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Mehrfachbeauftragung | 01/2022

Städtebauliche Entwicklung „Areal Deckenfabrik“ in Calw

1. Rang / Zur Realisierung empfohlen

ISA Internationales Stadtbauatelier

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Die städtebauliche Figur des länglichen, von Norden nach Süden verlaufenden Baukörpers, welcher sich aus den unterschiedlichen Industriehallen zusammensetzt, besitzt eine historische, städtebauliche und architektonische Ausstrahlungskraft. Dieses ortsbildprägende Element soll erhalten bleiben. Lediglich die Übergangsbauten zwischen den verschiedenen Industriehallen werden durch höhere Neubauten ersetzt, wobei das Kesselhaus mit seinem Schornstein in der Abfolge die Quartiersikone darstellt.

Der westliche Teil des Quartiers wird mit Blöcken für unterschiedliche Wohnungsmodelle bebaut. Eine Besonderheit stellt der Block der alten Weberei dar. Das Sockelgeschoss bleibt – auch aufgrund der massiven Bauweise – erhalten und wird teilweise als Quartiersgarage umgenutzt. Darüber entsteht eine Bebauungsstruktur aus zusammengesetzten Hofhäusern für Familien.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept ist charakterisiert durch eine klare städtebauliche Grunddisposition.

Der lange Baukörper aus unterschiedlichen Industriehallen wird als geschlossene Bauzeile erhalten und als ortbildprägendes Element gestärkt. Es bildet das Rückgrat des neu geordneten Areals der früheren Deckenfabrik. Damit wird der historischen, städtebaulichen und architektonischen Ausstrahlungskraft der bestehenden Bauanlage Respekt gezollt und eine Zukunft gegeben.

Lediglich die Übergangsbauten zwischen den verschiedenen Industriehallen sollen durch schlanke, höhere Wohnbauscheiben ersetzt werden, wobei das Kesselhaus mit seinem Schornstein in der Abfolge die Quartiersikone darstellt. Dieser Vorschlag wird kontrovers diskutiert. Einigkeit besteht darüber, dass die eingeschobenen Baukörper im Fall der Realisierung von hoher architektonischer Qualität sein müssen, transparent oder z.B. in der Materialität des Kesselhauses. Sie führen zu einer Rhythmisierung der dem Tal- und Flussverlauf folgenden langen Bauzeile und verleihen auch stadträumlich dem Quartier einen besonderen Akzent und hohe Identität.

Der westliche Teil des Areals wird mit gut proportionierten Quartieren unterschiedlicher Hofstrukturen neu geordnet. Sie definieren klare öffentliche und private Räume, sind aufgrund ihrer Dimensionierung flexibel für unterschiedliche Wohntypologien geeignet und bilden zusammen mit der östlich anschließenden stringenten Bauzeile aus Gewerbe und Wohnbauten das stabile Grundgerüst des Entwurfs.

Der Entwurf ist aus dem besonderen Ort entwickelt. Mit der gewählten Körnung und Geschossigkeit reagiert er gut auf das städtebaulich landschaftliche Umfeld und dem weiteren städtebaulichen Zusammenhang.

Als eigenständiger Beitrag des Konzepts wird der Vorschlag gewürdigt, das Sockelgeschoss der Alten Weberei aufgrund seiner massiven Bauweise zu erhalten, dieses als eine der Quartiersgaragen zu nutzen und darüber eine Bebauungsstruktur aus zusammengesetzten kleinmaßstäblichen Hofhäusern für Familien vorzusehen. Insgesamt folgt das Konzept dem Wunsch nach einer Mischung der Nutzergruppen in überzeugender Weise.

Zwischen den westlichen und östlichen Quartiersteilen verläuft der Boulevard, der durch eine Abfolge von Quartiersplätzen mit guter Aufenthaltsqualität begleitet wird. Der Kesselbau fasst zusammen mit einem Neubaukörper im Westen den gut proportionierten Eingangsplatz an drei Seiten, wobei der Neubau in seiner Höhe überzogen ist. Als eigenständiger Beitrag wird auch der Vorschlag gewertet, im mittleren Teil des Quartiers eine öffentliche, flexibel nutzbare Gemeinschaftsfläche mit breiter Öffnung und Terrasse zur Nagold anzulegen. Die vorgeschlagene Überdachung wäre allerdings zu überprüfen. Auch der Uferplatz mit Gastronomieangebot, der das nördliche Ende der Platzabfolge bildet, überzeugt in seiner Raumbildung und Ausgestaltung.

Länger diskutiert wird über die Frage, ob eventuell durch eine weitere Öffnung der Bauzeile die Nagold noch stärker in das Gebiet einbezogen werden sollte. Zweifellos ist der Erhalt, beziehungsweise die Wiederherstellung / Ergänzung der geschlossenen, ortsbildprägenden historischen Bauzeile durch zeitgemäße Elemente eine der Grundlagen und Qualitäten des Entwurfs und auch mit Vorteilen im Hinblick auf den Hochwasser- und Lärmschutz verbunden. Grundsätzlich denkbar wäre es, den südlich gelegenen Übergangsbau nicht durch eine Wohnbauscheibe zu ersetzen und an der Stelle noch einen dritten Zugang zum Flussufer zu schaffen. Er würde sich jedoch eher randseitig zu den Wohnquartieren befinden. Dieser Frage wäre weiter nachzugehen.

Wegeführungen, Grünflächen, Ruhe- und private Vorbereiche versprechen im Ganzen eine gute Aufenthaltsqualität und fördern die Identität der Bewohner mit ihrem Quartier.

Das Erschließungs- und Mobilitätskonzept ist klar und überzeugend. Zufahrten und Parkierung sind sinnvoll und logisch positioniert und gewährleisten ein weitgehend vom Fahrverkehr befreites Wohnen.

Besonders gewürdigt wird der Prozessvorschlag zur Entwicklung des Gesamtquartiers in Stufen.

Insgesamt stellt der Entwurf einen überzeugenden Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe dar. Er überzeugt insbesondere durch Erhalt und Stärkung der historischen ortsbildprägenden Industriearchitektur und sein stabiles städtebauliches Grundgerüst als Grundlage für die weiteren Planungsschritte und spätere Anpassungen an sich ändernde Bedarfssituationen.