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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Erweiterungsbau Staatsarchiv Bremen

1. Preis

Preisgeld: 12.500 EUR

Bruno Fioretti Marquez

Architektur

Häffner + Zenk Planungsgesellschaft mbH

Bauingenieurwesen

ZRS Architekten Ingenieure

Tragwerksplanung

Uwe Mönnikes

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Konzept
Der Magazinneubau, der das Staatsarchiv im Südosten erweitert, setzt den sprachlichen Duktus der Bauten der Nachkriegsmoderne fort und fügt sich in seiner Formensprache und Materialität in das Ensemble ein. Im Spannungsfeld zwischen klein- und großmaßstäblicher Bebauung, Grünraum und Stadtraum, vermittelt er durch seine städtebauliche Positionierung, seine Proportionen und die geschaffenen Übergänge zwischen den vorhandenen Gegensätzen.

Städtebau und Grünraum
Der Neubau schließt mit einem schmalen, eingeschossigen Annex im Südosten an den vorhandenen Magazinturm an. Entlang der Baulinie, quer zum Turm positioniert, orientiert sich der quaderförmige, viergeschossige Baukörper in seinen Proportionen an der vorhandenen Bebauung und vermittelt zwischen den bestehenden Einzelvolumen des Staatsarchivs, dem achtgeschossigen, großmaßstäblichen Volumen des ehemaligen Konsulats und der östlich angrenzenden, kleinmaßstäblichen Wohnbebauung. Gleichzeitig vermittelt er zwischen dem Magazinturm und dem Grünraum.
Mit der Schmalseite zur Sicht- und Bewegungsachse der Fußgänger und Fahrradfahrerinnen auf dem Weg in die Altstadt hin orientiert, bildet er den Auftakt an der Schnittstelle zwischen Staatsarchiv und Park und hält gleichzeitig einen größtmöglichen Abstand zu der Wohnbebauung im Osten. Die begrünte Abstandsfläche geht fließend in die Grünflächen des Parks über, so dass der Erweiterungsbau dreiseitig in den Grünraum eingebettet ist. Als Pendant zu den vorgelagerten Arkaden des Bestandsgebäudes, die im Norden und im Osten Vorzonen schaffen, wird der Stirnseite des Baukörpers ein steinernes Plateau vorgelagert. Es schafft einen „niederschwelligen“ Übergang von „Naturraum“ zu „Kulturraum“, verstärkt die Vermittlerrolle des Neubaus und gibt der Parkseite ein Gesicht. Das Plateau kreiert einen „Möglichkeitsraum“, einen Ort, den sich die Anwohner und Spaziergängerinnen aneignen können, der zum Verweilen oder zu spontanen Aktivitäten einlädt. Gegenüber des ehemaligen amerikanischen Konsulats bildet die Längsseite der Neubaus eine klare Gebäudekante aus und stärkt damit den Dialog innerhalb des Nachkriegsensembles – die Außenfläche wirkt nun als schmale Grünschneise der Parkanlage, die durch das Ensemble führt.

Architektonisches Konzept und Grundrissorganisation
In Analogie zu dem bestehenden Magazinturm stellt sich der Erweiterungsbau als geschlossener, etwa zwölf Meter hoher Kubus aus Backstein dar. Die dunklen Backsteinfassaden treffen unvermittelt auf das Erdreich und scheinen aus diesem herauszuwachsen, so dass der Neubau wie ein überdimensionierter, monolithischer Stein wirkt.
Gezielt gesetzte Fassadenöffnungen im Erdgeschoss, entlang des Fahrradweges, die wie große Schaufenster in den „Stein“ eingelassen sind, geben Einblick in die Arbeit der Restauratorinnen und Archivare. Spiegelbildlich, auf der gegenüberliegenden Hofseite, markiert eine große, in das Gebäude zurückgesetzte Verglasung, den Eingang für die Anlieferung der Archivalien.
Die Komplexität dieses schlichten Baukörpers wird erst auf den zweiten Blick erlebbar – Symbole, Analogien und Metaphern erweitern die Lesart des Neubaus. Bereits die Wahl des Materials, der Backstein, kann als Analogie zu den Dokumenten des Archivs gelesen werden. Ebenso, wie das Format der Dokumente als kleinstes Modul die Abmaße der Archivräume bestimmt, so bestimmt auch der Ziegelstein als kleinstes Modul die Abmaße des Bauwerks. Dem Lagern von Archivalien ist das Ablagern von Zeitschichten inhärent. Dieser Vorgang soll in den Fassaden durch die Varianz der Backsteinverbände, die sich als horizontale Schichten abzeichnen, versinnbildlicht werden.
Das Plateau, einerseits räumlicher Vermittler, ist andererseits ein Ort und Abbild des alltäglichen Zeitgeschehens. Inmitten dieses Plateaus, wird ein Birnenbaum an die Fassade gepflanzt. Er spendet Schatten sowie Früchte und verbildlicht die Rhythmen der Jahreszeiten. Die Wandsonnenuhr zählt die Stunden und verdeutlicht gleichzeitig das Eingebundensein in das kosmische Geschehen. Das Plateau, der Birnenbaum und die Sonnenuhr repräsentieren unterschiedliche Aspekte der Zeit, die dem Archiv als Gedächtnis und Repräsentant der „kulturellen Zeit“ hinzugefügt werden.
Mit der Erweiterung des Staatsarchivs um weitere Magazinflächen wird der Erdgeschossbereich des Magazinsturms neu organisiert, um die internen Abläufe zu erleichtern und zu entzerren. Ein großzügiger Windfang erschließt nun die angrenzenden Räume im Bestand. Der Neubau, der im Erdgeschoss Räume für die Archivalienaufnahme, die Konditionierung sowie das Archiv für die Sonderformate beherbergt, wird über einen separaten Zugang, der gleichzeitig der Anlieferung dient, erschlossen.
Sowohl in den oberen drei Geschossen als auch im Untergeschoss befinden sich die standardisierten Kompaktmagazine, wobei sich das Untergeschoss unterhalb des gesamten Hofs erstreckt.



Beurteilung durch das Preisgericht

Das Ensemble des Bremer Staatsarchivs wird mit einem wohl proportionierten Erweiterungsbau fortgeschrieben, der am Imre-Nagy-Weg ein neues Gesicht dieser für das Land Bremen bedeutsamen Institution formuliert.

Die Konturen des viergeschossigen neuen Gebäudes fügen sich präzise in das verfügbare Baufenster und in den städtebaulichen Kontext der hochkarätigen Denkmale der Nachkriegsmoderne ein. Ein zurückhaltend dimensionierter eingeschossige Annex berührt sehr maßvoll den denkmalgeschützten Archivturm und integriert beide Gebäudeteile mit funktional begründeten Räumen für den Archivbetrieb.

Die Eingangssituation für das neue Archivgebäude mit der Anlieferung vom Hof ist logisch für den Gesamtbetrieb positioniert: Zugleich gestattet sie mit der hier direkt angeordneten Archivalienaufnahme über eine großzügige Fensteröffnung zum Imre-Nagy-Weg einen Einblick in die Funktion des neuen Hauses. Der Neubau für das Archiv wird hier nahbar und belebt den stark frequentierten Fuß- und Radweg.

Eine ebenso einladende Geste bietet das erhöhte Plateau am Kopf des neuen Gebäudes. Ein Birnbaum als Spalier und eine Sonnenuhr auf dem maßvoll erscheinenden Giebel tragen zur Anmutung dieses Ortes bei.

Auf diese Weise entsteht ein besonderes Zusammenspiel des neuen Bausteins mit dem Archivturm und seinem Flugdach über dem Eingang sowie dem zweigeschossigen Verwaltungsgebäude entlang der Straße am Archiv. Das erweiterte Ensemble wird so auf sehr selbstverständliche Weise im grünen Stadtraum erlebbar.

Die Wahl von Klinkern als Fassadenmaterial für einen geschlossenen Speicher und seine differenzierte Hülle ist aus dem Ensemble heraus gut begründet und sehr bremisch. Das Preisgericht diskutiert über die handwerkliche Herangehensweise im Kontext des Denkmals.

Die Funktionalität des Grundrisses, die Anordnung und Einbindung des geforderten Raumprogramms mit den Archivflächen in einem Untergeschoss und auf drei Ebenen im Gebäude ist vorbildlich und lässt eine wirtschaftliche Errichtung sowie einen effizienten langfristigen Betrieb erwarten. Lediglich im Bereich der Fluchttreppe im Bestandgebäude sind kleinere Korrekturen erforderlich.

Eine besondere Würdigung verdient der konstruktive Aufbau des Entwurfs mit einer Stahlbetonskelettstruktur, Decken in Brettholzausführung und einer als Mauerwerk vorgeschlagenen Hülle, die den bauphysikalischen Anforderungen eines Archivgebäudes sehr zuträglich ist. Darüber hinaus wird das Flachdach für eine konsequente Begrünung in Verbindung mit einer PV-Anlage vorgesehen.

Aus denkmalpflegerischer Sicht ist der queroblonge Bau, der mit seiner Schmalseite zum Hauptgebäude zeigt, zu begrüßen. Er ermöglicht die Wahrnehmung großer Teile der Bestandsfassade einschließlich des historischen Eingangs mit dem Flugdach. Begrüßt wird die handwerklich materiell sorgfältige Backsteinfassade mit ihrer Horizontalgliederung, die es im Weiteren zu präzisieren und umzusetzen gilt.

Insgesamt hat sich die Jury gemeinsam mit dem begleitenden Gremium sehr einmütig für den stimmigen, klugen und nachhaltigen Entwurf begeistert.
Schwarzplan

Schwarzplan

Ensemble

Ensemble

Bezüge zur Umgebung

Bezüge zur Umgebung

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Regelgeschoss

Regelgeschoss

Längsschnitt

Längsschnitt

Querschnitt

Querschnitt