Mitte für die Nürnberger Stadtgesellschaft.

Die Grundsatzfrage: außen oder innen?

In der durch die Stadt Nürnberg beauftragten Machbarkeitsstudie zum Interim des Opernhauses wurden drei mögliche Standorte um den Torso der Kongresshalle herum untersucht. Im Ergebnis wurde in fundierter Argumentation festgehalten, dass keiner der untersuchten Bauplätze bei näherer Betrachtung geeignet erscheint.

Während der Standort im Nordwesten des Torsos die Wirkung des Denkmals aus dem Luitpoldhain ebenso beeinträchtigt wie die Sichtbarkeit des Dokumentationszentrums, spricht gegen eine Verortung im Westen der erhebliche Konflikt mit dem dort angesiedelten Volksfestbetrieb, der massive Einschränkungen der Logistik und Erschließung des Interims mit sich bringen würde. Der Standort im Süden entlang des Ufers des Großen Dutzendteiches ist trotz der zunächst verlockenden Qualität, am Wasser zu bauen, nicht nur ungünstig an den ÖPNV im Norden der Kongresshalle angebunden. Viel bedeutender ist die Tatsache, dass naturschutz- und wasserschutzrechtliche Belange vermutlich kaum zu lösen sind.

Viel schwerwiegender sind jedoch die absehbaren denkmalschutzrechtlichen Konflikte einzuordnen. Aus theaterbetrieblichen Gründen ist das Heranrücken des Bühnen- und Zuschauerhauses an den Torso unumgänglich. Dies würde jedoch die berechtigte Forderung des Landesdenkmalamtes unterlaufen, das die originäre Wahrnehmung des baulichen Denkmals aus dem Stadtraum genehmigungsrechtlich priorisiert.

Folgerichtig müssten gravierende Gründe dagegensprechen, dass Operninterim im Torso zu errichten. Diese sehen wir aus nachfolgenden Gründen nicht. Ganz im Gegenteil hätte die Bebauung des Innenhofs im Ergebnis unserer Bearbeitung vielfältiges Potenzial für die Nürnberger Stadtgesellschaft.

Neue Kulturelle Mitte: der Innenhof als diverser „Möglichkeitsraum“

Das Interim der Staatsoper bietet die Chance, als Inkubator eine über die Zweckbestimmung des Baus hinausgehende Entwicklung der Kongresshalle als Kulturstandort zu ermöglichen.

Die bereits im Rundbau angesiedelten Institutionen des Dokumentationszentrums und der Nürnberger Symphoniker werden nach Plänen der Stadt durch Ateliers und Proberäume (Ermöglichungsräume) sowie Museumsdepots synergetisch ergänzt.

Die Schaffung einer kulturellen Mitte als Treffpunkt aller zukünftigen, in der Kongresshalle angesiedelten Nutzer stellt den Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur Standortsuche dar.

Als Treffpunkt einer pluralistischen Kulturgemeinschaft eignet sich der Innenhof in besonderem Maße, da alle genannten Institutionen auf diesen gerichtet sind. Er wird als demokratischer Raum der Begegnung, des Experiments und des Erinnerns verstanden, der sich mit differenzierten Angeboten an die Nürnberger Stadtgesellschaft richtet.

Erschließung

Dem konzeptionellen Ansatz, einen kulturellen Treffpunkt und somit einen öffentlichen Ort im Innenhof zu schaffen, unterstreicht unser Vorschlag zur Verortung des Operninterims das Ergebnis der vorliegenden Machbarkeitsstudie.

Der Entwurf weicht jedoch andererseits bewusst von den Annahmen der Studie ab, in dem er die Publikumsflächen und den Zugang zum Operninterim in den Innenhof verlegt. Dieser wird nicht als interner Erschließung- und Anlieferhof – als „back of the house“ - genutzt, sondern zur Adresse des Interims und der Ermöglichungsräume entwickelt.

Durch diese konzeptionelle Setzung ist gewährleistet, dass der Innenhof mit all seinen anschließenden Nutzungen und Einzeladressen zu einem vielfältigen Experimental- und Kulturraum werden kann, der über die Ermöglichungsräume im Torso hinaus Außenflächen für die zukünftigen Akteure bereithält und eine Durchmischung jedweder Art von Kultur generiert. Die Foyer- und Gastronomieflächen des Operninterims strahlen in den Innenraum aus und dienen als gemeinsamer Treffpunkt, der von morgens bis abends geöffnet ist.

Im Gegensatz hierzu ist eine attraktive Adressbildung entlang der mehr als 550m langen, monotaktischen Arkadenreihungen nur schwer vorstellbar. Insbesondere scheint die Erreichbarkeit der Foyerflächen eines im südlichen Gebäudetrakt verorteten Operninterims in Bezug auf die Haltestellen des ÖPNV im Norden nur unzureichend gegeben zu sein.

Die mit öffentlichen Verkehrsmitteln ankommenden Besucher erschließen den Innenhof entlang des nördlichen Seitenflügels mit attraktivem Blick auf den Großen Dutzendteich. Sie erreichen den Innenhof über die nach Nordosten gerichtete Toröffnung und erblicken neben dem Eingangsbereich des Operninterims gleichzeitig eine Vielfalt kultureller Aktivitäten, die sich mit der Zeit flexibel im Innenhof entwickeln können. Bestandteil des Innenhofs bleiben die Erinnerungsstelen, deren Informationen zur Geschichte des Ortes um Erläuterungen zur möglichen zukünftigen Innenhofnutzung erweitert werden.

Die einzelnen Segmente des Torsos werden von der bestehenden Straße, die in ihrer jetzigen Form und Breite ebenso erhalten bleibt, wie der Bodenbelag der Betonplatte, erschlossen werden. Auf diese Weise ergibt sich eine selbstverständlich zu erfassende Adressbildung der Ermöglichungsräume. Auch die 80 cm über dem Hofniveau angeordnete Ebene zur Anlieferung des Operninterims ist an die vorhandene Straße angeschlossen.

Die Tatsache, dass neben der genannten Straßenerschließung aus dem Innenhof auch weiterhin die um ein Geschoss versetzte Erschließungs- und Anlieferungsmöglichkeit aus der Arkade bestehen bleibt, führt zu größtmöglicher Nutzungsflexibilität.

Baukörperausrichtung und Massengliederung

Der frei in den Hof gestellte Baukörper des Interims entwickelt sich aus den maßlichen Anforderungen des Bühnen- und Zuschauerhauses. Das Interim rückt deutlich vom Torso ab, so dass keinerlei Verengungen oder Rückräume entstehen und eine ausreichende Belichtung der von den Ausmauerungen befreiten Innenhoffassaden des Torsos gewährleistet ist.

Der monumentalen Symmetrie der Kongresshalle wird ein vielgliedriger und höhendifferenzierter Baukörper gegenübergestellt, der durch seine Maßstäblichkeit und Differenzierung ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Identität entwickelt.

Das in der Auslobung genannte Ziel der „Unterordnung“ des Interims in Bezug auf den Torso scheint vor dem Hintergrund der Geschichte des Ortes, namentlich der Parteitage der Nationalsozialisten, nicht nursprachlich problematisch zu sein, sondern auch in Bezug auf die soziokulturelle Bedeutung der Staatsoper für die Stadt wenig verständlich.

Vielmehr erscheint das komplementäre Nebeneinander von Denkmal und Neubau einen spannungsvollen Dialog zwischen dem größenwahnsinnigen Scheitern der Vergangenheit und der kulturellen Aktivierung des Raums in der Zukunft zu generieren, mit dem Ziel, die Erinnerungskultur zu bereichern.

Hierzu bedarf es aus unserer Sicht keines auf sich bezogenen Solitärs mit womöglich spektakulärer Anmutung, sondern vielmehr einer selbstverständlichen Architektur, die sich auf den Hofraum und den Bestandsbau bezieht und ausrichtet.

Bauliche Anmutung und Nachhaltigkeit

Übergeordnetes Ziel unseres Beitrags ist der Vorschlag, ein strukturell einfaches, preisgünstiges, schnell zu errichtendes, an zukünftige Nutzungen adaptierbares und nicht zuletzt demontierbares Interim zu entwickeln. Vor dem Hintergrund einer in die Zukunft gerichteten nachhaltigen Lösung wird eine Hybridkonstruktion vorgeschlagen, deren überwiegender Anteil aus vorgefertigten Holzelementen vorgesehen ist. Unser Entwurf für das Interim wird durch einen Vorschlag für einen flexibel zu bespielenden, mit Ruderalvegetation durchwebten Freiraum ergänzt.

Das Resultat dieses Ansatzes ist ein strukturell gegliederter Bau aus zusammengesetzten Funktionskuben, die außen wie innen die Holzbaukonstruktion zur visuellen, die Identität prägenden Anmutung des Interims verdichten.

Somit wird das Interim aus einem regenerativen, demontablem und wiederverwendbaren Baustoff dem steinernen Ewigkeitswillen der nationalsozialistischen Bauideologie gegenübergestellt. Deutlicher kann die Zukunft des resourcenbewussten Bauens dem Betrachter, der vom Domening’schen Pfahls über das historisch-gesellschaftliche Spannungsfeld blickt, kaum vor Augen gestellt werden.

Gründung und Tragwerk

Das gewählte Tragwerkssystem beruht auf einem durchgehenden Rastermaß von 1,25 m, welches auf ein Pfahlraster aufgesetzt wird. Durch das Anheben des Eingangsgeschosses um 80 cm über die bestehende Bodenplatte des Innenhofs kann diese erhalten werden und durch gezielte Pfahlverdichtungen dort ergänzt werden, wo hohe Lasten aus der aufgehenden Konstruktion auftreten. Die Anhebung des Eingangsgeschosses gegenüber dem Hofniveau bietet darüber hinaus eine optimale An- und Ablieferung.

Funktionsverteilung

Neubau Interim:

Die Besucherbereiche inklusive Foyers, Gastronomie- und Serviceflächen sind ebenso wie der Zuschauerraum mit Hauptbühne, Hinterbühne, Seitenbühne im Interim verortet. Unmittelbar an die Bühnenbereiche angrenzend finden sich weiterhin Probebühne, Orchesterprobe, Garderoben, Montagehalle und eine Präsenzwerkstatt. Ergänzt wird das Interim durch ein vertikales Magazin, bühnennahe Stimmzimmer und zentrale Technikbereiche.

Rundbau: Im Rundbau finden sich der Chrorprobensaal, kleinere Probebühnen, und das Ballettzentrum. In den Bereichen des 1.OG und des 2.OG sind Büro- und Verwaltungsflächen, Räumlichkeiten für Veranstaltungstechnik und Facility Management sowie Räume für Ausstattung, Lager für Kostüm und Maske verortet.

Die Theaterkantine mit den zugehörigen Küchen – und Logistikbereichen findet sich an zentraler Stelle am Übergang zum Interim auf dem Hofniveau.

Umgang mit dem Torso

Der Torso wird hinsichtlich seiner baulichen Struktur, seiner handwerklichen Materialität und der vorhandenen Oberflächen weitestmöglich erhalten. Gleiches gilt im Bereich des Hofes für die verbliebenen Fundamente, Höhensprünge und Außenraumstrukturen. Die zwischenzeitlich vermauerten Fensteröffnungen im Bereich des Hofes werden wieder geöffnet. Mit dem vorgeschlagenen Umgang kann der Rundbau für zukünftige Generationen und Nutzungen unverändert erhalten bleiben.

Freiraumplanung

Das Freiraumkonzept ist einerseits aus dem Bestand entwickelt, berücksichtigt andererseits jedoch auch die funktionalen Anforderungen des Gebäudes sowie der benachbarten Nutzungen. Ein grundsätzliches Ziel ist es, die Monumentalität des Rundbaus in einen stärker landschaftlich geprägten Kontext zu stellen und dabei auch einen „natürlichen“, d.h. menschlichen Maßstab zu entwickeln.
Die Freianlagen sind vielfältig strukturiert und können flexibel genutzt werden - ganz im Sinne eines diversen „Möglichkeitsraumes“.

Ein grüner Saum aus Bäumen umschließt den Außenbereich, wobei vor allem am Volksfestgelände einige Neupflanzungen vorgenommen werden. Dies verbessert zum einen die Einbindung des Rundbaus, zum anderen wird unter den schattigen Kronen auch erstmals eine Zone mit einer qualitätvollen Atmosphäre geschaffen, die auch während der veranstaltungsfreien Zeit ihre Wirkung entfaltet.

Das Ufer des Dutzendteiches wird mit einer sparsamen Intervention in das Konzept einbezogen. Über einen langgezogenen Steg erreicht man das Wasser und erlebt einen völlig anderen Raum. Hier ist auch eine kleine Bühne eingeordnet, wo z.B. in sommerlichen Aufführungen die besondere Situation inszeniert werden kann.

Im Innenhof wird die raue, original überlieferte Bestandsoberfläche als ein geschichtliches Dokument erhalten. Die bereits vorhandene Zonierung wird beibehalten und gestärkt. Während die ringförmige „Straße“ sowie die angrenzenden Segmente eher den gebäudebezogenen Nutzungen zugeordnet sind (z.B. auch Anlieferung des Interims), ist der zentrale Bereich als ein öffentlicher Raum konzipiert. In der Übergangszone erfolgen einige Baumpflanzungen, um die Aufenthaltsqualität zu stärken und der Absolutheit des Rundbaus eine Antwort zu geben. Die Bäume sind verstreut im Ring angeordnet und bilden unterschiedliche Raumsequenzen. Um die Diversität auch hier zum Ausdruck zu bringen, werden unterschiedliche Baumarten verwendet.

Die Möblierung des Innenhofes erfolgt sparsam und trägt einen temporären Charakter. Holzpodeste für Bühne und Außengastronomie beziehen sich auf die Kubaturen des Neubaus, in der Randzone können weitere „spontane“ Möblierungen erfolgen. Mit teilweise temporären Bodenmarkierungen wird ein Leit- und Orientierungssystem entwickelt, welches dem Charakter des komplexen, aber auch flexibel nutzbaren „Möglichkeitsraumes“ Rechnung trägt.

Lageplan

Lageplan

Grundriss Sockelgeschoss

Grundriss Sockelgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Schnitt A-A

Schnitt A-A

Schnitt B-B

Schnitt B-B

Piktogramme zur Herleitung

Piktogramme zur Herleitung