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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2022

Neugestaltung Ortskern Enger 2025+

Visualisierung Barmeierplatz

Visualisierung Barmeierplatz

2. Preis

Preisgeld: 16.800 EUR

Kortemeier Brokmann Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

ERLÄUTERUNGSTEXT ORTSKERN ENGER 2025+

LEITBILD

Die Stiftskirche mitsamt ihrer umliegenden Gebäude markiert das historische Zentrum der Stadt Enger. Dieser Nukleus „Kirchhof“ ist umgeben von der Renteistraße sowie dem Alten Niedermühlenweg im Norden, der Burg- bzw. Steinstraße im Süden und Osten sowie dem Barmeierplatz im Westen. Diese Straßen und Plätze bilden den zentralen innerstädtischen Geschäftsbereich. Beide Räume sind jedoch nur schwach miteinander verbunden, bzw. gestalterisch verwoben. Der Entwurf stellt daher nicht nur die Kontraste zwischen diesen beiden, für die Stadt Enger so wichtigen, Stadträumen heraus; er verbindet diese auch miteinander. So entsteht ein prägnantes Stadtbild. Das Umfeld der Stiftskirche ist von markanten, locker in Rasenflächen verteilt stehenden Groß-bäumen sowie Pflasterflächen aus Naturstein strukturiert. Es bleibt – bis auf die Implementierung einer neuen Treppenverbindung zum Barmeierplatz – von den Planungen unberührt. Als Kontrast zum locker bewachsenen, grünbetonten „Kirchhof“ erhalten die steinernen Straßen-räume hingegen linienhafte Grünstrukturen in Form von Baumreihen. Zudem erfahren sie eine zusammenhängende Gestaltung, die sie als zentralen „Ring“ im Stadtkern deutlich herausstellen: Gleich dem „Blut in den Adern“ durchfließt der vor Ort vorzufindende und wiederverwendete Klinkerbelag diese zentralen Straßen und „umspült“ die Plätze. Die Straßenräume werden zudem rhythmisiert, indem in Bereichen von Aufweitungen, auf Plätzen, bzw. an Zugängen zum Kirchhof markante Großbaumsolitäre gesetzt werden. Diese verweisen so subtil nicht nur auf Eingänge zum Kirchhof, sondern auch auf andere interessante Orte abseits der geschäftigen Straßen- und Platzräume.

STRASSENRÄUME

Die vorgenannten Straßenzüge sind die Schlagadern des öffentlichen Lebens der Stadt Enger. An ihnen befinden sich wichtige städtische, kirchliche, private Institutionen sowie inhabergeführter Einzelhandel. Ziel ist es, die Zentrumsfunktion dieser Straßen und ihrer benachbarten Plätze in ihrer örtlichen und überörtlichen Wahrnehmung und Nutzbarkeit zu stärken. Dies erfolgt zum einen über eine lesbare Gliederung und stimmige, zeitlose und einheitliche Gestaltung des von sämtlichen Verkehrsteilnehmern gleichberechtigt nutzbaren Verkehrsraums, und zum anderen über eine starke Durchgrünung der Straßenzüge. Die sämtlich nahezu höhengleich ausgebildeten Verkehrsräume gliedern sich in eine zentrale Fahrgasse sowie beidseitig angeordnete Nebenanlagen. Die Breite der zentralen, zur Verbesserung der Orientierung und Entwässerung um 3 cm abgesenkten Fahrgasse beträgt für Einbahn-verkehr mit dem Begegnungsfall Fahrrad 4,00 m, im Zweirichtungsverkehr 5,00 m. Auf den Nebenanlagen sind – sofern es die Platzverhältnisse zulassen – PKW-Stellplätze in Längsaufstellung angeordnet. Dies verbessert die Einsehbarkeit und erlaubt – im Gegensatz zu einer Schrägaufstellung – ein weitgehend kontrolliertes, konfliktfreies Ein- und Ausparken. Die Stellplätze wer-den nur leicht markiert, so dass spätere Anpassungen aufgrund eines sich wandelnden Mobilitätsverhaltens problemlos möglich sind. Sämtliche Stellplätze, Straßenbäume, Einbauten wie Spielgeräte, Lichtstelen und Ladesäulen, wie auch Mobiliar befindet sich auf einem 2 m breiten Infrastrukturstreifen. Dies erlaubt eine konfliktfreie Integration von taktilen Leitelementen auf den beiderseits angeordneten Fußgängerflächen. Diese haben eine Regelbreite von 2,00 m. Die starke Durchgrünung mit Straßenbäumen unterstützt die Gliederung und verhindert eine übermäßige Aufheizung des Stadtraums. Straßenbäume bieten insbesondere Fußgängern beschattete Alltagswege, gliedern den ruhenden Verkehr und reduzieren ihn in seiner visuellen Wahrnehmbarkeit. Zusätzlich sind die Baumbeete – sofern keine Engstelle vorliegt – mit einer Staudenmischpflanzung bepflanzt und dienen als Versickerungsräume für anfallende Niederschlagswässer.

Burg- und Steinstraße
Der Straßenzug Burg- und Steinstraße wird für den motorisierten Verkehr als Einbahnstraße geführt. In weiten Teilen können beiderseits der Fahrgasse PKW- und Fahrradstellplätze sowie Mobiliar und Einbauten angeordnet, und Straßenbäume gepflanzt werden. Der vorhandene, nicht verpflanzbare Baumbestand wird durch standort- und klimagerechte Baumpflanzungen ersetzt.

Renteistraße / Alter Niedermühlenweg
Der Straßenzug Renteistraße / Alter Niedermühlenweg unterteilt sich in drei Abschnitte. Allen Abschnitten gemeinsam ist die Arrondierung der PKW-Stellplätze am nördlichen Fahrgassen-rand. Dies stärkt die fußläufigen Verbindungen entlang des südlichen Fahrgassenrandes über und entlang des Kirchhofs; z.B. vom Barmeierplatz zum Heckewerthplatz oder von der Steinstraße zum Gemeindehaus. Der westliche, wie auch östliche Abschnitt werden für einen Zweirichtungsverkehr ausgebaut. Der mittlere Abschnitt – zwischen Brandstraße und Steinstraße hin-gegen im Einbahnverkehr. Aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse, sowie des baulichen Zustands der Nebenanlagen, welche insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen Alltagsbarrieren darstellen, werden die Gehölze am südlichen Fahrbahnrand entfernt und an anderer Stelle ersetzt.

PLATZRÄUME

Barmeierplatz
Der Barmeierplatz ist das lebendige Herz der Stadt Enger. Als Gegenpol zum eher ruhigen Königin-Mathilde-Platz wird er als aktiver Stadtplatz in historischer Kulisse gestaltet. Folgende 3 Planungsprämissen werden verfolgt:
1. Wahrnehmbarkeit stärken: Generell gilt es, die Wahrnehmbarkeit des Barmeierplatzes als wichtigsten, innerstädtischen Platz zu stärken.
Die Straßensituation an seiner Westseite wird zurückgebaut. Gleich eines Passepartouts markiert jetzt eine offene, ca. 18 x 35 m große, mit Großformatplatten aus Weserhartsandstein befestigte Fläche den zentralen Platz. Wie auch am Königin-Mathilde-Platz wird diese zentrale Platzfläche von Klinkerpflaster umflossen. Es zieht diese Räume zusammen und bindet sie beide in den um-gebenden Stadtraum ein.
Baumpflanzungen auf der nördlichen Platzfläche reduzieren die wahrnehmbare Platzgröße, lassen den Barmeierplatz im spezifischen städtischen Kontext maßstabsgerechter erscheinen und bieten zudem gänzlich andere Raumsituationen als auf dem südlichen Platzbereich; introvertierter, geschützter und beschatteter. Gleichwohl ist eine Marktnutzung möglich. Die Baumpflanzungen entlang der östlichen Kante werden zugunsten der Blickbeziehungen auf das Westportal wie auch den Kirchturm entfernt. Der markante, raumprägende Solitärbaum an der westlichen Kante bleibt hingegen erhalten.
2. Aufenthaltsqualität erhöhen: Das Eiscafé am Königin-Mathilde-Platz ist ein Frequenzbringer für den Platz. Im Bereich der ehe-maligen TG-Zufahrt, entlang der südlichen und östlichen Platzkanten sowie unter den Bäumen im nördlichen Platzbereich werden zusätzliche Sitzmöglichkeiten ohne Verzehrzwang angeboten. Insbesondere Letztere bieten beschattete Aufenthaltsmöglichkeiten; die es bisher auf dem Platz so nicht gab. Die Bankelemente im südlichen Platzbereich, welche im Zuge von Veranstaltungen reversibel sind, bilden eine subtile aber starke Grenze zum befahrenen Andienungsbereich der Volksbank-Stellplätze. Für das griechische Restaurant werden Möglichkeiten für eine Aussenbestuhlung geschaffen.
3. Schwerpunkt setzen: Die Geschichte der Stadt Enger ist untrennbar mit der des Herzog Widukind verbunden. Der Widukind-Brunnen soll somit nach wie vor den gestalterischen Schwerpunkt des eigentlichen Platzes bilden. Um jedoch seine Wahrnehmung im Stadtraum zu erhöhen, wird er präsenter in den Haupt-Blickrichtungen platziert und gestalterisch aufgewertet. Er erhält einen neuen, ca. 40 cm hohen Sockel, so dass er für kurzfristigen Aufenthalt „in Besitz“ genommen werden kann. Ein bodenbündig eingebautes Wasserspiel stellt sowohl den thematischen Bezug zum „Quellwunder“ her als es auch einen zusätzlichen Attraktor, insbesondere für Kinder darstellt.

Platz am Alten Zollamt
Dieser kleine Platzraum zwischen Heckewerthplatz und Renteistraße wird als grünbetonter Platz gestaltet. Die markante Magnolie bleibt erhalten und bildet den vegetativen Schwerpunkt. Sitz-bänke und multifunktional nutzbare Holzwürfel als Spielgeräte laden zu Aufenthalt und Spiel ein.

Kleines ABC
Barrierefreiheit – Die Straßenräume werden barrierearm ausgeführt. Die Implementierung eines taktilen Leitsystems ist möglich.
Beläge – Für die Nebenanlagen ist aus Gründen der Nachhaltigkeit der Wiedereinbau des vorhandenen Klinkerpflasters vorgesehen. Die Fahrgassen erhalten einen Belag aus farblich abgestimmtem Klinkerpflaster. Der zentrale Platzbereich des Barmeierplatzes erhält einen Belag aus gesägten und geflammten Weserhartsandstein-Großformatplatten in einem 60 cm breiten Reihenverband mit variablen Längen. Aufgrund der Beanspruchung wird er in gebundener Bauweise erstellt.
Beleuchtung - Die Beleuchtung der Straßen- und Platzräume wie auch bedeutender Fassaden erfolgt über Mastleuchten.
Bepflanzung - Für die Straßenräume ist der Einsatz von Carpinus betulus ‘Frans Fontaine‘ so-wie Ulmus ‘Rebona‘ resista ® vorgesehen. Junge Bestandsbäume können verpflanzt und in die neue Gestaltung integriert werden. Auf Plätzen und zur Markierung von Eingangssituationen kommen Tilia tomentosa und Quercus cerris zum Einsatz. In Reminiszenz an die Verknüpfung Engers mit dem Sachsenfürsten Widukind werden Fraxinus americana ‘Autumn Purple‘ als zentrale Solitäre auf dem Barmeierplatz platziert. Sie greifen die Symbolik der Weltesche auf, welche sich in der steinernen Irminsul des Widukindbrunnens widerspiegelt. Im Herbst tauchen die Bäume den Platz in satte Rot- und Violetttöne und überhöhen dadurch die Farben des verwendeten Klinkerbelags. Baumbeete erhalten wo möglich eine Unterpflanzung mittels Staudenmischpflanzungen; dies stärkt die ökologische Vielfalt, erhöht die Verdunstungsleistung und verbessert somit das Mikroklima.
Entwässerung - Die Nebenanlagen der Straßenräume werden in die Pflanzbeete, die mindestens 12 m³ Wurzelvolumen aufweisen und als Baumrigolen ausgebildet sind, entwässert.
Mobiliar - Das Mobiliar nimmt sich gestalterisch zurück. Wo notwendig – wie z.B. am Barmeier-platz – werden die Bänke reversibel eingebaut, sodass bei Stadtfesten eine möglichst große Flexibilität der Nutzungen gegeben ist. Für diese Nutzungen werden unterirdische Versorgungsmöglichkeiten vorgesehen. An markanten Punkten werden zusätzliche Stationen für Spiel und Geschicklichkeit integriert. Die modularen Holzmöbel sind Teil eines umlaufenden Funktionsbandes und bieten vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Aufenthaltsqualität und kurzweilige Angebote tragen zu einer lebendigen Innenstadt Engers bei.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser:innen konzipieren für den Ortskern von Enger einen neuen inneren Ring, in dem der Barmeierplatz bewusst als prägender öffentlicher Freiraum mit eigenem Duktus abgesetzt wird.

Alle übrigen Straßenräume folgen einem einheitlichen Ordnungs- und Gestaltungsprinzip.

Der Barmeierplatz entwickelt mit einigen kräftigen Solitärbäumen, dem Erhalt des Widukindbrunnens an der ursprünglichen Stelle und einem durch Belagswechsel dargestellten Platz im Platz einen unaufgeregten Stadtraum, der durch eine Treppenverbindung zur Stiftskirche und die Ergänzung des Brunnens um ein zeitgemäßes Wasserspiel in der Aufenthaltsqualität und der Freiraumverbindung
aufgewertet wird.

Es gelingt, anstelle der bisherigen trennenden Tiefgaragenzufahrt Barmeierplatz und Königin-Mathilde-Platz in Verbindung zu setzen und durch Stadtmöbel die Bühne in ihrer Funktion zu stärken, auch wenn das vorgeschlagene Mobiliar massiv und zu modisch wirkt. Auch das stereotype Angebot von Rundbänken wird sowohl räumlich wie sozial/kommunikativ kritisch beurteilt.

Die grundsätzliche Intention, die Straßenräume zu beruhigen und durch einen Niveauangleich den heutigen Erfordernissen anzupassen, wird vom Preisgericht begrüßt, wenn auch die Befürchtung besteht, dass die Anordnung beidseitiger Funktionsstreifen zu einer Übermöblierung führen könnte, die die gewünschte Durchlässigkeit konterkariert und wiederum Barrieren aufbaut. Positiv gewürdigt wird der Vorschlag, als Belagsmaterial Klinker zu verwenden und bestehendes Pflaster unter Nachhaltigkeitsaspekten einzusetzen, auch wenn dadurch keine wirtschaftlichen Vorteile erzielt werden können.

Die Verfasser:innen schlagen ein durchdachtes Verkehrsleitsystem vor, können aber die vorgegebene Anzahl von Stellplätzen in der Burgstraße nicht erreichen.

Weiter bezieht die Arbeit schlüssige Positionen zum Umgang mit dem Baumbestand wie auch zur Wasserrückhaltung und Entwässerung des Straßenraumes. Die vorgeschlagenen Baumpaare wirken mitunter etwas statisch.

Zusammenfassend bietet die Arbeit eine Reihe guter Lösungsvorschläge für die gestellte Wettbewerbsaufgabe.
Lageplan Barmeierplatz

Lageplan Barmeierplatz

Detail Barmeierplatz

Detail Barmeierplatz

Schnitt Barmeierplatz

Schnitt Barmeierplatz

Lageplan Straßenraum

Lageplan Straßenraum

Schnitt Straßenraum

Schnitt Straßenraum