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3. Rang 4 / 4

VgV-Verhandlungsverfahren mit vorgelagertem Planungswettbewerb | 11/2022

Neubau Feuerwache 1 in der Kölner Innenstadt

4. Rang / Anerkennung

Preisgeld: 25.000 EUR

HPP Architekten GmbH

Architektur

DSTR Planungsgesellschaft mbH

TGA-Fachplanung

R&P RUFFERT Ingenieurgesellschaft mbH

Tragwerksplanung

ISRW - Institut für Schalltechnik, Raumakustik, Wärmeschutz Dr.-Ing. Klapdor GmbH

Bauphysik

Erläuterungstext

Eine Feuer- und Rettungswache ist ein Ort, an dem Menschen von höchster Verantwortung für das sichere Zusammenleben gemeinsam arbeiten, teilweise ohne das Gebäude für 24 Stunden oder länger zu verlassen. Dieser Ort muss neben der hochfunktionalen Arbeitsstätte adäquaten Platz bieten, Zeit mit seinen Arbeitskolleg:innen zu verbringen, und einen privaten Rückzugsort zur Erholung und Nachtruhe bieten. Des Weiteren soll Raum entstehen, sich alleine oder gemeinsam von erschütternden Einsätzen zu erholen. Weil die Mitarbeitenden so viel Zeit in der Feuer- und Rettungswache verbringen, haben wir uns die Aufgabe gestellt, ein multifunktionales, abwechslungsreiches Gebäude zu entwerfen, ähnlich einer kleinen Stadt, mit Straßen, Plätzen, Gärten, öffentlichen Einrichtungen und abgelegeneren Wohnvierteln, welche alle dem Ziel dienen, größtmöglichen Aufenthalts-, Arbeits- und Lebenskomfort zu gewährleisten. Gegenwärtig und kennzeichnend entlang der Nord-Süd-Fahrt, terrassiert und unaufdringlich entgegen der Wohnbebauung reagiert der Entwurf differenziert auf die umliegende Bebauung. Gesunde Materialien, eine schützende Hülle und grüne Innen- und Außenräume sollen den Lebens- und Arbeitsraum beruhigen, und das Wohlbefinden innerhalb des Gebäudes sichern.

Städtebauliche Einbindung
Es entsteht ein dichter Block, der die Kanten und Fluchten der Nachbarbebauung konsequent aufnimmt und fortführt. Das baurechtlich zur Verfügung stehende Volumen wird weder in voller Höhe noch in gesamter Breite oder Tiefe des Grundstücks beansprucht, um die der Funktionalität des Gebäudes dienliche Kompaktheit zu erreichen. Im Westen rückt der Baukörper an die Neuköllner Straße, während er im Osten und Süden gegenüber der Wohnbebauung deutlich abrückt und sich abstuft, sodass Freiflächen mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen. Diese dienen ebenfalls der Achtung von der Maßstäblichkeit des kleinteiligen Wohnens und der Einhaltung der Abstandsflächen. Notwendige Aufstellflächen werden vom Volumen subtrahiert und im Außenraum angeboten.

Architektur & Materialität
Ein hybrider Skelettbau mit einem massiven Sockel aus Stampfbeton in der Wagenhalle bildet ein flexibles Grundgerüst für die verschiedenen Nutzungen. Die Bandfassade bildet die thermische Hülle und folgt in ihrer Materialität und Proportion den hohen Ansprüchen an Belichtung, Behaglichkeit und natürlicher Lüftung. Das System aus Brüstung, Festverglasung und öffenbarem Element kann je nach Funktion des Raumes unterschiedlich genutzt werden, stiftet aber im angemessenen Maßstab jedem Raum durch die Weitläufigkeit der Sitzbank, den beruhigenden Holzoberflächen und das pro Raum steuerbare Öffnungselement eine behagliche Arbeits- und Aufenthaltsqualität. Gleich einer zweiten Haut schützen die bedruckten Folienkissen die dahinter liegenden Räume der Obergeschosse vor negativen Umgebungseinflüssen. Einwirkungen von Sonne, Hitze, Feinstaub, Wind und Regen können in der äußeren Ebene bereits reduziert, teilweise eliminiert werden. Die vorgelagerte Membran ermöglicht eine große Transparenz und Leichtigkeit in der Konstruktion, sodass sich die beweglich gelagerten Luftkissen mit filigranen Befestigungselementen schwerelos anmutend der Nord-Süd-Fahrt zuwenden.

Energiekonzept
Ziel des Energie- und Nachhaltigkeitskonzepts ist die Minimierung von CO2 Emissionen über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes und die Maximierung der Aufenthaltsqualität hinsichtlich thermischen und visuellen Komforts. Gelingen soll das durch eine nachhaltige Bauweise mit robuster Gebäudetechnik, dem umfangreichen Einsatz von Holz und Lehm im Innenausbau als Baustoff, der Minimierung des Energiesatzes im Betrieb und der Integration von regenerativen Energien ins Gesamtkonzept.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Architektur
Der städtebauliche Ansatz beruht auf der Idee die neue Feuer- und Rettungswache 1 als kompakten, nur fünfgeschossigen Baukörper mit einer Traufhöhe von 21,50m zu gestalten. Mit den nur vier Obergeschossen ist der Entwurf deutlich niedriger und horizontaler ausgerichtet wie die anderen Arbeiten. Die geplante Gebäudehöhe versucht zwischen dem heterogenen städtischen Kontext von Hochhaus im Norden, Bürobauten im Westen und Wohnbebauung im Osten und Süden zu vermitteln.
Die Idee an dieser komplexen städtebaulichen Stelle einen einfachen, kompakten Baukörper zu platzieren, ist durchaus nachvollziehbar, jedoch steht der niedrigere Anbau im Osten dazu im Widerspruch und schwächt die Idee maßgeblich. Der Erhalt der Bäume wird dagegen gewürdigt.
Die niedrige Gebäudehöhe wird mit einer hoher Gebäudetiefe kompensiert. Das Baufeld wird bis zur Baulinie an der Neuköllner Straße maximal ausgenutzt und der Baukörper an der vorderen Flucht des im Norden angrenzenden Hochhauses ausgerichtet. Dadurch resultiert ein Gebäude mit einer Bautiefe von 35m bis 45m. Mit Blick auf die innere Belichtung wurden räumliche Einschnitte geschaffen, die die Aufenthaltsqualität im obersten Geschoss auch in der Mitte des Volumens sicherstellen.
Die volle Ausnutzung des Baufelds führt an der Agrippastraße gegenüber der bestehenden Wohnbebauung zu einer städtebaulichen Enge, die dem Gebot der Einfügung gemäß §34 BauGB entgegensteht. Auch am Krummer Büchel überschreitet der wuchtige Baukörper des Neubaus die Bezugshöhen in einer Weise, die im Hinblick auf die Umsetzung ein Bebauungsplanverfahren wohl erforderlich machen.
Die ausdrucksstarke Membran-Doppel-Fassade umfasst drei Gebäudeseiten. Die Frage, ob das gewählte Fassadenbild für die Feuer- und Rettungswache angemessen und passend ist, wurde durchaus kontrovers diskutiert. Zur Wohnbebauung am Krummer Büchel wird auf die Doppelfassade verzichtet, gerade an der Stelle, wo eine Aufwertung des Stadtraumes zu angrenzenden Wohnbebauung von großer Bedeutung wäre, wird somit eine eindeutige Rückseite ausgebildet.
Die Idee einer „intelligenten“ Fassade, die in Bezug auf Nachhaltigkeit und Energiegewinnung einen Beitrag für die Zukunft leisten könnte, wird dagegen durchaus unterstützt. Die Auseinandersetzung mit nachhaltigen Stoffkreisläufen wurde in diesem Entwurf als weiterer wichtiger Beitrag gewürdigt.
Funktionalität und Verkehr
Die starre Gebäudeform wird mit Zwängen in der Anordnung der Nutzungen im Erdgeschoss erkauft. Aufstellflächen rückkehrender Fahrzeuge des Rettungsdienstes nehmen am Krummer Büchel in erheblichem Umfang gehwegflächen in Anspruch, was nicht umsetzbar ist. Die Fahrzeughalle ist noch nicht DIN-konform ausgebildet. In den Randstellplätzen und der mittleren Wandscheibe fehlen die Sicherheitsabstände. Die prägnante Wandscheibe im an der Ecke Neukölner Straße / Agrippastraße schränkt das erforderliche Sichtfenster der ersten drei ausrückenden Fahrzeuge des Brandschutzes im unzulässigen Maß ein. Auch der Bereich der Anlieferung liegt noch ungünstig im Bereich der Aufstellfläche der Fahrzeughalle und der Waschhalle. Die übrigen Verkehrsbelange sind angemessen.

In den darüberliegenden Geschossen resultiert die große Gebäudetiefe in verzweigten Flurbereiche ohne Tageslicht, die den Grundriss teilweise labyrinthisch wirken lassen. Zugleich werden hier Aufenthalts- und Begegnungszonen mit vielversprechenden Aufenthaltsqualitäten geschaffen. Ob diese in der vorgeschlagenen Art genutzt werden, bleibt zu diskutieren. Im Feuerwehrbereich werden mehr Kommunikationszonen im Außenraum vermisst.
Die Flächenzuordnungen sind insgesamt gut gelöst, auch wenn ein größerer Anteil der Ruheräume zur lärmintensiven Seite der Neuköllner Straße orientiert sind. Bemängelt wird, dass viele Räume kleiner als vorgesehen dimensioniert sind Dies führt insbesondere im Leitstellenbereich zu eingeschränkter Funktionalität. Im Leitstellenbetriebsraum verfügen nicht alle Arbeitsplätze über die erforderliche Sichtbeziehung zur Projektionsfläche des Lagevisualisierung.
Tragwerk
Der Lastabtrag lässt sich schlüssig nachvollziehen. Die in der Fahrzeughalle angeordneten Mittelstützen minimieren den Materialeinsatz. Die kritische gesehene Signetstütze an der Südwestecke des Neubaus ist aus statischer Sicht nicht unvermeidlich (Sie könnte z.B. durch eine Stahlverbundstütze ersetzt werden).
Energie und Gebäudetechnik
Die Arbeit zeigt ein gutes regeneratives Konzept zur Wärmeerzeugung mit Schwächen zur Kälteerzeugung und zur PV-Anlage. Für die Wärmeerzeugung über Wärmepumpen mit Spitzenlastabdeckung ist Fernwärme vorgesehen. Die Außenluftansaugung für die RLT-Anlage erfolgt aus dem Fassadenzwischenraum. Dadurch ist diese vorgewärmt. Angaben zur Kälteerzeugung werden vermisst.
Eine PV-Anlage ist bisher nicht vorgesehen, sollte jedoch ergänzt werden. Die ETFE-Folienkissen mit Verschattungsfunktion bieten sich für eine Integration vom Photovoltaikelemente an, um die energetische Unabhängigkeit vom Netz zu erhöhen.
Die Eignung zur Realisierung als Passivhaus wird aufgrund des hohen Anteils der transparenten Fassadenflächen hinterfragt. Der Sonnenschutz in der Luftkissenkonstruktion zu überprüfen. Der konstruktive Aufwand in Verbindung mit den erheblichen Folgekosten der Doppelfassade (Unterhalt und Reinigung, Lebenszyklus wird kritisch bewertet.
Bodendenkmal/Archäologie
Eine Bodendenkmalverträglichkeit kann durch die fehlende Berücksichtigung des römischen Brunnens trotz der Reduzierung der Gründungsbauteile im UG nicht bestätigt werden.

Wirtschaftlichkeit
Die baulichen Kennwerte der Arbeit liegen im mittleren Bereich. Die Vielzahl der kostenrelevanten Bauteile der Arbeit wird jedoch kritisch diskutiert. Mit dem hohen technischen Aufwand für Erstellung und Unterhalt sind erhebliche Kostenrisiken verbunden.
Das Projekt liefert grundsätzlich einen wertvollen Beitrag zur Aufgabenstellung – gerade auch in Bezug auf die Fragestellung welche Architektursprache die Feuer- und Rettungswache 1 an dieser städtebaulichen Stelle adäquat ausdrückt, weist aber in städtebaulicher, architektonischer und funktionaler Hinsicht auch noch etliche Defizite auf.
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