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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2022

Siedlungsentwicklung Schönefeld-Nord

Auf dem Marktplatz

Auf dem Marktplatz

Anerkennung

Preisgeld: 12.500 EUR

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

LAVALAND Laura Vahl

Landschaftsarchitektur

TREIBHAUS Landschaftsarchitektur Berlin/Hamburg

Landschaftsarchitektur

ARGUS Stadt und Verkehr

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

GLOCAL CITY SCHÖNEFELD

Ein definierter Zukunftsort. Standorte im Umfeld internationaler Drehkreuze müssen, gerade weil sie – wie der Flughafen BER in den Außenbezirken der Städte liegen - zukünftig eine wichtige Rolle in den Metropolräumen übernehmen. Durch ihre hervorragende Erreichbarkeit mit Bahn, Bus, Auto und selbstverständlich Flugzeug zeigen sie ein Potenzial, das bis Anfang des letzten Jahrhunderts einzig den Bahnhöfen innewohnte: Sie sind die Einfallstore in die Stadt, an denen sich das urbane Leben manifestiert und wo Dichte und Qualität eine Einheit bilden müssen. An diesem Ort kommen Menschen aus aller Welt zusammen, treffen sich und tauschen sich aus. Eigentlich ist dies bereits das Bild einer Stadt in der Stadt.

Aus diesem Kontext heraus kann sich Schönefeld einer spannenden Herausforderung gewiss sein: Sie muss die Internationalität des Flughafens mit dem lokalen Kontext einer sich von der Kleinstadt zur Mittelstadt entwickelnden Kommune in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bundeshauptstadt zu einem attraktiven Ort entwickeln.

Viele Teile, aber noch kein Ganzes. Das Stadtgebiet Schönefelds ist südlich der Bahntrasse stark geprägt durch die große flächenintensive Infrastruktur und die Internationalität des Flughafens und in dem Zusammenhang ausgewiesene weitere Entwicklungsbereiche. Gleichzeitig ist die Gemarkung geprägt durch dörfliche kleine Siedlungsflecken und sehr unterschiedliche Cluster und Räume, wie beispielweise dem Klärwerk, dem Golfplatz, oder dem linearen Band des ehemaligen Mauerstreifens. Die nördlich angrenzenden Stadtteile Berlins entwickeln sich mit ihren wohngebietsgeprägten Siedlungsrändern über die Schnittstelle Landschaftspark und Südpark in Richtung Plangebiet, sie strecken quasi ihre Finger aus.

Schönefeld muss sich zu dem eigenständigen, selbstbewussten zentralen und gleichzeitig attraktiven Ort entwickeln, der in diesem Umfeld heute noch fehlt.

Besterschlossen. Durch Flughafen, Bahnhof, geplante U-Bahn und Autobahn ist Schönefeld extrem gut international bis in die Region angebunden. Die sehr gute Anbindung durch den öffentlichen Verkehr ist eine Verpflichtung, dies in einer Weiterentwicklung aktiv einzusetzen und verantwortungsvoll und auch kreativ mit den bereits geplanten groß dimensionierten Verkehrsräumen umzugehen.

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung ist die gute Anbindung und ein darauf aufsetzendes zukunftsfähiges multimodales Mobilitätskonzept.

Eingebettet in die Landschaft. Gleichzeitig ist die Ortslage zu rund 2/3 von Landschaft und Landwirtschaft umgeben – es gibt schon aus dem heutigen Bestand heraus immer direkte Anbindungen in die Freiräume.

Dies gilt es konsequent weiterzuentwickeln: Die Landschaft wird über Freiraumtypen blaue Saiten und Orte und das biodiverse Layout der Quartiere in den Ortsteil eingebettet und zugleich wird stets der kürzeste Weg in die großen, grünen Erholungsräume gesucht.

Ausbaubasis. Die in den vergangenen Jahren entstandenen, sich aus der historischen Ortslage radialförmig entwickelnden Strukturen definieren auf der einen Seite eine klare Idee, verbleiben jedoch bislang in einem eher schematischen Gefüge und erzeugen zusammen mit den enorm groß dimensionierten Straßenräumen als Siedlung noch zu wenig spezifische Orte und Charakter und formulieren noch keine Idee für den Übergang in die Landschaft. 

Die neue Gesamtperspektive muss sowohl den logischen und unmittelbaren Anschluss an das bestehende suchen, als auch das neue Bild, das frische Gesicht Schönefelds zeichnen. Dazu gehört das aktive Gegenüber zu den Berliner Stadtteilen und den Anschluss an den Flughafen und seine Infrastrukturen.

Die „Glocal City Schönefeld“ ist…     
…global= weltoffen im Kontext des Flughafens im Einzugsbereich einer Metropole
…local = Arbeiten mit dem und Anbinden an das was wir vorfinden, Funktionen für das Umfeld übernehmen
…City = für Ihre Größe von später bis zu 30.000 Einwohner ein sehr lebendiger und vielfältiger Ort.

Schönefeld wird keine Siedlung oder weitere Schlafstadt im Umfeld Berlins, sondern eine selbstbewusste Stadt mit Zentrumsfunktion für das Umfeld, ist lebendig und maßstäblich, mit eigenem „glokalen“ Profil zwischen Tradition und Internationalität. Sie bietet Wohn- und Lebensraum in unterschiedlichsten Typologien für alle Gesellschaftsgruppen und animiert diese, miteinander zu leben. Hierfür entstehen unterschiedlichste Freiräume, dabei sind auch Erschließungsräume Aufenthaltsorte.

Schönefeld ist extrem gut angebunden zwischen internationaler Drehscheibe Flughafen und dem nächsten Dorf, und erkennt das Potenzial, etwas Eigenes daraus zu entwickeln (internationale Schulen, Bildungseinrichtungen, mehrsprachige Kitas). In 10 Minuten Distanz vom Flughafen sind die schöneren Hotels im städtischen Kontext und der „Strip“ bietet interessante Angebote für Bewohner wie Besucher. Schönefeld wird ein Modellquartier auch im Sinne einer Zero Emission Strategie und setzt konsequent auf die Kreislaufwirtschaft und Biodiversität.

Der Entwurf entwickelt sich strukturell selbstverständlich aus dem heutigen Bestand heraus weiter. Die bestehenden und geplanten Trassen und Freiraumachsen werden auf- bzw. übernommen. Dabei werden auch Ideen für den längerfristigen Umgang mit den großen Straßen Radschnellweg, Logistikspur, Infrastrukturtrasse) gegeben.

Typologisch gemischte Quartiere mit unterschiedlichen Zentralitäten und Lebendigkeiten entstehen. Ruhigere Quartiere mit Wohnschwerpunkt orientieren sich zu den großen Freiräumen nach Norden, ein lebendiges Zentrum mit Lust auf Miteinander zentral Richtung Bahnhof.

Die Landschaft zieht sich über ein System aus unterschiedlichen Freiraumtypen durch die Stadt hindurch. Bestehende und neue Quartiere werden dadurch vernetzt und öffentliche Einrichtungen verbunden. Diese Typen nennen wir Saiten - Saiten die Zusammen ein Netz ergeben, aber diverse Eigenschaften mit sich bringen.

Der großzügige Parksaum im Norden fasst die Quartiere und gibt ihnen eine zusammenhängende Gestalt. Von ihm aus spannen sich durch die Quartiere hindurch die blauen Saiten, die als blau-grüne Quartiersanger verstanden werden, und schaffen fußläufige Grünverbindungen. Die Hauptverkehrsachsen ziehen sich als grüne Saiten von Ost nach West und nehmen eine Funktion als grüner Korridor ein. Die orangenen Saiten schließlich weben das Leben in die Stadt und schaffen abwechslungsreiche urbane Begegnungszonen, die in eine kreative Meile als lebendige Mitte und Treffpunkt und eine produktive Meile mit Werkstättencharakter unterteilt sind.

Zentralität auf mehreren Ebenen.

Schönefeld hat das Potenzial, zu einem zentralen Ort auch für die umliegenden, wohngeprägten Stadtteile zu werden. Entsprechend können Bedarfe aus einem größeren Einzugsbereich in Angebote konzentriert werden, die in ihrem Zusammenspiel eine Marke ausbilden. Erst ab einer gewissen kritischen Masse und im Miteinander etablieren sich auch kulturelle und soziale Angebote. Das wird Schönefeld von den umgebenden Siedlungsteppichen und Sondergebieten der Flughäfen abheben. Das Konzept formuliert daraus für Einheimische und Besucher vom Ankunftsort Pestalozziplatz am Bahnhof (Hotel, Gastro, MobiltyHub, Einzelhandel etc.) ausgehend einen zentralen Bereich Richtung Norden mit gemeinschaftlichen Nutzungen (VHS, Stadtteilbibliothek, Kulturzentrum, gläsernes Rathaus, Einzelhandel und Gastronomie) rund um den Marktplatz. Nach Osten wächst der „Strip“ entlang der Pestalozzistraße, eine ‚Produktive Meile‘ auf der vom täglichen Bedarf über Beherbergung, Ausstellung, Veranstaltung, (Kneipen-)Kultur bis zur Kreativwirtschaft mit urbaner Produktion und Bildungseinrichtungen ein lebendiger vielfältiger Raum, der über den Bahnhof hinweg nach Süden zu den dort angedachten gewerblichen Nutzungen wirkt. Aber auch Einrichtungen wie das Freibad, die Schulen oder der Friedhof sollen gut erreichbar sein und sind daher nicht in die typischen Randlagen gerutscht, sondern aktiver Bestandteil im Inneren.  

Entspannung zum Park.

Auf der Landschaftsseite im Norden entsteht durch das Herausschieben von durchgrünten Quartieren mit dem Schwerpunkt Wohnen eine springende Siedlungskante, die jeweils an den „Engstellen“ der Freiräume den Kontakt in die nördlichen Quartiere Berlins sucht und so sichere und sozial kontrollierte Übergänge schafft. Andersherum entwickeln sich grüne Taschen aus dem großen Grünzug heraus in den Städtkörper und bieten unterschiedlichste Erlebnisse: von Bildungs-, Spiel- und Sportanlagen über Nutzfelder mit Ernteerträgen oder Pferdekoppeln und Stadtteilbauernhof bis hin zu infrastrukturellen Einrichtungen eines Energie- und Wasserhauses kombiniert mit Rieselfeldern und Biomasseverwertung. Natürlich alles verknüpft über einen Radschnellweg und mit vielen Schnittstellen in die angrenzenden Quartiere.

Blau-grün-graues Netzwerk.

Durch blaue Saiten, die sich aus den Taschen nach Süden durchstecken, den orangen Saiten bzw „Fugen“ der U-Bahntrasse und der Planstraße E2 sowie der Ost-West verlaufenden Pestalozzistraße, und den grünen Saiten der Hans-Grade-Alle und mittleren inneren Grünzug ergibt sich ein Netzwerk, das die Logik aus dem Bestand heraus aufnimmt. Alle Räume und Verbindungslinien haben neben der Erschließungsfunktion immer Aufenthaltsqualität, sind Teil des Regenwassermanagements und Linienführung im Zuge der Energieversorgung.  Zudem generieren sie sehr unterschiedliche Lagequalitäten und damit unterschiedliche Flanken der jeweils angrenzenden Quartiere.

Mehr Dichte erfordert mehr Qualität. 

Die Quartiere selbst entwickeln durch die Bank angemessene und notwendige städtische Dichten. Konsequenterweise rund um die Bahn und die potenziellen U-Bahn-Halte eine stärkere Verdichtung als in den Randlagen. Höhere Dichten erlauben keine undefinierten „Restflächen“, die Qualität, baulich wie freiräumlich ist von Beginn an ein Thema. Bereits die ersten Maßnahmen müssen die Ambition leben und abbilden, sie setzen die weiteren Standards. Mehr Qualität bedeutet nicht nur gute funktionale, gestalterische und nachhaltige Lösungen, sondern auch Mut zur Mischung. Dies gilt für die Nutzungen gleichermaßen wie für Typologien und architektonische Ausprägung. Gut organisierte Vielfalt, kurze und spannende Wege, soziale Einrichtungen in Schlagdistanz, Räume mit sozialer Kontrolle und schnelle Wege in die Landschaft müssen Hand in Hand gehen.

Freiraum für heute schaffen und Raum für die Zukunft lassen.

Der Ansatz, die Vorgaben zu den städtebaulichen Kennwerten in einem kompakten und dichten Quartier zu realisieren, erzeugt im Freiraum zwei Kernkonsequenzen: Zum einen verbleiben enorme Flächen bis auf Weiteres unversiegelt und frei für potentielle spätere Entwicklungsschritte, zum anderen ergibt sich die Chance einen hochpotenten Freiraum mit hoher Strahlkraft und Anbindung an die angrenzenden Landschafts- und Freiräume zu schaffen. Das Freiraumkonzept folgt dabei dem Grundsatz, mit den neuen Freiräumen bestehende Strukturen aufzunehmen und diese in die entstehenden Quartiere zu überführen und Schönefeld so nahtlos in seine Umgebung einzubetten und mit ihr zu verknüpfen.

Konkret bedeutet das, dass der nördlich der Planstraße E angrenzende Landschaftspark im Norden mit einem Parksaum bis an den Kolonnenweg und damit an den Südpark, im Osten über die Thiekesiedlung an den Landschaftspark Rudow-Altglienicke und im Westen an den Dörferblick und den Park am Dörferblick anschließt und diese Teilräume zu einem Raumsystem verwebt. An der Gartenstadt fortführende Wege nach Süden werden aufgenommen und bis zur Planstraße E fortgesetzt, selbstverständlich in Abstimmung mit der Denkmalbehörde und möglicherweise in sehr reduzierter Form. Genauso werden aus dem gewachsenen Schönefeld Freiraumstrukturen wie die Bertold-Brecht-Alle oder die Theodor-Fontane -Allee in die neu entstehenden Strukturen verlängert und in Stadträume überführt, die in der Folge eine enge Verwebung mit dem Bestand schaffen.

Der entstehende Landschaftspark, der sich im Norden ab der Planstraße E über die ganze Ost-West-Ausdehnung des Bearbeitungsraumes legt, wird als „Parksaum“ mit unterschiedlichen Feldern konzipiert. Entlang der bestehenden Flure kann so etappenweise parallel zur Entwicklung der Baufelder der Landschaftsraum qualifiziert werden. Auch hier gilt das Leitbild der Fortschreibung vorgefundener Strukturen: Die Retentionsfläche soll dementsprechend als dienende Landschaftseinheit zu einer Art Rieselfeld 2.0 ergänzt werden, die Reiterhöfe können an benachbarter Stelle zum Quartiers- und Kinderbauernhof mit Bewohneräckern erweitert werden, vis-a-vis und in Blickbezug zu den Sportanlagen der Rose-Öhmchen-Grundschule können weitere Sportfelder entstehen, genauso wie Spiel- und Bewegungsfelder in der weiteren Abfolge.

Als Pendant zum Dörferblick und möglicherweise als Kommunikationsort und Bürgerwerkstatt zu den Entwicklungen im Schönefelder Norden (mit wechselnden Ausstellungen und Veranstaltungen) wird der „Energieberg“ am autobahnseitigen Zwickel an der Thiekesiedlung als Aushubshalde vorgeschlagen. Von diesem erhöhten Punkt aus wird die faszinierende Vielschichtigkeit des Entwicklungsgebietes manifest und vor, während und auch nach der Realisierung der Maßnahmen ablesbar.

Ökologisch nachhaltig und co-produktiv.

Der neu geschaffene grüne Korridor verbindet nicht nur bestehende Landschaftsparks - als „Schönefelder Seenkette“ nimmt er auch eine wichtige Funktion als ökologischer Korridor im Biotopverbund ein. Neben den aktiv bespielten Feldern sind sogenannte „Stille Felder“ vorgesehen, die als Rückzugs- und Lebensraum für Arten der Kleingewässer dienen und eine Ruhezone neben dem Mauerweg schaffen. Diese Biotope sind als Ergänzung zu den bestehenden Biotopen auf dem Areal und in der Umgebung konzipiert. Retentionsflächen mit ihrer Eigenschaft als wechselfeuchte Standorte schaffen Korridore zwischen den Biotopen, so dass es den Arten möglich ist, von einem Biotop zum anderen zu wandern. Dieses Prinzip der ökologischen Vernetzung zieht sich bis in die Quartiere hinein, die durch die blauen Saiten mit dem gewässerökologischen System der Umgebung verbunden sind.

Hierfür werden jeweils Zielarten identifiziert, die als Co-Produzenten der Landschaft verstanden werden: sie gestalten, prägen und erhalten die Landschaftsräume in ihrer charakteristischen Identität. Dabei werden unterschiedliche Grade der Co-Habitation mit Menschen berücksichtigt: von Kulturfolgern über Nutztiere bis hin zu Zielarten des Biotopverbunds werden verschiedene Formen der Landschafts-Co-Produktion angestrebt.

Der Schritt in eine klimaneutrale Zukunft.

Die Strategie für eine klimaneutrale Weiterentwicklung Schönefelds sieht, gerade im Hinblick auf die Herausforderungen der nahen Zukunft, die Verknüpfung von regenerativer Energieversorgung, intelligentem Regenwassermanagement und Ressourceneffizienz vor, indem alle drei Komponenten zu einem integrierten Konzept zusammengeführt werden. Es wird die Errichtung einer Modellsiedlung vorgeschlagen, welche einen wichtigen Baustein zur Erreichung der kommunalen und europäischen Klimaziele darstellt. Das Ziel sollte es somit sein, die CO2-Emissionen für Wohnen und Mobilität pro Einwohner im Jahr auf unter 1 Tonne zu reduzieren.

Einen wichtigen Beitrag hierzu liefert im Konzept der so genannte „Energieberg“. Dieser wächst nach und nach aus dem Aushub, der während der Errichtung der einzelnen Teilquartiere anfällt. Besucher können sich nach erklimmen des Energiebergs im EnergyLab über die zugrundeliegende Idee, aktuelle Verbräuche und produzierte Energie vor Ort informieren. Er bildet den Lärmschutz in Richtung der Autobahn 113 aus, als auch ein weithin sichtbares Zeichen dafür, dass Schönefeld innovativ in eine klimaneutrale Zukunft voranschreitet. Am und auf dem Berg selbst wird vor Ort regenerative Energie aus Sonne und Wind gewonnen. Zusammen mit den hierfür nutzbaren Dach- und Fassadenflächen im Quartier wird so das Maximum an vor Ort verfügbaren solaren Gewinnen erzielt. Die Kopplung der vier Sektoren Strom, Wärme, Kälte und Mobilität ist der zentrale Baustein des Versorgungskonzeptes. Per Elektrolyse wird im Wasserstoffkraftwerk am südlichen Ende des Energiebergs der überschüssige erneuerbare Strom aus der lokalen Erzeugung in „grünen“ Wasserstoff umgewandelt und die darin enthaltene Energie dadurch speicherfähig gemacht. Wird zu einem späteren Zeitpunkt wieder Strom im Stadtquartier benötigt, lässt sich der Wasserstoff klimaneutral in Blockheizkraftwerken wieder schnell und einfach rückverstromen. Zur saisonalen Langzeitspeicherung und Dekarbonisierung des Gassektors könnte der produzierte Wasserstoff perspektivisch zusätzlich auch in das stadtweite Gasnetz eingespeist werden. Darüber hinaus soll der lokal erzeugte Wasserstoff für die Nutzung in Industrie und Mobilität innerhalb des Quartiers bereitgestellt werden. Hierzu dient beispielsweise ein Energiespeicher an der produktiven Meile (Pestalozzistraße). An der Wasserstofftankstelle am nördlichen Ende des Energiebergs wird der lokal erzeugte Photovoltaik-Strom klimaneutral für das Beladen von Elektrofahrzeugen im privaten Bereich und für Carsharing-Fahrzeuge eingesetzt. Das innovative Versorgungskonzept für Schönefeld zielt auf eine ganzheitliche Lösung im urbanen Kontext ab. Neben dem Ziel einer hohen erneuerbaren Eigenversorgung soll es die Gesamteffizienz des Energiesystems steigern. Hierzu wird deshalb auch die beim Elektrolyseprozess anfallende Abwärme in ein Nahwärmenetz eingespeist. Das neue Schönefelder Nahwärmenetz wird aber maßgeblich von dem geplanten neuen Rechenzentrum am Energieberg versorgt, denn die von Rechenzentren erzeugte Wärme stellt bisher ein riesiges ungenutztes Potenzial für die Energiegewinnung dar und gleichzeitig ermöglicht die, von Beginn an mitgeplante digitale Infrastruktur, die Steuerung eines solchen Smart City Projekts. Rechenzentrum und Wasserstoffkraftwerk decken somit perspektivisch den Bedarf für Heizung und Warmwasser der Quartiere und ermöglichen es zudem über die Einbindung von Adsorptionskälte-Anlagen, Kühlenergie im Sommer bereitzustellen.

Rieselfelder 2.0: aktives Wassermanagement

Der Umgang mit dem in den Quartieren anfallenden (Regen-)Wasser wird ganzheitlich gedacht und aktiv gemanagt. Dazu gehört nicht nur die Nutzung und Versickerung des Regenwassers, sondern gegebenenfalls auch das Verwerten der Kohlenstoffe aus dem Schwarzwasser durch Biogasgewinnung, das Nutzen der Nährstoffe des Grauwassers durch die gezielte Produktion von erntefähiger Biomasse in den „aktiven Feldern“ des Parksaums sowie das Heranziehen des Wasserhaushalts zur Kühlung im Sommer. In der Kombination der verschiedenen Verfahren kann für die neuen Quartiere in Schönefeld eine positive Energiebilanz erreicht werden. Durch die geschickte Konzeption des großzügigen Parksaums im Norden steht eine ausreichend große Fläche für ein aktives Wassermanagement zur Verfügung, ohne die bestehenden Biotope zu belasten.

Der zu den Quartieren gerichtete Teil des Saums wird als Schwammpark verstanden und hält durch topografische Modellierung Flächen zur Retention bereit, die wie selbstverständlich in die Landschaft eingebettet erscheinen. Diese technischen Entwässerungslösungen stehen in Kontrast zu den natürlichen Kleingewässern auf den „Stillen Feldern“, die ebenfalls Wasser rückhalten und zu einem angenehmen Mikroklima beitragen. Neben diesen als „Rieselfelder 2.0“ verstandenen Flächen wird dezentrale Entwässerung in den Quartieren umgesetzt.

Bewegung im und durchs Quartier.

Schönefeld verfolgt den Ansatz einer kompakten und autoarmen Erschließung. Direkte Verbindungen für den Fuß- und Radverkehr bilden die Grundlage einer nicht-motorisierten, alltäglichen Mobilität. Zentrale Verbindungsachsen in Nord-Süd- sowie Ost-West-Richtung ermöglichen zudem das schnelle Durchqueren des Stadtteils mit dem Fahrrad und binden diesen geschickt an das bestehende Umfeld an.

Großzügig dimensionierte Platzräume durchlockern dabei immer wieder den Stadtraum und laden zum Pausieren der alltäglichen Wegeketten ein. Die Besonderheit besteht darin, dass in maximal 220 Metern Entfernung fußläufig von einem Platz aus direkt der nächste urbane oder grüne Platz erreichbar ist und so unterhaltsame Stadträume entstehen. So gestalten sich die Wege als besonders interessant und abwechslungsreich und bieten darüber hinaus einen hohen Grad an Orientierung.

Das ÖPNV-Angebot durch S- und U-Bahn bildet in Schönefeld das Rückgrat der neuen Quartiere und ist darüber hinaus Ausgangspunkt für eine städtebauliche Verdichtung. Als zentrale Mobilitätsdrehscheibe fungiert dabei der Bahnhof Schönefeld, der den Stadtteil auch über seine Grenzen hinweg regional vernetzt. Durch die Ausgestaltung eines Bahnhofvorplatzes mit einem Busbahnhof, einem P+R Parkhaus sowie einem großzügigen Fahrradparkhaus wird auch mobilitätsseitig ein neues Entree in den Stadtteil geschaffen. Auch zur Stärkung der zentralen Nord-Süd-Platzfolge kommt dem Bahnhof eine wichtige Rolle zu. Durch eine neue Fuß- und Radwegebrücke über die Bahntrasse wird zukünftig die Verbindung zu den Quartieren südlich der Gleise gestärkt – denn auch dieser Bereich gehört zu Schönefeld.
 
Dezentrale Konzentration.

Innerhalb des Stadtteils sollen als weiteres, zentrales Merkmal, Mobility Hubs an den ÖPNV-Haltepunkten mittels nutzerorientierter Mobilitätsangebote eine inter- und multimodale Fortbewegung fördern. Neben den Hubs kommen des Weiteren auch dezentral in den Erdgeschossen der Gebäude platzierte Mobilitätsfoyers dieser Funktion nach.

Die Mobility Hubs hingegen entfalten die Wirkung, den motorisierten Verkehr frühzeitig zu bündeln und Verkehre innerhalb der einzelnen Quartiere in Grenzen zu halten. Dadurch können Straßenräume Aufenthaltsräume werden.  Die fußläufige Erreichbarkeit der Hubs ist gleichwertig zu den Haltepunkten des ÖPNV gestaltet, sodass überall in etwa 300 Metern Entfernung ein Hub fußläufig erreichbar ist. Insgesamt werden so 3.500 Pkw-Stellplätze untergebracht. 1.500 davon entfallen auf die Wohnnutzungen inklusive Besucherstellplätze, weitere 1.900 Stellplätze für Büro- und Gewerbenutzungen und der restliche Anteil dient dem Bedarf der Kitas sowie der schulischen Einrichtungen. Grundlage für die Ermittlung der Bedarfe stellt dabei eine Kombination eines reduzierten Stellplatzschlüssel von 0,35 Stellplätze je Wohneinheit und einem Stellplatz je 160 m² Büro- und Gewerbefläche (abgeminderte Werte) sowie der Stellplatzrichtzahlen der Gemeinde Schönefeld dar. Eine schlaufenartige Erschließung durch Wohnwege und Quartiersstraßen reduziert zusätzlich die notwendigen Verkehrsflächen in den Quartieren auf ein Minimum, sodass ein überwiegend autofreies Stadtbild entsteht. Für den Radverkehr wird eine wohnungs- und arbeitsplatznahe Unterbringung der Fahrräder vorgesehen. Ausgehend von drei Stellplätzen je Wohneinheit und einem je 25 m² Bürofläche ergibt sich ein Bedarf von rund 25.000 Fahrradabstellplätzen.

Großzügigkeit als Chance.

Als zentrale Achsen für den motorisierten Individualverkehr fungieren die Planstraße E sowie die Hans-Grade-Allee. Durch die großzügig angelegten Straßenräume bietet sich reichlich Platz und die Chance für eine Umwidmung dieser. Durch Einräumung von mehr Flächen für den Fußverkehr und der Implementierung von qualitativ hochwertigen Radwegen, beispielsweise in Form von Radschnellwegen, wird das stadtteilprägende Bild einer nachhaltigen Fortbewegung bestärkt.

Verantwortungsvoll auf vielen Ebenen.

Nur das Zusammenwirken vieler großer und kleiner Maßnahmen kann im Sinne einer verantwortungsvollen Entwicklung erfolgreich sein. Dazu gehören neben den selbstverständlichen ökologischen Zielsetzungen gleichermaßen auch soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlich realisierbare Vorgaben und Schritte. Die Vor-Ort Behandlung und Verwendung des Regenwassers und auch der Abwässer sind ebenso wichtig, wie Verschattung von Bewegungsräumen, Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen oder eine möglichst lokale und regenerative Energieversorgung oder einem Aushub- und Rohstoffmanagement während der Entwicklungsphase. Dem Freiraum wird im Entwurf eine besondere Bedeutung beigemessen, indem er neben notwendigen Nutzungsqualitäten auch deren spezifische energetische und stoffliche Kapazitäten einbezieht und natürlich auch Treffpunkt und Kommunikationsort ist. Eine Kombination aus energetisch-freiräumlicher Kapazität und baulicher Versorgungsstruktur führt zu einem neuen modellhaften Charakter der Glocal City. Die Energieversorgung des Areals sieht eine Verknüpfung von Energieversorgung, Wassermanagement und Ressourceneffizienz vor, indem es alle drei Komponenten zu einem integrierten Konzept zusammenführt. Es wird die Errichtung einer Modellsiedlung vorgeschlagen, welche neben einer hocheffizienten und regenerativen Energieversorgung auch ein nachhaltiges Wassermanagement vorsieht. Eine dezentrale Wasseraufbereitung bei gleichzeitiger Biomasseverwertung (aus Abwasser, Biomüll und Garten- und Landschaftspflege) wird sich als „bauliche Skulptur“ in der grünen Klammer zeigen, die Abwärme digitaler Infrastruktur wird genauso wie die solaren Potenziale ausgeschöpft.

Die Quartiere als Entwicklungseinheiten sind in Ihrer Zusammensetzung so konzipiert, dass keine „Vorratshaltung“ und kein Nachziehen einzelner Nutzungen notwendig ist. Es wachsen handhabbare und in der Zusammensetzung komplette und sozial durchmischte Quartiere. Die Freiräume, die Erschließungsinfrastruktur und die öffentlichen Nutzungen (Schulen, Sport, Kultur usw.) wachsen bedarfsgerecht mit.  


Verfasser/Urheber
ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH, Köln, Sebastian Hermann, Dipl.-Ing. Stadtplaner AKNW
ARGE Lavaland & Treibhaus Landschaftsarchitektur, Berlin, Denis Dizici, Dipl.-Ing. Landschaftarchitekt BDLA
ARGUS studio, Hamburg, Konrad Rothfuchs, Dipl.-Ing. Stadtplanung, Dipl.-Ing. Bauingenieurwesen
weitere Mitarbeitende
Madlen Fink, M. Sc. Fachbereich Stadt- und Regionalplanung
Timo Eisele, Dipl.-Ing. Architekt AKNW
Nils Stoya, M. Sc. Fachbereich Stadt- und Regionalplanung
Lena Piepmeyer, M. Sc. RWTH Fachbereich Architektur und Stadtplanung
Björn Lotter, B. A. Fachbereich Architektur, M. Sc. Fachbereich Urban Design
Sebastian Clausen und Benedikt Dülme, ARGUS studio

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf der Glocal City Schönefeld versteht sich als strukturell selbstverständlich aus dem heutigen Bestand heraus entwickelnde eigenständige Stadt zwischen „Tradition“ und „Internationalität“ mit Zentrumsfunktion für das Umfeld. „Glocal City“ ist global weltoffen im Kontext des Flughafens, lokal anbindend an die vorzufindenden Strukturen, perspektivisch sich entwickelnder lebendiger und vielfältiger Ort, die City.

Das System der im Bestand vorhandenen Radialen wird weiterentwickelt: im Übergang zu Alt Schönefeld Richtung Norden als „Grüne Saite“ mit vielfältigen Grün- und Freiraumnutzungen, in Verlängerung des zukünftigen nördlichen Bahnhofsvorplatzes im Bereich der zukünftigen U7 als urban ausgebildete „Orange Saite“ mit Begegnungszonen, Ausbildung eines Marktplatzes, eines Gläsernen Rathauses, Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie „Blauen Saiten“ innerhalb der Quartiere, die die fußläufigen Quartiersanbindungen darstellen.

Besonders hervorzuheben ist die Ausbildung einer zentralen, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Achse zwischen dem S-Bf. Schönefeld und der großzügigen Parklandschaft im Verlauf des ehemaligen Grenzstreifens. Entlang dieser „Orangen Saite“ wird sich verstärkt auf die Ausbildung attraktiver öffentlicher, urbaner Freiräume in Kombination mit sich hieran anschließenden öffentlichen Nutzungen fokussiert.

Aus dem Entwurf lässt sich allerdings, im Vergleich zu anderen Arbeiten, nicht ableiten, ob kleinere, der Nahversorgung dienende Einrichtungen im Gebiet, in kleineren Quartierseinheiten, vorgesehen sind. Hier trifft auch der 1.000er-Lageplan keine Aussage.
Positiv bewertet wird der abwechslungsreiche Wechsel zwischen Bebauungs- und Freiraumstrukturen nördlich der Planstraße E. In die Freiraumstrukturen städtebaulich gut integriert sind die dringend benötigten Sport- und Spielflächen.

Des Weiteren überzeugt die Ausbildung der „Grünen Saite“ östlich des historischen Ortskerns, welche vielfältige öffentliche Funktionen in sich vereint, so z. B. den Friedhof sichtbar in die Ortsmitte rückt und das Hallenbad um ein Freibad erweitert.
Kritisch angemerkt werden muss die Verortung der vorgesehenen Grundschulstandorte unmittelbar an der Rudower Chaussee und der hoch belasteten Waltersdorfer Chaussee. Hier wäre die Ausweisung von Schulstandorten in „2. Reihe“ begrüßenswert gewesen.
Ausdrücklich gewürdigt wird die Auseinandersetzung mit der Thematik Klima und Energie. Die Verfasser*innen schlagen im östlichen Abschnitt des Plangebiets die Anlage eines Energiebergs vor, welcher mit dem Aushub aus den umliegenden Baufeldern stetig wächst, den Lärm zur Autobahn abschirmen soll und der Gewinnung erneuerbarer Energien aus Sonne und Wind dient. Baulich abgerundet wird das Areal durch den Bau eines Rechenzentrums, dessen Abwärme ebenfalls zur Energiegewinnung genutzt werden soll sowie einem Kraftwerk, das der Erzeugung von Wasserstoff dient.

Die räumliche Lage des Energiebergs gegenüber des vorgeschlagenen 2. Grundschulstandorts und in räumlicher Nähe zu Wohnstandorten wird allerdings kritisch gesehen. Möglicherweise wäre ein solcher Standort im Bereich des Umspannwerks in räumlicher Nähe zum Kompostierwerk westlich des Gebiets gebietsverträglicher.
Vom Landschaftsraum in die blau-grünen Höfe

Vom Landschaftsraum in die blau-grünen Höfe

Präsentationsplan 1/2

Präsentationsplan 1/2

Präsentationsplan 3

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Präsentationsplan 4

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Präsentationsplan 5

Präsentationsplan 5

Präsentationsplan 6

Präsentationsplan 6