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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022

Neubau Rathaus Stadt Straelen

1. Preis

Preisgeld: 34.400 EUR

Michael van Ooyen Freie Architekten | Partnerschaft mbB

Architektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Tebartz Ingenieurbüro GmbH

Tragwerksplanung

ISRW - Institut für Schalltechnik, Raumakustik, Wärmeschutz Dr.-Ing. Klapdor GmbH

Bauphysik

loomn architekturkommunikation

Visualisierung

Modellwerkstatt Mijalski + Nasarian GmbH

Modellbau

Erläuterungstext

Aufgabenstellung
Das 1969 errichtete Rathaus der Stadt Straelen deckt trotz diverser Anbauten, Umbauten und Aufstockungen nicht mehr den räumlichen Bedarf. Darüber hinaus wurden als weitere Defizite des Bestands die mangelnde Barrierefreiheit und ein hoher Energiebedarf identifiziert.
Die zur Beseitigung der Defizite zu planende Baumaßnahme muss selbstverständlich die Kriterien Energieeffizienz, CO2-Einsparung und Einsatz erneuerbarer Energien berücksichtigen. Im Zentrum unseres Entwurfs steht daher der Erhalt von Bausubstanz und damit die Nutzung der darin gespeicherten Grauen Energie. Hierdurch wird der CO2-Fußabdruck der Baumaßnahme entscheidend reduziert, Ressourcen geschont und Abfallmengen minimiert. Dieser Ansatz ist aus unserer Sicht deshalb so bedeutend, da wir langfristig keinen Mangel an Energie, sondern an Rohstoffen haben und die Bauwirtschaft als deren größter Verbraucher in der Verantwortung steht. Die im Bestand bereits hoch angesetzte Nutzlast von 5 kN/m2 spricht ebenfalls für dessen Weiternutzung.

Städtebau
Nach dem Rückbau eingeschossiger Anbauten, Nebengebäuden, der Aufstockung und des Ratssaaltraktes verbleibt der dreigeschossige, unterkellerte Verwaltungstrakt als Ausgangspunkt des Planungskonzepts.
Zur Deckung des Raumbedarfs wird der verbleibende Baukörper dreigeschossig entlang des Ostwalls in Richtung Innenstadt erweitert. Dabei nimmt der neue, im Stadtraum wahrnehmbare Ratssaal die Fluchten des Südwalls und der Rathausstraße auf und schließt dort städtebaulich an die vorhandene Bebauung an. Zwischen Alt-bau und Neubau entsteht ein überdachter, lichtdurchfluteter Innen-raum, der sich zum Eingang hin aufweitet. Der bestehende Verwaltungstrakt verschmilzt mit dem neuen Erweiterungsbau zu einer funktionalen und gestalterischen Einheit, die klare städtebauliche Räume definiert.
Das neue Rathaus wendet sich mit seinem vorgelagerten Rathaus-platz und dem angrenzenden Rathausgarten dem Stadtkern zu und ist damit im Stadtbild präsent. Alle erforderlichen Stellplätze werden weiterhin auf der Innenstadt abgewandten Seite angeboten. Die geforderten Garagen und überdachten Fahrradstellplätze werden in zwei Baukörpern außerhalb der thermischen Gebäudehülle des Hauptbaukörpers untergebracht. Sie fügen sich in die begrünte Stellplatzanlage ein. Durch Beibehaltung des Gebäudestandortes bietet sich die Möglichkeit, die vorhandene Stellplatzanlage baulich (zunächst) in seinem Zustand zu belassen und weiterhin unverändert zu nutzen.

Funktion
Das Rathaus wird stadtseitig über den vorgelagerten Rathausplatz, der sich in Verlängerung des Südwalls bis zum Haupteingang er-streckt, und parkplatzseitig über den Nebeneingang erschlossen. Beide Eingänge münden im Bereich des Empfangs im Foyer, dem zentralen und von Galerien gesäumten Herzstück des Gebäudes.
Von hier aus sind im Erdgeschoss der zweigeschossige Ratssaal, die Besprechungs- und Fraktionsräume, das Bürgerbüro mit vorgelagertem Wartebereich, das Tourismusbüro und die Sanitärräume erreichbar. Das begrünte, über ein verglastes Dach mit Tageslicht versorgte Foyer bietet Platz für Ausstellungen und andere Aktivitäten und lädt zum Verweilen ein.
Die vornehmlich für die Verwaltungsmitarbeiter*innen reservierten Obergeschosse werden über ein bestehendes und ein neu hinzu gefügtes Treppenhaus sowie über eine verglaste Aufzugsanlage erschlossen. Brücken überspannen den Luftraum und bieten neben kurzen Wegen unterschiedliche Einblicke in das Foyer. Die raumhoch verglasten Flurtrennwände schaffen nicht nur eine offene und moderne Arbeitsatmosphäre sondern bieten auch die heute notwendige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
Der Aufenthaltsraum der Mitarbeiter befindet sich mit vorgelagertem, durch raumhohe Wände vor Einblicken geschützten Dachgarten im zweiten Obergeschoss. Über eine lediglich 1,30 m Höhe überwindende Außenrampe ist der sich im vorhandenen Untergeschoss befindende Fahrradabstellraum erreichbar. Darüber hinaus werden die bestehenden Räume für die Personalumkleide, die Technik und ein Lager genutzt.
Der Rathausplatz wird vom Ratssaal und vom Rathausgarten flankiert. Der Garten, in dem die „Grüne Couch“ etwas erhöht einen präsenten Platz am Ostwall findet, besteht aus Gras- und Staudenbeeten, die wie Inlays in die Platzfläche eingestanzt wurden. Mit der Bepflanzung des Rathausgartens präsentiert sich die Stadt Straelen als Blumenstadt. Schmale, mit Kies angelegte Nebenwege ermöglichen eine Querung der Beete. Fahrradständer für Besucher des Rathauses wurden in die Beetstruktur integriert.
Das Planungskonzept ermöglicht die Weiternutzung der bestehen-den, von der St.-Raphael-Straße erschlossenen Parkplatzanlage oder aber dessen Umgestaltung, die das Ziel einer Reduzierung versiegelter Flächen und einer stärkeren Begrünung verfolgt. Hierzu werden die PKW-Stellplätze mit versickerungsfähigem Rasenfugenpflaster belegt und die Überhangstreifen als Versickerungsmulden ausgebaut, die insbesondere bei Starkregenereignissen den Niederschlag aufnehmen, zurückhalten und versickern lassen.

Konstruktion
Auch wenn aktuell Holzkonstruktionen als Inbegriff nachhaltigen Bauens gelten, schlagen wir für den Erweiterungsbau eine Stahlbetonskelettkonstruktion vor. Zum Einen ist der Baustoff Holz örtlich nicht im ausreichenden Maß verfügbar, zum Anderen berücksichtigt die gewählte Konstruktion die in der Region verbreiteten handwerklichen Fähigkeiten.
Bei der Betonherstellung empfehlen wir statt Zugschlagstoffe wie Kies und Sand, die in vielen Regionen zur Neige gehen, rezyklierte Zuschläge aus gebrochenem und gemahlenem Abbruchbeton zu nutzen. Ob diese direkt vor Ort aus dem Teil-Rückbau des Rathauses gewonnen werden können, ist zu untersuchen. Darüber hinaus findet ein CO2 reduzierter Zement Verwendung.
Um die eingesetzten Materialien nach dem Ende der Nutzungszeit wieder dem Stoffkreislauf zuführen zu können, werden diese im Rahmen eines Circular Engineerings geprüft. Auf den Einsatz von Verbundbaustoffen und Verklebungen wird zum Beispiel durch den Einsatz von Klettsystemen verzichtet.
Die in einem Raster von 1,25 m gestaltete, mit ortstypischem Klinker bekleidete Fassade bietet bei geringem Unterhaltungsaufwand in Verbindung mit den nichttragenden Raum- und Flurtrennwänden Flexibilität für zukünftige Veränderungen. Schlanke, opak gestaltete Öffnungsflügel mit geringer Einschlagtiefe in den Raum schaffen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen verglaster und geschlossener Fassadenfläche und ermöglichen eine natürliche Raumbelüftung. Die niedrige Brüstungshöhe der Fensterbänder schafft einen angenehmen Außenbezug. Bei Bedarf kann der Einblick in die Büros mit Vorhängen oder durch Aufbringen einer Folie auf die verglasten Flurtrennwände eingeschränkt werden. An den Decken in Teilbereichen angebrachte Holzwolle-Leichtbauplatten sorgen in Verbindung mit einem robusten, feinstaubbindendem Teppichboden für eine angenehme Raumakustik. Die technische Versorgung der Arbeits-plätze wird durch Brüstungskanäle sicher gestellt.

Nachhaltigkeit
Neben der bereits beschriebenen Qualitäten des Städtebaus, der Weiternutzung des Bestands und der Raumqualitäten umfasst das Nachhaltigkeitskonzept neben einer hohen Qualität der Gebäude-hülle eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die sich sinnvoll ergänzen. Dabei soll der Einsatz technischer Anlagen auf das Notwendige beschränkt werden. So ermöglichen beispielsweise Fensterfalzlüfter in Verbindung mit der geplanten Lüftungsanlage unter Nutzung der thermischen Speichermasse der Betonkonstruktion in den Nächten der warmen Monate die Auskühlung des Bauwerks. Die von einer Wärmepumpe erzeugte Wärme bzw. Kälte wird den Räumen effizient über den Fußboden zugeführt.
Weitere Bestandteile des Nachhaltigkeitskonzeptes sind unter anderem eine LED Beleuchtung mit Präsenzmeldung und Tageslichtsteuerung, ein außenliegender Sonnenschutz mit Tageslichttransportelement, eine Lüftungsanlage mit effizienten Elektromotoren und hohem Wärmerückgewinnungsgrad, eine auf dem Dach installierte Fotovoltaikanlage, eine Dachbegrünung und die Versickerung von Regenwasser insbesondere im Bereich des Rathausgartens und der geplanten Stellplatzanlage. Die Baufolgekosten werden durch den Einsatz robuster Materialien wie Klinker oder Glas auf ein Minimum reduziert.
Neben der Weiternutzung wesentlicher Teile des Gebäudebestands können beim Rückbau gewonnene Baustoffe nicht nur als Zuschlagstoff für die Betonherstellung und als Material für den Unter-bau befestigter Flächen sondern auch für den Wiedereinbau beispielsweise als Wand- oder Bodenbelag gewonnen werden. Die stoffliche Güte bleibt dabei erhalten, ein Downcycling mit Qualitätsverlust wird verhindert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser:innen schlagen einen Rückbau der vorhandenen Strukturen des Rathauses bis auf den ´Riegel´ des dreigeschossigen Verwaltungsbaus vor.
Die bestehende Bausubstanz wird durch die baulichen Ergänzungen zu einem kompakten und prägnanten Baukörper ausformuliert. Dieser zeichnet die Linie des historischen Wallringes an der Straße des Ostwalls nach und bildet einen differenzierten Hintergrund für einen Vorplatz zur Altstadt.
Die Ausformulierung der Gebäudekanten reagiert feinfühlig auf den Kontext wie auf die vorhandenen Baufluchten und verbessert somit die stadträumliche Situation.
Die Ausbildung eines ´Kopfes´ an der Südwestecke definiert den Zufahrtsbereich der Rathausstraße, verleiht dem Gebäude eine selbstbewusste Präsenz und einen Auftritt, der eines Rathauses angemessen erscheint.
Der Gebäuderücksprung an der Süd-Ost-Ecke bildet einen weiteren, kompakten und gestalteten Platz zu den Parkflächen im Osten aus und erzeugt wie selbstverständlich eine ´Adresse´ für die vom Park-platz aus kommenden Besucher:innen – ohne dass der Eindruck eines Hintereingangs entsteht.
Die Lage und die Ausgestaltung des Dachgartens auf dem Sitzungssaal an der Süd-West-Ecke ist städtebaulich und auch atmosphärisch nachvollziehbar und bereichert das Angebot an qualitätvollen Aufenthaltsbereichen im Außenbereich.
Die vorgenommenen Interventionen überzeugen sowohl in dem schlüssigen und selbstverständlichen Umgang mit der bestehenden Substanz als auch in der klaren räumlichen und konzeptionellen Qualität der Ergänzungen - in den Innen- wie in den Außenräumen.
Das Gebäude wird über den neuen Vorplatz von Westen über einen angemessen dimensionierten Zugang erschlossen. Die Besucher:innen erreichen von dort die großzügige, lebendige Erschließungs-halle, welche sich zwischen der Struktur des ehemaligen Verwaltungsbaus und einer vorgelagerten Spange von Büroräumen aufspannt. Diese Intervention wird vom Preisgericht als einfach, konzeptionell sehr schlüssig und mit einer hohen innenräumlichen Qualität gewürdigt.
Die vertikale Erschließung mit dem neu eingestellten Aufzug und der zentralen Erreichbarkeit des Treppenhauses überzeugt und lässt eine schnelle Orientierung innerhalb der Grundrisse erwarten.
Die beiden Zugänge im Westen und Osten werden durch das Foyer nahezu gleichwertig verbunden und von der Tresenanlage des Empfangs begleitet.
Die Lage des Sitzungssaals liegt innerhalb der Grundrissstruktur und in seiner Ausrichtung im Stadtraum logisch und ist selbstverständlich mit den innenliegenden Aufenthaltszonen in angemessener Größe verbunden.
Die Zugänglichkeit der Räumlichkeiten der Polizei kann vom Gebäudebetrieb autark organisiert wer-den und findet in der grundsätzlichen Organisation Zustimmung.
Die gewünschte Abtrennbarkeit der Funktionsbereiche nach Dienstschluss / nach allgemeinen Betriebszeiten bleibt vage.
Die Entscheidung sich an den bestehenden Geschosshöhen des Altbaus zu orientieren erzeugt nach der Einschätzung des Preisgerichts in den Bereichen der innenliegenden Büroräume einen speziellen Umgang der Be- und Entlüftung, welcher technisch und räumlich zu lösen wäre.
Die vorgeschlagene Lage der Technikräume im Untergeschoss wird kritisch gesehen.
Der teilweise Erhalt der bestehenden Gebäudesubstanz wird vom Preisgericht im Sinne einer nachhaltigen Gebäudekonzeption gewürdigt. Die Materialität der neuen Fassade verleiht dem Gebäude eine wertige und zugleich angemessene Gesamterscheinung, welche sich an die Bauten der Altstadt anlehnt.
Die Verfasser:innen bieten eine Vielzahl von unterschiedlichen Freiräumen: Im Westen der neue Rat-hausplatz, der mit einer großzügigen gepflasterten Freifläche die Besucher:innen direkt in das neue Rathaus lenkt. Flankiert im Norden mit einem baumüberstandenen Rathausgarten in dem die „Grüne Couch“ ihren neuen Standort gefunden hat. Gras-/ Staudenbeete sind in die Fläche quasi als Inlays eingesetzt. Im Süden wird der neue Ratssaal mit einer Baumreihe zu Rathausstraße abgepflanzt. Auf dem Dach des Ratssaals ist hinter einer hohen Mauer ein wie privat wirkender Dachgarten versteckt. Der Charakter, die Atmosphäre, der Grad an Zugänglichkeit sowie das Nutzungsangebot dieses besonderen Freiraums wird von der Jury sehr unterschiedlich bewertet.
Die geforderten Stellplätze werden weiterhin auf dem Parkplatz auf der Ostseite angeboten. Die vorhandenen Bäume werden durch neue Solitärbäume ergänzt. Versickerungsmulden und Rasenfugenpflaster auf den Stellplatzflächen führen Regenwasser dem natürlichen Kreislauf zu. Vor dem rückwärtigen Eingang ist ein kleiner Platz geplant, der von einem mit einer Sitzbank umgebenen baum-überstandenen Hochbeet gut ´bespielt´ wird.
Insgesamt gelingt den Verfasser:innen auch eine sehr gute und angemessene Freiraumplanung, die das neue Rathaus sinnhaft ergänzt und diesen Ort in einen ´besonderen´ transformiert.
Lageplan

Lageplan

Schwarzplan

Schwarzplan

Grundriss EG

Grundriss EG

Blatt 1

Blatt 1