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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022

Quartiersentwicklung „Allgäuer Straße West“ in Memmingen

Blick von Erschließungsanger

Blick von Erschließungsanger

Anerkennung

Preisgeld: 7.500 EUR

17A ARCHITEKTUR

Stadtplanung / Städtebau

BL9 Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau
Winkelförmige Gebäude in Kombination mit einem Solitärbau, die entlang den Höhenlinien des nach Osten abfallenden Hanges gestaffelt sind, bilden private und halböffentlich zonierte „Wohnhöfe“. Zwei gemeinschaftsstiftende Plätze zonieren die Höfe. Der südlichere hiervon, zentral am Erschliessungsanger Bushaltestelle / Kita gelegen, bildet hierbei das Zentrum des neuen Wohngebietes. Die Gebäudetiefen von 14m vermitteln zwischen der kleinteiligen Wohnbebauung „Am Galgenberg“ im Westen und den großen Gewerbestrukturen im Osten und bieten die Grundfläche für mod- erne und insbesondere barrierefreie Grundrisse für kleinere Haushalte sowie Senioren. Durch den relativ starken Geländeanstieg entsteht bei den südlichen Gebäuden ein Sockelgeschoss, welches die Hauszugänge mit Tiefgarage, Fahrradräume sowie je einen zum Rodelhang orientierten Gemeinschaftsraum enthält. Das neue Quartier ist über die vorgegebene Zufahrt der Allgäuer Straße erschlossen. Der Autoverehr wird direkt in die Tiefgarageneinfahrt des südöstlichen Gebäudes geführt. Von wenigen Besucherstellplätzen abgesehen, bleibt das komplette Quartier autofrei. Die im Westen situierte Kita ist von der Dickenreiserallee anfahrbar und über den Erschliessungsanger von Osten an den ÖPNV angebunden. Ihre PKW-Stellplätze sind am Eingang situiert, ein Teil davon sind in der zusammenhängenden Tiefgarage nachgewiesen. Die Kreishandwerkerschaft, in einem eigenständigen Bau am Quartierseingang situiert, erhält ihr „Entrée“ über den zentralen Platz. In dem m4-geschossigen Gebäude können auch weitere Nutzungen untergebracht werden. Im Süden und Westen bleiben Biotop sowie Rodelhang unangetastet und bilden somit eine grüne Spange um das neue Quartier.

Bauabschnitte
Das Quartier ist unabhängig von dem nicht im städtischen Besitz befindlichen Grundstückes entwickelbar: Hierbei erhalten die beiden an der nördlichen Quartiersgrenze stehenden Gebäude jeweils eine Ein- bzw. Ausfahrt für eine Tiefgarage. Im Falle der Verfügbarkeit des Gesamtareals kann auf diese Zufahrten verzichtet werden. Das Gesamtquartier wird dann über die süd-östliche TG- Zufahrt erschlossen. Das Quartier ist somit in drei bis vier unabhängige Bauabschnitte aufteilbar.

Rettungswege
Durch die Lage der Baukörper an den höhengestaffelten Höfen sind diese hangseitig 2-3 geschossig und talseitig 4-5 geschossig. Somit sind nur ausgewählte Fassaden mit einer Feuerwehrzufahrt zu versehen, für die restlichen Fassaden sind lediglich Handleitern erforderlich.

Wohnungsschlüssel und Flächen
Mit den drei Gebäudetypen Winkel, Winkelverlängerung und Punkthaus ist durch wenige, gleichförmige Plattformen der gewünschte Wohnungsmix aus 2- bis 4-Zimmerwohnungen umgesetzt. Ein Anteil von 1/3 geförderten und 2/3 freifinanzierten Wohnungen ist erreicht. Das städtebauliche Konzept sieht auf dem städtischen Grundstück 18.046qm BGF mit 162 Wohnungen vor, auf dem nicht städtischen Grundstück werden 2.772qm BGF mit 29 Wohnungen erreicht. Die Kita hat eine BGF von 1.154qm, die Kreishandwerkerschaft eine BGF von 1.386qm. Das Heizkraftwerk ist als wohltuend baumüberstandener, unterirdischer Baukörper mit 500 qm BGF mit Einbring- und Einstiegsöffnung direkt am Erschließungsanger angeordnet. Somit werden in dem Quartier insgesamt 23.358qm BGF realisiert. 23.458qm GF oberirdisch zur Grundstücksfläche von 18.282qm führt zu einer GFZ von 1,28 und somit zu einer angemessenen Quartiersdichte.

Schallschutz
Die nach Osten gelegenen Wohnungen werden über Schallschutzloggien und Schallschutzfenster vor Verkehrslärm geschützt. Um so weiter die Wohnungen von der Lärmquelle entfernt liegen, sind diese Maßnahmen reduziert bzw. entfallen.

Freiraumkonzept
Das neue Quartier soll für alle zukünftigen Bewohner gleichermaßen einen Ort der Kommunikation als auch einen Ort des privaten Rückzugs darstellen. Um dies zu erreichen, wurden zwei sich ergänzende Freiraumtypen in dem Entwurf entwickelt: Zwei großzügige, öffentliche Plätze, die durch schattenspendende Baumdächer sowie Sitzmöglichkeiten eine hohe Aufenthaltsqualität bieten. Sie funktionieren als Treffpunkte innerhalb des Quartiers und schaffen eine offene Durchwegung durch das Wohngebiet. Als Ergänzung hierzu stehen die privaten Innenhöfe mit halb-öffentlichem Charakter. Hier liegen die Eingänge zu den Gebäuden, die privaten Erdgeschoss-Terrassen sowie Spielflächen und Sitzmöglichkeiten für die angrenzend wohnenden Kinder. Diese „grünen Höfe“, die gegen das ansteigende Gelände mit Mauern abgegrenzt sind, stehen im Gleichgewicht mit den öffentlichen Plätzen. Die umgebende Landschaft fließt um die Wohninseln herum und - mit einem lockeren Netz aus Obstbäumen - bindet sie das neue Quartier in die bestehende Landschaft ein.

Gestalterische Leitidee und Pflanzkonzept
Die Freiraumtypologien werden unterstützt durch ein klares Pflanzkonzept: Entlang der Wege werden Heckenkörper situiert, die räumliche Kanten bilden und so Fußgänger und Radfahrer durch das Quartier leiten. Zudem bieten sie neben dem Sichtschutz für die EG-Wohnungen einen Lebensraum für Tiere und wirken einer Bodenerosion am Hang entgegen. Während auf dem Plätzen Dächer aus Gleditschien mit ihrem gefiederten Laub einen lockeren Schatten werfen, blühen in den privaten Höfen kleine bis mittelgroße Baumarten und zeigen im Herbst ein vielseitiges Farbbild. Die Obstbäume auf den freien Wiesen bilden die Verknüpfung zur Landschaft.

Erschließung
Die Herausforderung, innerhalb des Wettbewerbgebietes eine barrierefreie Erschließung herzustellen, wird durch die Schaffung von höhengestaffelten Höfen und sich durch das Gebiet entlang der Höhenlinien bewegenden Nord-Süd-Wegen gelöst. Über sich max. 6% neigende Plätze und Wege werden die Wohnhöfe von der zentralen, mittig liegenden Achse von der Allgäuer Strasse aus erschlossen, während die beiden westlich gelegenen Gebäude barrierefrei vom Dickenreiser Weg erreicht werden.

KITA
Die Kita liegt erhöht im Süd-Westen des Areals und erhält einen Vorplatz zum Ankommen mit 2 Bring-/Holplätzen sowie ausreichend Fahrradständern. Der Garten der Kita erstreckt sich auf einem unteren Nivau nach Süd-Osten.

Regenwassermanagement
Die Belagsflächen auf dem Areal sind soweit als möglich reduziert, um präventiv bereits die Mengen anfallenden Wassers durch hohe Versiegelung zu reduzieren, hierbei wurde besonders darauf geachtet, dass Fuß- / Radwege auf dem Areal direkt in die angrenzenden Grünflächen entwässert und auf dem Grundstück versickert werden. Gleiches gilt für die
unterbauten Bereiche, deren Decken in seitlich angrenzende Sickerpackungen geleitet werden. Auch durch die Begrünung der Dachflächen, was neben der hohen Anzahl an Bäumen auch für das Kleinklima in dem Areal förderlich ist, wird das Regenwasser bereits in den Substratflächen aufgenommen, das weitere Dachwasser sowie das Wasser der größeren Quartiersplätzen können z.T. mit Vorbehandlung in Rigolen zwischen den Tiefgaragen gesammelt und abgeleitet, die immer häufiger auftretenden Starkregenereignisse zudem über Sickermulden entlang der Strasse aufgefangen werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept hinterlässt zunächst einen bleibenden, prägnanten Eindruck, der hervorgerufen wird durch einen auf den ersten Blick überraschenden Grundbaustein und dessen mehrfache Wiederholung. Auf den zweiten Blick, das heißt im Laufe der weiteren Diskussion, scheiden sich dann die Geister genau an diesem Baustein und seiner Repetition. Ein Teil des Preisgerichts sieht gerade in dieser Beschränkung auf wenige, wiedererkennbare Figuren und deren Kombinationen eine Stärke des Entwurfs. Die Typologie der winkelförmigen, mit begrünten Satteldächern gekrönten Baukörper gibt eine besondere Antwort auf den Ort, indem sie ihm eine unverwechselbare architektonische Identität verleiht. Mithilfe einfacher, kubischer Volumina erzeugen die VerfasserInnen ein räumlich verblüffend vielfältiges Ensemble aus offenen und stärker gefassten Höfen, spannenden Ein-, Aus- und Durchblicken. An den Rändern reagiert die Struktur – trotz ihrer Rigidität und der relativ großen Kubaturen – differenziert und durchaus sensibel auf die jeweilige Situation bzw. das Gegenüber wie etwa den kleinteiligen Baubestand im westlichen Hangbereich.
Nun zur argumentativen „Kehrseite“: Ein Teil des Preisgerichts empfindet die flächendeckende Verwendung desselben architektonischen Moduls – wenn auch im Detail und in der Kombination leicht differenziert – als zu enges „Korsett“, das sich nur bedingt eignet, auf die unterschiedlichen topografischen, landschaftlichen und städtebaulichen Anforderungen des Areals zu reagieren. Dabei wird ebenso auf die offene, nicht gegen den Lärm schützende Struktur zur Allgäuer Straße verwiesen wie auch auf das optische „Versinken“ der Winkel im steileren Gelände. Auch die Frage, ob durch die einheitliche Bebauung eine stärkere Identität des Quartiers entstehen kann, wird kontrovers diskutiert, wobei generell kritisch angemerkt wird, dass die Darstellungen der Ansichten und Perspektiven sehr abstrakt bleibt und ihrer rudimentären Andeutung bei einigen eher die Assoziation einer Ansammlung von Schul- oder Behördenbauten als die eines Wohnquartiers weckt.
Einig ist sich das Preisgericht darin, dass der Entwurf einen bemerkenswerten Beitrag zur gestellten Aufgabe liefert. Eine Besonderheit im Feld der Wettbewerbsarbeiten stellt die frei gehaltene Südost-ecke des Grundstücks dar; den Auftakt von Süden bildet nicht ein baulicher Akzent, sondern ein baumbestandener Platz, der sich mit den Übergangsbereichen – offene Obstbaumwiesen als schlüssiger Kontrast zur kompakten Allee - nach Süden und Westen sehr schön zu einem fließenden Freiraumband zusammenfügt. Das Innere des Quartiers wird autofrei gehalten; die genaue Lage und Zuordnung der Tiefgaragen ist leider nur piktogrammartig dargestellt, ebenso gibt es keine planerischen Aussagen über ein Mobilitätskonzept, was die Nachvollziehbarkeit des an sich sinnvollen, barrierefrei angelegten Erschließungsprinzips erschwert.
Aus dem Hofprinzip bilden sich zwei quasi öffentliche Plätze heraus, die durch die Kombination der Winkel mit Punkthäusern als besondere Orte akzentuiert werden (wobei anzumerken ist, dass der nördliche Platz erst mit einer Bebauung des Privatgrundstücks funktioniert). Die hier angelagerten und im Text beschriebenen Gemeinschaftsfunktionen sind in den Zeichnungen nur angedeutet und damit als atmosphärisch wirksame Bereiche leider kaum erkennbar. Auch die weiteren Gestaltungselemente und -strukturen der Freiraumplanung erscheinen relativ schematisch, unentschieden bzw. wenig spezifiziert eingesetzt (ovale Hofbereiche und deren Bezug zu den Eingängen, Baumstellungen, Hecken); die Chance, das strenge bauliche Gefüge mit einer eigenen freiräumlichen „Handschrift“ zu überlagern oder zu kontrastieren, wird nur ansatzweise genutzt.
Die Positionierung der Sonderfunktionen Kreishandwerkerschaft und KiTa, die sich trotz ihrer geo-metrisch präzisen Einfügung in die Grundstruktur durch die architektonische Gestaltung abzeichnen, wird begrüßt; kritisiert wird jedoch zum einen die vorgeschlagene Anfahrt der Kita über die Dickenreiser Allee, zum anderen die geringe Größe der Haupt-Spielfläche; weitere Spielflächen würden be-nötigt, sind jedoch nicht genauer definiert. Weitere gewerbliche oder Dienstleistungsnutzungen, die ggf. zur Belebung des Quartiers beitragen könnten, sind nicht vorgesehen. Die dargestellten Wohngrundrisse funktionieren im Prinzip gut und überzeugen auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Allerdings stellt sich – wiederum dem städtebaulichen Prinzip geschuldet, die Frage nach der Wohnqualität in den Ecksituationen und den straßennahen Bereichen, insbesondere im Erdgeschoss. Hier würde man sich eine alternative Nutzungs- und Grundrisskonzeption wünschen.
Die Gliederung in Bauabschnitte funktioniert ohne Probleme. Das ökologische Konzept erscheint schlüssig, die Minimierung der versiegelten Flächen durch Konzentration der Tiefgaragen weitgehend unter den Gebäuden und Höfen trägt sinnvoll dazu bei. Die vollständige Begrünung der leicht geneigten Dachflächen ist möglich, ebenso wäre eine teilweise Belegung mit PV-Modulen denkbar und wohl auch im gestalterischen Konzept verträglich – wenn auch nicht dargestellt.
Zusammengefasst vermittelt das Projekt eine klare Haltung, eine dezidierte „Handschrift“, die – in entsprechender Qualität und möglichst „in einem Guss“ ausgeführt – das Quartier unverwechselbar machen würde, mit vielen positiven und einigen kritischen Aspekten. Leider lassen einen die VerfasserInnen mit vielen Fragen alleine und verweigern auch in ihren Visualisierungen eine anregende „Erzählung“, die die ansprechende Atmosphäre und das Leben im Quartier vermitteln könnte - und die gerade bei einem Entwurf, der sich nicht von selbst erschließt, so wichtig wäre.
Blick von Westen auf den Rodelhang

Blick von Westen auf den Rodelhang

Modellbild

Modellbild

Lageplan 1_500

Lageplan 1_500

Schwarzplan

Schwarzplan

Schnitt A

Schnitt A

Schnitt B

Schnitt B

Schnitt C

Schnitt C

Grundrisstypologie

Grundrisstypologie

Nutzungs- und Tiefgaragenkonzept / Bauabschnitte

Nutzungs- und Tiefgaragenkonzept / Bauabschnitte