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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Erweiterungsbau Staatsarchiv Bremen

Anerkennung

Preisgeld: 3.000 EUR

Felgendreher Olfs Köchling

Architektur

Bollinger+Grohmann

Bauingenieurwesen

hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH

Brandschutzplanung

HeGe Modellbau

Modellbau

Erläuterungstext

Das Wesen des Archivs   

Das Staatsarchiv Bremen ist das Gedächtnis der Stadt. Die hier verwahrten Schriftstücke und Dokumente bilden die Identität der Freien Hansestadt Bremen ab und reflektieren diese immer wieder neu. Neben den vielfältigen Aktivitäten im Haus sind mittlerweile auch die Gebäude selbst zu einem wichtigen und identitätsstiftenden Teil des Stadtbildes und des Selbstverständnisses der hanseatischen Stadtgesellschaft geworden. Zwei prägnante Baukörper bilden die essentiellen Bestandteile des Staatsarchivs ab. Der Magazinturm mit seiner Fernwirkung und das transparente, öffentliche Atriumhaus für die Nutzer und Mitarbeiter. Das Projekt für die Erweiterung entwickelt aus diesen zwei Typologien ein drittes prägnantes Gebäude. Inhaltlich ist es eine Erweiterung des Archivs, wenn auch hochmodern und sehr effizient. Städtebaulich aber wird die Höhe und auch die Geschossigkeit des Atriumhauses aufgenommen. So behält der Archivturm mit seiner prägnanten roten Travertinverkleidung vollumfänglich seine Wirkung im öffentlichen Raum, auch neben den Turmbauten der näheren Umgebung. Der Ausdruck des Neubaus oszilliert zwischen Offen und Geschlossen, was den Wesenskern eines Archivs ausmacht. Die leichten Tonnenbögen als Dach deuten trotz fehlenden Eingangs auf eine öffentliche Funktion hin. Zum Park gewandt erinnern die Bögen zudem an leichte Gartenarchitekturen. Das Glas der Fassade bekräftigt mit seinen vielschichtigen, sich teils widersprechenden Eigenschaften die Wechselwirkungen von Offenheit, Transparenz und Reflexion. Die Schuppung der Fassadenscheiben erinnert an das Stapeln und die Schutzfunktion des Glases. 

Die Erinnerung der Dinge

Der Erweiterungsbau erzählt Bremer Geschichten: Es sind die Geschichten der Häuser aus der näheren Umgebung, die zurzeit anderen Neubauprojekten weichen. Das Baumaterial des Staatsarchivs ist Teil der kollektiven Erinnerung an die sich fortwährend wandelnde Stadt. Erstellt wird der Neubau im Wesentlichen aus Abbruchmaterial. Die Decken bestehen aus Backstein und Schotter vom Essighaus, Betonelementen z.B. von der ehem. Bundesbank, Stahlträger und -stützen vom Parkhaus Mitte sowie die Fassade aus Gläsern der Lloydpassage. Mit den Tonnengewölben wird ein Raumtypus aufgegriffen der Erinnerungen wachruft, an Räume die schon immer dem Lagern, Konservieren und Schützen dienten, wie Gewölbe unter historischen Bauten der Stadt. Die Form erhält eine Bedeutung. War schon bei den Bestandsbauten des Archivs die Wechselwirkung von Schwer und Leicht essentielles Entwurfsmittel kontrastiert im Neubauprojekt das massive, schwere Innen mit dem leichten, gartenhaften Außen. Das Zeitgenössische und Zukunftsweisende des Neubaus liegt in dieser Dualität. Das Archiv wird nie abgeschlossen sein, es wird sich immer weiter lebendig wandeln. Hierfür wird eine robuste langlebige Struktur aus Stützen und weitspannenden Kappendecken mit einer flexiblen Fassade bereitgestellt.

Vorfabrikation und Recycling  

Um die Bauzeit kurz und den Platzbedarf gering zu halten werden möglichst viele Bauteile als großformatige Fertigteile vorproduziert, angeliefert und vor Ort direkt versetzt. Das Untergeschoss wird als rissfreie, dichte WU-Beton-Wanne ( Nutzungsklasse A ) aus Sohlplatte und Filigranwänden oberhalb des Grundwassers konstruiert. Das Skelett aus Stahlverbundstützen und Stahlträgern ( B+C ) wird mit quadratischen Betontafeln ( E ) ausgemauert. Die Decken werden als vorgemauerte, bewehrte Tonnensegmente aus Recyclingziegeln ( D ) auf die Baustelle transportiert, auf die Stahlträger gelegt und mit einer Schüttung aus Bauschutt hinterfüllt und verdichtet. Die geschuppte Glasfassade ( A ) wird vor eine Alu kaschierte Dämmung gehängt und hinterlüftet. Ein Dach mit doppelter Wasserführung und einer außenliegenden Entwässerung sichert den Archivbau vor Wassereintritt. Die erste wasserführende Schicht ist das Trapezblech, welches vollflächig mit PV-Modulen in Ost-Westrichtung belegt wird. Darunter befindet sich eine vollflächige Abdichtung. Die Entwässerung führt von den Dachrinnen, über außenliegende Fallrohre in eine Versickerungsrigole mit Überlauf in ein Rückhaltebecken, das als sog. „Plansche“ einen neuen, geheimen Ort im Park etabliert. 

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überplant mit einer überproportional großen Setzung das Grundstück mit einem zweigeschossigen Baukörper und ermöglicht somit eine geringe Baukörperhöhe, welche sich an der Bestandshöhe des Verwaltungstraktes vom bestehenden Staatsarchives orientiert.

Die baukörperliche Annäherung des Neubaus an den Bestand sucht dabei eine Nähe wie zwischen Archivturm und Verwaltungsbau und generiert somit eine Fuge vergleichbarer Art und Größe.

Die Ausmaße des Entwurfes beanspruchen jedoch einen wesentlichen Anteil der Freiflächen und der nötigen Vorzonen für die Infrastruktur der Anlieferung: Diese kann nicht auf den eigenen Grundstücksflächen abgewickelt werden, sondern beansprucht öffentlichen Raum, welcher hierfür nicht vorgesehen ist.

Der planerische Umgang mit dem angrenzenden Bestandsbau ist geprägt von einem starken Eingriff in die bestehenden Strukturen und der verbleibende erdgeschossige „Raum“ zwischen Alt- und Neubau bleibt ohne wesentliche Funktion und Qualität.

Wesentliche Aussage der entwürflichen Konzeption ist jedoch die intellektuelle Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten über „Das Wesen des Archivs“ und die „Erinnerung der Dinge“: Die Verfasser schlagen vor, die materiale und konstruktive Fügung des Projektes aus Bremer Bestandsbauten unterschiedlichster geschichtlicher Einordnung zu entwickeln, die einer aktuellen Abrissdebatte unterliegen und wollen somit einen Beitrag für die Wieder- und Weiterverwendung von baulichem, kulturellem Erbe leisten.

Dies hat Auswirkungen auf die materiale, konstruktive und entwürfliche Sprache des Projektes und wird von der Jury ausdrücklich gewürdigt.

Dennoch überwiegen die teils gravierenden städtebaulichen, typologischen und funktionellen Mängel, sodass die Arbeit mehr als grundsätzlich kultureller denn als entwürflicher Wettbewerbsbeitrag diskutiert wird.
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