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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022

Neubau Justizzentrum Köln

2. Preis

Preisgeld: 21.000 EUR

raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH

Stadtplanung / Städtebau

mociety consult gmbh

Verkehrsplanung

modellwerk weimar | Architekturmodelle, Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

"… I used the elements of … simple forms – square, cube, line and color – to produce logical systems. Most of these systems were finite; that is, they were complete using all possible variations. This kept them simple." (Sol LeWitt)

Das Kölner Justizzentrum ist das größte Gerichtszentrum Nordrhein-Westfalens. Es umfasst das Landgericht, das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft Köln mit rund 1.800 Bediensteten. Da das bestehende Justizge-bäude an der Luxemburger Straße 101 in Köln einen erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf aufweist, soll ein neuer Gebäudekomplex errichtet werden.

Städtebauliche Einbindung / Freiraum
Das Konzept für den Neubau des Justizzentrums Köln sieht ein städtisches Ensemble mit Abfolge von sechs Baukörpern inklusive einem Hochpunkt vor, das in zwei Bauabschnitten errichtet wird. Die sechs Gebäude tei-len sich in jeweils drei zueinander versetzte und über Eck verknüpfte Gebäude, die sich zur Geste der geöffne-ten Arme formieren. Das Versetzen der Gebäudekörper lässt Platz- sowie Eingangssituationen entstehen und sorgt für räumliche Übergänge, die den Komplex strukturieren. Dabei klammern die äußeren beiden Gebäude den Gesamtkomplex zur Rudolf-Amelunxen-Straße im Osten und zur Luxemburger Straße im Westen hin zu-sammen. Die locker gestellten Baukörper mit unterschiedlichen Gebäudehöhen, die sich am Bestand orientie-ren, fügen sich in die Maßstäblichkeit der Umgebung ein. Der 105m hohe Hochpunkt bildet einen Dreiklang mit dem UNI-Center (135m) im Südwesten und dem Weltkulturerbe Kölner Dom (157,22m) im Zentrum der Stadt, und dient mit seiner Fernwirkung Angestellten des Justizzentrums wie Besuchern als Landmarke.
Eine zugrundeliegende, funktionale und einfache Rastergeometrie ermöglicht Fassadentypologien, unter-streicht die Homogenität aller Gebäude und verdeutlicht, dass es sich um einen zusammenhängenden Komplex handelt. Hierbei erinnert der Entwurf an die präzisen Gitterrahmen-Skulpturen von Sol LeWitt, die das tragende System im Inneren mit dem Äußeren verbinden. Der US-amerikanische Künstler experimentierte mit modula-ren Strukturen, die er wiederholte, variierte und nach bestimmten Regeln anordnete, sodass serielle Gefüge entstanden. Diesem Prinzip folgt auch der Entwurf für das Justizzentrum, indem er einen Bezug zu den Werten der Judikative herstellt: Nachvollziehbarkeit, Sicherheit, Transparenz und Solidität.

Das Justizzentrum wird im Norden mit einem großzügigen Freiraum verbunden. Auf diese Weise wird der histo-rische Innere Grüngürtel erweitert und mit wichtigen öffentlichen Gebäuden zusammengeführt.
Entlang der Baumallee, die den Übergang zwischen Park und Justizzentrum bildet, werden die Besucher zum repräsentativen Vorplatz geführt, der mit einer großzügigen Geste mit dem Park verbunden ist, und in den Haupteingang des Justizzentrums geleitet. Das Entrée wird von einem repräsentativen Arkadengang gerahmt, der die klare Ordnung und Würde der Judikative unterstreicht. Der zweigeschossige Sockelbereich bildet eine Transparenz aus, die in die Stadt ausstrahlt und die Entscheidungsfindung der jeweiligen Gerichtszweige für die Bürger nachvollziehbar und sichtbar macht, was im besonderen Maße die für eine unabhängige Justiz grundle-gende Öffentlichkeit unterstreicht. Gleichzeitigt ermöglicht das Versetzen der Gebäudevolumen Bereiche mit unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen und reguliert das Maß an Transparenz und Privatheit.


Erschließung
Die bislang als Durchfahrtsstraße genutzte Hans-Carl-Nipperdey-Straße wird in Zuge der neuen verkehrlichen Konzeption bis zur Mitte des Areals geführt, um die barrierefreie Verknüpfung zwischen Park und Justizzent-rum herzustellen.
Das Verkehrskonzept sieht eine räumliche Trennung der Funktionen vor: Im Norden erfolgt die Anbindung für Besucher und Beschäftigte mit individuellen Verkehrsmitteln – zu Fuß, per Rad und PKW sowie mit dem Bus über die zentralen Haltestellen. Durch die frühzeitige Zusammenführung der Straßen aus Westen wird eine Vorfahrtzone geschaffen, die von der Haupterschließung abgekoppelt ist. Im Süden sind Anlieferung und An-dienung untergebracht. Einzig der Busverkehr und Einsatzfahrzeuge können durchfahren. Die Trennung der Verkehre erfolgt im Übergang zwischen den nördlichen Zufahrten zu den Tiefgaragen und dem südlich angren-zenden bestehenden Wendeplatz. Zusätzlich gibt es die Zu- und Ausfahrt zur Tiefgarage über die Rudolf-Amelunxen-Straße. Der Wirtschaftshof wird von der Rudolf-Amelunxen-Straße angefahren. Die alternative Anfahrt aus Westen erfolgt über die Fahrspur für Busverkehr und Einsatzfahrzeuge.


Funktionalität
Funktionalität und Nutzungsqualität
Alle Sitzungssäle sind jeweils über vier Geschosse gestapelt, um die Vorführtreppenhäuser möglichst effizient zu gestalten und lange Wege zu vermeiden. Dabei gruppiert sich ein Großteil der Säle um die gemeinsamen Atrien mit repräsentativen Treppenanlagen. Neben der Bibliothek und der Kantine kann auch die Dachterrasse, die den Besuchern und Bediensteten einen ruhigen Aufenthalts- und Pausenort bietet, über eines der Atrien erreicht werden. Ergänzt wird das Gebäudeensemble mit einer zweigeschossigen Tiefgarage und einer Fahr-radgarage.
Während sich die repräsentative Seite des Komplexes zum Park hin öffnet, übernimmt die nach Südosten ge-hende Rückseite die dienende Funktion eines Wirtschaftshofs, der über beide Seiten (Hans Carl Nipperdey Straße / Rudolf Amelunxen Straße) angefahren werden kann und separate Einfahrten für die Andienung sowie die Gefangenentransporte ausweist. Hier befindet sich auch der Helikopter Landeplatz.

Sicherheit

Um den besonderen Sicherheitsanforderungen eines Justizzentrums gerecht zu werden, ist ein zielorientiertes Sicherheitskonzept vorgesehen, das die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeit im Bereich der Sitzungssäle ebenso gewährleistet wie die unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen der Gerichte im nicht öffentlichen Bereich.
Die Erschließung erfolgt über den zentralen Platz in ein gemeinsames Foyer mit großzügigem Luftraum, das sich in der Folge über drei Sicherheitsschleusen in die einzelnen Gebäudeteile aufteilt. Die baulichen und tech-nischen Sicherheitsmaßnahmen sind so ausgeführt, dass sie den Dienstbetrieb der einzelnen Nutzer unterstüt-zen und optimieren. Innerhalb des Gebäudes sind unterschiedliche Sicherheitszonen ausgebildet: Diese reichen vom unkontrollierten und öffentlichen Bereich der frei zugänglichen Eingangshalle über kontrollierte Bereiche für die Öffentlichkeit, Besucher und Angestellten bis hin zu kontrollierten Sonderbereichen mit höchsten Si-cherheitsanforderungen wie etwa die Vorführzellen oder Gefangenenwege: So werden die Gefangenen durch eine Schleuse in getrennte Treppenkerne geleitet, die gesondert in die Sitzungssäle führen. Eine durchgehende gemeinsame Erschließungsachse verbindet alle Gebäudeteile intern miteinander, so dass nach dem Passieren der Sicherheitseinrichtungen Bedienstete in jeden Bereich gelangen können.

Wirtschaftlichkeit
Die Anordnung der Gebäude gewährleistet eine hohe Funktionalität und Wirtschaftlichkeit des Gebäudeorga-nismus durch eine sinnvolle Vernetzung der einzelnen Gerichtsbarkeiten und lässt sich in jeweils einzelnen Etappen errichten.
Das Raumprogramm mit den Nutzungen Landgericht, Amtsgericht und Staatsanwaltschaft ist in sechs kompak-ten Baukörpern, die über Glasfugen miteinander verbunden sind, organisiert. Dabei wird in zwei Bauabschnitte unterschieden: Der erste Bauabschnitt im Osten umfasst einen Hochpunkt, in dem die Staatsanwaltschaft sowie Teile des Strafgerichts untergebracht sind. Im Sockel sind die großen Sitzungssäle abgebildet, da dort große Raumtiefen realisiert werden können. In den anderen zwei Gebäudeteilen liegen weitere Räumlichkeiten des Strafgerichts sowie das Zivilgericht und die Kantine. Über eine Brücke, die die unterschiedlichen Geschosshö-hen durch Treppenanlagen abfängt, gelangt man in den zweiten Bauabschnitt im Westen, dessen drei Gebäude vom Land- und Amtsgericht genutzt werden.


Beurteilung durch das Preisgericht

Der städtebauliche Entwurf für das Justizzentrum verfolgt konsequent den Ansatz, mit einer Abfolge von sechs Baukörpern und einem Hochpunkt eine Struktur zu entwickeln, die sowohl in der Höhenentwicklung als auch im Übergang zum Freiraum des Inneren Grüngürtels überzeugend differenziert.

Die Standortwahl des Hochpunktes mit einer Höhe von 105 Metern ist gut gewählt, weil der Turm in der Sichtachse des Inneren Grüngürtels richtig positioniert ist. Zugleich stellt der Hochpunkt an dieser Stelle einen Beitrag zur Adressbildung und einer Wahrnehmbarkeit von der Bahntrasse dar.

Die locker gestellten Baukörper, die über Eck miteinander verknüpft sind und unterschiedliche Höhen haben, formulieren an der richtigen Stelle einen großzügigen repräsentativen Platz. Dieser wird von einem Kolonadengang gerahmt. An dieser Stelle kann die topografische Situation den nahezu niveaugleichen Übergang zwischen Platz und Freiraum sehr gut räumlich und gestalterisch unterstützen.

Die weiteren Freiräume, die durch das Versetzen der Baukörper entstehen, sind gut positioniert und bieten eine hohe Aufenthaltsqualität. Durch die räumliche Staffelung wird eine zu starke „Wandwirkung“ gegenüber dem Inneren Grüngürtel vermieden.

Der Hochpunkt wird einerseits städtebaulich gewürdigt, er wirft aber auch kritische Fragen im Hinblick auf das Zusammenspiel mit dem Sockel sowie nach einer Überbetonung der Staatsanwaltschaft als stadträumlichen Dominante auf. Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft werden so hierarchische Assoziationen verliehen, sie sind aber als Nutzungsbausteine „auf Augenhöhe“ zu sehen.

Bei der Übersetzung des Raumprogramms in die Konzeption werden in einigen Bereichen Abweichungen festgestellt. Die Funktionalität in den niedrigen Baukörpern ist überwiegend gegeben. Die Grundrisse versprechen eine hohe Aufenthalts- und Nutzungsqualität. Lediglich die kleinen Innenhöfe werden im Hinblick auf die Konsequenzen für die Verschattung und Qualität der zu ihnen ausgerichteten Innenräume kritisch gesehen.

Die verkehrliche Erschließung kann die funktionalen Anforderungen grundsätzlich erfüllen, zieht aber den motorisierten Verkehr stark in den Innenbereich und bindet die Tiefgarage des nördlichen Baufeldes nur mit einer Aus- und Einfahrt an. Die Andienungsbereiche werden kritisch gesehen.

Insgesamt stellt der Entwurf einen guten Beitrag zu der gestellten Aufgabe dar, der im Hinblick auf einzelne Detailfragen noch nicht in Gänze überzeugen kann.