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Einladungswettbewerb | 07/2022

Neugestaltung der Neupfarrkirche Regensburg

Perspektiven

Perspektiven

2. Preis

Preisgeld: 11.500 EUR

Nieto Sobejano Arquitectos

Architektur

Adam Olesiuk

Kunst

Erläuterungstext

MEINE KIRCHE, DEINE KIRCHE, UNSERE KIRCHE, EURE KIRCHE

EIN NEUER INNENAUSBAU DES KIRCHENRAUMS ALS
FLEXIBLE SKULPTUR

Die Neupfarrkirche nimmt in Regensburg als erste protestantische Kirche der Stadt eine besondere Stellung ein und ist für die evangelisch-lutherische Glaubensgemeinschaft von herausragender Bedeutung.

Um seiner besonderen kirchengeschichtlichen Rolle und den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten für ein zeitgemäßes Kirchenleben gerecht zu werden, soll der Kirchenraum grundlegend einer funktionalen und gestalterischen Umgestaltung unterzogen werden.

Wie jeder Eingriff in ein denkmalgeschütztes Gebäude muss dieser Eingriff reversibel sein, d. h. er kann im Laufe der Zeit rückgängig gemacht werden. Der Kirchenraum wird so belassen, wie es vor dem innenräumlichen Eingriff war, und kann sich funktionell immer wieder an neue Anforderungen anpassen. Darüber hinaus ist es wichtig, die einheitliche Erscheinung, die der Kircheninnenraum ursprünglich hatte, wiederherzustellen. Nach so vielen Jahren und vielen baulichen Eingriffen ist der einheitliche Charakter der Kirche verloren gegangen. Aus diesem Grund wird ein gestalterisch einheitlicher Eingriff mittels eines hölzernen Einbaumöbels vorgeschlagen, das alle Innenwände wie ein Band umgibt und dem Kirchenraum sein altes Bild der Einheit wiedergibt.

Die innenräumlichen Eingriffe werden sich auf 3 Aspekte konzentrieren:

1 . Die Beseitigung der innenarchitektonischen und architektonischen Barrieren durch die Verlegung eines neuen Terrazzobodens.
Naturstein ist eines der ältesten Baumaterialien der Welt. Wir verwenden ihn als Steinfragment in Kombination mit Zementfragmenten in einem Terrazzoboden. Auf diese Weise können wir eine spezifische Kombination von Materialien und Farben für diesen Ort schaffen. Die fugenlose, ebene Oberfläche ohne Anfang und Ende steht im Einklang mit der flexiblen Nutzung des Raumes und einem barrierefreien Zugang.

2 . Die Homogenisierung des Kirchenraumes mittels eines multifunktionalen Einbaumöbels aus Holz, dass den gesamten Innenraum umschließt wie eine Spange.
Wuchs, Farbe, Struktur und Maserung eines jeden Baumes sind einzigartig. Die Unterschiede in Farbe und Maserung verleihen dem Holz einen natürlichen Charakter. Dieser natürliche Charakter macht es zu einem zeitlosen Material. Der „stille“ Entwurf für das umlaufende multifunktionale Einbaumöbel nimmt diese Eigenschaften auf und geht eine harmonische Symbiose mit dem Innenraum und den Besuchern ein. Funktional wird die Symbiose zwischen ´alt´ und ´neu´, ´Kirchenraum´ und ´innovative Nutzung´, ´Einraum- und Mehrraum´ durch die Multifunktionale Nutzungsmöglichkeiten des Einbaumöbels erweitert. Ob Teeküche oder Stauraum, alle gewünschten Nutzungen des Kirchenraumes können mit ihren Funktionen in diesem Möbel abgebildet werden.

3 . Die Aufwertung des Gewölberaums mit einem Neuanstrich des Kirchenraums mit Farben mit natürlichen Pigmenten, wobei Farbe zur Betonung der grundlegenden Strukturelemente verwendet wird.
Unser Entwurf sieht vor, die vorhandenen Farben der Wände und Decken zu belassen. In Anlehnung an die Tradition des alten Handwerks möchten wir bei der Restaurierung Farben aus natürlichen Pigmenten verwenden. Naturpigmente haben eine starke Dreidimensionalität, die den Farben eine besondere Tiefenwirkung verleiht. Diese dritte Dimension gibt den Farben ihre sinnliche Wirkung, ihre Poesie. Das Material funkelt und glänzt im Licht.

Die Wahl des Holzes ist eine bewusste Entscheidung aufgrund seiner Bedeutung als Mutter und die Repräsentation als solche, die die Kirche darstellt. Und wegen seiner möglichen akustischen Funktionen, die eine flexible und anpassungsfähige Nutzung des Innenraums ermöglichen.
Im Innenraum des multifunktionalen Einbaumöbels können Teeküche, Trennwände, Stauraum, Sitzgelegenheiten und alle erforderlichen Gegenstände untergebracht werden. Durch seine Erweiterung werden die neuen Räume der Seitenkapellen konfiguriert, darunter ein persönlicher Gebetsraum.

Das Einbaumöbel wird in seinem nordwestlichen und südwestlichen Teil mit zwei Windfängen ausgebildet. Sie ermöglichen die zukünftige Erschließung der Kirche über zwei Zugangshallen.
Im Westen befindet sich ein eigens geformter Ausstellungsbereich zur Geschichte der Kirche.
Im Osten begleitet ein neues Chorgestühl die Elemente der Prinzipalia.
Das Einbaumöbel beherbergt auch mobile Trennwände, die, wenn sie aufgeklappt sind, die Kirche in verschiedene Bereiche unterteilen. Dies ermöglicht die gleichzeitige Nutzung mehrerer Funktionen und, was noch wichtiger ist, gewährleistet einen korrekten liturgischen Ablauf, da mögliche Störungen durch andere Nutzungen ausgeschlossen werden.

Mit der Sanierung der bestehenden Treppe, die zur alten Kanzel im südlichen Seitenschiff führt, wird eine neue Empore geschaffen und eine neue Kanzel im Inneren des Kabinetts.
Die Objekte der Prinzipalia kehren an ihren ursprünglichen Standort am Ostende des Gebäudes zurück. Es handelt sich um eine Reihe von Objekten, die einen größeren künstlerischen Stellenwert haben werden, da sie in einer gemeinsamen Aktion mit den Gemeindemitgliedern geschaffen werden sollen.
Für die Sitze der Gemeinde wird die Verwendung von Einzelsitzen in Betracht bezogen, da sie eine größere Flexibilität und eine bessere Lagerung und Wartung ermöglichen.
Der Akustik der Kirche wird in besonderer Weise Rechnung getragen. Die Möbelkorpusse werden mit Holzpaneelen mit einer angemessenen akustisch wirksamen Oberfläche bekleidet, die Nachhall vermeidet und die notwendige Absorption gewährleistet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Erschließung der Kirche bleibt im Wesentlichen unverändert. 
Die Umstrukturierung des Seiteneingangs, mit der Möglichkeit den Kirchenraum bei einer gleichzeitigen Nutzung des abtrennbaren Bereichs unter der Empore über das südliche Seitenschiff zu betreten, wird begrüßt. Die Qualität der barrierefreien Erschließung lässt jedoch weiterhin Wünsche offen. 
Im Innern besticht die große Geste eines der Außenwand des Kirchenraumes folgenden hölzernen Einbaus, der bis unter die Empore reicht. Er nimmt unterschiedliche Nutzungen aufnimmt und bindet diese mit seiner in die Seitenschiffe weitergeführten Materialität geschickt ins Gesamtkonzept ein. Die im Eingangsbereich in die neue Raumschicht integrierten Windfänge und Sitzmöglichkeiten, die Nutzung als Geschichtsgalerie, sowie die Umsetzung des neuen Chorgestühls überzeugen. Die mögliche Reversibilität und Flexibilität bei der Nutzung wird begrüßt. 

Durch die geschickte Unterbringung sowohl der (etwas zu klein bemessenen) Teeküche als auch einer mobilen Trennwand, weiteren Abstellmöglichkeiten und einem Kanzelersatz in die hölzerne Wandschale wird ein von keinerlei weiteren Einbauten gestörter Kirchenraum geschaffen. Die Bänke werden konsequent durch Stühle ersetzt, die bei Bedarf komplett in der neuen Wandschale verstaut werden können. Die Ausführung dieses Einbaus in Holz lässt eine deutliche Erhöhung der Behaglichkeit und auch der Akustik erwarten. Die Frage der Bauphysik eines Einbaumöbels aus Holz an der massiven Außenwand ist zu klären.

Der Übergang von dem neuen hölzernen „Sockel“ zu der darüber liegenden Raumschale wirkt wie ein Bruch, das Zusammenwirken von der abstrakt-nüchtern gestalteten Holzwand und der historischen verputzten Wandzonen erscheint nicht ausreichend bedacht. Der durch den Einbau natürlich deutlich schmälere Kirchenraum verliert zudem etwas an Nutzungsflexibilität. Die Schaffung eines durchgehenden niveaugleichen Terrazzo-Fußbodens zur Unterstützung der flexiblen Nutzungsmöglichkeiten wird begrüßt.

Der bei Abtrennung vom Kirchenraum unter der unveränderten Empore entstehende Raum kann nicht überzeugen. Der für Lesungen und sonstige Veranstaltungen abtrennbare Bereich besitzt – wenn vom Kirchenraum abgetrennt – unzureichende Belichtung und wird trotz separater Zugangsmöglichkeit des Kirchenraums zum Durchgangsbereich.

Der Ansatz, die Prinzipialia als die „wichtigsten“ Ausstattungsstücke einer Kirche in einer prozessualen Gestaltungsweise unter Einbeziehung der Gemeinde zu entwickeln, überrascht zunächst, wird aber in seiner Betonung des offenen Prozesses begrüßt. Die Idee könnte unter durchdachter und künstlerisch kompetenter Moderation zu einem positiven, verantwortungsvollen Engagement in der Gemeinde beitragen.

Insgesamt zeigt das Projekt einen sehr interessanten, architektonisch anspruchsvollen Ansatz, der im Detail jedoch noch Fragen offen lässt.
Lageplan

Lageplan

Grundriss / Schnitte

Grundriss / Schnitte

Schnitte / Ansicht

Schnitte / Ansicht

Axonometrie / Szenarien / Details

Axonometrie / Szenarien / Details

Model / Perspektive 1

Model / Perspektive 1

Model / Perspektive 2

Model / Perspektive 2