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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Umgestaltung Wüllener Straße/ Königstraße/ Marienplatz in Ahaus

1. Preis

Preisgeld: 26.250

club L94

Landschaftsarchitektur

WILLNER VISUALISIERUNG

Visualisierung

Röver Ingenieurgesellschaft MBH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

SITUATION
Mit der Umwidmung der ehemaligen Bundesstraße in eine Straße, die in der Verantwortung der Stadt Ahaus liegt, ergibt sich heute die Möglichkeit den öffentlichen Raum unter zeitgemäßen Gesichtspunkten umzugestalten. Dabei kommt dem sensiblen Straßenabschnitt zwischen Kulturquadrat und Marienplatz eine besondere Bedeutung zu Teil. Hier soll mit der Umgestaltung die trennende Wirkung der viel befahrenden Trasse in Nord-Süd Richtung aufgehoben werden und die angrenzenden Wohnquartiere im Norden und die bestehenden Geschäftslagen an der Königsstraße stärker mit der Fußgängerzone und den zentralen Geschäftsbereich verknüpft werden. Aber auch die wichtigen Bezüge in der Ahauser Innenstadt, das Wasserschloss mit Park und die neue Wallstraße sollen konzeptionell bei der Umgestaltung mitberücksichtigt werden und durch das Gestaltungskonzept eine Stärkung erfahren.
KONZEPT
Vor dem Hintergrund der Prämisse `Straßen für Menschen` wird die Wüllenerstraße und Königstraße grundsätzlich neu zoniert. Mit einer Reduzierung der Geschwindigkeit im Abschnitt zwischen Kulturquadrat und Marienplatz auf 20 Km/h (Geschäftsbereich) können sich Autofahrer und Fahrradfahrer die 6,50 m breiten Fahrbahnen teilen. Die grundsätzliche Idee ist es, die Fahrbahnen auf ein Mindestmaß zu reduzieren und einen möglichst breiten Seitenraum für die Fußgänger zu erhalten. Zudem ist ein barrierefreier Straßenraum geplant, der Borde entlang der Flussbahnen mit höchstens 2 cm Rundbord vorsieht, um eine Querung der Fahrbahnen an jeder Stelle zu ermöglichen. Entlang der Fahrbahnen sind wenige Längsparker, Anlieferfahrzeuge und Behindertenstellplätze vorgesehen. Ergänzt werden die Fahrbahn nahen Bereiche mit Elektrostellplätzen und Leihsystemen für Fahrräder, um ein hierarchisches Mobilitätskonzept in der Innenstadt anzubieten.
Mit dem verbesserten Platzangebot im Seitenraum eröffnet sich die Möglichkeit den Straßenzug auf der sonnen beschienenen Seite mit einer einreihigen Allee aus mittelgroßen Klimabäumen zu ergänzen. Die Gehölze werden mit ihrem Blätterdach für Schatten sorgen und mit der Transpirationskälte das städtische Kleinklima verbessern, Staub filtern und auch einen ökologischen Mehrwert bringen. Gleichzeitig erzeugen sie ein besonderes Farbenspiel in den Herbstmonaten. Zudem hat die kleine Linie aus Bäumen eine Wirkung in der Stadtästhetik. Sie mildert das heterogene Fassaden Bild ab und verleiht dem Straßenraum einen angenehmen Rhythmus, der mit anderen Elementen wie den Mastleuchten gestärkt wird.
ENTWURF
Neue Trittsteine
Während die Königstraße zusammen mit der Fußgängerzone das Rückgrat der Innenstadt bildet, konzipiert der Entwurf einen Rundgang, der die Anziehungspunkte der Stadt umfasst. Zur Realisierung des „lebendige Innenstadt“ Konzepts werden an strategischen Stellen neue Trittsteine ergänzt. Durch den Abriss des Parkhauses am Domhof entsteht ein Schlossbalkon, der einen Panaromablick des Schlossareals bietet. Eine Mobilitätsstation in der Achse Schlossstraße am Kirmesplatz fördert den Radverkehr in der Fahrradstadt Ahaus.
Materialkonzept
In Anlehnung an den vorhandenen Bodenbelag in der Innenstadt erhält der gesamte Straßenzug einen einheitlichen hellen, graubeigen Betonplattenbelag. Die Fahrbahn aus gefärbtem Asphalt liegt harmonisch in der Mitte. Um die trennende Wirkung der Straße aufzuheben, werden die Übergänge am Marienplatz und am Kulturquadrat mit einem durchgängigen Teppich aus kleinteiligerem Plattenformat betont. Dieser Belagswechsel auf der Fahrbahn zeigt nicht nur den Beginn des verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs (20Km/h) an, sondern sorgt für bessere Überquerungsmöglichkeit für Fußgänger.
Ausstattungskonzept
Die Ausstattungselemente nehmen Bezug auf die Stadtgeschichte. An ausgewählten Stellen z.B. Marienplatz, Kulturquadrat und am Entrée zur Innenstadt werden große Holzdecks als ‚Geschichtsbänke‘ aufgestellt, die sich von den berühmten Fayence-Motiven von Ahaus inspirieren lassen. Da die Bedeutung jedes Fayance-Motivs über den nebenstehenden QR-Code abgerufen werden kann, passt die Idee gut zur ‚Smart Stadt Ahaus‘ Konzept. Die Geschichtsbänke auf dem Marienplatz sind zusätzlich mit den blühenden Ziertabakpflanzen geschmückt, die wiederum auf die ehemalige Tabakfabrik in Ahaus verweisen. Die sich wiederholenden Stadtmöbel mit Fayance-Motiv prägen den Straßenraum und laden Fußgänger und Besucher zum Verweilen ein. Die Trinkbrunnen am Entrée zur Innenstadt stehen im Einklang mit den vorhandenen Wasserelementen in der Fußgängerzone und unterstreichen die Signifikanz des Wassers als Entwurfselement in der Innenstadt von Ahaus.
Lichtkonzept
Die Lichtstelen zwischen den Bäumen bilden einen funktional gut ausgeleuchteten Raum in der Wüllenerstraße und Königstraße. Die eingebaute Beleuchtung der Geschichtsbänke akzentuiert die Plätze und das Entrée zur Innenstadt. Bodeneinbauleuchten auf dem Marienplatz setzen die Brunnenskulptur bei Nacht in den Fokus.
Regenwassermanagement
Eine Pflasterrinne entlang der Fahrbahn leitet Niederschlagswasser in die Baumrigole, entlastet dadurch das Kanalnetz und reduziert das Risiko der Überschwemmung. Das Wasser kann dort entweder versickern oder wird zwischengespeichert und funktioniert nach dem Prinzip der Schwammstadt. Der Baum nimmt Wasser auf, welches dann über die Blätter verdunstet. Dabei entsteht Verdunstungskälte, welche wirksam das Stadtklima kühlt.
Marienplatz
Durch die Verringerung der Fahrbahnbreite am Einmündungsbereich Domhof wird mehr Raum für vielfältige Nutzungen gewonnen. Der Erhalt der Bestandbäume und die Ergänzung der neuen Bäume betonen die Verbindung zur Vegetation des Schlossgartens. Die Brunnenskulpturen werden verlagert, indem sie zentral auf dem Platz und in der Sichtachse zum Schloss platziert werden. Zwei große Geschichtsbänke, die auf einem Teppich aus wassergebundener Wegedecke stehen, bieten ausreichend Sitzmöglichkeiten für Besucher und Fußgänger. Durch eine räumliche Umstrukturierung werden barrierefreie und konfliktfreie Bushaltestellen am Marienplatz gewährleistet. Die Mobilitätsstation bietet neben der Fahrradabstellmöglichkeit Ladestationen für E-Bikes und E-Autos.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsverfasser*innen schlagen ein stimmiges Gesamtkonzept vor, welches einerseits über einheitliche Materialien, Bäume und Baumstellungen einen guten räumlichen Zusammenhang herstellt, aber andererseits die lange Straßenflucht in stimmige Abschnitte unterteilt. Das angesprochene Ziel eine »Straße für Menschen« zu entwickeln, welche aber dennoch die notwendigen Verkehre berücksichtigt, erscheint durch diese Sequenzierung und Profilierung sinnvoll umgesetzt. So entsteht am Kulturquadrat ein großzügiger, durchgepflasterter Platz mit ergänzenden Baumpflanzungen. Der anschließende Bereich der Wüllner Straße wird auf der Nordseite mit einer durchgehenden Baumreihe begrünt und so sinnvoll beschattet. 

Die asphaltierte Fahrbahn wird auf 6,50 m reduziert und nimmt Bus-, Pkw- und Fahrradverkehre auf. Die Geschwindigkeit wird sinnvollerweise auf 20 km/h reduziert, was ein deutich höheres Maß an Sicherheit verspricht. Der Kreisverkehr wird gestalterisch umgebaut und als Knotenpunkt in den Fußgängerbereich integriert. Der Bereich der Königstraße wird ähnlich zur Wüllener Straße gestaltet. In diesem Bereich kann beidseitig der Straße geparkt werden, so dass die notwendigen Stellplätze hier nachgewiesen sind. Die Einmündung der Marktstraße wird aus Sicht des Preisgerichts leider nicht so deutlich markiert, wie die anderen Einmündungen. Dafür wird aber der Marienplatz wieder verkehrsberuhigt, begrünt mit Bäumen und großzügig durchgepflastert. Insgesamt lobt das Preisgericht die Möglichkeit, an den Verknüpfungsbereichen zur Innenstadt jeweils großzügige Fußgängerbereiche anzuordnen. Die gute Verkehrskonzeption mit langsamer Geschwindigkeit und multimodal genutztem Verkehrsraum erscheint jedoch mit 6,50m eher zu breit. Fahrradabstellplätze sind vergleichsweise wenige vorhanden; die Mobilitätsstation am Marienplatz erscheint funktionsfähig. Die vorgeschlagenen Materialien, wie helle, graubeige Betonplatten und eingefärbter Asphalt für die ausgewiesenen Fahrbahnen passen zur räumlichen Situation und sind funktional stimmig. 

Die wenigen, aufwendig gepflasterten Fahrbahnbereiche sind aus Sicht des Preisgerichts sinnvoll ausgewählt. Dass die neu gepflanzten Bäume überwiegend auf der Nordseite der Straßen geplant sind und damit die Südfassaden der Gebäude beschatten, ist aus Gründen der Klimaanpassung richtig. Der Versiegelungsgrad erscheint zu hoch. So weist der große Marienplatz leider kaum unbefestigte Bereiche auf. Das Lichtkonzept und das Regenwassermanagement zeigen erste, aber sinnvolle Konzeptansätze. 

Insgesamt stellt dieser klar formulierte Entwurf eine sehr gute Grundlage für die weitere Ausarbeitung und Umsetzung zur Verfügung, auch wenn der Beitrag in der Tiefe nicht weiter ausgearbeitet erscheint. Sein ortsbezogen gliederndes räumliches Konzept, der integrative Charakter dieses konzipierten Stadtraums und die guten verkehrlichen Ansätze vermögen das Preisgericht einhellig zu überzeugen.