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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2022

Messestadt Riem 5. Bauabschnitt in München

Quartiersmitte

Quartiersmitte

Engere Wahl

von Angerer Architekten und Stadtplaner GbR

Stadtplanung / Städtebau

NMM [Nicole M. Meier] LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Josef Neubauer Modellbau

Modellbau

Erläuterungstext

Städtebaulich-freiraumplanerisches Konzept

Die heterogene Struktur der umliegenden Bebauung und der Übergang zum Landschaftspark Riem erfordert ein klar strukturiertes, städtebauliches Kon-zept. Mit dem neuen Stadtteil soll ein Zentrum für den angrenzenden Stadtteil Kirchtrudering und eine starke Grünvernetzung mit dem Riemer Park ge-schaffen werden. Es wird ein urbaner Stadtkörper vorgeschlagen, der im Westen auf die kleinteilige Struktur der bestehenden Bebauung eingeht und nach Osten zum Landschaftspark einen markanten Stadtrand definiert.

Kernstück des Entwurfs ist die Weiterführung der prägenden Landschaftsbestandteile des Riemer Parks bis weit in die Siedlung hinein zu den vorhandenen Wege- und Grünbeziehungen in Kirchtrudering. So werden Waldmassive, Topografie, sowie die langen Wege- und Sichtachsen aufgegriffen und Aktivitätenband und Landschaftsband des Riemer Parks als von Bäumen gesäumte Parkfinger ins neue Quartier gezogen. Zur Schaffung individueller Nachbarschaften wird eine Blockbebauung mit unterschiedlich geformten und verschieden großen Wohnhöfen vorgeschlagen, die sich zur kleinteiligen Baustruktur im Westen in Einzelbaukörper auflösen. Auch zum östlichen Stadtrand öffnen sich die Höfe, um eine starke Verzahnung mit dem Park zu ermöglichen. Die Forderung nach einer breiten Entlastungsstraße durch das Gebiet wird aufgenommen und in Form eines begrünten Stadtboulevards mit starker baulicher Fassung und einzelnen Quartiersplätzen ausformuliert. Der Abstand der begleitenden Bebauung gewährleistet eine gute Durchlüftung von Süd nach Nord. Für die Durchströmung des Quartiers von West nach Ost wird das neue Stadtquartier in fünf Teilbereiche gegliedert.

Die nördlichste Luftschneise beinhaltet die Entlastungsstraße mit einer Grünverbindung zwischen Neuem Friedhof und dem Riemer Park. Die Straße wird so geführt, dass man als Endpunkt den Turm der Aussegnungshalle wahrnehmen kann und damit eine Grünverbindung zwischen Friedhof und dem neuen Westzugang des Parks ermöglicht. Nördlich der Straße liegen die gewerblichen Einrichtungen für die beiden Friedhöfe und eine großzügige Wegeverbindung zum nördlichen Parkeingang mit den geforderten Stellplätzen. Die Werkhöfe sowie die Stellplätze des Friedhofsgewerbes liegen im Norden, die Verkaufsflächen schließen lärmabgeschirmt an die südliche Wegeverbindung an. Die zweite Schneise wird als zentraler Grünzug vom Waldmassiv nach Westen zur Straße am Mitterfeld geführt. Westlich der Erschließungsstraße schiebt sich eine schiefe Ebene aus dem Parkfinger und negiert für die Parkbesucher die dahinter vorbeifahrenden Autos. Weiter Richtung Westen senkt sich die Ebene leicht ab und generiert so eine temporäre Rückstaufläche, ehe der Parkfinger auf einen großzügigen Quartiers-platz mündet, an dem neben Läden und Gastronomie auch der gewünschte Nahversorger liegt. Die Grünverbindung führt weiter nach Südwesten zum bestehenden Grünzug in Kirchtrudering. Zur Sichtbarmachung des Waldmassivs wird dieser bis in den Straßenraum weitergeführt. Dadurch wird lange Straßenraum wohltuend zoniert. Eine weitere Grünachse verläuft nördlich des Truchthari-Angers zum Riemer Park. Die südlich einmündenden Straßen werden über kleine baumüberstellte Nachbarschaftsplätze aufgefangen und die Fußgänger und Radfahrer hierüber in das nördliche Quartier geführt. Der Grünzug endet auf einem weiteren Quartiersplatz, der mit einem 15-stöckigen markanten Hochhaus den Endpunkt und die Umlenkung der dominanten Landschaftsachse aus dem Riemer Park definiert.

In diesem Gebäude sind in den oberen Geschossen Wohnnutzung und in den unteren fünf Geschossen Gewerbe, wie z.B. Co-Working und Sportein-richtungen, wie z.B. ein Fitnessstudio untergebracht. Im Erdgeschoss befindet sich ein Nachbarschaftstreff mit Café und Veranstaltungsräumen. Das oberste Geschoss bietet sich als Gastronomiefläche mit Aussichtsplattform an. Der südlichste Grünzug bietet als Weiterführung der Emplstraße einen weiteren Parkzugang an. In diesen sowie in alle anderen Parkfinger werden Aufenthalts- und Spielflächen integriert. Die Höfe der Blockrandbebauung bieten Gemeinschaftsgärten- und Terrassen sowie Spielflächen. An geeigneten Stellen wird das Gelände auf Hochparterre-Niveau angehoben, um einen direkten Zugang der EG-Wohnungen in die privaten Wohnhöfe zu ermöglichen. Zur Maximierung der Freiflächen im Gebiet werden auch die Dächer der neuen Baukörper und der oberirdischen Quartiersgaragen mit Dachterrassen, Pflanzflächen und Urban Gardening bespielt.

Verkehr / Mobilität
Das Verkehrskonzept übernimmt die Vorgaben der Stadt für die Gestaltung des Straßenraumes der Entlastungsstraße. Im zentralen Bereich des neuen Boulevards werden die Busspuren in der Mitte geführt und durch einen groß-zügigen, baumüberstellten Grünstreifen getrennt. Lediglich an den zwei Hal-testellen wird dieser Mittelstreifen unterbrochen, um ausreichend große Flächen für die Haltestellen und die Wartehäuschen zu erhalten. Neben der Fahrspur für den Individualverkehr werden Längsparkplätze, die durch Bauminseln gegliedert werden, vorgeschlagen. Die großzügigen Fuß- und Radwege grenzen direkt an die angrenzenden Fassaden. An den Querungen der drei Grünzüge werden großzügige Fußgängerübergänge geplant.

Neben dem Angebot für den öffentlichen Personennahverkehr in Form von zwei neuen Haltestellen im Bereich der Entlastungsstraße sieht das Mobili-tätskonzept den Bau von je einem Quartiersparkhaus im Norden und Süden des Stadtquartiers und zwei zentrale Quartierstiefgaragen vor. Alle Quartiers-garagen werden an die neue Ortsentlastungsstraße angebunden. Lediglich die Tiefgarage des Nahversorgers und den angegliederten Wohnhof wird über die Straße Am Mitterfeld erschlossen. Hierüber erfolgt auch die Anlieferung der Läden und des Nahversorger eingehaust im Gebäude. Mit der Bündelung des ruhenden Verkehrs in zwei Parkhäusern und zwei Sammeltiefgaragen kann das Quartier östlich der Entlastungsstraße von einer Unterbauung mit Tiefgaragen entlastet werden und somit die Versiegelung gering ge-halten werden. Zufahrten zu mehreren kleinen Tiefgaragen über eventuell notwendig werdende Linksabbiegespuren können somit entfallen. Die bei-den Parkhäuser werden so gestaltet, dass die Erdgeschosszonen aus-schließlich für Sharing-Angebote, wie PKW, Lastenräder, Pedelecs, Fahrräder und eScooter zur Verfügung stehen. Kleine Werkstätten mit Cafés in den Erdgeschossen beleben die jeweils angrenzenden Quartiersplätze. Beim südlichen Parkhaus ist auf der Südseite, abgeschirmt vom Schulgelände, die geforderte Jugendeinrichtung über zwei Geschoße vorgesehen, die zum Teil mit dem Parkhaus überbaut wird. Die Fassade des Parkhauses kann sowohl durch die Jugendeinrichtung als auch durch die im Westen angrenzende Grundschule, beispielsweise als Kletterwand oder Projektionsfläche, bespielt werden. Die Dachflächen beider Parkhäuser werden als Gartenflächen für Urban Gardening mit kleinen Gebäuden als Treffpunkte für die Bewohner angeboten. Beide Parkhäuser sind so konzipiert, dass sie durch die größere Geschosshöhen auch flexibel für andere Nutzungen, wie Kultur, Gewerbe und Freizeiteinrichtung, umgenutzt werden, falls die Nachfrage nach Stell-plätzen sinkt.

Die zentrale zweigeschossige Tiefgarage nördlich des Truchthari-Angers kann in zwei Bauabschnitten realisiert werden und deckt den Parkplatzbedarf für den Zentralbereich ab. Durch die Lage aller Parkierungsanlagen ist sichergestellt, dass in einem Radius von 200 m alle Wohnungen erreicht wer-den können und damit ein autofreies Wohnquartier entsteht. Sollte die große zentrale Tiefgarage Probleme hinsichtlich einer der Realteilung bringen, könnten unter den einzelnen Höfen auch, wie allgemein üblich, Tiefgaragen errichtet werden, was jedoch zu einer stärkeren Verkehrsbelastung auf den kleineren Straßen im Süden und Westen des Quartiers sowie einer höheren Versiegelung führen würde. Zusätzlich zu den Parkgaragen werden inner-halb des Quartiers an geeigneten Stellen Mobilityhubs vorgesehen, in denen Sharing-Angebote für Lastenfahrräder, Pedelecs, Fahrräder und eScooter sowie weitere Angebote wie Werkzeugverleih, Bücherschrank, Gebrauchtartikel und teilweise auch Tiefgaragenausgänge untergebracht sind. Diese kleinen architektonisch prägnant gestalteten Stadtelemente sind über das Quartier verteilt und verleihen ihm einen besonderen Charakter.

Nutzungen
Neben der überwiegenden Wohnnutzung sind die geforderten Kindertages-stätten in den unterschiedlichen Größen in den jeweiligen Höfen in den Erd-geschoßzonen untergebracht. Die Grundschule mit Dreifachturnhalle liegt südlich des Rappenweges, das Flexiheim südlich des nördlichen Parkhauses und die Jugendeinrichtung am südlichen Rand des südlichen Parkhau-ses. Das Pflegeheim liegt im Anschluss an die bestehende Bebauung von Kirchtrudering. Es wird vorgeschlagen, dass sehr große Grundstück mit weiteren Gebäuden für Betreutes und Mehrgenerationenwohnen zu bebauen, um die vorgeschlagene Blockstruktur des neuen Quartiers zu vervollständigen und der hohen Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden. Entlang des Boulevards, vor allem an den sich durch die Baukörperstellung entstehenden Plätzen, sind in den Erdgeschosszonen auch Gewerbeeinheiten für Büros, Läden und Gastronomie geplant.

Die Lärmproblematik entlang der Entlastungsstraße wird durch eine abschirmende Bebauung mit überwiegender Orientierung der Wohnungen in die ruhigen Hofräume berücksichtigt. Im Bereich der Grünräume wird auf die Lärmproblematik durch Geländemodellierungen reagiert. Dies gilt auch für die Abschirmung der Bahnlinie im Süden.

Nachhaltigkeitskonzept
Das Quartier reagiert vielseitig auf die Herausforderungen des Klimawandels. Zahlreiche Bäume, Alleen und Baumhaine liefern natürliche Beschattung. Fassadenbegrünung (grüne Fugen und vertikale Gärten) sowie intensiv und extensiv begrünte Dächer leisten einen wichtigen positiven Beitrag zum Stadtklima. Bei Starkregenereignissen bieten zahlreiche Flächen temporären Rückstauraum: die grüne Mittelinsel der Erschließungsstraße, die großflächi-gen Rasenmulden in den Parkfingern, die abgesenkten und multi-funktional bespielbaren Platzflächen (Wasserplätze), sowie die Retentionsdächer. Die Wasserplätze kühlen an heißen Sommertagen mit Wasserspielen die Umgebung und befeuchten die darüber streichende Luft der Luftbahnen. Weiter-hin wird Wasser in Zisternen gespeichert, um die Wohnhöfe und Urban Gardening-Flächen mit Wasser zu versorgen. Extensiv begrünte Dachflächen verbessern die Energiebilanz der neuen Baukörper.

Lärmschutz
Die Freiflächen der Schule im Süden des Gebietes werden zur Bahnstrecke hin mit schiefen Ebenen, die mit Waldmassiven bepflanzt werden, vor Lärmeintrag der tiefer liegenden Gleise geschützt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Arbeit gelingt es, ein robustes städtebauliches aus Gerüst aus vielfältigen, öffentlichen Freiräumen und gut geschnittenen Baufeldern zu entwickeln und damit den Übergang zwischen der heterogenen Baustruktur im Westen und dem Riemer Park im Osten zu formulieren.

Dabei werden die wichtigen Elemente des Parks aufgenommen und modifiziert - seien es Waldmassive, Wegeachsen oder die 2 km lange Terrassenkante: Sie sind als Freiräume in Richtung der Kirchtruderinger Stadtstruktur verschwenkt, in Breite und Länge für das neue Quartier angepasst und mit weiteren Elementen zum Aufenthalt ausgestattet. Treffpunkte, kleine Plätze und dezentrale Mobilitätsstationen gliedern gut nachvollziehbar diese linearen Freiräume. Die Entlastungsstraße wird als Haupterschließung in der vorgegebenen Trasse durch das neue Quartier geführt. Sie ist durch drei Baumreihen sowie 5-6-geschossige Bebauung gefasst. In drei Abschnitten ist diese Fassung unterbrochen und reagiert mit unterschiedlichen Elementen auf die vom Park aus anschließenden Räume. Im Norden ist eine große Quartiersgarage platziert und kann den MIV frühzeitig aus dem Quartier nehmen. Mit dieser Gliederung und der funktionalen Belegung mit dem teils im EG angeordneten Gewerbe, kann ein urbaner, gut in das Quartier eingefügter Straßenraum entstehen.

Für die richtig dimensionierten Baufelder werden Blockrandtypologien vorgeschlagen, die geschlossene Kanten zu den urbanen öffentlichen Räumen ausbilden und mit Öffnungen zu den grünen Freiräume hin reagieren. Sie sind in der Höhe gestaffelt und erlauben dadurch eine differenzierte Aktivierung der Dachflächen. Das die Höfe bis auf zwei ohne Unterbauung auskommen und damit eine sehr qualitätvolle Begrünung erlauben, wird gewürdigt.

Zum Park hin öffnen sich die Blöckränder stärker. Hier wird jeweils eine Blockecke mit einem 12- bzw. 13-geschossigen Hochpunkt betont. Zusätzlich ist am Ende der 2km langen Terrassenkante des Parks ist ein Solitär stehender 15-geschossiger Hochpunkt platziert. Er markiert sowohl den Quartiersplatz wie auch die Umlenkung dieser wichtigen Parkachse in den Freiraum am Truchthari Anger.

Diese Setzung der Hochpunkte wird sehr kritisch diskutiert. Sie erscheint letztlich im Kontext zu Körnung und Bauhöhe der Messe-Stadt Riem wie auch Kirchtruderings und insbesondere zur landschaftlichen, horizontalen Wahrnehmung im Riemer Park störend und nicht vorstellbar. Auch die Kombination der Quartiersgarage mit der Schule im Süden des Areals wird negativ gesehen: Sie bündelt den Verkehr in den Hauptzeiten zu stark.

Abgesehen von den Hochpunkten bietet die Arbeit aber eine durchdachte städtebauliche und freiräumliche Struktur für die gestellte Aufgabe, die eine qualitätvolle Entwicklung des Stadtteils über die nächsten Jahre erlaubt.
Parkblick

Parkblick

Axonometrie

Axonometrie

Schwarz-Grün-Plan

Schwarz-Grün-Plan

Lageplan

Lageplan

Übergeordnetes Konzept

Übergeordnetes Konzept