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Einladungswettbewerb | 10/2022

Quartiersentwicklung Betonwerk Wolf in Baienfurt

Fußgängerperspektive

Fußgängerperspektive

Anerkennung

Preisgeld: 14.000 EUR

rheinflügel severin

Stadtplanung / Städtebau

Schenker Salvi Weber ZT GmbH

Architektur

NUWELA Büro für Städtebau und Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

IDEE

Verbindung und Identität_Das Kardelquartier steht für die Verknüpfung von alt und neu, hoch und tief, Stadt und Land, Kultur und Natur sowie weiterer Antipoden. Innerhalb von Baienfurt wird damit eine Fläche aktiviert, welche über Jahrzehnte als Barriere wahrgenommen wurde. Wesentliches Element der Verknüpfung sind Grünräume, die der Urbanität nicht entgegenstehen, sondern diese im Maßstab des Ortes mitgestalten. Das Grün sorgt zusammen mit der Topografie für eine Gliederung in Ober- und Unterstadt und für eine Verzahnung mit der Landschaft bzw. den verbleibenden Landschaftselementen. Das neue Quartier zeichnet sich durch eine wohldosierte Urbanität aus, welche die Komponenten Landschaftsbezug, Adressbildung, Gemeinschaft, typologische Vielfalt und Vernetzung miteinander verknüpft und hieraus eine unverwechselbare Identität entwickelt.

Struktur und Gliederung_Innerhalb des Realisierungsteils bilden sich zwei kompakte, hochverdichtete Cluster heraus unter denen sich die beiden Quartiersgaragen befinden. In Anbindung an den Bestand sorgen kleinteilige Strukturen mit Eigenheimcharakter für fließende Übergänge. Im Zentrum des Quartiers kulminieren alle Typologien und räumliche Kategorien zu einem Höhepunkt als Kombination von Quartiershaus und Platz. Ein kleiner Pavillon sorgt für zusätzliche räumliche Spannung, ohne dem Platz Licht zu nehmen. Ein Paket von Laubbäumen reguliert hier Licht und Schatten im Verlauf der Jahreszeiten und sorgt zu jeder Zeit für Aufenthaltsqualität.

Nutzungen und Typologien_ Der Platz verfügt über aktive Erdgeschosszonen durch die Verteilung verschiedener Quartiershausfunktionen auf mehrere Gebäude. Neben dem großen Quartiershaus mit der Kita im Erdgeschoss sind dies der Pavillon mit Café und Coworking, sowie ein Wohnhaus mit Gemeinschaftsraum. Alle weiteren Funktionen des Quartiershauses sind im zentralen Haupthaus untergebracht. Bei den Wohnhäusern wird eine Mischung verschiedener Typologien, Tiefen und Geschossigkeiten vorgeschlagen, sodass unterschiedliche Wohnformen ermöglicht werden. Ein besonders schmaler Reihenhaustyp stellt im Realisierungsteil den Übergang zum Bestand her. Die Typologie versteht sich als falsches Reihenhaus mit nur einer Trennwand stellt damit eine Hybridlösung zwischen Geschossswohnungsbau und verdichtetem Eigenheimbau dar.


ORGANISATION
Phasierung_Die Gliederung der Bauabschnitte erfolgt entsprechend der Staffelung der zeitlichen Verfügbarkeit der Grundstücke einschl. der damit verbundenen Erschließbarkeit, welche zunächst nur über die Straße Rainpadent erfolgen kann. Damit entwickeln sich die Bauabschnitte sukzessiv von Süd nach Nord, wobei der Ideenteil zuletzt realisiert würde und die Oberstadt als zweiter Bauabschnitt vor der Realisierung des Ideenteils lediglich über die Straße Rainpadent erreicht werden kann.
Mobilität_Ausgehend von der Zufahrt an der Straße Rainpadent ergibt sich eine zentrale Erschließungsschleife für den Realisierungsteil unter Einbeziehung der bestehenden Kardelstraße, die vom östlichen Bestandsquartier abgebunden wird. Ergänzend dazu erschließt ein Ast als Mischverkehrsfläche den Südosten des Quartiers. Dieser Ast erhält am Endpunkt einen kleinen Platz, der auch das Wenden von Müllfahrzeugen ermöglicht. Mit der Realisierung des Ideenteils wird die Hauptzufahrt ins Quartier nach Nordwesten verlegt und ggf. die Anbindung an die Straße Rainpadent mittels einer Verkehrsberuhigung reduziert. Die neue Anbindung im Nordwesten kann auch durch Busse genutzt werden, deren Linienweg sich im Unterschied zum MIV in das bestehende Quartier an der Schacher Straße fortsetzen kann. Eine neue Bushaltestelle stellt gleichwohl ein Angebot für das Bestandsquartier wie für das Karrdelquartier dar. Neben der unmittelbaren Busanbindung setzt das Verkehrskonzept auf privilegierte Car-Sharing-Parkplätze mit Ladestationen am Quartierseingang. Für Fußgänger und Radfahrer wird ein autofreies Nahmobilitätsnetz mit optimalen Anschlüssen an die Bestandsgebiete und Landschaftsräume angeboten.

Freiraum_Wesentliches Element des Freiraumkonzepts ist die Einbindung eher informeller Grünräume, welche als zusammenhängendes System eine Vernetzung auch dort herstellen, wo die Topografie keine klassischen Parkräume mehr zulässt. Es entsteht nicht nur ein Mehrwert im Sinne der Grünraumvernetzung, sondern auch in der Verzahnung von privaten und öffentlichen Räumen, da sich in Analogie zum offenen Städtebau fließende Übergänge zwischen den öffentlichen und privaten Bereichen entwickeln und die privaten Außenräume großzügiger wahrgenommen werden. Die Erdgeschosswohnungen verfügen neben geschützten Loggien teilweise über offene, private Terrassen, um den Kontakt im Quartier zu fördern. Der informelle Charakter und die Kombination der Platzbereiche und Aneignungsflächen mit Spielangeboten unterstützt die Ausbildung von Nachbarschaften. Die Platzflächen sind mit Blick auf die Bedürfnisse der Nutzer gestaltet und dienen als Treffpunkte des Quartiers. Spielbereiche und Sitzstufen laden zum Spiel, Aufenthalt und zur nachbarschaftlichen Kommunikation ein. Mittelkronige Blühgehölze prägen die Straßenräume. Die öffentlicheren Freiräume sind naturnah gestaltet und mit offenporigen Belägen zur besseren Versickerung versehen. Die Oberflächenentwässerung der Wege- und Platzflächen wird in die begleitenden Mulden geleitet. Im Bedarfsfall, bei Starkregenereignissen dienen weitere Flächen in den Grünräumen dem Regenwasserrückhalt.

NACHHALTIGKEIT
Smart City_ Der Entwurf reagiert auf die veränderten Lebensbedingungen durch den Klimawandel und hat gleichzeitig zum Ziel, klimaneutral zu sein. Das Konzept greift die Herausforderungen der Energiewende auf und setzt auf eine sektorenübergreifende Vernetzung der Gebäude- und Mobilitätsinfrastruktur. Ziel ist das „Smarte Quartier“, das eine effiziente Energieversorgung, einen ressourcenschonenden Umgang mit Baumaterialien und die Integration von Mobilitätsdienstleistungen in die digitale Haustechnik beinhaltet. Hierzu werden möglichst viele Neubauten in Hybrid- oder Holzbauweise gemäß KfW Effizienzhaus 55 Standard oder besser errichtet. Für einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz werden alle Dachflächen konsequent mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Die erforderlichen Retentionsqualitäten werden u. a. durch eine Kombination mit extensiver Begrünung als Retentionsdach erreicht. Die Wärmeversorgung erfolgt über ein Nahwärmenetz, welches über ein Blockheizkraftwerk gespeist wird.

Ökologie_Die weitgehende Begrünung unter Einbeziehung von Dach- und Fassadenflächen schafft ein angenehmes Mikroklima und ist in Kombination mit den vorgesehenen Versickerungs- und Retentionsflächen ein Beitrag zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Die Freiflächen sind mit klimaverträglichen Baumarten bepflanzt. Eingestreute Obstgehölze erhöhen die Biodiversität und leisten einen Beitrag zur „essbaren Stadt“. Die offenen Grünflächen sind zu einem großen Anteil als artenreiche Blühwiesen angelegt die Bienen und Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Die Multikodierung der Flächen fördert Naturerfahrung und Naturverständnis und das gleichberechtigte Nebeneinander von Mensch und Natur.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee, zwei hochverdichtete Cluster zu bilden und über ein mittig im Quartier platziertes Ensemble aus Sonderbauten zu verbinden, kann vom Preisgericht nachvollzogen und gewürdigt werden. Die beiden Cluster werden aus unterschiedlichen Bausteinen gebildet. Positiv wird die dadurch geschaffene Vielfalt an Wohntypologien bewertet. Die Platzierung der Bausteine wirkt jedoch teils willkürlich und schematisch. Kontrovers diskutiert wird auch die Größe der einzelnen Bausteine, die eine Maßstäblichkeit entstehen lassen, die dem Ort nicht angemessen erscheint. Zudem führt die Größe bei einigen Typen zu innenliegenden Erschließungen, deren Qualität infrage gestellt wird. Die Abstände zwischen den Bausteinen erscheinen an vielen Stellen zu gering, die Proportionen der Höfe zu eng. Durch die Befahrbarkeit des Hofes im süd-östlichen Cluster wird die freiräumliche Qualität zusätzlich beeinträchtigt.

Die Anmutung der Fassaden ist sehr städtisch und aus Sicht des Preisgerichts dem Ort nicht angemessen.

Aus wohnungswirtschaftlicher Sicht ist die Verortung der Tiefgaragen richtig, da sie eine Realteilung ermöglicht. Die Lage der Zufahrten mittig im Quartier führt nach Ansicht des Preisgerichts jedoch zu Beeinträchtigung der freiräumlichen Qualität in der Quartiersmitte.

Der Baustein mit Café und Co-Working-Spaces am südlichen Quartierseingang ist gut platziert und bildet mit dem Quartiershaus eine soziale Mitte. Das Quartiershaus ist als sechsgeschossiges Gebäude ein weithin sichtbares Zeichen, es erscheint jedoch insgesamt überdimensioniert. Die Drehung des Quartierhauses kann vom Preisgericht nicht nachvollzogen werden, zumal dadurch in der Quartiersmitte verschnittene Freiflächen entstehen, deren Qualität vom Preisgericht angezweifelt wird.

Die Straßenführung über die Hangkante mittig durchs Quartier hat nachvollziehbare funktionale Vorteile. Das Preisgericht befürchtet jedoch, dass dies aufgrund der Anpassung an die Topografie ein massives Straßenbauwerk erfordern wird, das im Quartier nicht vorstellbar ist. Auch wird hinterfragt, ob überhaupt Verkehr durch die Quartiersmitte geführt werden sollte. Die sonstige Behandlung der Hangkante als grünes Band wird positiv bewertet; ebenso wird das Fenster zur Landschaft im Norden als Qualität gewürdigt.

Die im Westen und Osten als Übergang zur bestehenden Wohnbebauung platzierten Reihenhäuser werden prinzipiell begrüßt; am Übergang zur nord-östlichen Bebauung werden sie jedoch aufgrund ihrer inselhaften Lage kontrovers diskutiert.

Die Typologien im Ideenteil wirken in Art und Positionierung schematisch und können als Übergang in die Landschaft das Preisgericht nicht überzeugen.

Insgesamt stellt die Arbeit einen interessanten Beitrag dar, der die Diskussion über Typologien und die städtebaulich verträgliche Dichte bereichert, im Ergebnis aber vom Preisgericht als für den Ort in Dichte und Anmutung kaum angemessen bewertet wird.
Vogelperspektive

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Lageplan

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Schwarzplan

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EG Vertiefungsbereich

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