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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022

Neues Dorfzentrum „Saaletaler Höfe“ in Gräfendorf

Perspektive Straße

Perspektive Straße

2. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

Super Future Collective

Architektur

Johannes Kappler Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Ein Gemeinschaftshaus als sozialer Treffpunkt für Gräfendorf
einladend – ortsbezogen – inklusiv – nachhaltig

Ziel des Bebauungsvorschlags ist es, durch die gewählte städtebauliche Setzung und ortstypische Gestalt sowie durch die Inklusion aller Nutzungen unter einem gemeinsamen Dach ein Dorfzentrum zu schaffen, das mit einem unverwechselbaren, ländlich urbanen Charakter eine starke Präsenz im Dorfgefüge von Gräfendorf aufweist, die Besonderheiten des Ortes atmosphärisch in Szene setzt und ein Vorbildprojekt für nachhaltiges Bauen darstellt.

Städtebauliche Setzung

Das neue Gemeinschaftshaus fügt sich als horizontaler Baukörper zwischen die beiden Hochpunkte der benachbarten Kirchenbauten durch die Aufnahme der Baufluchten der angrenzenden Gebäude harmonisch in den lokalen Kontext ein. Durch die mäandrierende Form des Gebäudevolumens ergibt sich zu allen Seiten eine attraktive Abfolge von öffentlichen Freiräumen mit hohen Aufenthaltsqualitäten. So entsteht zur Hauptstraße in Erweiterung des engen Straßenraums im Kurvenbereich ein großzügiger Vorbereich mit einer einladenden Verweilmöglichkeit unter einem Baum am neuen Dorfbrunnen, der auch als Raststation für Gäste dient. Auf der anderen Seite zum Kirchweg ergibt sich eine differenzierte Abfolge von lärmgeschützten Räumen, die das neue Gemeinschaftshaus mit einem Gartenbereich mit Außengastronomie und einem Dorfplatz mit multifunktionaler Nutzbarkeit mit der Umgebung verknüpft. Beide Bereiche sind über das zentrale Foyer mit Bürgercafé verbunden, sodass eine optimale Zugänglichkeit des Areals von verschiedenen Seiten und eine Verzahnung der Freiräume mit den Nutzungen in der Erdgeschosszone sichergestellt ist.

Zeitgemäße Gestalt

Das neue Gemeinschaftshaus ist ein ganzheitlich gedachtes Gebäude, das als Aneinanderreihung von drei zweigeschossigen Volumen mit Satteldach idealtypisch zum Kontext der umgebenden, dörflichen Bebauungsstrukturen passt. Seiner Bedeutung als öffentliches Gebäude entsprechend wird es dabei durch die zusammenhängende Dachform und Fassadengestaltung sowie durch den Wechsel aus giebel- und traufständiger Anordnung zum Straßenraum gleichzeitig auch als solitärer Gebäudekomplex wahrgenommen.

Programmatische Schichtung

Anstatt den Dorfladen, den Bürgersaal und das Haus der Gesundheit auf unterschiedliche Einzelgebäude im Dorfzentrum zu verteilen, sollen durch den Bebauungsvorschlag maximale Synergien zwischen den einzelnen Nutzungen erreichen werden. Nur in dieser Form gelingt es, das neue Gemeinschaftshaus als markanten Baustein in die Abfolge von öffentlichen Bauten vom Bahnhof über das Rathaus, die Kirchen bis zu Schule erlebbar zu machen.

Es entsteht ein inklusives Haus mit einem niederschwelligen, barrierefreien Zugang für alle Dorfbewohnerinnen und -bewohner. Im Inneren ermöglicht die Nutzungsverteilung eine optimale Funktionalität des neuen Gemeinschaftshauses. Der Eingangsbereich mit Bürgercafé befindet sich an zentraler Stelle. Von dort aus gelangt man nach Süden direkt in den Dorfladen, der an den ehemaligen Dorfladen angrenzt und die Anlieferungszone gemeinsam nutzt. Richtung Norden schließt der Bürgersaal an, der parallel zur benachbarten Scheune positioniert ist. Und über den Erschließungskern erreicht man auf direktem Weg die Räumlichkeiten für die ärztliche Versorgung im 1. Obergeschoss mit der Möglichkeit, die Praxisräume vor Einsicht zu schützen. Damit wird das Bürgercafé zum informellen Treffpunkt der Bürgerschaft von Gräfendorf.

Ortstypische Materialität

Auch im Hinblick auf die Materialität baut das neue Gemeinschaftshaus einen Dialog mit der Umgebung auf. Der durch die Topografie und den Hochwasserschutz bedingte, schmale Sockelbereich wird mit recyclierten Klinkern bekleidet, die als regional typischer Baustein auch in den Nachbargebäuden vorkommen. Die übrigen Bereiche werden mit einer Struktur aus vertikalen Holzelementen bekleidet, die in der gewählten Anordnung der Fassade eine besondere Plastizität verleihen. In diese Struktur lassen sich die Fensteröffnungen der einzelnen Nutzungsbereiche so harmonisch integrieren, dass die Lesbarkeit des Gesamtvolumens erhalten bleibt. Mit der Verwendung von regionalen Holzelementen als nachwachsenden, rezyklierfähigen Rohstoffen erfüllt das Gebäude auch einen Vorbildcharakter in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Durch die Möglichkeit der Nutzung aktiver und passiver Sonnenenergie durch PV-Schindeln im Dachbereich wird das Gebäude zum Plusenergiehaus. Die Form der handwerklichen Verarbeitung erzeugt dabei eine feine Balance zwischen traditionellen, vertrauten und modernen, zeitgenössischen Bildern.

Ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit in Herstellung und Betrieb

Sämtliche Decken und Wände werden in Brettsperrholzmassivelementen erstellt, die neben einer oberflächenfertigen Ausbildung aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades einen terminlich optimierten Bauablauf gewährleisten. In Bereichen mit aufgelösten Tragachsen werden Brettschichtholzbalken als Unterzüge angeordnet. Die Gründung erfolgt auf einer elastisch gebetteten Stahlbetonbodenplatte, die auf einem Bettungspolster aufliegt.
Der Höhenversatz des Erdgeschossniveaus zum umliegenden Gelände wird als Sockel ausgebildet und mit naturfarbenen Klinkern verblendet. Sie bieten einen robusten Konstruktionsschutz auch vor möglichen Überschwemmungen. Die technische Infrastruktur des Gebäudes ist darauf ausgelegt, das neue Gemeinschaftshaus an das geplante Nahwärmenetz anzuschließen, das durch die Ertüchtigung der Hackschnitzel-Heizung der Kirche in der Entstehung ist. Damit wäre ein nachhaltiger Unterhalt des Gebäudes sichergestellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen einen solitären, mäandrierenden Gebäudekomplex vor, der sich aus ein- bis zweigeschossigen, entlang der Hauptstraße aneinandergereihten, flachen Satteldachvolumen zusammensetzt, in der Abfolge seiner geknickten Giebelfolge dem Straßenraum zugewandt eine gegliederte und prägnante Adressbildung entwickeln kann und an den Enden der Baufigur über die Tiefpunkte der Traufen angemessen in die umgebende Bebauung verknüpft. Der Maßstab der Baumassendurchgliederung überzeugt auch als Antwort auf die gegenüberliegende, kleinteilige und heterogene Bestandsstruktur, die auf Augenhöhe in den neu entwickelten Marktraum aufgenommen wird; Zu- und Ausfahrten in diesen neuen Raumbereich sind präzise abgestimmt und setzen besondere Qualitäten der Bestandsgebäude der gegenüberliegenden Straßenseite differenziert um. 

Die Mäander des Gebäudes öffnen einen kleinen interessanten Aufenthaltsplatz am Straßenraum und einen großen multifunktionalen Freiraum nordwestlich des Gebäudes.Die Gewichtung der Anteile an öffentlichem Platzraum, vorderund rückseitig des neuen Hauses wird jedoch kontrovers diskutiert. Die enge Setzung zum Straßenraum beeinträchtigt zudem notwendige Verkehrsfunktionen.

Ein großzügiges Foyer mit Bürgercafé wird als zentraler Erschließungsverteiler nach innen und außen als Herz des Hauses vorgeschlagen- „Gemeinschaftshaus als sozialer Treffpunkt für Gräfendorf“. Während die Erschließung der kurzen Wege und Raumverknüpfung über gute Blickbeziehungen sowohl im Hinblick auf Organisation als auch Gemeinschaft überzeugen, wird das Foyer im Hinblick auf „Durchzug“ auch kritisch diskutiert und müsste ggf. nochmals genauer betrachtet werden. Die Programmierung des Hauses wird vom Nutzer insgesamt als funktional gut beurteilt und erscheint auch hinsichtlich ggf. notwendiger Anpassungsbedarfe grundsätzlich robust.
Die Raumqualitäten in differenziertem Spiel von Raumhöhen, erlebbarem Dachvolumen, präzise zugeordnetem Tageslicht sind präzise durchgearbeitet. Die Architektursprache des Projektes überzeugt über einen eigenständigen, souveränen Ausdruck, der in Maßstab,
Material und Konstruktionsdetail den Dialog mit dem umgebenden Bestand sucht, sich freispielt, aber nicht in den Vordergrund drängt und Nachhaltigkeitsstrategien glaubwürdig dekliniert.

Die Außenanlagen sind in den Programmverteilungen angemessen durchgearbeitet, insbesondere dem grünen Innenbereich zugewandt, erscheinen sie aber in ihrer Dimensionierung und dem Maß an Versiegelung eher überzogen. Der geringe Umfang an angebotenen Kurzzeitparken entlang Hauptstraße wird kritisch diskutiert. 

Insgesamt stellt das Projekt einen wertvollen Beitrag im Verfahren dar, der in der Diskussion für eine Feinbetrachtung insbesondere der atmosphärischen Raumqualitäten vor Ort sensibilisiert.
Lageplan

Lageplan

Axonometrie

Axonometrie

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Schnitt Längs

Schnitt Längs

Organisation Räume

Organisation Räume

Organisation Gebäude

Organisation Gebäude

Organisation Gebäude

Organisation Gebäude

Ansichten

Ansichten

50stel

50stel