Nach und nach übernahm die Vertretung der Nürnberger Kaufleute den ganzen Stadtblock. Es entstand ein Konglomerat nur unzureichend miteinander verbundener Gebäude. Dieses sollte neu organisiert und in ein zeitgemäßes, kommunikatives Ensemble transformiert werden.
Durch Schließen des vorher nach Westen offenen Hofes sowie durch den Rück- und Neubau der nicht als Einzeldenkmale geschützten Bauteile war es möglich, zusammenhängende, flexibel und barrierefrei nutzbare Flächen zu schaffen.
Die Altbauten wurden denkmalgerecht saniert und behutsam weiterentwickelt. Die Neubauten adaptieren mit Lochfassade und Steildach, Biberschwanzziegel und Burgsandstein typische Gestaltmerkmale der Altstadt; in ihrer Detailausprägung verweisen sie auf die stadtbildprägende Architektur des Wiederaufbaus. Die Traufknickfenster respektieren die für die Denkmalpflege wichtigen historischen Traufhöhen.
Der ehemalige Innenhof wird zum glasgedeckten Atrium, das als "Schalterhalle" dem Erstkundenkontakt dient, aber auch Raum für Ausstellungen und Veranstaltungen bietet. Hinter den offenen Brücken an den Stirnseiten bleiben die Fassaden der Altbauten sichtbar. Auch in der Materialisierung klingen hier die hölzernen Laubengänge an, die früher die Höfe prägten.
Die Dachterrasse rund um das neue Atriumdach bietet sich für Pausen und Empfänge an.
Das neue Haus der Wirtschaft in Nürnberg steht selbstbewusst an prominenter Stelle zwischen Hauptmarkt und St. Sebald. Das neue Gebäude ist gleichzeitig auch ein altes Haus: Zwei bestehende Gebäudeteile, die unter Denkmalschutz stehen, wurden klug in die neue Bürowelt integriert und bilden zusammen ein Ensemble, bei dem Alt und Neu eine neue Symbiose eingehen und ihm einen besonderen Charakter verleihen. Neue Nutzungsanforderungen, u.a. für eine verbesserte Servicequalität und Barrierefreiheit machten es erforderlich, den von der IHK Mittelfranken genutzten Stadtblock mit Gebäudeteilen aus verschiedenen Epochen neu zu organisieren. Die Räume, die Raumbeziehungen sowie die innere Verkehrsführung und Erschließung wurden übersichtlich gestaltet, die denkmalgeschützten Bereiche energetisch saniert. Das 12.000 m² große Büro und Verwaltungsgebäude ist, abgesehen von einem Teilabriss, ein wertvolles Beispiel dafür, dass es sich lohnt, Bestand weiterzuentwickeln – eine wichtige Erkenntnis für die heutige Zeit, in der immer noch viel zu viel abgerissen wird. Die neuen Fassaden reflektieren die Altstadt – mit Biberschwanzziegeln, Steildach, Lochfassade mit Sandstein – und adaptieren die stadtprägenden fünfziger Jahre mit ihren knappen Details – ein Beispiel dafür sind die neuen, fein und spröde ausgebildeten Stahlfenster. Vom Vorplatz an der Waaggasse wird man mit etwas zu großer Geste zum Betreten eingeladen – man durchschreitet bildlich das dicke Gemäuer. Im Inneren werden die Bestandsbauten mit einer prägnanten Schalterhalle barrierefrei verbunden, der ehemalige Innenhof wird überdacht. Die Raumschichten und -folgen in diesem Gebäude wollen entdeckt werden und erschließen sich erst auf den zweiten Blick. Zunächst beeindruckt die Lichthalle in ihrer Klarheit, gefasst von einer offenen, hölzernen Struktur. Erst bei weiterer Annäherung erkennt man den Zwischenraum und die dahinterliegenden Schichten der verschiedenen Epochen des Ensembles, die einen ganz besonderen Reiz entfalten. An der einen Stirnseite lockt ein großflächiges Buntglasfenster aus den 1950er Jahren, das aufwendig instandgesetzt ist; auf der anderen Seite spürt man das historische Mauerwerk und dahinter die Treppe im Bestand. Dazwischen schaut man in die offenen Arbeitsbereiche der neu hinzugefügten Gebäudeteile. Die Büroräume haben Holzausbauten in Kombination mit freigelegten Betondecken und sind geprägt von einem gekonnten Umgang mit Material. Das Haus präsentiert sich mit einer Vielfalt an räumlichen Erzählungen und Qualitäten. Die Dachterrasse um das Atrium bietet einen großzügigen und gefassten Außenraum: Geschützt von roten Altstadtdachflächen sieht man den Himmel über Nürnberg. Der Versammlungsraum unter dem Dach überrascht mit seiner Intimität und dem Blick hoch auf den Sebaldturm. Das neue alte Haus der Wirtschaft ist das Ergebnis eines nichtoffenen städtebaulichen Realisierungswettbewerbs aus dem Jahr 2012. Es zeigt eine gestalterische und eine Ausführungsqualität, die heutzutage leider nicht mehr selbstverständlicher Standard, jedoch notwendig ist, um Baukultur dauerhaft in unseren Städten zu etablieren.