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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2022

Neugestaltung der Uferpromenade Kiellinie in Kiel

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 83.200 EUR

STUDIO RW | Landschaftsarchitektur + Stadtplanung

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Studio Wessendorf

Architektur

Plancontrol Sadtler GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Kiellinie versteht sich als Reallabor für Klimaschutz und möchte damit Modellprojekt für eine klimafreundliche Stadtgestaltung sein. Durch geschlossene Stoffkreisläufe, ein ausgeglichenes Bodenmanagement, Energieversorgung durch Wind und Sonne, Nutzung von Ressourcen wie Regenwasser und Algenpigmenten, Regulierung kurzer Lieferwege und lokalen Kooperationen entsteht die CO2 reduzierte, energieautarke neue Killinie.

Die Kiellinie ist zwar relativ zentral gelegen, stellt jedoch keine klassische Innenstadtpromenade dar. Durch die sehr heterogene und lockere Bebauungsstruktur sowie die Rauhigkeit der weitläufigen Freiflächen hat die Kiellinie vielmehr den Charakter eines städtischen Freizeitbandes. Der Entwurf greift diese Merkmale auf und entwickelt daraus ein identitätsstiftendes Farb- und Materilakorsett für die Kiellinie. Als Grundlage für diesen Gestaltungsrahmen dient der genius loci mit den Farben der Wasserflächen, des Himmels und dem grünen Fördehang. Die funktional unterschiedlichen Abschnitte der Kiellinie werden somit in eine gestalterische Klammer gesetzt. Die blau-grüne „Kiellinie“ aus gefärbtem Recyclingbeton bildet dabei die Lebensader über die gesamte Promenade hinweg.

Beurteilung durch das Preisgericht

Diese Arbeit beschäftigt sich spezifisch mit den Themen Klima und Nachhaltigkeit, was in der Konzeption für die gesamten Kiellinie wie in Details zum Ausdruck kommt und das Preisgericht sehr überzeugt. Ein Beispiel ist das Baumkonzept, das als Versuchslabor für Baumarten konzipiert ist, die sich dem Klimawandel anpassen können. Vorgesehen ist auch, Verbindungen mit Kieler Forschungsinstituten aufzunehmen, um das Gesamtprojekt so resilient wie möglich umzusetzen.
Der Entwurf basiert gestalterisch und funktional auf einem durchgehenden blau-grünen Band, hergestellt aus Recyclingbeton mit Algenpigmenten, armiert mit lokalem Basaltkies, das der Kiellinie eine städtebaulich und freiräumlich kohärente und überzeugende Gestaltung verleiht und sich im Bereich der Kreuzungen mit wichtigen Wege-und Grünachsen zu kleinen Plätzen aufweitet. Funktional sind hier Regenwasserspeicher integriert.
Durch das blau-grüne Band und die dazwischen platzierten Bäume, wird über die gesamte Länge der Kiellinie der langsame Verkehr vom durchgehenden Radverkehr getrennt. In Anbetracht der hohen Geschwindigkeiten von E-Bikes ist dies eine sichere und funktionale Lösung.
Der weitere Teil der versiegelten Flächen besteht überwiegend aus farbigem Asphalt und wassergebundener Halbversiegelung. Dabei muss man im Auge behalten, dass farbiger Asphalt in Deutschland durchaus nicht in der durch die Verfasser/innen angegeben maximale Distanz von 150 km hergestellt werden kann.
Die Kiellinie wird über die ganze Länge von Straßenleuchten mit Solarpaneelen und kleinen Windrädern, die wie Skulpturen wirken, begleitet. Die Installationen sollen Ladesäulen und andere elektrische Einrichtungen speisen. Die damit verbundenen Überlegungen werden durch das Preisgericht sehr begrüßt.
Die Grünflächen entlang der Kiellinie bieten in den Flächen wie in der Gestaltung eine ausgewogene und adäquate Qualität, unterbrochen von blau-grünen Plätzen mit diversen Aktivitäten. Zwischenräume sind teilweise mit Schottergrün belegt, um eine tragfähige Fläche für Veranstaltungsinfrastruktur zu bieten.
Auch die Kaimauer ist konsequent, in Anlehnung an die heutige Situation, mit ergänzenden Terrassen und wasserseitigen Einrichtungen gestaltet. Begrüßt wird, dass sie den Anforderungen des Hochwasserschutzes entspricht.
Der Südeingang ist aufgeweitet, mit Sitzstufen und einem kleinen Platz zum Yachthafen versehen. Besonders begrüßt wird die Platzierung eines kleinmaßstäblichen Infrastrukturgebäudes mit Café.
Die Schwanenwiese wird auf unprätentiöse Weise erhalten. Die Reventlouwiese wird in einen großzügigen ‘Dünenpark‘ umgewandelt. Der Mobilitätshub und die Buswendeschleife werden in die Nord-West-Ecke verlegt, was die Voraussetzung für die attraktive Erweiterung der Grünfläche ist. Diese Lösung, die durch die topographische Überformung eine spannende Parkanlage und neue Adresse für den Landtag schafft, hat allerdings eine größere Distanz zwischen dem Fähranleger und dem Mobilitätshub mit Haltestelle zur Folge. Die Zugänglichkeit für Lastwagen mit Eventinstallationen für die Kieler Woche ist grundsätzlich zu prüfen. Die vorgeschlagene Position und Größe des Segelcamps vor den Ruderclubs wird ebenfalls hinterfragt. Eine Verlegung des Segelcamps auf die Wasserfläche wäre zu bevorzugen.
Der Bernard-Harms-Parkplatz wird in seiner Funktion erhalten und gestalterisch gut integriert.
Der Bellevuebereich bekommt eine neue, große Qualität, da Straße und Fahrradweg so weit wie möglich vom Wasser entfernt, landeinwärts geführt werden. Dadurch entsteht eine große Grünfläche mit viel Aufenthaltsqualität sowie Spiel- und Bademöglichkeiten. Das Bad ist hin-sichtlich Strömung, Wind und Sonne richtig ausgelegt. Der Steg ist für das Anlegen von Booten ohne Rückbewegung geeignet.
Am nördlichen Ende wird die Orchideenwiese mit einem Naturspielplatz bereichert, aber in ihrer Größe nicht beeinträchtigt.
Die Arbeit erfüllt grundsätzlich alle funktionalen Anforderungen hinsichtlich Mobilität und Verkehr. Der separate Radweg im südlichen Abschnitt generiert zwar eine parallele Infrastruktur zur Premiumradroute am Düsterbrooker Weg, stellt aber durch die deutliche Abgrenzung vom Promenadenbereich eine Entflechtung von Rad- und Fußverkehr sicher. Darauf zu achten wäre, dass hier mit dem Rad nicht zu schnell gefahren wird.
Die Mobilitätsstation an der Reventlouwiese erfüllt im Grundsatz die Anforderungen der Auslobung, birgt aber gegebenenfalls bezüglich der Umsteigewege zwischen Bushaltestelle/Fahrradparken und Fähranleger Verschlechterungen gegenüber der heutigen Situation.
Die neue südliche Zu-/Ausfahrt ist hinsichtlich der Steigungs- und Sichtverhältnisse zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dies gilt auch für die angebotene Tiefgarage.
Die Variante B im Bereich Kiellinie Nord ist hinsichtlich einer späteren Schließung für den Kfz-Verkehr mit nur geringem Anpassungsaufwand verknüpft, gegebenenfalls könnte sogar von vornherein auf den westlichen Gehweg verzichtet und eine schmalere Dimensionierung der Fahrradstraße erwogen werden. Bei Variante B ist bei der weiteren Ausgestaltung auf eine weitestgehende Konformität mit den Anforderungen an Premiumradrouten Wert zu legen.
Der gesamte Entwurf ist aus der Perspektive der Klimaproblematik und der Nachhaltigkeit entwickelt. Das Motto ‘Refuse, Reduce, Reuse, Recycle‘ wird im Entwurf konsequent verfolgt.
In der Zusammenschau wird der Entwurf als sehr gelungener Vorschlag für die zukünftige und nachhaltige Transformation der Kiellinie gesehen.