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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2022

Neubau Gewerbehof Freiham

Anerkennung

Preisgeld: 9.000 EUR

HPP Architekten GmbH

Architektur

Alexander Over Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Gewerbehof mit einer BGF von etwa 24.000 qm inklusive Tiefgarage soll zur Lebendigkeit des Stadtteils beitragen, dem gewerblichen Mittelstand die Möglichkeit einer Existenzgründung bieten sowie Handwerks- und Produktionsbetriebe aufnehmen.

Städtebau
Innerhalb der vorgegebenen Parameter werden zwei miteinander verbundene Baumassen für den Gewerbehof platziert. Die Höhenentwicklung der Baukörper ist konsequent gestaffelt, um einen sanften Übergang in die angrenzende Landschaftszone und den Hof Freiham zu ermöglichen. Die Innenhoffläche ist kompakt und im Umgriff der Baumasse gehalten, damit gleichsam die geschützte Betriebsamkeit und die Umgebung miteinander im Einklang stehen. 

Erschließungs- und Freiraumkonzept
Mit den festgesetzten Grünräumen und der guten Grünausstattung im Umfeld verbleibt aufgrund der hohen Nutzungsanforderungen bezüglich der oberirdischen Stellplätze für PKWs und LKWs vergleichsweise wenig Grünfläche. Die Anlieferung und Rangierflächen sind für den angestrebten Betrieb der Gewerbeeinheiten notwendig. Die Versiegelung wird durch mehrere Gebäudeelemente kompensiert: Die befahrenen Flächen werden mit wasserdurchlässigem Betonpflaster befestigt. Es werden zwei helle Farbtöne gewählt, um bei hohen Reflexionswerten eine Varietät in die Hoffläche zu bringen. Die Hoffläche soll zu besonderen Anlässen vom ruhenden Verkehr freigehalten und als Festplatz genutzt werden können. In den Randbereichen sind hier Fledermauskästen als Ergänzung des nördlichen Grasbandes an vereinzelten Beleuchtungsmasten errichtet. Alle Flächen, die nicht zur Erschließung genutzt werden, sollen mit Gräsern, Stauden und Laubbäumen bepflanzt werden. Ahorn, Robinien im Bereich der Stellplätze und Tetradium daniellii, der Tausendblütenstrauch, dienen als Leitart in der Grünfuge. Im Westen wird die bestehende Obstbaumwiese mit einer weiteren Reihe Obstbäume im vorgegebenen Raster ergänzt. Die Dachflächen werden zum Teil als extensiv begrüntes Retentionsdach mit aufgeständerter PV-Anlage ausgebildet. Dachflächen ohne PV-Anlage werden als Biodiversitätsdach, ebenfalls mit Wasserspeicher vorgesehen. Auf der niederen, westlichen Dachfläche wird eine große Gemeinschaftsterrasse mit einem intensiv begrünten Dachgarten angelegt. So entsteht eine abwechslungsreiche und artenreiche Dachlandschaft, in der ca. 85 Prozent des Niederschlagwassers zurückgehalten und verdunstet werden kann, mit dem Ziel der sommerlichen Abkühlung und verbesserten Aufenthaltsqualität. Das verbleibende Niederschlagswasser wird dem nördlichen und östlichen Grünstreifen zugeleitet und über Muldenrigolen versickert. Das heißt, es wird über belebten Oberboden und nur bei einer temporären Überlastung der Mulden über ein Rigolensystem versickert.

Nutzungen 
Die Gewerbeeinheiten und die dazugehörigen Nebennutzungen, Hausmeisterwerkstatt, Fahrradraum, Besprechungsraum sind nach ihrer Funktion hin verortet. Die Hausmeisterwohnung ist außerhalb der betrieblichen Spannungsfelder situiert und gleichermaßen gut erschlossen. Regelmäßige Fassadenanschlüsse und bauliche Fugen ermöglichen eine bedarfsgerechte einfache Teilung der gewerblichen Mietflächen je nach Vermietungswunsch.

Fassaden 
Es ist eine Holzelementfassade als Brettsperrholzkonstruktion und Hanfplatten- Wärmedämmverbundsystem mit einem hohen Vorfertigungsgrad geplant.
Die vertikalen Aluminium-Fensterfelder beziehen sich auf die möglichen Teilungen in kleine Gewerbeeinheiten von ca. 40 Quadratmeter. Ihre Gliederung und Größe ermöglicht eine sehr gute Belichtungstiefe der Räume und referenziert industrielle Fassadengestaltung mit dem menschlichen Körpermaß hinsichtlich Öffnen, Reinigung und Wartung. Die Bambuslisenen mit Aussparungen dienen als Nistkästen für Vögel und auch als Insektenhotel. Weitere Bambuspflanzen finden an der Fassade ihren Halt. Ebenso werden Insektenhotels in der Fassade integriert, sodass eine tatsächlich lebende Fassade entsteht.

Biodiversität = nachhaltig 
Dieser Kernsatz steht über den Betrachtungen und dem Nachweis einer grünen Fassade. Das gilt insbesondere für die Wahl der verwendeten Konstruktionen und Materialien mit dem Ziel CO2 gegenüber herkömmlichen Bauweisen einzusparen. Der aufwendige Betrieb einer grünen Fassade mit Substratflächen wird bewusst vermieden.

Materialien 
 Sinnvoller Einsatz von verputzten Innenwänden mit Lehm-Grünlingen, die CO2 einsparen, da sie ohne Gasverbrennung und Hitze getrocknet sind. Möglichst geringe Anteile an Beton und hohe Anteile an Holzbau sind das erklärte Ziel der Planung, um das Gebäude zum Ende der Nutzungszeit in einen Materialkreislauf zurückführen zu können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Ausbildung einer U-förmigen, an einer Stelle aufgeschnittenen sowie abgetreppten Großform ist ein möglicher städtebaulicher Ansatz. Die Adressbildung beider Baukörper im Bereich der Lücke ist nachvollziehbar und gut verortet. Konterkariert wird diese durchaus klare Grundhaltung durch viele, nur schwer verständliche, gestalterische Versatzstücke. Die Gestalt wirkt dadurch etwas indifferent, allerdings ohne die Funktionalität einzuschränken.

Die Arbeit besticht auf den ersten Blick durch ihr grünes Erscheinungsbild. Schaut man jedoch genauer hin, merkt man im Grundriss, dass von den Grünstrukturen aufgrund der Funktionalität nicht viel bestehen bleibt. Die Vorgartenzone wird zerschnitten, wodurch mehr Versiegelung entsteht. Schade ist auch, dass die wichtige Grünzäsur nicht mehr ablesbar ist.

Die äußere Erschließung mit einer zentralen Zu- und Abfahrt für Lkw in einen durch die Großform ausgebildeten, zentralen, großzügigen Innenhof hat Potential, allerdings verhindert die Zufahrt zur Tiefgarage, der Grünzug und die Ausbildung der oberirdischen Stellplätze eine vernünftige Nutzung. Positiv vermerkt wird die ausreichende Durchfahrtshöhe durch die erst im 2. Obergeschoß angebotene Brückenverbindung. Allerdings führt der fehlende zweite große Lastenlift im östlichen Bauteil zu Einschränkungen. Das Angebot an Fahrradstellplätzen ist weit unterdimensioniert.

Die Erschließung im Inneren ist vorstellbar, bemängelt werden müssen allerdings die fast völlig unbelichteten langen Flure, die als Sackgassen enden, sowie die teilweise sehr tiefen und schmalen Parzellen. Gewürdigt wird die Lage und Ausbildung der Hausmeisterwohnung.

Die durchaus begrüßenswerte Hybridkonstruktion aus Holz und Beton ist leider in dieser Form nicht umsetzbar, die Spannrichtung ist falsch und unabdingbare Unterzüge sind nicht vorhanden. Gestalterisch kaum vorstellbar ist die Ausbildung der Fassade. Kleinteilige, willkürlich unterteilte Fensterflächen in Verbindung mit Blechpaneelen und schmalen Putzflächen vor den Holzbrüstungen können nicht überzeugen. Die vor der Südfassade angedachte Mischung aus abgeschnittenen, vom Boden abgehobenen und lebenden, riesenhaften Bambusstangen soll Nistplätze für Vögel schaffen, wird jedoch kontrovers diskutiert. Die Realisierbarkeit ist allerdings in Anbetracht des örtlichen Klima nicht gegeben.

Die Kennzahlen liegen im besseren Bereich der abgegebenen Arbeiten, die nicht durchdachte Konstruktion wirkt sich allerdings nachteilig aus. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind durchschnittlich, die vielen unbelichteten Flächen und die tiefen Räume mit den kleinteiligen Fenstern und den Bambusstangen davor wirken sich negativ aus.