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VgV-Verhandlungsverfahren mit vorgelagertem Planungswettbewerb | 11/2022

Neubau Feuerwache 1 in der Kölner Innenstadt

Visualisierung

Visualisierung

2. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 45.000 EUR

LEPEL & LEPEL Architekt Innenarchitektin PartG mbB

Architektur

bähr ingenieure gmbh | bähr engineering gmbh

TGA-Fachplanung

accellonet GmbH

sonstige Fachplanung

KEMPEN KRAUSE INGENIEURE GmbH

Tragwerksplanung, Bauphysik, Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Leitidee: charakteristischer Stadtbaustein
Die Feuer- und Rettungswache 1 wird mit dem Neubau zu einem markanten erkennbaren Stadtbaustein:
- Form und Ausrichtung des Neubaus formen die neue Adresse der Feuerwache zur Neuköllner Straße
- Der Stadtbaustein steht im Dialog mit dem Stadtraum als vermittelnder Übergang von Straßenraum zu Wohnbebauung
- Alarmausfahrten zur Neuköllner Straße garantieren hohe Funktionalität und maximale Sichtbarkeit
- ruhige Funktionen mit Aufenthaltsqualität zur rückwärtigen Wohnbebauung
- Metallische transluzente Fassade des Baukörpers als Sicht – und Wärmeschutz
- Nachhaltige Unterstützung des Stadtklimas durch begrünte Dachflächen und Teile der Fassade

Städtebauliche Einordnung
Der Neubau wird durch seine weit auskragende Geste zur Neuköllner Straße geprägt. Fahrzeughalle und die Ausfahrten des Alarmhofs sind klar zum Verkehrsraum orientiert und bieten kürzeste Einsatzzeiten. Gleichzeitig wird die Feuerwache 1 im Stadtbild als lebenswichtige Einrichtung erstmals und unverwechselbar sichtbar.
Der prägnante zweigeschossige Rücksprung des robusten Gebäudesockels setzt sich als einladende Geste zur Adressbildung an der Sternengasse fort.
Der Baukörper nimmt die Höhe der umgebenden Bebauung über gestaffelte Rücksprünge auf und bildet einen Übergang vom verkehrsreichen Straßenraum der Neuköllner Straße zur ruhigen rückwärtigen Wohnbebauung. Durch zusätzliche Rücksprünge zur Wohnbebauung wird die Flächeneffizienz gesteigert und der Höhensprung angemessen gestaltet. Die Wandhöhen von Agrippastraße und Krummer Büchel sind unterhalb der Bezugshöhen angeordnet. Die Wandhöhe zur Neuköllner Straße liegt mit 78,20m ü.NN. unterhalb der maximalen Wandhöhe von 78,25. Die Gesamthöhe des Gebäudes von 83,00m ü.NN. liegt unterhalb der maximalen Gebäudehöhe von 86,00m.
Die angemessen wertige und zugleich zurücknehmende Fassade verdeutlicht die Funktion als öffentliches Gebäude der Grundversorgung, und schafft im Zusammenspiel der opaken und transparenten Fassaden ein prägnantes Gebäude mit hohem Wiedererkennungswert.

Ökologie und Klimaresilienz
Der Baukörper ist ein Beitrag zur Stadtarchitektur, in der die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr sichergestellt wird und zugleich das Klima in der Stadt unterstützt wird. Es entsteht eine neue Baukultur, die einen Beitrag zum Stadtgrün leistet mittels Speichervolumen für Regenfälle und intensiv begrünter Dachflächen. Der nachhaltige Umgang mit den Dachflächen und der Fassade der Technikzentrale schafft mittels bodengebundener Begrünung ein naturnahes Habitat für Vögel und Insekten durch Pflanzen, die den klimatischen regionalen Erfordernissen entsprechen. Die Anpflanzungen werden durch gesammeltes Regenwasser regelmäßig versorgt.

Fassade
Prägendes Merkmal des Gebäudes ist der auskragende fünfgeschossige metallische Baukörper, mit gezielten Öffnungen als Ein- und Ausblicke, auf einem robusten zweigeschossigen Gebäudesockel.
Die differenzierte Materialität reagiert auf die Nutzung der Funktionsbereiche und ist in den Bereichen der Fahrzeughallen bewusst als unempfindliche Betonoberfläche ausgeführt. Dieser robuste Gebäudesockel wird zum Stadtraum hin als strukturierte Betonoberfläche in der Profilierung der aufgehenden Metallfassade vorgesehen. Die metallische Fassade der aufgehenden Bauteile fasst geschossübergreifend die heterogenen Nutzungen in einer identitätsstiftenden Hülle zusammen und überlagert die transparenten Bauteile bedarfsgerecht zum Schutz vor sommerlicher Hitzeeinwirkung und unbefugten Einblicken. Die vorgehängte strukturierte Lochblechfassade ist in Teilbereichen der transparenten Bauteile als Lamellen öffenbar vorgesehen, um bei Bedarf freien Ausblick zu gewähren. Fenster werden zur Minimierung des Wartungsaufwandes überwiegend von Innen geöffnet und gereinigt. Um den Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze und Vermeidung der Einsehbarkeit bei Dunkelheit gerecht zu werden, können innenseitig Blendschutz-Rollos ergänzt werden. Die metallenen Fassadenbauteile mit hohem Recyclinganteil erfordern einen geringen Pflege- und Instandhaltungsaufwand in städtischer Umgebung. Der sommerliche Wärmeschutz der Sporthalle wird durch Sonnenschutzverglasung (g<=39%) und einem zweifachen Luftwechsel zur Nachtauskühlung sichergestellt. Als Vogelschutzmaßnahme kommt gering reflektierendes Glas mit vogelfreundlichen außenliegenden Markierungen zum Einsatz.

Tragwerk
Die Wahl des Tragwerks wird maßgeblich durch die standortbedingte Besonderheit der vorhandenen Bodendenkmäler bestimmt, sowie die große Wagenhalle im Erdgeschoss mit der vorgelagerten stützenfreien Alarmhoffläche zur Neuköllner Straße. Verschiedene Konstruktionsarten wie Skelett- und Scheibenbauweise unter Einsatz von Stahlbeton- und Stahlbetonverbundelementen bilden somit für das gesamte Gebäude einen sicheren Lastabtrag. Die Decke über der Wagenhalle mit einem 1,50m hohen Tragrost aus Stahlverbundträgern wird dazu genutzt, die Obergeschosse abzufangen und die vertikalen Lasten auf ein für die Wagenhalle und die Tiefgarage funktionales und wirtschaftliches Stützenraster umzuleiten. Diese Struktur ermöglicht eine gleichmäßige Lastverteilung auf die Bodenplatte. Zudem werden hiermit lokal die Lasten der Fahrzeughalle aufgenommen, um die Fahrspuren in der Tiefgarage frei von Stützen zu realisieren. Die hochbelasteten Stützen in der Tiefgarage und im Erdgeschoss können als Stahlkernverbundstützen ausgeführt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Architektur
Der Anspruch der Arbeit für eine neue Feuerwache springt optisch förmlich ins Auge. Man möchte mit dem Feuerwehrgebäude eine sinnfällige Ausstrahlung in den Stadtraum der Neuköllner Straße erreichen („Signal“) und einen Umweltbeitrag („Grünes Klima“) leisten. Diesen Anspruch spürt man sichtbar in der Visualisierung: Die Feuerwache 1 versucht dem verkehrsbelasteten Raum der Neuköllner Straße etwas „Feuerwehrpoesie“ einzuhauchen. Die semitransparente Fassadengestaltung möchte mit ihrer flirrenden Fassadengestaltung „Feuerwehr“ assoziieren. Die Lochbleche und Verdunkelungselemente mit Faltläden für die dahinterliegenden Räume, sollen einen farblich und im Ausdruck changierenden Baukörper hervorbringen.
Bei näherer Betrachtung tritt dieser Anspruch an zahlreichen Stellen mit funktionalen Anforderungen in Konflikt. Die Dachbegrünung des Treppenhauses beim Eingang an der Agrippastraße bringt wenig als zusätzliche Nutzung. Die der Erholung dienende Terrasse im Obergeschoss kann vermutlich mit den dargestellten Gehölzen bepflanzt werden, die Gehölze um das Technikgeschoss herum bedürfen jedoch größerer Substratbereiche. Diese grüne Wandbekleidung dient der Fassadenkühlung und optischen Verbesserung des Technikgeschosses, der Grünbereich ist jedoch nicht wirklich als Freiflächenbereich nutzbar. Bedauerlich ist, dass dieses Technikgeschoss sich sehr aufragend ausgerechnet zu der Wohnbebauung hin zeigt.
Die volumetrische Setzung kann auch in städtebaulicher Hinsicht nicht wirklich überzeugen: Die Begründung der Abstaffelung des Baukörpers erschließt sich nicht gänzlich. Die östlichen Funktionsräume der Feuerwehr kommen der Westseite der Wohnbebauung unangenehm nahe. Der Fassadensprung vom Technikgeschoss zum 2. Obergeschoss erscheint zu abrupt. Die Bezugshöhen der gegenüberliegenden Bebauung am Krummer Büchel und an der Aggrippastraße werden teils sehr stark überschritten. Das Projekt ist wohl auch nur im Zuge eines Bebauungsplanverfahrens umsetzbar.
Funktionalität
Die Nutzungen im Gebäude sind entlang von langen Innenfluren organisiert, die kritisch diskutiert wurden. Die Anlieferung weist einige logistische Defizite auf, wodurch sich im täglichen Betrieb lange Wege ergeben. Die Anbindung der Einsatzumkleiden des Brandschutzes im Norden der Halle an die Sozial- und Ruhebereiche ist aufgrund der langen Wege ebenfalls nicht überzeugend. Das Gebäude weist nur einen Sprungschacht auf.

Auch die Lage der Sporthalle im 2. OG lässt im Einsatzfall lange Wege erwarten. Der Raumzuschnitt und die Tischanordnung der Leitstelle sind nicht optimal gelöst. Der Verzicht auf Fenster führt hier zur Notwendigkeit über einen Lichthof natürlich zu belichten, was jedoch nicht als ausreichend angesehen wird. Die Lage des nördlichen Aufzuges erscheint unzweckmäßig. In den Obergeschossen sind für die Ruheräume Richtung Neuköllner Straße ist ein erhöhter Lärmschutzaufwand zu erwarten. Die Bereiche der Leitstelle, des Krisenstabs und der Einsatzleitung sind in ihren funktionalen Zuordnungen und Aufenthaltsqualitäten sehr gut gelöst.

Verkehr
Die Verkehrsverträglichkeit ist grundsätzlich gegeben. Die Anordnung der Zufahrt der rückkehrenden Fahrzeuge ist interessant, führt aber zu einer etwas längeren Belastung des Krummen Büchels. Die Die Durchfahrtssituation für den Rettungsdienst im Bereich des Übungshofes ist dagegen gut gelöst. Die Rückkehr auf die nördlichsten Stellplatzposition am Krummer Büchel ist allerdings noch eingeschränkt.
In der Fahrzeughalle sind die hintereinanderliegenden Stellplätze für Großfahrzeuge bezogen auf die Stützen nicht optimal angeordnet. Ausfahrtsmöglichkeiten aus der Tiefgarage sind eingeschränkt, d.h. nur über die Sternengasse möglich.
Tragwerk
Der Lastabtrag erscheint schlüssig. Die Staffelungen führen jedoch zu einem unnötigen statischen Materialverbrauch. Der hohe Vorfertigungsgrad lässt eine Montagebaustelle zu und die Bohrpfahlgründung kann in die energetische Nutzung aufgenommen werden.
Energie und Gebäudetechnik
Die Arbeit schlägt ein stimmiges Energiekonzept mit regenerativer Energienutzung vor. Für die Wärmeerzeugung ist Fernwärme vorgesehen. Die Abwärme der EDV-Anlage wird mittels Wärmepumpen genutzt. Die Warmwasserbereitung erfolgt über Solarthermie. Die Kälteanlage ist mit einer zusätzlichen kleinen Wärmepumpe für den Winterbetrieb ausgestattet. Das Energiekonzept sieht Nachtauskühlung und PV-Anlagen vor.
Der Nachweis der Durchsetzbarkeit der Passivhausbauweise überzeugt dagegen noch nicht. Das vorgeschlagene Fassadenkonzept zeigt ein hohes Aufheizungspotenzial, dass insbesondere im Sommer zusätzlich Kühlung auch im Bereich der Innenhöfe erfordert.
Bodendenkmal/Archäologie
Durch die vollständige Ausreizung des unterirdischen Baufeldes und den dadurch bedingten überdurchschnittlich hohen Eingriffen in das Bodendenkmal ist die Bodendenkmalverträglichkeit in Frage gestellt. Die falsche Lokalisierung des römischen Brunnens ist zu korrigieren.
Wirtschaftlichkeit
Bezüglich der wirtschaftlichen Kennwerte liegt der Entwurf bei den zu erwartenden Erstellungs- und Betriebskosten im Vergleich zu den anderen Arbeiten im höheren Bereich. Insgesamt benötigt das vorgeschlagene Projekt mehr Nutz - und Bruttoflächen als vorgegeben, ohne dass dieses zu einer spürbaren Steigerung der Nutzungsqualität führt.
Trotz etlicher funktionaler Kritikpunkte, stellt die Arbeit einen interessanten Beitrag dar, der die komplexe architektonische und städtebauliche Aufgabe auch mit Mitteln des architektonischen Ausdrucks bewältigt und somit der Feuerwache 1 an diesem Ort einen unverwechselbaren Auftritt ermöglicht.
Ansicht Neuköllner

Ansicht Neuköllner

Ansicht Agrippa

Ansicht Agrippa

Ansicht Sternengasse

Ansicht Sternengasse