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Nichtoffener hochbaulicher Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil nach RPW 2013 | 06/2022

Wohnquartier „Ehemalige Schamotte-Fabrik“ in Bonn-Duisdorf

Blick in die Wohngasse

Blick in die Wohngasse

Anerkennung

Preisgeld: 20.000

Schaltraum Dahle - Dirumdam - Heise Partnerschaft von Architekten mbB

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Erläuterungstext

ERLÄUTERUNGSTEXT

Städtebau und Idee
Auf dem Wettbewerbsgebiet des ehemaligen Schamotte-Werkgeländes in Bonn-Duisdorf zwischen der Bahnstrecke der Voreifelbahn im Norden und der Bundesstraße „Am Burgweiher“ im Süden soll ein urbanes, qualitätsvolles Wohnquartier entstehen. Als Reminiszenz an die Historie und Wahrung des Genius Loci werden als identitätsstiftende Integration einzelner Elemente der Schornstein und die Backsteinfassade der historischen Schamotte-Fabrik erhalten. Die zweigeschossige Fassade wird von den nicht erhaltenswerten Anbauten und Nebengebäuden freigestellt und das Innere durch einen fünfgeschossigen von der Fabrikfassade zurückgesetzten Neubau ersetzt. Ergänzend wird im Norden parallel zur Bahntrasse ein zweiter fünfgeschossiger Baukörper mit Staffelgeschoss vorgeschlagen. Dieser Zeilenbau dient als Schallschutz für das neue Quartier und als städtebauliches Gegenüber zur neuinterpretierten Fabrik. Im Ensemble-Inneren, von dem die einzelnen Treppenhäuser der neuen Gebäude erschlossen werden, entsteht eine „Gasse“ mit qualitätsvollen und urbanen Begegnungsräumen für die Bewohner – mit Blick auf den Schornstein. Die Gasse wird zu einem gemeinschaftlichen Ort: Grünflächen, Gemeinschaftsbeete und Sitzgelegenheiten beleben die Erschließungsfläche und schaffen für die Bewohner einen großen Mehrwert.

Perspektivisch kann für die östlich und westlich angrenzenden Flurstücke, die derzeit noch nicht zur Verfügung stehen, die vorgeschlagene städtebauliche Figur ausgebaut werden. Durch zwei weitere Zeilenbauten entlang der Gasse in Richtung Osten und einem im Westen erfolgt langfristig eine Nachverdichtung des neuen Quartiers, das somit zugleich eine Erweiterung und räumliche Fassung erhält. Mit der Fortsetzung der Freiraumgestaltung werden die Übergänge zu den angrenzenden Verflechtungsbereichen qualitativ gestaltet.


Architektur, Funktion und Wirtschaftlichkeit
Mit dem Ziel des nachhaltigen und wirtschaftlichen Bauens und unter Berücksichtigung der möglichen Kubatur innerhalb der Bestandsfassade werden zwei Zeilentypen entworfen mit jeweils gleichen und natürlich belichteten und belüfteten Treppenhäusern und sich wiederholenden Regelgeschossen sowie einheitlichen Balkon- und Loggiagrößen.

Die Zeile in der ehemaligen Fabrik wird in zwei gleiche Häuser geteilt und jeweils als Fünf- bzw. Dreispänner organisiert. Es werden über die Geschosse verteilt Wohnungstypen von 1- bis 5-Zimmer für den freifinanzierten Wohnungsmarkt angeboten. Der längere nördliche Zeilenbau ist in drei Gebäudeteile gegliedert. Im westlichen Gebäudeteil werden ergänzend zu den Wohnungen in der ehemaligen Fabrik freifinanzierte Wohnungen angeboten, im mittigen und östlichen Teil geförderte Wohnungen mit 2-5 Zimmern. Um den gewünschten Wohnungsmix zu erzielen, sind die äußeren Gebäude im Regelgeschoss als Vier- und das mittige als Dreispänner organisiert.

Insgesamt werden 90 barrierefreie Wohnungen geschaffen, inkl. 3 rollstuhlgerechter Wohnungen im Erdgeschoss des nördlichen Gebäuderiegels, davon 53 freifinanziert und 37 gefördert. Alle Wohnungen werden über den Aufzug barrierefrei erschlossen. Die Wohnräume sind grundsätzlich nach Süden und Westen ausgerichtet. Die Bäder liegen in einer mittigen Funktionsspange übereinander. Die erforderlichen Abstellflächen werden anteilig in den Wohnungen und im Untergeschoss vorgesehen. Die privaten Freisitze der Wohnungen werden für den Fabrikneubau in Form von Balkonen angeboten, für die nördliche Zeile als eingeschnittene Loggien bzw. als Terrasse im Staffelgeschoss. Zusätzlich sind an der Nordfassade den Zimmern kleinere Loggien zugeordnet. So ist ein schallgeschütztes Lüften der Schlaf- und Aufenthaltsräume trotz Lärmbelästigung durch die Bahn möglich.

Im Neubau in der ehemaligen Fabrik wird im Erdgeschoss die 3-zügige Kita untergebracht. Alle Gruppenräume liegen an der Südfassade mit direktem Zugang zur vorgelagerten Außenspielfläche. Der Mehrzweckraum ist an der Nordseite verortet, sodass ein Bezug zur Gasse hergestellt und eine Nutzung durch die Bewohner des neuen Quartiers ermöglicht wird.

Durch das Freistellen der Bestandsfassade und Zurücksetzen des Neubaus entsteht zwischen Neu und Alt ein multifunktionaler Bereich. Ein eingestelltes Gerüst folgt dem gegebenen Raster und fungiert konstruktiv für die Bestandsfassade, für die Integration einer Fassadenbegrünung, eines außenliegenden Sonnenschutzes und der Balkone. Die Pufferzone bringt neben Begegnungs- und Gestaltungsräumen für die Bewohner eine effektive und witterungsunabhängige Verschattung als wirksamer Hitzeschutz mit sich. An der Fassade des eingestellten Neubaus wird das Raster weiter gegliedert und entsprechend der dahinterliegenden Räume mit Fenster- und geschlossenen Elementen gefüllt. Für Gerüst und Neubau wird als Kontrast zur Backsteinfassade eine helle und glatte Materialität vorgeschlagen. Der Umgang mit dem Bestand ist dadurch ablesbar, der Neubau wächst in einer leichten Materialsprache aus dem Bestand heraus, ohne die Backsteinfassade in den Hintergrund zu stellen. Die helle Oberfläche reduziert zudem die Aufheizung des Gebäudes und die Wärmeabgabe in die Umgebung.

Im Sinne des städtebaulichen Konzepts der Gasse im Gebäudeensemble greift der gegenüberliegende Zeilenbau Struktur- und Materialsprache auf. Ein klares Gerüst aus Verblendstein gliedert die lange Fassade, die Felder werden analog des Gegenübers mit verglasten und geschlossenen Elementen gefüllt. Das Wechselspiel von architektonischer Offenheit durch großzügige Verglasungen in den eingeschnittenen Loggien und Privatheit durch geschlossene Elemente gewährleistet den sommerlichen Wärmeschutz. Das Erdgeschoss wird mit einer Klinkerfassade abgesetzt, um den urbanen Charakter der Gasse in Verbindung mit dem Backsteinschornstein und der Bestandsfassade zu stärken. Im Staffelgeschoss wird das helle Gerüst übertragen, um die Gebäudekubatur im Außenraum als Geste zu vervollständigen und eine Begrünung zu fördern.

Auf den Dächern werden Photovoltaikanlagen vorgesehen, die Ost-West orientiert und mit 10° geneigt die Grundversorgung für den täglichen Strombedarf unterstützen und somit den lokalen Eigenverbrauch der Gebäude optimieren und die Kapazitäten des stationären Stromnetzes entlasten.
Technikräume für Übergabestationen der gem. Auslobung möglichen technischen Ver- und Entsorgung wie Elektrizität, Trinkwasser und Erdgas und Fernwärme sind im Untergeschoss berücksichtigt. Die Versorgung des südlichen Neubaus erfolgt über den nördlichen Riegel mittels Nahleitungen.
Durch den Einsatz von hohen energetischen Standards beim technischen Ausbau sowie der Verwendung von standardisierten Systemen in der Fassade kann eine hohe Langlebigkeit und Nutzungsdauer des Gebäudes gewährleistet werden. Die Auswahl der Baustoffe erfolgt nach den Kriterien Wohngesundheit, Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit, Nutzungsflexibilität und Wirtschaftlichkeit.

Erschließung und Freiraum
Die Erschließung des neuen Wohnquartiers erfolgt über die südliche Bundesstraße „Am Burgweiher“.
Der motorisierte Individualverkehr sowie die Müllabfuhr werden verkehrsberuhigt nur bis zu einer Wendemöglichkeit und der Tiefgaragenzufahrt im südlichen Randbereich des Geländes geführt, so dass das Wohngebiet möglichst frei von Verkehr bleibt und eine hohe Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer entsteht.

Im Westen des Areals erfolgt die Anbindung zwischen dem parallel zur Bahnstrecke im Norden geplanten Radschnellweg und der Bundesstraße im Süden, so dass für den Rad- und Fußverkehr eine autofreie Zugänglichkeit auch von Norden möglich ist. An dieser Verbindung liegt – bereits im autofreien Bereich – der Eingang zur Kita und Zugang zur Gasse, über welche die Erschließung der Wohngebäude erfolgt.
Begleitend zur Zufahrt im Süden werden Car-Sharing-Plätze und in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang der Kita Kurzzeitstellplätze für den Hol- und Bringverkehr angeboten.

Nichtüberdachte Fahrradstellplätze sind auf dem Geländer gegenüber des Kita-Eingangs vorgesehen, sowie vor den Hauszugängen des nördlichen Gebäuderiegels für Besucher. Überdachte und gesicherte Fahrradstellplätze für die Anwohner sind anteilig im Erdgeschoss und im Untergeschoss berücksichtigt. Auch Stellplätze für Lastenräder werden angeboten. Sämtliche PKW-Stellplätze sind in der Tiefgarage untergebracht.

Der Freiraum des Planungsgrundstückes sieht sich der Herausforderung gegenübergestellt, adäquate, grüne Aufenthaltsräume zu schaffen, die gleichzeitig alle funktionalen Anforderungen erfüllen. Aus diesen Gründen werden unter Verzicht auf ein gewöhnliches Straßenprofil sämtliche Wege- und Verkehrsflächen mit einer einheitlichen Belagsstruktur gestaltet und auf ein Minimum zu reduziert. Freie Randbereiche werden begrünt und der Baumbestand mit neuen Pflanzungen ergänzt. Die Zufahrt wird als grünes Entree zum Grundstück als Allee ausformuliert, die Car-Sharing-Plätze zwischen Bäumen angeordnet. Tiefgaragenzufahrt und zusätzlich erforderliche Verkehrsflächen für Fahrradstellplätze, Feuerwehr und Müllabfuhr werden mit durchlässigen Rasengittersteinen ausgeführt.

Ein großer Mehrwert für das Areal sind die neu angelegten Grünflächen wie die Außenspielfläche der Kita im Süden, durch die mit einem Spielhügel auch die Überdachung der TG-Rampe begrünt wird, und der „Pocket-Park“ mit Spielflächen für die Bewohner im Osten. Die Kinderspielangebote werten den Außenraum zu nachbarschaftlichen Treffpunkten und Naherholungsflächen auf.

Im Herzen des Grundstücks liegt die Gasse, zur Durchlüftung des Areals und gleichzeitig als kommunikativer Begegnungsraum. Der gepflasterte Bodenbelag verleiht dem Quartier einen urbanen Charakter. Im Erdgeschoss werden die Brüstungen in den Bestandsfenstern herausgenommen, so dass eine umlaufende Arkade entsteht und der zurückgesetzte Neubau mit dem Außenraum im Erdgeschoss verknüpft wird. Begrünte Inseln vor dem nördlichen Neubau stärken die Aufenthaltsqualität. Sie dienen als Puffer zwischen Erschließung und privaten Loggien im Erdgeschoss aber auch als Gemeinschaftsflächen für gemeinschaftliches Gärtnern. Gleichzeitig bieten die Inseln Sitzmöglichkeiten als Gegenüber der Sitzbänke in den Arkadenbögen der Bestandsfassade.

Auf den flach geneigten Dächern wird auf dem südlichen Neubau eine intensive, auf dem nördlichen Riegel eine extensive Dachbegrünung in Kombination von Photovoltaikanlagen vorgesehen. Diese Gründächer bilden in Ergänzung zu den begrünten Außenanlagen wertvolle Biotope in der Stadt, verbessern die Luft, binden Staub und filtern Luftschadstoffe.



Beurteilung durch das Preisgericht

Zentrale Idee der Entwurfsverfasser ist es, die historische Fassade der Schamottefabrik von Anbauten zu befreien, umlaufend freizustellen bzw. erforderlichenfalls zu rekonstruieren und dahinter einen Neubau zu errichten. Zwischen historischer Fassade und dem fünfgeschossigen Neubau entsteht ein Zwischen-raum, der mittels einer umlaufenden Stahlträgerkonstruktion in den Obergeschossen für Balkone, eben-erdig als teils privater (KITA), teils öffentlicher Freiraum nutzbar gemacht wird. Die durch die Fabrikfassade begrenzte und dadurch etwas zu kleine Kita befindet sich im Erdgeschoss des südlichen Riegels.

Bahnseitig wird der „Neubau im Altbau“ durch einen parallelen Riegel dupliziert, der mit fünf Geschossen plus Nichtvollgeschoss als städtebaulicher Schallschutz fungiert. Dabei sind die Grundrisse größten-teils qualitätsvoll und zur Bahn hin überwiegend mit Schallschutzloggien versehen. Ohne einen städte-baulichen Kontext wirkt der massive Riegel zum Radweg allerdings zu wuchtig.

Zwischen beiden Riegeln entsteht eine Gasse, von der aus die Zugänge zu den einzelnen Häusern erreichbar sind, nach Osten gefasst durch den alten Schornstein der Fabrik. Als Begegnungsraum ist die Gasse etwas zu schmal. Die Grundrisse sind durchaus qualitätsvoll. Lediglich der angestrebte Wohnungsgrößenmix wird nicht optimal erreicht. Die doppelte Fassade und die Enge der Gasse werfen allerdings die Frage nach der auskömmlichen Belichtung der Kita und der darüber befindlichen Wohnungen im 1.OG auf. Gleiches gilt für die eingeschränkte Belichtung des Schallschutzriegels zur Gasse.

Die vorgegebene Bebauung auf dem Grundstück ermöglicht es, südlich des Riegels die Außenspielfläche der KITA und die lange Tiefgaragenzufahrt zu platzieren. Eine ausreichend dimensionierte Wendeanlage am Quartierseingang gelingt nicht.

Das städtebauliche Konzept wird auf den Optionalflächen mit weiteren Riegelgebäuden weiter fortgesetzt. Erschließung und Durchwegung erscheinen hierbei gut realisierbar.
Lageplan

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Ansicht

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Piktogram

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Piktogram

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Schnitt

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