modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022

Entwicklung Gesundheitscampus Marbach

Perspektivische Skizze Campuspark mit Blick Richtung Neckartal

Perspektivische Skizze Campuspark mit Blick Richtung Neckartal

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

Machleidt GmbH

Stadtplanung / Städtebau

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Winkelmüller Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Drei Nutzungen, drei Typologien, drei Cluster

Die drei wesentlichen Nutzungsbausteine Ärztehaus, Wohnen und Bildung sind als eigenständige räumliche Cluster erkennbar und formen den Campus Marbach. Diese Aufteilung erleichtert die intuitive Orientierung auf dem Gelände, die schrittweise Umsetzung, sorgt für kurze Wege und bindet die Bestandsgebäude maßvoll in das neue Ensemble ein.

Die mittig gelegene autoarme Erschließungsachse sowie der große zentrale Freiraum gliedern und vernetzen die einzelnen Cluster untereinander sowie mit den umgebenden Stadt- und Landschaftsräumen.

Jeder Cluster ist einerseits Teil des Gesamtensembles und bildet gleichzeitig eine individuelle wiedererkennbare Typologie aus.

Architektur
Das bestehende Ärztehaus mit dem ehemaligen Klinikgebäude wird zum Teil umgenutzt und zu einem leistungsfähigem ärztlichen Versorgungsensemble erweitert. Etablierte Ankerfunktionen bleiben erhalten und ringförmig ergänzt um weitere medizinische Angebote. Architektonisch greift der Erweiterungsbau die Dachlandschaft aus Sattel- und Walmdächern im Bestand auf und schafft so ein vitales Ensemble, welches als Silhouette die charakteristischen Giebel Marbachs zitiert.

Westlich dockt an das Ärztehaus das Patientenhotel an, welches typologisch dem Wohncluster zugeordnet ist, inhaltlich aber auch zur medizinischen Versorgung gehört. Das Patientenhotel ist somit ein Vermittler zwischen den Clustern und stärkt die Scharnierfunktion durch einen öffentlichen Cafébetrieb im Erdgeschoss.

Die punktförmige Typologie des Wohnclusters ermöglicht eine spielerische Überwindung der Topografie bei gleichzeitiger Durchgrünung und Blickbeziehungen in die Landschaft. Die Gebäude charakterisieren sich durch natürliche Materialen. Vorgeschlagen werden Fassaden aus Holz, um eine harmonische Einbindung in den Landschaftsraum zu gewährleisten. Funktional werden zum Teil Erdgeschossbereiche zusammengezogen, um öffentlichere Nutzungen zu ermöglichen und den Raumbedarfen gerecht zu werden.

Der Bildungscluster zieht sich wie ein Band entlang der östlichen Grenze des Gesundheitscampus und überwindet in Terrassen die Topographie. Zwischen den Gebäuden bilden sich Plateaus aus, die neben Zugangsbereichen auch Aufenthaltsflächen bieten. Das Bildungsband beinhaltet neben der Akademie und der Fachschule auch die ergänzenden Funktionen der Wohnheime und des Kindergartens. Die Materialität des Clusters generiert sich aus dem Umgang mit der Topographie und charakterisiert sich durch ein massiveres Erscheinungsbild mit Naturstein- oder Klinkerfassaden, Platzflächen verschmelzen mit vertikalen Fassaden.

Die Erweiterungsbauten im Süden verzahnen sich funktional mit dem Ärztehaus, beziehen sich aber strukturell auf das Bildungsband. Somit ist die Nutzung in diesem Bereich mehrfach programmierbar und offen für die Stärkung der jeweiligen bedarfsgerechten Weiterentwicklung des Campus.

Freiraum
Unterschiedliche Freiraumtypologien, inspiriert von den Landschaften der angrenzenden Umgebung, bespielen den neuen Marbacher Campus. In ihrer Ausformulierung umfassen sie eine hohe Spannweite. Von der weiten Landschaft bis zum geschützten Garten und richten sich so an Menschen in unterschiedlichster körperlicher Verfassung.

Im Innenhof des Ringgebäudes bietet ein friedlicher Garten einen Ort der Rekreation. Ein ruhiges Wegekreuz erschließt den kleinen Garten und bietet Sitznischen an. Von Ost nach West quert ein zentraler Boulevard als Shared Space den Campus. Er ist als Doppelspange angelegt und integriert neben einem Spazierweg auch eine 6 Meter breite niveaugleiche Fahrspur. Den Auftakt zum Boulevard bildet im Osten ein baumbestandenes Entrée, westlich mündet der Boulevard im zentralen Platz.

Die Plaza verbindet über eine großzügige Platzfläche das bestehende Ärztehaus mit dem neuen Patientenhotel und dem Betreuten Wohnen. Mit seiner grünen Intarsie bietet er einen gebäudenahen, grünen Rückzugsort für Gäste mit eingeschränktem Bewegungsspielraum. Unter den Obstbäumen wird mobiles Sitzmobiliar angeboten und das Café im Patientenhotel erhält einen Außensitzbereich mit Blick in die Landschaft.

Der zentrale malerische Campuspark integriert den alten Baumbestand. Gewundene Wege führen den Hang in max. 5% Gefälle hinauf. Der Campus ist von extensiven Wiesenflächen gesäumt. Die westlichen Wiesen nehmen dabei das Thema der Streuobstwiesen auf.

Der gesamte Campus wird von einem weiten, äußeren Rundweg umspannt. Im Nord-Westen bindet dieser über einen kleinen Platz an den Weinleseweg an, der weiter in die Weinberge führt. Im Westen kreuzt die Rundwegschleife die Panoramastraße, bevor er zum neuen Aussichtsplateau mit Pavillon führt. Ein innerer Rundweg erschließt die Binnenfreiräume.

Auf den Dächern des Ringgebäudes bieten drei Dachterrassen Orte für gemeinsame sportliche Aktivitäten mit Blickbeziehung zur Altstadt. Auf dem Patientenhotel befindet sich eine gemeinschaftlich genutzte Dachterrasse, die einen weiten Blick über die Landschaft und zum Neckar ermöglicht. Alle weiteren Flachdächer sind als extensive Gründächer ausgebildet.

Mobilität
Die MIV-Verkehre werden über eine zentrale Tiefgarage unter dem Ärztehaus abgefangen. Die Zufahrt erfolgt von Süden. Entlang der Zufahrt gibt es einige ebenerdige Stellplätze (z.B. Sharing-Autos, Kurzzeitparken etc.).

Die mittige Haupterschließung für Fußgänger, Radfahrer, Lieferverkehre, Krankentransporte, Taxen sowie Hol- und Bringverkehre erfolgt über die Erschließungsachse, welche das Mobilitätsrückgrat des Campus bildet. Vor allen Clustern gibt es ausreichend Raum für kurzes Halten sowie Hol- und Bringzonen. Darüber hinaus gibt es im Zufahrtsbereich weitere ebenerdige Stellplätze (z.B. Sharing-Autos, Kurzzeitparken etc.).

Nachhaltigkeit
Ein wesentlicher Gedanke bezüglich einer nachhaltigen Weiterentwicklung des Campus bezieht sich auf die Nutzung von Grauer Energie. Aus der Abwägung zwischen identitätsstiftender Gestaltbildung und Nachnutzung hat sich die Schaffung eines zentralen Hofgebäudes mit Satteldachstrukturen herausentwickelt. Somit werden große Gebäudebereiche im Sinne der Nachhaltigkeit weitergenutzt und nach Süden ausgerichtete Satteldachflächen ermöglichen die Ausstattung mit Photovoltaikelementen.

Den Wohncluster prägt der landschaftliche Charakter, was gestärkt wird durch die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen. Holzfassaden und -konstruktionen schaffen eine identitätsstiftende Atmosphäre. Intensive Dachbegrünungen leisten einen positiven Beitrag zum Regenwassermanagement.

Die Materialität des Bildungsclusters leistet aufgrund des Einsatzes von regionalen Baustoffen einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des Standortes. Langlebigkeit der Fassadenmaterialien und kurze Transportwege der Baustoffe werden mit den Prinzipien der Modularität und Recyclierbarkeit vereint. Der Einsatz von Photovoltaik ist aufgrund der Abtreppung der Baukörper nach Süden äußerst effektiv

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser ordnen die Planungsaufgabe in drei funktionale Bereiche, die um eine große, offen gestaltete Parkanlage angeordnet sind. Der Bestand des ehemaligen Krankenhauses wird weitgehend erhalten, umgenutzt und erweitert. Damit wird die bauliche Geschichte des Ortes zu einem Teil des neuen Campus. Das alte Krankenhaus und neue Bausteine erweitern die Anlage zur Blockrandbebauung. Mit den seitlich angedockten Gebäuden entsteht ein markantes Ensemble, das bei guter Gestaltung ein attraktives und maßstäbliches Gegenüber zur Marbacher Altstadt schaffen, und weit sichtbar die Silhouette des Campus aufwerten kann.

Die Funktionalität der Blockrandbebauung mit ärztlichen Nutzungen im Altbau und Pflegewohnnutzungen in den Neubauten wird allerdings hinterfragt. Auch die Anbauten an den Krankenhausbestand dürften in der Umsetzung eine funktionale und architektonische Herausforderung darstellen.

Die Haupterschließung des Campus ist durch kleinteilige Freibereiche, die differenzierte Aufenthaltsqualitäten bieten, angenehm gegliedert. Nördlich schließt die Parkanlage an und öffnet den Raum sehr schön nach Norden. Die Erschließungsachse bezeichnen die Verfasser als verkehrsarmen shared space, da der ruhende Verkehr ausschließlich in einer Tiefgarage im südöstlichen Baufeld angeordnet ist. Ob der shared space die Leistungsfähigkeit für den Hol- und Bringverkehr der medizinischen Einrichtungen aufweisen kann, wird kontrovers diskutiert.

Das Plangebiet wird auf der östlichen Seite durch eine Reihung einfacher und flexibler Stadtbausteine begrenzt. Die vorgeschlagene Nutzungsverteilung mit der wohl langfristig unbebauten Reservefläche als südlicher Auftakt wird aber kritisiert, weil damit der Zugang zum Gesundheitscampus auf unbestimmte Zeit nicht gefasst ist und vor allem das Tiefgaragenkonzept nicht realisierbar ist. Die bestehenden Wohnbauten am nördlichen Plangebiet sind leider nicht ins Konzept integriert und dürften störend wirken.

Im Westen überschreiten die Wohngebäude in Teilen das Baufeld ohne wirkliche Not. Die Gebäude sind für Wohnnutzungen jedoch gut geeignet, richtig dimensioniert und ermöglichen eine harmonische Einbindung in die Topographie. Dort betreute Wohnformen anzubieten, wird jedoch bemängelt, da so eine zu große Distanz zum Pflegewohnen besteht. Die Verlegung der bestehenden Kita ist nicht zwingend, sondern wohl ausschließlich verkehrstechnisch begründet. Leider liegt sie damit weit außerhalb der lebendigen Kernbereiche des Campus. Durch die weitgehende Freihaltung der nördlichen Grundstücksfläche wird mit dem Campuspark ein großzügiger Erhalt des wertvollen Baumbestandes und der Vegetationsflächen ermöglicht. Der Landschaftsraum wird so bis in die Mitte des Quartiers fortgeführt, wodurch eine gute Anbindung an die Umgebung erzielt wird. Zugleich bietet sich damit die städtebauliche Chance eines großen und zusammenhängenden Freiraums mit hoher Aufenthalts- und Freizeitqualität für die Bewohner des Quartiers.

Der Erschießungsboulevard mit seinen Plätzen am Auftakt und Endpunkt schafft eine einladende Geste in das Quartier und bietet eine gute Orientierung und Adressbildung für die Gebäude. Es entsteht ein urbaner Raum der in Verbindung mit den angelagerten Nutzungen eine hohe Aufenthaltsqualität bietet – wenn die Reserveflächen im Osten bebaut werden.

Der Entwurf erfüllt die Anforderungen an das Raumprogramm im Wesentlichen, und bietet ein durchdachtes und durchgängiges Gesamtkonzept. Vor allem die konsequente Gestalt, die Maßstäblichkeit und Flexibilität der Bausteine sowie die großzügige Freiraumgestaltung mit differenzierten Vernetzungen werden gewürdigt. Ebenso wird der weitgehende Erhalt des Altbaus und die damit verbundene angemessene Silhouette zur Altstadt begrüßt. Die Nutzungszuordnungen sind dagegen nicht stimmig. Das Parkierungskonzept mit einer einzigen Tiefgarage im südöstlichen Teil des Baufeldes ist nicht umsetzbar. Die Garage ist zu klein und liegt unter Gebäuden die nach Vorstellung der Verfasser zu unterschiedlichen Zeiten realisiert werden.
Städtebaulicher Entwurf mit Freiraumkonzept

Städtebaulicher Entwurf mit Freiraumkonzept

Leitbild

Leitbild

Perspektivische Skizze Stadtansicht

Perspektivische Skizze Stadtansicht

Schnittansichten

Schnittansichten

Städtebaulicher Vertiefungsbereich

Städtebaulicher Vertiefungsbereich

Erschließungs- und Mobilitätskonzept

Erschließungs- und Mobilitätskonzept

Nutzungskonzept

Nutzungskonzept