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Geschlossener, kooperativer hochbaulicher und freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb mit freiraumplanerischen Ideenteil | 05/2022

Entwicklung Kellogg-Höfe in der Bremer Überseestadt

ein 1. Preis / Zur Überarbeitung aufgefordert / Städtebau/Hochbau

KUEHN MALVEZZI

Architektur

KRONE Ingenieure GmbH

Tragwerksplanung

Planungsgruppe Geburtig

Brandschutzplanung

PLASCHKA Planung und Beratung GmbH

TGA-Fachplanung

HeGe Modellbau

Modellbau

Erläuterungstext

Planungsteam mit Atelier Le Balto

STEP BY STEP
Torhaus und Terrassenhaus verbinden sich mit dem Gegenüber an Kellogg-Pier und Promenade zu den Kellogg-Höfen:
ein Ensemble gestufter Baukörper schafft im Zusammenspiel von historischem Bestand und neuen Akteuren eine markante Silhouette auf der Überseeinsel. Transformierte Bestandsgebäude und das skulpturale Neubaupaar bildenzusammen einen geschützten Wohnhof mit hoher Aufenthaltsqualität im Innern und öffnen sich mit dem Torhaus als Büroadresse Richtung Altstadt. So entsteht ein gemischtes Stadtquartier, das die urbanen Hochpunkte am Hansator zur Promenade an der Weser architektonisch hinunter skaliert. Tor- und Terrassenhaus ergänzen sich entlang der Grünen Fuge zu einem Paar, das skulptural zur Weser abgetreppt ist und so gute Aussichten aus den Wohnungen von Gebäude 25 wie aus dem Neubaupaar ermöglicht.

TORHAUS
Das Torhaus fungiert als Auftakt des Quartiers. Als Kopfgebäude bildet es eine gut auffindbare zentrale Büroadresse amurbanen Vorhof aus, die durch ein einladendes Portal aus Hochpunkt und Auskragung erreicht wird. Zusätzlich erlauben zwei Seiteneingänge flexible Mitarbeiter- und Liefereingänge. Das am Hof liegende Foyer verfügt neben dem Empfang über eine Lounge und führt Besuchende in die darüber liegenden Büro-Geschosse. Um diesen Kern sind öffentliche Sockelnutzungen wie Café und Einzelhandel angeordnet. Der Erschließungskern im Nord-Osten des Gebäudes gewährt den Bewohner:innen einen privaten Zugang zu den im Dachgeschoss situierten Wohnungen mit Ausblick. Für ein nachhaltig nutzbares Gebäude kann die Grenze zwischen Büro- und Wohnnutzung im Torhaus heute wie in Zukunft variabel geschossweise verschoben werden.

TERRASSENHAUS
Das Terrassenhaus mit Maisonette-Atelierwohnungen im Sockel treppt sich zu Wohnhof und Weser durch große Bewohner-Dachterrassen ab. Die klare Adressierung an der Stirnseite erschließt die Wohnungen über einen vertikalen Garten aus bewachsenen Laubengängen und stellt darunter im Erdgeschoss eine wettergeschützte Garage für 320 Fahrräder zur Verfügung. Als Gemeinschaftsraum ist der Süd-Ost-orientierte Laubengang ein wohnungsnaher Freiraum und Treffpunkt, der mit Nutzpflanzen belebt werden kann. Während die zur Grünen Fuge mit Weserblick ausgestatteten West-Wohnungen einen Querschnitt des Wohnungsmixes anbieten, sind die kompakten Einraumwohnungen nach Osten zum Wohnhof orientiert und belegen die Geschosse 2 bis 4. Ein gesamtes Stockwerk wie das zweite Obergeschoss kann mit seinem breiten Wohnungsmix für die geförderten Wohnungen herangezogen werden.

ARCHIPEL
Hansatorplatz, Grüne Fuge, Stadthof und Wohnhof werden räumlich klar differenziert und gleichzeitig wird ein Archipel vieler Grüner Inseln eine einheitliche und fließende Atmosphäre durch das Gesamtgebiet erzeugen. Die Grünen Inseln sind dicht bepflanzt mit Gräsern, Sträuchern und Bäumen. Ihre Tieflage erlaubt es, das Regenwasser zu sammeln, auch bei Starkregenereignissen. Die für den Stadtraum ungewöhnliche Pflanzenauswahl aus verschiedenen Weiden, Zitterpappeln, Gleditschien und Zierobstbäume streut eine natürliche und lebendige Atmosphäre durch das gesamte neue Quartier aus. Jede Grüne Insel bietet auch bequeme Sitzmöglichkeiten nah an die Pflanzen in sonnigen wie auch schattigen Plätzen. Sie kühlen die Stadtraumluft ab und bieten Insekten und Vögeln Schutz. Der Bodenbelag besteht einheitlich im gesamten Quartier aus Betonplatten verschiedener Formate, die teilweise mit durchlässigen grünen Fugen verlegt werden. Somit wird die notwendige urbane Festigkeit gewährleistet aber der Versiegelungsgrade reduziert und ein weiches Bild erzeugt.

SPEZIFISCHE FREIRÄUME
Während der Stadthof im Inneren des Torhauses einen öffentlichen Charakter aufweist, entsteht zwischen Terrassenhaus und Gebäude 25 ein privater und geschützter Wohnhof mit Kinderspielplatz. Gemeinsam mit dem Stahlbetonskelettriegel Gebäude 25 bildet das Kopfgebäude ein Tor zum Wohnhof, das eine Sichtachse durch das Quartier hindurch bis hin zur Weser schafft und den Passanten führt. Der Neubau schirmt den Straßenlärm ab und erlaubt zugleich Blicke auf die qualitätvolle Bepflanzung. Die durchlässigen Volumina lassen eine einfache Durchquerung des Geländes von Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen zu. Torhaus und Terrassenhaus bilden eine klare Kante entlang der Grünen Fuge, sodass diese den künftigen Ankunftsort Hansatorplatz sowie den Europahafenkopf mit der Weserpromenade für Fuß- und Radverkehr verknüpft. Die Grüne Fuge selbst bietet dabei ebenso wie der Hansatorplatz durch ihre vielen, Grünen Inseln qualitätsvolle Aufenthaltsbereiche für Anwohner:innen und Besuchende. Die in den Erdgeschossen der umliegenden Bauten untergebrachten Ateliers, Gastronomie- und Gewerbeflächen beleben Wohnhof und Hansatorplatz zusätzlich, sodass sie mit der Zeit zu attraktiven Orten der Überseeinsel avancieren.

FASSADE
Mit Bezug auf die gewerbliche Vergangenheit des Areals zeigt sich das Ensemble der Kellogg-Höfe in einem feingliedrigen Kleid aus roter Keramik. Torhaus und Terrassenhaus sind durch ihr Keramikkleid als Ensemble erkennbar und unterscheiden sich zugleich im Detail durch die Form des Materials, das im Torhaus als profilierte Uni-Fliese und im Terrassenhaus als glatte Mosaikfliese Verwendung findet. Helle, Glas-integrierte Photovoltaikpaneele ergänzen die Keramikfassaden des Hochhauses und dienen als geschoss-trennende Fassadenelemente der effektiven Energiegewinnung zusammen mit den PV-Elementen auf den Dächern. Das Webmuster aus roter Keramik und hellgrauer Photovoltaik verändert sich vom Sockel bis zum Dach graduell und antiperspektivisch, um die Gebäudeskulptur zu unterstützen.

ENERGIE, NACHHALTIGKEIT UND WIRTSCHAFTLICHKEIT
Zum Erreichen eines hervorragenden energetischen Standards mit wirtschaftlichen Mitteln werden verschiedene Komponenten zu einem integralen Konzept vereint:
- Kompakte Baukörper mit gutem A/V-Verhältnis unter Wahrung guter natürlicher Belichtung
- Integration von gestapelten Wintergärten als Pufferräumen mit Zwischenklima im Winter
- Fensterflächenanteil von 40%
- PV auf Dachflächen sowie Fassaden-integriert
- Retentions-Gründächer mit Nutzung für die Bewässerung der Grünanlagen
- Dezentrale Unterflur-Lüftungselemente mit Zu- und Abluft der Büroflächen über die Fassade zur Vermeidung von Aufstellflächen und Leitungswegen für RLT-Anlagen
- Außenliegender Sonnenschutz, im Hochhaus windgeschützt hinter Prallscheibe, um durchgängig Fensterlüftung für hohen Nutzerkomfort zu ermöglichen
- Regenwasser-Retentionsbereiche zur Bewässerung der Pflanzen und Verbesserung des Stadtklimas/Verdunstung
- Verminderung des Versiegelungsfaktors durch den Freiraum und Herstellung des durchlässigen Bodenbelags.

BAUKONSTRUKTIVES KONZEPT
Tragwerk und Materialwahl sind der Nachhaltigkeit verpflichtet. Hochbelastete Bauteile wie Stützen und Unterzüge sind aus (Recycling-) Beton, während die Decken in Holz-Beton-Verbundbauweise hergestellt werden. Die Fassade aus Holz- Alu-Fenstern und großformatigen keramischen Platten ist leicht, unterhaltsarm und langlebig. Die Auskragung des Hochhauses wird durch die Scheibenwirkung der Außenwand erreicht, die aus Gründen des Schallschutzes ohnehin aus Beton hergestellt wird. Die Brückenwirkung wird durch geschossweise Stahlverbundträger wirtschaftlich hergestellt. Die konsequente Verwendung eines Skelettsystem ermöglicht sowohl für das Büro- als auch das Wohnhaus eine leichte Anpassbarkeit der Einheiten an geänderte Anforderungen im Laufe einer langen Nutzungsdauer.

BRANDSCHUTZKONZEPT
Das Hochhaus wird über zwei Sicherheitstreppenräume entfluchtet. Im Wohnhaus führen auf jeder Etage zwei entgegengesetzte Rettungswege über einen im Freien liegenden Laubengang zu den beiden Treppenräumen und von dort ins Freie. Dadurch entfallen Brandschutzanforderungen an die Wände zum Laubengang. Die Holzquerschnitte werden auf Abbrand bemessen, sodass in Verbindung mit einer BMA keine zusätzlichen baulichen oder anlagentechnischen Maßnahmen notwendig sind.

ERSCHLIESSUNGSKONZEPT INDIVIDUAL- UND LIEFERVERKEHR
Das Hauptaugenmerk liegt auf einer sehr guten Erschließung für Fahrräder sowie der Vermeidung von motorisiertem Verkehr im Gebiet. Der Fahrradabstellraum des Wohnhauses befindet sich mittig im EG unterhalb des Laubengangs mit Eingängen an beiden Stirnseiten. Das Bürohaus besitzt einen großen Fahrradabstellraum im UG, der von außen über eine Rampe und innen über die Aufzüge bequem erreicht wird. Direkt neben der Rampe befindet sich die TG-Zufahrt, wodurch der PKW-Verkehr auf den minimalsten nördlichen Bereich der grünen Fuge beschränkt wird. Anlieferung und Müllfahrzeug bedienen die Fuge zwischen den beiden Baukörpern. Die Wendeschleife liegt im Bereich der Fahrspur des Shuttle-Busses, sodass die Hoffläche komplett von Verkehr freigehalten werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

▪ Die Verfassenden haben die Hinweise aus dem Zwischenkolloquium zur Reduzierung des Verdichtungsgrades im Inneren des Plangebietes konsequent aufgenommen und gelangen zu einer klaren und übersichtlichen Verteilung sowie Gliederung der Baumasse
▪ Die Abfolge der Außenräume vom Kellogg-Pier nach Westen zur Grünen Fuge und zum Hansatorplatz ist sehr plausibel. Leider ist die freiraumplanerische Konzeption etwas undifferenziert, um diesem Raumgefüge besondere Qualitäten zu verleihen.
▪ Das gewählte Freiraummotiv der "grünen Inseln" findet in den unterschiedlichen Räumen eine etwas unspezifische Verwendung, so dass nicht in allen Bereichen eine hohe Aufenthalts- und individuelle Aneignungsqualitäten zu erwarten sind. Die Müllabholung ist plausibel gelöst, die Kinderspielflächen im Innenhof wirken etwas knapp bemessen.
▪ Die Anbindung und der städtebauliche Bezug zum Gebäude Nr. 25 sind noch verbesserungswürdig. Die Erschließung der Fahrradabstellplätze im UG muss auf Funktionalität geprüft werden.
▪ Die bauliche Kubatur des Terrassenhauses ist gut gelungen. Das Motiv der pergolaartigen Weiterführung der Gebäudevolumetrie erfordert hohe Sorgfalt bei der Durcharbeitung.
▪ Die Beschränkung des schmalen Innen-/ Lichthofes des Terrassengebäudes auf drei Geschosse machen Themen wie Durchlüftung und Belichtung noch beherrschbar.
▪ Der Wohnungsmix ist weitgehend umgesetzt und die Grundrisse plausibel, wobei allerdings Defizite bei den allgemeinen Abstellflächen in den Fluren/ Eingangsbereichen und bei den Abstellräumen in den Wohnungen festzustellen sind.
▪ Die vertikale Gebäudeerschließung erscheint nicht leistungsfähig genug. Die Reduzierung auf einen Haupteingang direkt im Durchfahrtsbereich für Shuttlebus und Müllabfuhr erschweren die störungsfreie tägliche und periodische Andienung des Terrassengebäudes unnötig.
▪ Die Geschosshöhe und der Zuschnitt der Bäder wären näher zu untersuchen.
▪ Das skulpturale Kopfgebäude besetzt die wichtige stadträumliche Schnittstelle am Hansatorplatz sehr überzeugend. Die Höhenentwicklung des Gebäudes ist im Kontext vertretbar.
▪ Die etwas indirekte Adressierung des Gebäudes und seine über die Geschossebenen nicht vollständig überzeugende Erschließungssystematik (Größe der Kompartiments, 2. bl. Rettungsweg) ist der gewählten Kubatur geschuldet.
▪ Die gebäudeenergetischen und quartiersklimatischen Fragestellungen finden überzeugende Antworten.

Insgesamt liefert die Arbeit einen sehr wichtigen städtebaulichen und architektonischen Beitrag und insgesamt gute Ansätze zur Lösung der gestellten Aufgabe. Vereinzelte hochbauliche Optimierungsbedarfe erscheinen insgesamt beherrschbar. Die freiraumplanerische Qualität bleibt deutlich hinter der städtebaulichen Qualität des Beitrags zurück.