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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2022

Neugestaltung Rathausmarkt in Bebra

Ankauf

Preisgeld: 1.500

impuls°Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Rathausmarkt in Bebra ist gegenwärtig ein wenig einladender und, durch die Brüstungs- und Stützmauer, stark introvertierter Ort. Zukünftig soll die Nutzung wieder als sozialer Stadtraum und Veranstaltungsfläche genutzt werden.
Die Soziosphäre Bebra stellt zwei Aspekte in den Vordergrund der Neugestaltung. Einerseits den Ort zu einem städtischen Ort der Begegnung, des Aufenthalts und der sozialen Interaktion zu entwickeln, andererseits einen konsequent nachhaltigen und wasserwirtschaftlich sinnvollen Ansatz zu verfolgen. Wie in vielen anderen Städten, so auch in Bebra, darf die Innenstadt in Zukunft nicht nur Ort des Konsums sein, sondern muss sozialer, kultureller und gesellschaftlicher Hotspot werden. Apropos Hotspot. Die Klimakrise erfordert städtische Umgestaltungen ganzheitlich und konsequent zu betrachten. Alle Gestaltungsabsichten und inhaltlichen Anforderungen der Soziosphäre Bebra wurden auf ihre nachhaltigen und klimawirksamen Folgen geprüft und abgewogen.
Nachhaltigkeit wird hierbei insbesondere unter drei Aspekten entschieden. Die Baustoffe sollen möglichst kurze Transportwege benötigen und damit aus regionaler Produktion stammen. Die Materialien sollen im Hinblick auf die gestellten Bedingungen möglichst langlebig und danach demontierbar und weiter verwendbar, im Sinne des Cradle-to-Cradle Prinzips kreislauffähig, sein. Und als dritter Aspekt sollen die eingesetzten Baustoffe, unter Berücksichtigung der weiteren Anforderungen, eine möglichst geringe Co2 Emission aufweisen oder bestenfalls sogar Co2 binden.
Das neue, urbane Wohnzimmer ist sowohl alltäglicher Stadtraum mit Platz für ein geselliges Miteinander sowie freundliches Nebeneinanderher ebenso wie Ort stadtgesellschaftlicher Ereignisse wie Feste, Märkte oder traditioneller Veranstaltungen. Die vorhandene Topographie ist nach der Neugestaltung nicht mehr trennendes Hindernis zwischen Platzfläche und Straßenraum sondern schafft in besonderer Weise ein spannungsvolles Raumgefühl und unterschiedliche Teilräume. Gleichzeitig lässt sich der Höhesprung geschickt bei Veranstaltungen und Stadtfeste auf dem Rathausmarkt für Gäste und Besucher*innen nutzen.
Der Rathausmarkt als offene Platzfläche selbst wird aus einem Betonsteinpflaster aus Co2 neutraler Produktion hergestellt. Die Verlegung im wilden Verband mit einem hohen Fugenanteil in Kombination mit dem drainagefähigen Material, sorgen dafür, dass anfallendes Regenwasser vor Ort verbraucht, verdunstet oder versickert werden kann. Zusammen mit den eingesenkten, staudenunterpflanzten Ostrya carpinifolia (Hopfenbuche), welche durch einen Gitterrost trotzdem begehbar sind, und den unterirdischen Baumrigolen trägt der Rathausmarkt insbesondere bei Starkregenereignissen dazu bei, dass das öffentliche Kanalsystem entlastet ist und das Wasser im Kreislauf wirken kann. Die Übergangsbereiche in den umgebenden Stadtraum sind in einem Naturkleinsteinpflaster, bevorzugt aus vorhandenem Gebrauchtmaterial ausgeführt und im Passeverband verlegt.
Das StadtSofa wird aus einer wenig versiegelnden Stahl-Holzkonstruktion gefertigt. Eine dauerhafte Stahlgrundkonstruktion auf Streifenfundamenten wird statisch so ausgelegt, dass ein minimal notwendiger Materialeinsatz möglich wird. Darauf befindet sich die Sitzauflage aus unbehandeltem Hartholz. Ein angenehmes Sitz- und Aufenthaltsgefühl kombiniert sich so ideal mit einer gezielten Revisionierung / Demontierbarkeit im Bedarfsfall und einer
anschließenden Weiterverwendung, der, für den Einsatz auf dem Stadtplatz, nicht mehr geeigneten Hölzer. Gleichzeitig heizt sich weder die Sitzfläche selbst, noch die Umgebung durch die Holzbauweise zu stark auf.
Zur Abkühlung der Umgebungsluft, ebenso wie als gern genutztes Spielelement, werden unter den neugepflanzten Bäumen zwei Wassernebelspiele mit jeweils mehreren Einzeldüsen eingeplant. Die Versorgung der Elemente erfolgt über Zisternen, welche das anfallende Niederschlagswasser sammeln und von dort, über Pumpen und Filter zu den Wassernebelspielen gefördert wird. Das dabei niedergehende Wasser fließt über das Oberflächengefälle in die benachbarten Bäume und Staudenpflanzungen. Durch die Senkung der Umgebungstemperatur, insbesondere in sommerlichen Hitzeperioden, wird die
Aufenthaltsqualität auf dem StadtSofa weiter gesteigert. Im Veranstaltungsfall kann das Wassernebelspiel ausgeschalten werden und ist dann übergehbar. Weitere veranstaltungsspezifische Einbauten wie Ver- und Entsorgungsanlagen sowie Montagehülsen finden als Unterflurausführungen ihren Platz und sind so vandalismussicher und gestalterisch unauffällig integriert.
Die bisherige, etwas weniger präsente Gedenktafel für die ehemalige Synagoge sowie die Mahntafel der Jüdinnen und Juden soll durch einen Wettbewerb für Kunst am Bau ein neues künstlerisches Element erhalten und gut sichtbar und erlebbar auf dem Platz stehen. Dafür ist eine eigene angemessene Auseinandersetzung und ein gesondertes Verfahren notwendig. Auf dem Rathausmarkt ist dafür der Standort südwestlich des StadtSofas auch einem runden Sockel vorgesehen. Der Postmeilenstein, als ebenfalls historisches Element, bleibt an seiner bestehenden Stelle erhalten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit „Soziosphäre Bebra“ teilt den Rathausmarkt in einen schmalen „oberen“ Platz an der Nürnberger Straße unter den bestehenden Platanen und einen großen „unteren“ Platz zum Rathaus hin.
Der Höhenversprung zwischen beiden Platzflächen wird durch eine Kombination aus Betontreppen und Sitzgelegenheiten aus Holz auf Stahlkonstruktion, dem „Stadtsofa“, ausgeformt. Aufenthalts-schwerpunkt im Alltag wird die nordöstliche Ecke darstellen, in der drei neue Bäume (Hopfenbuchen) und ein Wasserspiel, bei dem Wasser vernebelt wird, verortet werden.
Der Rand zu den Gebäuden wird mit dem neu verlegten Bestandspflaster (Porphyr) gestaltet, die zentrale Platzfläche mit Betonpflaster im wilden Verband mit Versickerungsfugen. Der Entwurf zeichnet sich durch einen Ansatz nachhaltiger Materialverwendung in Bezug auf Beschaffung, Verarbeitung und Wiederverwendbarkeit aus und durch ein Konzept der Speicherung und Wiederverwendung von Regenwasser. Mit dem gesammelten Wasser sollen die Bäume bewässert und die Vernebelungsanlage betrieben werden. Die Platzfläche soll möglichst flexibel nutzbar bleiben. Die geschätzten Baukosten bleiben im Rahmen der Auslobung.
Sehr positiv werden die Klarheit und Einfachheit des räumlichen Gesamtentwurfs gesehen sowie die Zurückhaltung der Treppenanlagen. Kritisch sah das Preisgericht die etwas knappe Fläche für Marktstände an der Nürnberger Straße, die zusätzlich als wassergebundene Wegedecke ausgeführt wird, und die Staudenpflanzung unter Gitterrost an den Baumscheiben. Kontrovers wird die Kombination von Betontreppen und Holzsitzskulpturen diskutiert, die etwas unentschieden wirkt. Das Preisgericht wünscht sich hier eine Stufenanlage aus einem gestalterischen Guss. Es gelingt den Verfasser:innen aber, Ziele der Nachhaltigkeit in einem klaren gestalterischen Rahmen überzeugend umzusetzen.