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Workshop-Verfahren | 10/2022

Gestaltung Außenanlagen für den neuen Fernbahnhof Hamburg-Altona

Gewinner / 1. Rang

C.F. Møller Architects

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Unsere Vision für die Außenanlagen des neuen Regional- und Fernbahnhofs Hamburg Altona ist die Wiederverbindung der Stadt und der Landschaft durch eine ganzheitliche und die Zukunft des Quartiers prägende Planung des östlichen und westlichen Bahnhofsvorplatzes und deren Verbindung durch den DB-Tunnel und die verlängerte Landschaftsachse über die Plöner Straße.

Das Entwurfskonzept basiert auf einer tiefgründigen Analyse der Verkehrsströme und der Orientierung auf den Bahnhofsvorplätzen der neuen über-regionalen Mobilitätsdrehscheibe des Hamburger Westens. Alle gestalterischen Maßnahmen beruhen auf der übergeordneten Idee einen universellen Flow auf der Ost- und Westseite und deren Verbindung durch den DB-Tunnel zu ermöglichen.

FREIRAUMPLANERISCHE LÖSUNG
Der freiraumplanerische Entwurf der Vorplätze ist nicht nur relevant für den Neubau des Bahnhofs, sondern die gesamte Neuplanung am Diebsteich und die Entwicklung Altonas und der Gesamtstadt. Deshalb geht die räumliche Zonierung und Programmierung der Neuplanung der Bahnhofsvorplätze bewusst auf die zukünftigen Nutzungen und Aktivitäten in der Umgebung ein. Ziel der freiraumplanerischen Lösung ist es, durch eine Zonierung ohne harte Grenzen, den komplexen Anforderungen eines Bahnhofsvorplatzes genauso gerecht zu werden, wie der zentralen Rolle des Ortes als urbaner Platz der Gesamtentwicklung am Diebsteich.

Mit der Vision der Wiederverbindung der Stadt und Landschaft wird auf die Relevanz der Landschaftsachse eingegangen. Für Fußgänger wird die Achse durch die physische und gestalterische Verbindung des östlichen und westlichen Vorplatzes durch den DB-Tunnel erlebbar werden. Das adaptierte Erweitern der im DB-Tunnel geplanten Bodenplatten auf den Vorplätzen, vereint den Ort und fördert ein einheitliches Erlebnis. Die zukünftige Planung der grünen Veloroute zwischen der Hamburger Innenstadt und Bahrenfeld, wird durch die entlang der Vorplätze führenden Fahrradwege und den Tunnel der Plöner Straße verbunden und durch die neue begleitende Baumbepflanzung als grüner Faden fortgesetzt und wahrgenommen. In Hinblick auf Altonas Konzept zu nachhaltiger Mobilität und als Bezirk mit dem höchsten Radverkehrsaufkommen in Hamburg, liegt in dem Entwurf ein Fokus auf optimalen Fahrradanbindungen, die an den neuen Bahnhof anknüpfen. Unterstützend werden die geforderten Fahrradstellplätze entlang der Veloroute und in möglichster Nähe zu den Bahnhofseingängen verortet.

GESTALTERISCHE LÖSUNG
Um mit dem Entwurf dem geplanten hochbaulichen Neubau und der begrenzten Größe der Vorplätze maßstäblich gerecht zu werden, wurde die Gestaltung auf vier zentrale Entwurfselemente reduziert: Bodenplatten, Bäume, Bänke und Leuchten. Die Anordnung der Elemente folgt einem übergeordneten 4,80 * 4,80 m Raster, mit dem Ziel, die komplexen und variierenden Verkehrsströme auf und über den beiden Vorplätzen gesamtheitlich zu stärken und natürliche Flows und künftige Aktivitäten ohne landschaftliche Barrieren sicherzustellen.

Anknüpfend an die Gestaltung des geplanten DB-Tunnels werden für den Bodenbelag helle und robuste großformatige Bodenplatten aus Beton vorgeschlagen. Mit einer Maße von 0,60 * 2,40 m und einer Ausrichtung parallel der Längsausrichtung des Gebäudes, integrieren sie sich in das übergeordnete Raster. Die Gestaltung wurde bewusst für einen zurückhaltenden Einklang mit dem geplanten Neubau gewählt.

In Relation zu dem Verlegemuster der Bodenplatten werden in deren Kreuzungspunkten ebenfalls im 4,80 * 4,80 m Raster Bäume platziert. Durch die Reduktion der geplanten Begrünung auf Bäume, werden lediglich deren Stämme auf der Verkehrsebene verortet, während das eigentliche Grün über den Köpfen der Nutzer platziert ist; so können Zonen auf den Vorplätzen definiert werden, ohne dabei die Komplexität der Flows zu stören. Die konzeptionelle Anordnung der Bäume verläuft dabei wie ein grüner Filter zwischen Vorplatz und Kommunaltrasse. Die Platzgestaltung profitiert von der geplanten Diversität der Bäume bezüglich ihrer Farbe, Dichte, Höhe und Reaktion auf Jahreszeiten, wobei letzteres besonders durch tägliche Nutzer wahrgenommen werden wird.

Als Reaktion auf eine zentrale Forderung des Stadtklima Reports, wird so nicht nur Biodiversität der Flora, sondern auch der Fauna geboten. Des Weiteren ist sichergestellt, dass, wenn eine Baumspezies erkrankt, die anderen weiter überleben können. Für eine klimaresiliente und klimafreundliche Gestaltung der Vorplätze für ihre Nutzer wird durch die Anordnung der Bäume eine bewusst ausgelegte Verschattung der Aufenthaltsflächen und Abkühlung des Stadtklimas erreicht.

Als drittes Element werden gezielt schlichte und robuste Bänke aus Beton mit den Maßen 0,60 * 0,45 * 2,40/4,80/7,20 m auf den Vorplätzen platziert. Wie „angehobene Bodenplatten“ fügen sie sich gestalterisch in das Gesamtbild ein. Für den Nutzerkomfort und die Erscheinung werden die Sitzflächen mit längs ausgerichteten Lamellen ergänzt. Mit der vorgeschlagenen Anordnung der Bänke auf den Plätzen werden Wartebereiche definiert und aufgewertet. Gleichzeitig werden kleinteiligere Räume innerhalb der Platzsituationen für gemeinschaftliche Begegnungen definiert, welche für ein geteiltes Nutzererlebnis und ein sicheres Wohlbefinden sorgen.

Das geplante Beleuchtungskonzept integriert Leuchten in gezielt gewählte Kreuzungspunkte des 4,80 * 4,80 m Rasters des Gesamtentwurfs. Vor dem Eingang der Bahnhofshalle werden Leuchten mit abwärts ausgerichteter Strahlung für hohe Funktionalität vorgeschlagen, welche energiesparend und artenschutzgerecht platziert sind. Durch eine Diversität in der Masthöhe, wird gestalterisch und atmosphärisch auf das Höhenspiel der neu geplanten umliegenden Baumkronen eingegangen. Direkt zwischen und in unmittelbarer Nähe zu den neuen Bäumen empfehlen wir eine lineare Beleuchtung, um eine gleichmäßige Ausleuchtung der Oberfläche sicherzustellen. Zusätzlich schlagen wir die optionale Integration von Spotleuchten in gezielt gewählte Baumkronen vor, um eine angenehme Atmosphäre in der dunklen Tageszeit zu unterstützen. Hierbei liegt der Fokus besonders auf Bäumen, welche in unmittelbarer Nähe zu Bänken und dem hell beleuchteten Bahnhofseingangs liegen, um den Lebensraum von Vögeln und Insekten nicht negativ zu beeinflussen.

Für eine optimale Adressbildung der Bahnhofshalle, des Büro- und Hotelturms und des S-Bahn-Zugangs auf der Ostseite, sowie des Bahnhofstunnels und der Kapelle auf der Westseite wird die Anordnung von Bäumen in diesen Bereichen bewusst unterbrochen, um so offene und intuitive Eingangssituationen zu schaffen, welche die Orientierung für Ortskundige und Ortsfremde gleichermaßen sicherstellen. Gleichzeitig unterstützt die gezielte Anordnung von Bänken zum Verweilen und Leuchten in diesen Bereichen die Qualität der Adressen.

Mit der Gestaltung der Aufenthaltsflächen zwischen den Haupteingängen des Neubaus wird auf die Anforderungen täglicher
Nutzer, sowie die einmaliger Reisender eingegangen. So wird Raum für das kurzzeitige Verweilen während des Wartens auf den nächsten Zug geboten, während durch die flexible Programmierbarkeit der Flächen auch die Ansprüche der zukünftigen Quartiersnutzer erfüllt werden, indem z.B. ein Wochenmarkt, ein Eislaufring oder eine lokales Event dort Platz finden können.

Als optionales gestalterisches Element schlagen wir die Integration von Kunst in Form von schlicht gehaltenen Gemälden auf großen Wandflächen, wie dem westlichen Bahnhofseingang und S-Bahn Eingang, vor. Die sonst grau erscheinenden Flächen können belebt und Altonas kreativer Charakter aufgegriffen werden. Um auf Altonas hohes Engagement der Bürger einzugehen, können diese in den Gestaltungsprozess einbezogen werden. Gleichzeitig wird unkontrolliertem Graffiti vorgebeugt. Im gestalterischen und farblichen Einklang dazu schlagen wir einen Entwurf der nördlichen Zaunanlage entlang des DB-Wertstoffhofs als abstrakte Darstellung Altonas Bahngeschichte in Form eines perforierten Lochblechs vor. Die robuste Konstruktion sichert die Funktionalität in Bezug auf große Toröffnungen und das Rangieren mit LKWs.

FUNKTIONALE LÖSUNG
Die funktionale Gestaltung der Bahnhofsvorplätze geht auf die unterschiedlichen Anforderungen an den Raum während eines Regeltages oder einer Eventsituation mit überdurchschnittlich vielen Nutzern ein. Für optimale Bewegungsmöglichkeiten zwischen dem Bahnhof und dem ThyssenKrupp Gelände, wurde der Bereich vor der Eingangshalle auf dem östlichen Vorplatz bewusst offen gestaltet. Auch die neu definierte Topografie ermöglicht eine Verbindung dieser beiden Orte ohne Barrieren im Normalfall oder während einer Eventsituation. Als belebtester Ort des Transits stellt die Gestaltung des Haupteingangs auch während des Alltags optimale Funktionalität sicher und wird durch die angrenzenden Sitztreppenanlagen atmosphärisch ergänzt.
Auf der westlichen Bahnhofsseite wird die Funktionalität als zukünftiger Verkehrsknotenpunkt ebenfalls sichergestellt. Gleichzeitig greift die Gestaltung des Raumes vor der Kapelle den nachbarschaftlichen Charakter des Ortes auf. Er bietet Möglichkeiten als Treffpunkt der Nachbarschaft, Platz kleiner Zusammenkünfte der Gemeinde oder Wartebereich vor oder nach einem Friedhofsbesuch zu fungieren.

Der Entwurf garantiert Barrierefreiheit auf beiden Vorplätzen und geht dabei neben dem Fokus auf Orientierungsmöglichkeit, auch auf die Anforderungen von Nutzern mit Einschränkungen ein. Für Nutzer mit Einschränkung in der Bewegung wurde die Topografie vor der östlichen Bahnhofshalle für einen barrierefreien Zugang als Rampe mit max. 5% Steigung und entsprechenden Podesten angepasst. Für die Gestaltung des westlichen Vorplatzes wird eine barrierefreie Zugänglichkeit der Kapelle vorgeschlagen; auf Anforderung des Denkmalschutzes kann darauf verzichtet und die heutige Treppenanlage erhalten bleiben. Der weitere westliche Vorplatz ist durch die geringeren Höhenunterschiede barrierefrei erschließbar. Für Nutzer mit Einschränkung in der Sinneswahrnehmung wurde im Layout der neu geplanten Bäume, Bänke und Leuchten sichergestellt, dass diese nicht im Weg stehen und ein einfach anzuordnendes taktiles Leitsystems optimal auf den Bodenbelag integrieren werden kann.

Der Entwurf knüpft ohne nötige Anpassungen an die bereitgestellte Verkehrsplanung der Ost- und Westseite an und stellt optimale Wegeverbindungen und Bewegung zwischen den zentralen lokalen Verkehrsknotenpunkten sicher. Auf dem östlichen Vorplatz wird im Bereich der Zufahrt zur Fahrradgarage durch eine im Gesamterscheinungsbild zurückhaltende aber dennoch intuitiv wahrzunehmende Änderung im Bodenbelag, auf die sich kreuzenden Verkehrsströme von Fußgängern und Radfahrern aufmerksam gemacht. Um die Sicherheit der Nutzer weiter zu optimieren werden zusätzliche Poles und Bäume als Markierung entlang der Einfahrt integriert, wobei durch die entsprechende Mindesthöhe der umliegenden Baumkronen eine optimale Einsehbarkeit des Raums garantiert wird. Das Gleiche gilt für die Zufahrt zur Tiefgarage im südlichen Abschnitt.

Für die Planung der Westseite unterstützen wir den Vorschlag Schleswiger Straße und Am Diebsteich als Fahrradstraße zu planen, um die Hierarchien im Verkehrsaufkommen dem Ort und seiner Größe anzupassen. Indem der gesamte westliche Vorplatz mit einem einheitlichen Bodenbelag geplant wird, soll der elektrisierte Verkehr beim Befahren verlangsamt und auf kreuzende Fußgänger und Radfahrer aufmerksam gemacht werden. Die Anordnung und Gestaltung der Fahrradstellplätze entlang der Fahrbahn soll hier für eine integrierte aber dennoch offene Zonierung des Platzes sorgen; unterstützt wird diese durch zusätzliche Poles.

Als Schutz vor Überfahrtaten werden die auf den Vorplätzen geplanten Bänke und Leuchten konstruktiv so ausgeführt, dass sie neben ihrer eigentlichen Aufgabe auch die Anforderungen zur Terrorabwehr erfüllen. Die Anordnung der Elemente im Bereich der östlichen Bahnhofshalle als Verlängerung der Landschaftsachse, sowie entlang des Übergangs von Vorplatz zu Kommunaltrasse unterbindet eine direkte und gefährdende Zufahrt mit Kraftfahrzeugen. Für das allgemeine Sicherheitsempfinden der Nutzer wird durch die Wahl der Baumspezies mit Baumkronen oberhalb der Augenhöhe eine maximale Transparenz und Einsehbarkeit der Vorplätze garantiert. Gleichzeitig wird durch die Diversität der Nutzungen und die ringsum angeordneten Sitz- und Beleuchtungsmöglichkeiten auf den Vorplätzen eine Belebung des Ortes sichergestellt, mit dem Ziel Anonymität zu minimieren und im Einklang mit dem Forderungskatalog kriminalpräventiver Maßnahmen wesentlich zur Konfliktvermeidung beizutragen.

Das Konzept zum Wassermanagement kombiniert die Handhabung des aufkommenden Niederschlagswassers auf dem Gründach des neuen Bahnhofgebäudes, sowie der Vorplatzoberflächen in einem ganzheitlichen System mit Einrichtungen zur Wasserrückhaltung, besonders bei Starkregenereignissen, und zur Baumbewässerung. Im Einklang mit dem angepassten Gefälle des Geländes, werden auf dem östlichen Vorplatz an drei Stellen Rigolen mit darüber liegendem sichtbarem Wasserspiegel geplant. So wird auf die Anforderungen der Regenwasserhandhabung reagiert und gleichzeitig ein gestalterischer Mehrwert für den Vorplatz erzeugt. Auf dem westlichen Bahnhofsvorplatz wird die Möglichkeit der teilweise Versickerung des Niederschlagswassers durch die dortigen besseren Bodenverhältnisse und direkte Anbindung an die Kanalisation genutzt.

Für die Nachhaltigkeit der Platzgestaltung setzen wir auf ein Konzept mit hoher Flexibilität. Biodiversität, natürliche Verschattung
von Aufenthaltsflächen und Kühlung des Stadtklimas, ganzheitliches Regenwassermanagement, Wahl robuster und zeitloser Materialien und Formen, Wohlbefinden der Nutzer und der Fokus auf optimale Funktionalität umweltfreundlicher Mobilität prägen die nachhaltige Gestaltung der Außenanlagen. Die Anforderungen der Infrastruktur, bezüglich Flächen zur Anlieferung und Feuerwehraufstellflächen, werden in dem Entwurf behutsam integriert und deren Funktionalität sichergestellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der prämierte Entwurf sieht eine einheitliche Gestaltung beider Vorplätze vor, welche die Verkehrsströme auf den Platzflächen ganz selbstverständlich aufnimmt und gleichzeitig begrünte Bereiche schafft, die zum Aufenthalt und Verweilen einladen. Durch zahlreiche neue Bäume und Sitzgelegenheiten wird der östliche Vorplatz vor dem Bahnhofsgebäude einladend gestaltet und wichtige Zugänge und Wege, wie zur zentralen Empfangshalle, zum Fahrradparkhaus mit 600 Plätzen und zum benachbarten ThyssenKrupp-Areal sowie zu den Bushaltestellen, lassen sich bequem und barrierefrei erreichen.

Die Ideen der Planer werden auch westlich der Gleise fortgeführt. Zusätzliche Bäume und Sitzelemente unterstreichen den nachbarschaftlichen Charakter vor der Friedhofskapelle und gliedern die Flächen zwischen Friedhof und Westausgang des Bahnhofs. Auch ein Standort für zusätzliche Fahrradparkplätze wird vorgeschlagen. Die Architekten aus Aarhus sehen verschiedene bunte Baumarten und einen Materialmix aus hellen Betonplatten und robusten Sitzbänken mit Holzelementen vor, der gut zum besonderen Charme des Quartiers am Diebsteich passt.