KfW-Award 2008 "Europäisch Leben - Europäisch Wohnen"

Der Ort: Die Nordecke des Berliner Blocks
RuSc liegt in Berlin Mitte auf den Grundstücken Ruppiner Straße 42 und 43, Schönholzer Straße 10a direkt am ehemaligen Mauerstreifen. Das Projekt besetzt die nördliche Ecke eines gründerzeitlichen Blocks.
Im städtebaulichen Maßstab eine Marginalie ist das für ein Gebäude am spezifischen Ort ein großer Nachteil: Dunkel und ohne Sonne. Viele im Krieg zerstörte Nordecken der Umgebung sind bis heute nicht wieder bebaut worden.
Zusätzlich ist die Südseite, der Blockinnenbereich, mit 3 bis 5-geschossigen Seitenflügeln umbaut.

Das Ergebnis: 3 – 1 = 2 + 1
Der Ort bestimmt die Architektur:

Städtebaulich
3 Grundstücke = 2 Gebäude + 1 öffentlicher Platz.
Die eigentliche Ecke bleibt unbebaut und wird zu einem öffentlichen Platz flankiert von zwei spiegelgleichen Gebäuden mit drei Fassaden: Zur Straße, zum Hof, zum Platz. Aus dem Nachteil einer berlintypischen Blockecke wird ein berlinuntypischer kleiner Stadtplatz als Lichtspender und Naherholung für die beiden neuen Gebäude.

Typologisch
Pro Etage gibt es eine Wohnung mit 3 Seiten und 3 Himmelsrichtungen, wodurch die Ausrichtung des Grundstückes nebensächlich wird.
Die Grundstruktur der beiden Gebäude ist identisch, das eine die Spiegelung des anderen.
Die Grundstruktur der Geschosse ist identisch, ab dem 3. Obergeschoß wiederum gespiegelt. In den unteren Etagen werden die Südseiten der Gebäude von der Bebauung des Blockinnenbereiches verschattet, deshalb richten sich die Wohnräume zur Straße, in den oberen Etagen richten sie sich nach Süden. Diese innere Konfiguration der Gebäude ist von außen in der unterschiedlichen Gestaltung der Fassaden von Wohn- und Privatbereichen ablesbar.

Öffentlich
RuSc ist ein städtebaulicher Beitrag zum öffentlichen Raum. Die Baugruppen haben neben ihren Wohnungen die Verantwortung für die Gestaltung und Unterhaltung eines öffentlichen Platzes übernommen.
Dieser Platz ist Identifikationsort für die Bewohner und die nähere Umgebung.
In diesem Spannungsfeld zwischen den Ansprüchen einer öffentlichen (schwer kontrollierbaren) Nutzung und dem Wunsch der Anwohner nach Privatheit, Sicherheit und Ruhe bewegt sich auch die Gestaltung des Platzes:
Der Platz ist ohne jede Barriere öffentlich, was durch die Wahl des typischen Gehwegbelages Mosaikpflaster als Platzoberfläche noch betont wird. Andererseits schauen Augen aus 12 Wohnungen auf dem Platz nach dem Rechten.
In die Platzfläche eingeschnitten sind Kreise unterschiedlicher Größe und in unterschiedlicher Dichte. Je näher die Öffentlichkeit dem Privaten kommt desto mehr öffentliche Platzfläche wird von Kreisen besetzt. Die Kreise sind mit Bambus und Gräsern unterschiedlicher Höhe bepflanzt.


Die Gebäude
Die Gebäude sind zwillingsgleiche Gebäude mit jeweils 6 Wohnungen.
Erdgeschoß und 1. Obergeschoß sind zu einer Maisonette mit eigenem Garten verbunden. Das Dachgeschoß ist ein klassisches Penthouse mit umlaufender Terrasse.
Ein innenliegendes Treppenhaus erschließt jeweils pro Normalgeschoß eine Wohnung von ca. 117 m2 und zoniert den Grundriß in einen öffentlicheren Wohnbereich mit Außenraum, die privaten Rückzugsräume und eine Servicezone.
Diese Grundstruktur ermöglicht die Verwirklichung unterschiedlichster Wohnvorstellungen in Zahl, Art und Zuordnung der Räume.

Nutzung und Aufteilung der einzelnen Bereiche sind flexibel. Möglich sind 2 bis 4 Zimmer, innen- oder außenliegendes Bad, Wohnzimmer mit offener oder separater Küche. Jede Wohnung hat einen großzügig verglasten Wohnbereich mit durch komplett öffenbare Faltfenster zuschaltbarer Loggia. Man kann in der Wohnung um das Treppenhaus im Kreis laufen oder einen separaten Eltern- und einen Kindertrakt einrichten für größtmögliche Ungestörtheit.
Die Geschoßhöhe ist 3m im lichten




Die Realisierung
Zwölf Bauherren bauen gemeinsam ein Haus. Wer bestimmt da eigentlich was?
Die Baugruppen waren sich einig, daß sie das von uns entworfene Haus umsetzen wollten. Als Prämisse für alle Entscheidungen ist festgelegt worden, daß die Architekten für die Konsistenz der Gestaltung allein verantwortlich sind. Im Inneren der Wohnungen hatte jeder Eigentümer freie Gestaltungsgewalt.
Die angestrebte vielfältige Nutzbarkeit in einem vorgegebenem Rahmen ist von den Bauherren genutzt worden. Jede vorstellbare Variante und einige mehr sind zur Ausführung gekommen. Singles und 6-köpfige Familien haben ihre Wohnung gefunden.

Der ursprünglich geschätzte Kostenrahmen ist eingehalten worden, wobei es große Unterschiede in den individuellen Ausbauwünschen gegeben hat. Je nach Mentalität und Geldbeutel sind durch die Auswahl anderer Wand- und Bodenbeläge, Türen und insbesondere Sanitäraustattungen teilweise weit höhere, teilweise niedrigere Kosten für die individuelle Wohnung entstanden.

Konstruktion
Die Konstruktion der Gebäude ist der geforderten Flexibilität und den Kosten angepaßt.
Es sind Stahlbetonskelettbauten, ausgefacht mit Porenbeton, gedämmt mit einem Wärmedämmverbundsystem.
Die teilweise sehr großflächigen Isolierglasfenster als Dreh-Kipp-, Schiebe-, Falt- oder Senkklappfenster sind aus Holz.
Beide Häuser haben gemeinsame Hausanschlüsse und eine gemeinsame Holz-Pellets-Heizung, die eine Fußbodenheizung betreibt.