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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022

Neubau Gesamtschule Nord+ in Kassel

ein 3. Preis / Ideenteil

Preisgeld: 13.500 EUR

ATELIER 30 Architekten GmbH

Architektur

rheinflügel severin

Stadtplanung / Städtebau

weihrauch+fischer gmbh

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

IDEENTEIL – AHNA QUARTIER Verbindung
Durch die Konversion gewerblicher Flächen entsteht in der Kasseler Nordstadt die einmalige Gelegenheit den Knotenpunkt von Eisenschmiede, Quellhofstraße und Holländische Straße aufzuwerten und im Sinne seiner bedeutenden Lage urban zu entwickeln. Das bisher abgeriegelte Gelände wird geöffnet und mit seiner Umgebung optimal verknüpft, sodass neue Wegebeziehungen, auch für die umliegenden Quartiere, entstehen. Beispielhaft sei hier die unmittelbare Verknüpfung der Goldbergstraße mit dem Nordstadtpark genannt.
Identität
Das neue Quartier versteht sich als gemischtes Quartier, womit sowohl die Vielfalt der Typologien als auch die Nutzungen gemeint ist. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Einbeziehung der neuen Gesamtschule dar, welche als Bestandteil des Quartiers entwickelt wurde. Neben unterschiedlichen Wohnformen beinhaltet das Quartier auch Gewerbeflächen, welche vor allem der Nahversorgung dienen.
Struktur
Die städtebauliche Struktur des Quartiers löst sich von Norden nach Süden kontinuierlich in Einzelbaukörper auf. Eine geschlossene Bebauung schafft im Norden an der Eisenschmiede einen Lärmschutz für die weitere Bebauung. Im Süden bildet die Gesamtschule als ausdifferenzierter Solitär den Abschluss des Quartiers an der Ahna. Im Innern ergeben sich durch die zahlreichen Öffnungen attraktive Aus- und Durchblicke, zumal sich das Quartier mit den angrenzenden Grünräumen verzahnt.
Freiräume
Die Grünraumvernetzung erfolgt vor allem in Ost-Westrichtung und nutzt den östlich gelegenen Steilhang als Bande zur Umlenkung nach Süden zum Nordstadtpark. Der Nordstadtpark erfährt damit nicht nur visuell eine Erweiterung nach Norden. Die Erweiterung erfolgt unter Einbeziehung der Schulaußenräume, welche im Sekundarstufenbereich außerhalb der Schulzeiten als Bildungslandschaft öffentlich nutzbar gemacht werden. Die Anbindung an die Eisenschmiede im Norden sowie die Durchwegung quer durch das Quartier nach Westen verleihen der Parkerweiterung einen öffentlichen Charakter.
Regenwasser
Die Grünflächen sind naturnah gestaltet. Die topografische Gestaltung der Quartiere führt das anfallende Regenwasser über offene Rinnen in die Grünzüge über, wo es dezentral zurückgehalten und versickert werden kann. Bei Starkregenereignissen dienen weitere Flächen in den Grünräumen als Versickerungsvolumen, sodass eine vollständige Versickerung des anfallenden Regenwassers im Bereich des Wohnquartiers sichergestellt ist.
Erschließung
Die innere Erschließung des Quartiers erfolgt autofrei über Wohnwege, welche in die Freiraumlandschaft eingebettet sind. Der ruhende Verkehr wird im Nordwesten unmittelbar an der Quartierseinfahrt durch eine Garage abgefangen, welche als Sockel den Höhenunterschied zur Eisenschmiede ausgleicht. Über die Fiedlerstraße besteht für Fahrradfahrer ein optimaler Anschluss in alle Richtungen.
Smart City
Das Konzept greift die Herausforderungen der Energiewende auf und zielt auf eine sektorenübergreifende Vernetzung der Gebäude- und Mobilitätsinfrastruktur. Ziel ist das „Smarte Quartier“, das eine effiziente Energieversorgung und einen ressourcenschonenden Umgang mit Baumaterialien beinhaltet. Hierzu werden möglichst viele Neubauten in Hybrid- oder Holzbauweise gemäß KfW Effizienzhaus 55 Standard oder besser errichtet.
Strom + Wärme
Für einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz werden alle Dachflächen konsequent mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Die erforderlichen Retentionsqualitäten werden u. a. durch eine Kombination mit extensiver Begrünung erreicht. Die Energieversorgung könnte durch ein mit Bio- bzw. Deponiegas betriebenes Blockheizkraftwerk ergänzt werden.
Ökologie
Die weitgehende Begrünung unter Einbeziehung von Dach- und Fassadenflächen schafft ein angenehmes Mikroklima und ist in Kombination mit den in den Grünkorridoren integrierten dezentralen Versickerungs- und Retentionsflächen ein Beitrag zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Die parkartig durchgrünten Korridore sind mit klimaverträglichen Baumarten bepflanzt. Eingestreute Obstgehölze erhöhen die Biodiversität und leisten einen Beitrag zur „essbaren Stadt“. Die offenen Grünflächen sind zu einem großen Anteil als artenreiche Blühwiesen angelegt die Bienen und Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Die Multikodierung der Flächen fördert Naturerfahrung und Naturverständnis und das gleichberechtigte Nebeneinander von Mensch und Natur.
Freianlagen
Das Freianlagenkonzept übersetzt die Gestaltungssprache des Schulbaukörpers in eine freiräumliche Gesamtkonzeption. Ausgehend aus einem stringenten Gestaltungskanon entwickelt das Konzept individuelle Teilbereiche, sowohl der Schulflächen als auch der Quartiersmitte, zu einem Gesamtbild. Zentral gelegen öffnet sich der nördliche Quartiersplatz zur vorhandenen Bebauungsstruktur und bietet ein attraktives Entre zur Schule und zum Quartierspark aus. Die offene Struktur, mit Sitz und Pflanzzonen, dient sowohl als Treff- und Verweilpunkt, als auch als Verteiler der unterschiedlichen Nutzungen. Am südlichen Ende der Platzspange entfaltet sich das kleine Pendant der Stadtteilbibliothek mit dem Zugang zur Grundstufe. Angegliedert liegt der, von den Gebäudebaukörpern gehaltene Grundstufenschulfreiraum. Unter Integration der vorhandenen Großbäume, wird ein kompakter Schulhof aus Lauf- und Bewegungsflächen, Spiel- und Sitzinstallationen geschaffen. Mit einem dezidierten Spielbereich für die Altersstufe der Grundstufe, ist dieser Bereich zum angrenzenden Schulhof der Sek I abgegrenzt. Somit erhält der Schulhof seinen Abschluss zum Übergang zur KiTa Anlage. Hier kann durch Tore in der Schulhofeinfassung eine Verbindung zum Eingangsbereich der KiTa geöffnet werden und bei Bedarf auch wieder geschlossen werden. Der Freibereich der Sek I nutzt sowohl den durch die zwei Baukörper aufgespannten Freiraum als Schulhof als auch die Dachlandschaft. Dabei wird der Höhensprung genutzt um zwei unterschiedliche Nutzungsräume zu erschaffen. Die Dachlandschaft wird als grüne Rückzugs- und Lernoase ausgebildet. Pflanzflächen mit Kleinbäumen, werden mit einem polygonalen Wegesystem überlagert. An markanten Orten entstehen großzügige Sitzelemente zum Verweilen und Gruppenarbeiten. Kleine Sitzecken bieten Rückzug und stille Lernorte zum individuellen Arbeiten und Erholen. Der offene Schulhof hingegen bietet Raum für körperliche Bewegung, sei es Sport oder Geschicklichkeit. Offene Pflanzzonen mit Sitzeinfassungen bieten Raum das Treiben zu beobachten und schaffen einen semipermeablen Übergang zum Quartierspark. Der angrenzende Quartierspark bildet ein grünes Netz durch die Baukörper hindurch aus und verbindet die Eisenschmiede, Fiedlerstrasse und Nordpark miteinander. Konsequent wird hier das Wohnen im Park für die Freianlagen umgesetzt. Eng verwoben mit den Eingangsplätzen, wird ein Wegenetz installiert, welche zugleich durch Aufweitungen und Wegeführung Aufenthaltsorte ausbildet und Verbindungen zelebriert. Zur Mensa-Anlieferung ist das Wegstück befahrbar ausgebildet. Pflanzflächen wechseln sich mit Retentionsflächen und Wiesen ab und schaffen eine kompakte, naturnahe Stadt-Landschaft. Die dichte Hangbewaldung ergänzt das Parksystem. Zusätzlich zu den Spielbereichen der Schule, wird hier ein Waldspielplatz installiert, welcher die Situation ausnutzt und andersgeartete Betätigung ermöglicht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein großzügiges Schulhaus mit vier charaktervollen Baukörpern, einem einladenden Eingangsbereich an einem neuen Stadtplatz, Pausenterrassen im 1. OG und direkt zugeordneten Freibereichen sollen das Gesicht der Neuen Gesamtschule Nord+ prägen. Alle Nutzer/innen der Schule können das großzügige Foyer von verschiedenen Seiten als Eingangsbereich, Begegnungsraum und als gemeinsamen Veranstaltungsort erleben, da sowohl die Mensa als auch der Theaterraum und der Bühnenbereich zuschaltbar sind. Die Stadtteilbibliothek ist gut auffindbar und kann von ihrer Lage am Foyer profitieren; dies betrifft auch den Verwaltungsbereich der Schule und die Räumlichkeiten für das Kollegium.
 
Der Eingang der Grundschule liegt in der Nähe zur Kita im Stadtteil, was sehr begrüßt wird. Die verschiedenen Freiräume der Schule sind funktional differenziert organisiert, bieten als Spiel- und Sportflächen vielfältige Angebote und integrieren auch die erforderlichen Retentionsflächen. An den beiden Eingangsbereichen der Schule werden ausreichend dimensionierte Fahrrad- und Rollerbügel, Sitzgelegenheiten und schattenspendende Bäume vorgeschlagen. Mit diesem durchdachten Gebäude-, Erschließungs- und Freiraumkonzept der Schule kann das verfügbare Grundstück klug ausgenutzt und in die zukünftige städtebauliche Entwicklung des neuen Quartiers integriert werden. Hervorhebens-wert sind hier die angedachte öffentliche Wegeverbindung in Richtung Eisenschmiede sowie der Nachweis für eine Ansiedlung gewerblicher Nutzungen und die Etablierung von neuen Wohnstrukturen. Ein (planungs- und bauordnungsrechliches) Manko ist bis dato der Vorschlag eines direkten Anbaus der Schule an das Bestandsgebäude an der Fiedlerstraße. Aus Sicht der Nutzer/innen kann das Gesamtkonzept für die Erschließung, die Anordnung und Erreichbarkeit des Fachclusters, der Lerncluster und der gut separierbare Bereich der Grundstufe hervorgehoben werden.

Die Lerncluster sollen jeweils eine Ebene in den drei nach Norden orientierten Bauköpern belegen. Sie funktionieren in ihrem Raumprogramm und ihren Proportionen und entsprechen damit einer modernen und tragfähigen Pädagogik. Der Entwurf berücksichtigt damit die von der Schulgemeinde entwickelten Kriterien der Phase Null sehr gut. Die für die Tagesbelichtung und natürliche Belüftung vorgeschlagenen Loggien werden hinsichtlich ihrer Effektivität und ihrer bauphysikalischen Konsequenzen problematisiert und kontrovers diskutiert. Die Möglichkeiten zur natürlichen Belichtung der Clustermitte – im Sinne der geforderten Low-Tech Strategie – sind nachzuweisen. Insgesamt hat der Entwurf die Anforderungen an ein nachhaltiges Gebäudekonzept zu erfüllen. Dies gilt für eine plausibel durchgearbeitete Holzhybridbauweise, den Nachweis der erforderlichen Technikflächen im Untergeschoss sowie die Integration der konzeptbedingten Installationswege und Installationen.

Die Wirtschaftlichkeit ist sowohl in Bezug auf die Nutzungen als auch die Erschließungsflächen gegeben. Insgesamt wird der Entwurf einhellig positiv beurteilt und signalisiert als „Schule im Park“ den Bildungsaufbruch im Stadtteil. Der Anschluss des Schulgebäudes an das Bestandsgebäude an der Fiedlerstraße ist allerdings unter bau- wie denkmalrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten. Die natürliche Belichtung und Belüftung der Aufenthaltsräume in den Clusterflügeln sind ebenfalls zu prüfen und ggf. zu optimieren.

Die Loggia sollte als ganzjährig nutzbarer Raum zur Verfügung stehen. Eine Ausführung des Gebäudes in Holzhybridbauweise wird grundsätzlich begrüßt, ist jedoch im bisher dargestellten Entwurf noch nicht ausreichend ablesbar. Es bedarf einer vertieften Klärung der Konstruktion im Sinne einer nachhaltigen Materialität. Grundsätzlich ist die Genehmigungsfähigkeit im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes zu prüfen und der Entwurf entsprechend anzupassen.