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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022

Entwicklung Einzelhandelsstandort Emil-Adolff-Straße in Reutlingen

Lageplan

Lageplan

2. Preis

arch22 | bogenrieder crumbach

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Frank Roser Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

str.ucture GmbH

Tragwerksplanung

Architekturmodellbau Michael Lo Chiatto

Modellbau

Erläuterungstext

Entwicklungskonzept Emil-Adolff-Straße Reutlingen - ÜBERARBEITUNG

STÄDTEBAU
In Reutlingen werden Areale des Industrie- und Gewerbegürtels entlang der Bahnlinie und der B28 städtebaulich zu neuen urbanen Quartieren mit höheren Dichten, Qualitäten und neuen Funktionen transformiert. Neben Postareal und RT Unlimited sehen wir das Areal Emil-Adolff-Straße trotz der vorgegebenen monofunktionalen Ausrichtung als weiteren Baustein dieser Entwicklung.
Für diesen Versorgungschwerpunkt mit großflächigen Einzelhandelsnutzungen wird ein zeichenhaftes, industriell konstruktiv anmutendes Gebäude als lokaler und gesamtstädtischer Attraktor vorgeschlagen. Eine transluzente Platte ist in ein auffälliges Tragwerk eingehängt und schwebt quasi über der Parkebene. Dem gebauten Volumen werden großzügige Grünräume mit einzelnstehenden Bäumen entgegengestellt, die sich in den reflektierenden Industriegläser der Märkte leicht spiegeln.
Wegen der bereits sehr hohen Ausnutzung des Grundstücks des Realisierungsteils mit einer GRZ von 0,7 und einer GFZ von 1,4 verzichtet dieser Vorschlag auf eine Bebauung des angrenzenden Grundstücks (Ideenteil Emil-Adolff-Straße Nr. 14.)
Stattdessen soll diese Fläche die Baumasse der Megamärkte mit unversiegelten Freiflächen und Bäumen kompensieren. Der neue Park bildet den Übergang in Richtung Gustav-Wagner-Straße.
Der Versuch einer Blockrandbebauung wird nicht unternommen, da diese bereits im Bereich des vorhandenen EDEKAS / zukünftigen Decathlons nur von zweifelhafter Stärke und Qualität ist und durch eine zweigeschossige flächige Bebauung nur eingeschränkt Wirkung erlangen kann.
Die vorhandene und anscheinend als identitätsstiftend wahrgenommene Mauer der alten Papierfabrik bleibt als Parkmauer erhalten. Zur Stabilisierung der Mauer werden Betonausleger vorgesetzt. Das vorhandene Untergeschoss wird zugunsten einer großen Versickerungsfläche und einfacherer Gründung des neuen Gebäudes entfernt. Die Parkebene kann so deutlich tiefer angeordnet werden, was auch der Höhe der Anlieferung entgegenkommt.
Mauer und Kiefernwald bilden einen Filter zwischen den Hauptverkehrsachsen und dem neuen Baukörper. Sie werden als Kontrast und städtebauliches Gestaltungsmerkmal angesehen.

ERSCHLIESSUNG
Das Einkaufszentrum wird über getrennte Ein und Ausfahrten von der Emil-Adolff-Straße erschlossen. 225 Parkplätze werden in der offenen ebenerdigen Parkebene angeboten, ebenso wie 70 Fahrradstellplätze. Die Bushaltestelle befindet sich in unmittelbarer Nähe, eine Busspur wird ausgebildet.
Die fußläufige Verbindung in die neuen Verkaufsstätten der alten Papierfabrik ist über die Parkebene sicher und großzügig über eine leichte Rampe gegeben.
Die Mall und angrenzenden stützenfreien Verkaufsräume im Obergeschoss werden komfortabel über Rollstege und Aufzüge erreicht, die EDEKA und Lidl gleichwertig anfahren.
Die Anlieferung erfolgt über die B28 und die Zufahrt hinter der alten Papierfabrik. Der großzügige komplett überdachte Anlieferungshof ermöglicht das gleichzeitige Andienen von drei Sattelschleppern. Ein vierter kann in Warteposition geparkt werden. Durch die vorhandene Topologie ist die Andienung (1,30m unter Verkaufsfläche) fast eben zu erreichen.
STRUKTUR
Ziel des Tragwerkentwurfes ist ein stützenfreier Verkaufsraum im OG und ein bequem nutzbares Parkhaus mit wenig Konstruktionsflächen im EG.
Das Tragwerk des Erdgeschosses wird als Platte, die auf Rahmen aus Stahlbeton gelagert wird, ausgebildet. Die Lage der Stützen ist so gewählt, dass das Ein- und Ausparken sowie das Ein- und Aussteigen der Kunden nicht beeinträchtigt wird. Zusätzliche, einzeln angeordnete Wandscheiben im Erdgeschoss in den Randbereichen sowie Treppenhäuser und ein Aufzugskern steifen den Tisch aus Betonfertigteilen aus. Die stützenfreie Konstruktion der Märkte bildet eine stützenfreie Megastruktur. Ausgehend von einem dreieckigen Stabtragwerk aus Stahlhohlprofilen, das umlaufend vor den Fassaden liegend angeordnet ist, entwickelt sich ein Raumfachwerk in Querrichtung, dass über beide Märkte spannt. Der horizontale Raumabschluss auf dem Dach wird über eine Trapezkonstruktion mit Aufbeton auf Nebenträgern erzielt.
unregelmäßig gestellten Stämme und die Unterpflanzung mit schattenverträglichen Waldgräsern und -farnen. Dieser Zwischenraum hat keine spezifischen Nutzungen, zeigt aber ein schönes Bild der Ruhe und erleichtert dadurch vielleicht manchen Kunden die Parkplatzsuche.
Als Baumart werden Kiefern vorgeschlagen, die dem Ensemble eine starke Eigenart und Wiedererkennbarkeit geben. Sie sind auch vor dem Hintergrund des Klimawandels resiliente und zukunftsfähige Bäume. Grundsätzlich sind natürlich auch andere Bäume denkbar, beispielsweise Robinien mit ihrem durch Fiederblätter angenehm gefilterten Licht.
Im Einfahrtsbereich und rechter Hand der Zufahrt ändert sich der Charakter unter den locker stehenden Bäumen. Als einladende Willkommensgeste stehen hier eingebunden in wasserdurchlässigen Belag neben den Baumbeeten blühende Hochbeete und einzelne Sitzinseln.
Auf der angrenzenden Fläche des Ideenteils führt ein Quartierspark die hainartige Baumpflanzung weiter und vermittelt zum dicht bewachsenen Hang. Die Wegebeziehungen in die verschiedenen Richtungen werden aufgenommen und zusammengeführt. Am Fuße des Hangs entsteht außerdem ein Spielplatz mit hohem Spielwert und Aufenthaltsqualität.
BLAUGRÜNE INFRASTRUKTUR
Die Dachfläche wird vollflächig extensiv begrünt. Die Begrünung speichert Regenwasser und verdunstet es anschließend wieder. Die Verdunstung wirkt sich positiv auf das Mikroklima und (da Temperatur senkend) auch positiv auf den Ertrag der Photovoltaik aus.
Die große horizontale Fläche kann ideal als Retentionsdach ausgebildet werden. Dabei werden die Dachabläufe gedrosselt, so dass bei Starkregen maximal 4 cm kurzzeitig in der Drainage unterhalb der Extensivbegrünung eingestaut werden.
Das Regenwasser wird in Retentionsmulden eingeleitet, die sich unter den Bäumen seitlich des Parkdecks anordnen. Die Überläufe der Mulden führen in handelsübliche Retentionsboxen, die unter dem Parkdeck angeordnet werden können.
Die mehrstufige Zurückhaltung und Versickerung maximiert die Verdunstung und minimiert die Belastung des Kanalsystems bei Starkregen.
An der Grenze zum Ideenteils / Emil-Adolff-Strasse 14 werden flache Mulden so angelegt, dass das bei Starkregen anfallende Hangwasser temporär zurückgehalten wird.
Der Hang wird so modelliert, dass bei extremen Regenereignissen das Oberflächenwasser um das Parkdeck herum Richtung Emil-Adolf-Straße geführt wird.

FASSADE
Die Fassade der Supermärkte und Mall besteht aus sandgestrahlten weißlichen U-Gußgläsern, die zur besseren Windaussteifung vierlagig aufgebaut ist. Diese Gläser sind bis zu 6m Höhe in ein Aluminium- Rahmenprofilsystem einsetzbar.
Sie sind mit einlagig mit transluzenter Wärmedämmung aus Glasfasern gefüllt, die eine gute Wärmedämmung mit einer hohen Lichtdurchlässigkeit verbinden. Je nach Bereich des Gebäudes kann diese zwischen 10 und 50% variieren. Wärmestrahlung im Infrarotbereich wird absorbiert, eine zusätzliche Sonnenschutzeinlage verhindert auch im Sommer nach West und Süd eine hohe Einstrahlungen.
Mit LEDs kann die Fassade nachts effektvoll in Szene gesetzt werden. Die Stahlkonstruktion aus Stahlrechteckprofilen ist weiß beschichtet.

BELEUCHTUNG
Der Beleuchtung des Parkdecks kommt eine besondere Bedeutung zu. Die helle Decke wird von unten angestrahlt was die Mall-Platte zum Schweben bringt. Die Grundbeleuchtung wird dem Tageslicht angepasst. Das Wasser im Eingangsbereich erzeugt Reflektionen an den umgebenden Bauteilen.

RECYCLEBARKEIT
Die Gebäude ist dank seiner elementierten Bauweise Großteils rückbau-, trenn- und recyclebar.

Beurteilung durch das Preisgericht

Qualität des städtebaulichen Konzepts
Das städtebauliche Konzept der Arbeit mit einem zeichenhaften, industriell konstruktiv anmutenden Gebäude wird als mutiger und konsequenter Beitrag gewürdigt. Die gewählte Bautypologie erscheint jedoch ungeeignet die gewünschte Urbanität zu fördern und wird im städtebaulichen Kontext kritisch gesehen. Der enge Abstand zur alten Papierfabrik und die Verbindung zur alten Papierfabrik überzeiugt das Preisgericht nicht. Der Abriss und damit die Vernichtung von grauer Energie im Ideenteil und der Ersatz durch einen Park, ist ein interessanter Beitrag, der jedoch aus Sicht der Investition nicht nachhaltig ist.

Qualität des freiräumlichen Konzepts
Dieser Park im Ideenteil lässt leider beiläufige und gestaltete Anbindungen an die bestehenden Quartiere und den Neubau vermissen. Für den Freiraum zwischen der bestehenden Ziegelfassade und dem Neubau wäre ein Nutzungskonzept wünschenswert gewesen. Die beabsichtigte Ruhe bei der Parkplatzsuche wird vom Preisgericht angezweifelt und Aufenthaltsqualitäten sind nicht erkennbar.
Qualität des architektonischen und gestalterischen Konzepts. Das rigide Grundkonzept des Entwurfs, einer scheinbar schwebenden transluzenten Platte unter der alle Funktionen angeordnet sind, lässt leider Sensibilität in der architektonischen Ausformulierung und der damit einhergehenden Anmutung vermissen. Dies betrifft in der Grundrissgestaltung der Mangel an Tageslicht in der Erschließungszone und die unterschiedlichen Qualitäten der Verkaufsflächen Edeka und Lidl zu dieser zentralen Erschließung. In der Fassadengestaltung überzeugt das gewählte Material, Gussgläser und die gewählte, gestalterisch wirksame, Tragwerksstruktur nicht in dem vorhandenen städtebaulichen Kontext. 

Erfüllung der funktionalen Anforderungen und des Raumprogramms
Die funktionalen Anforderungen sind in den Bereichen Edeka und Lidl mit unterschiedlicher Qualität umgesetzt. Dies betrifft sowohl die Verteilung der Waren von der Anlieferung zu den Nebenflächen wie auch die Orientierung der KundInnen in und aus den Märkten. Das Raumprogramm ist gut erfüllt. Nachhaltigkeit (Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Umwelteigenschaften, Lebenszykluskosten)
Die Themen der ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit konzentrieren sich auf die Regenwassernutzung, Dachbegrünung und Dach PV-Flächen. Diese sind nachvollziehbar aber ohne weitergehende Innovation. Das außenliegende Tragwerk führt zu einem, im Vergleich der Arbeiten, niedrigen Bruttorauminhalt aber leider nicht zu einem guten A/V Verhältnis. Die konstruktiven
Aufwendungen für die Durchdringungspunkte der Dachabdichtung und Dämmung werden kritisch gesehen, zumal die durchgehend stützenfreie Grundrisse keine zwingende Notwendigkeit haben. Die Grünflächen zwischen der Staffagen artigen historischen Fassadenwand und dem neuen Baukörper lassen keine freiräumlichen Qualitäten erwarten. Werder in Bezug auf deren Nutzung noch auf die gewünschte städtebauliche Akzentuierung der Situation an der Kreuzung Emil-Adolf- und Schieferstraße. Die großzügige neu entstehende Parksituation im Osten, durch Wegnahme des Bestandsgebäudes suggeriert im ersten Blick zwar eine hohe freiräumliche Qualität, wird aber aus Sicht der Projektentwicklung an dieser Stelle nicht als zielführend betrachtet. Zumal die Fortsetzung des
Grünzugs nach Norden nicht gelungen erscheint.

Qualität der Verkehrserschließung und des Verkehrsflusses
Die Zu- und Ausfahrtstrasse sind von der Emil-Adolf-Straße übersichtlich und gut erkennbar zu erreichen. Die Fußgängererschließung zwischen diesen beiden Zufahrten erscheint jedoch wenig attraktiv und als Adressbildung nicht ausreichend. Die Andienung ist ausreichend dimensioniert und gut erreichbar. Kritisch wird hier die Durchfahrt durch die außenliegende Tragstruktur gesehen, die erhöhte Vorsicht bedarf.

Insgesamt eine Arbeit, die einen wichtigen Beitrag für die Diskussion leistet und in der Konsequenz seines Ansatzes gewürdigt wird, aber in dem Zusammenspiel der Bautypologie, des städtischen Kontextes und der gestalterischen Ausarbeitung nicht gänzlich überzeugen kann. 
Piktos Städtebau / Ansicht Süd

Piktos Städtebau / Ansicht Süd

Modellfoto SW

Modellfoto SW