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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2022

Neugestaltung Hauptstraße mit Fußgängerzone in Freilassing

Blick in die Berge

Blick in die Berge

2. Preis

Preisgeld: 21.500 EUR

Keller Damm Kollegen GmbH Landschaftsarchitekten Stadtplaner

Landschaftsarchitektur

Uniola AG

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Freilassing Hauptstraße – Schwamm-Oase

EINE BIOKULTURELLE STADT
Der Entwurf adressiert die beschriebenen Ziele aus der Wettbewerbsaufgabe, die hier in 3 Hauptpunkten zusammengefasst sind: (1) Bioklimatische Minderung für mehr Komfort und Sicherheit, (2) Identität durch Mehrgenerationenerlebnisse und (3) Flexibilität / Zugänglichkeit zur Anpassung an die verschiedenen bestehenden und zukünftigen Transformationen (programmatisch, sozial, demographisch usw.). Freilassing ist eine junge Stadt (Stadtrecht, 1954). Dennoch liegt sie in einer alten LANDSCHAFT, die sich über Jahrtausende durch komplexe geologisch-klimatische Prozesse, verwoben mit den ständigen Anpassungen der lokalen Gemeinschaften verändert hat. Der Entwurf ‘Freilassing Hauptstraße: Eine Schwamm-Oase’ ist ein gestalterischer Beitrag mit Bezug zu dieser langen Entwicklungsgeschichte der umliegenden Landschaft. Er zielt darauf ab, Freilassing im Kontext der gegenwärtigen und zukünftigen klimatischen Herausforderungen im Zentrum dieses Landschaftserbes zu positionieren. Der Gestaltungsvorschlag ist daher eine Gelegenheit, die Identität der Freilassinger Haupstraße neu zu denken, ausgerichtet an erweiterten ästhetischen und kulturellen, bürgerlichen und ökologischen Werten. Diese Möglichkeit wurzelt in der tiefen Geschichte der Landschaft, einschließlich ihrer materiellen / immateriellen Elemente: Stein und Berge, Wälder und Wiesen, Wasser und Luft, Feuchtigkeit und Schatten. Diese Elemente sind die materielle Geschichte dieses Ortes und die Substanzen für eine neue bioklimatische Infrastruktur in der Freilassinger Hauptstraße – eine, die begeistert, Interesse hervorruft, Ruhe ausstrahlt und willkommen heißt.

KONZEPT
Der Vorschlag entstand aus der Erkenntnis, dass Freilassing in der seit 2011 vom Bayerischen Landratsamt ausgewiesenen bayerischen Kulturlandschaft RUPERTIWINKEL liegt. Die klassifizierte Kulturlandschaft Rupertiwinkel zeichnet sich durch das Nebeneinander von großen Gewässern, imposanten Gebirgsformationen, landwirtschaftlich genutzten Flächen, dichten Wäldern und verschlungenen Wiesen aus und leistet einen bemerkenswerten Beitrag zur Artenvielfalt und zu gesellschaftlichen Chancen der Region. Die Hauptstraße von Freilassing wird zu einem weiteren Teil dieser Vielfalt an Landschaftstypen – urban in ihrer Natur, aber mit neuen ökologischen und klimatischen Funktionen. Freilassings Dasein als Teil der Landschaft ist in den verschiedenen alten Darstellungen der Stadt hervorragend dokumentiert. In den Darstellungen wird die Freilassinger Hauptstraße integriert in die Landschaft mit landwirtschaftlichen FELDERN und WIESEN im Norden, den ALPEN im Süden - insbesondere der Untersberg - und den FLÜSSEN Saalach / Salzach im Osten entlang der österreichischen Grenze dargestellt. Als Nord-Süd-Schwelle (von den Wiesen zu den Alpen) und als Ost-West-Schwelle (von den Flüssen zum Land) ist die Hauptstraße in Freilassing eine neue „Landschafts“-Adresse, in der solche Ökologien und Aufführungen zusammenkommen, eine neue naturbasierte Intervention zur Unterstützung eines integrierten und gesunden Gemeinschaftslebens. Alte Ansichtskarten zeigen noch ein weiteres markantes Merkmal der Freilassinger Hauptstraße: die klimatische Asymmetrie des Straßenabschnitts. Die Nord-Süd-Ausrichtung der Hauptstraße verursacht am Nachmittag einen auffälligen Wärmestau an den nach Westen ausgerichteten Fassaden – derzeit überwiegend von Läden und kleinen Büros belegt, die verschiedene Formen von Verschattungsstrukturen integriert haben. Während die nach Osten ausgerichteten Fassaden mehr Komfort bieten können, setzt der Entwurf eine klare bioklimatische Strategie um, um diese asymmetrische klimatische Herausforderung für eine einladende Nutzung zu mildern. Unter Berücksichtigung dieser beiden Kontexte: (1) die regionale Kulturlandschaft, der Rupertiwinkel, und (2) die bioklimatischen Herausforderungen/Möglichkeiten der Freilassinger Hauptstraße, folgt der Entwurf 3 Prinzipien:

1) Infrastruktur Schwamm-Oasen
Auf der Grundlage von (a) alten Bildern der Freilassinger Hauptstraße, (b) Simulationen zu Sonneneinstrahlung/Wärmeerträge und (c) Klimaberichten über den prognostizierten Hitzestress in der Region (Beispiel: ADAPT - Urban Heat Islands) schlagen wir durch den Entwurf eine durchgängige blau- grün Infrastruktur vor: Sie dient der Hitzestressminderung und Regenwasserbewirtschaftung - einschließlich einer breiten Palette von Möglichkeiten für ein angenehmes Miteinander der Generationen. Die Förderung einer breiten Nutzungsmöglichkeit der Freilassinger Hauptstraße durch verschiedene Altersgruppen (Kinder bis Ältere) unter Berücksichtigung der Anfälligkeit für Hitzestress ist Priorität. Die beobachtete thermische Asymmetrie der Straße (mit enormen Wärmeertrag auf die nach Westen ausgerichteten Gebäudefassaden) führt zu einer asymmetrischen Entwurfsstrategie. Die Verdichtung der Vegetation mithilfe von Baumgruppierungen im östlichen Bereich der Hauptstraße erlaubt zudem eine visuelle Verbindung zu den ALPEN (Lattengebirge, Untersberg, etc.). Die blau-grüne Infrastruktur ist daher mehr in den östlichen Bereich des Straßenprofils der Hauptstraße integriert. Die durchgehende Infrastruktur - eine Reihe von ‘Schwamm-Oasen’ - schafft einladende ‘Räume’ für die Besucher und Bewohner, die bei heißen Temperaturen Ruhe- und Spielmöglichkeiten sowie Zuflucht suchen. Die Baumrigolen nehmen Niederschläge auf, die sich auf den angrenzenden Flächen der Hauptstraße sammeln. Dies ermöglicht eine allmähliche und örtliche Niederschlagsabsorption. Die neuen Baumgruppierungen - ausgewählt nach der Dichte der Baumkronen und der frühen Blütezeit bzw. dem späteren Abwurf der Blätter - liefern Sauerstoff und filtert die innerstädtische Luft mit einer damit einhergehenden verbesserten Verdunstungskühlung. In den südlichen Bereichen der in ihrer Form und Ausführung vielfältigen Schwamm-Oasen (Baumrigolen) werden Regengärten mit Sitzgelegenheiten etabliert. Diese Organisation ermöglicht es den verschiedenen Nutzern, ihre optimale Sonnenexposition (100-0%), je nach ihrem Sitzplatz zu wählen. Die Pflasterstrategie berücksichtigt auch Materialien mit hoher Albedo, wie z.B. hellgrauen Granitstein, um die Sonneneinstrahlung so weit wie möglich zu reflektieren. Der vorhandene dunklere Granitstein (als Teil einer Recyclingstrategie) wird in einigen Bereichen mit gesägter Oberfläche wiederverwendet, z. B. an den horizontal verlaufenden Linien zwischen den Gebäudefassaden. Dies schafft auch die Möglichkeit, längere Entwässerungsflächen zu integrieren und ein Gefühl der Synkopierung / Rhythmisierung zu erzeugen, wenn man die Hauptstraße in Freilassing entlang schlendert.

2) Ausruhen, Spielen, Essen, Einkaufen, Schlendern, und Erinnern...
In Anbetracht des generationenübergreifenden Anspruchs und der Notwendigkeit, neue Nutzer in die Innenstadt zu locken, berücksichtigt der Entwurf ‘Freilassing Hauptstraße: Eine Schwamm-Oase’ die Möglichkeiten zum bequemen Verweilen, Spielen, Essen, Einkaufen und Flanieren als grundlegend für den Erfolg dieser Maßnahme. Die Freilassinger Hauptstraße ist nicht mehr nur eine Straße, sondern ein neuer Ort, den es zu entdecken und zu erleben gilt - ein Ort, an dem Gemeinschaften und unterschiedliche Gruppen zusammenkommen. Deshalb definiert der Vorschlag ausgewiesene Bereiche für die örtliche Gastronomie (siehe südlicher Platz und entlang Westseite), sowie Bereiche für vielfältige Erholungsgeschwindigkeiten auf der Ostseite. Hier gibt es Plätze für größere und kleinere Begegnungen an langen Tischen und Sitzgruppen. Es gibt Bereiche für Kinder zum Spielen und Interagieren mit natürlichen Strukturen (geschützt vor der Hitze), während die Eltern einkaufen gehen oder im örtlichen Restaurant genießen, Bänke im Schatten zur Förderung der Ruhe beim Lesen eines Buches oder der täglichen E-Mails, lange Tische für informelle Snackpausen (Brotzeit), Fahrradständer zur Förderung nachhaltiger Mobilität, Hängematten für eine ruhige kleine Pause und steinähnliche Bänke zur Förderung informeller Interaktion (Sitzen, Springen, Stehen, Spielen). In Ergänzung zu den bereits vorhandenen Wasserspielen an der Hauptstraße spielt das Element Wasser eine wichtige Rolle bei der Strukturierung der verschiedenen Zonen entlang der Nord-Süd-Achse. Im Norden, am Salzburger Platz, kühlt eine Wassernebel-Hochskulptur diesen Bereich und bildet ein "Tor", das den Beginn der Hauptstraße, die Richtung nach Salzburg und die Flusslandschaft markiert. Weiter südlich, neben der großen Eiche auf dem Platz, lädt ein neuer Brunnen mit Sitzkante und den alten Brunnenskulpturen mit einem kleinen Bächlein die Kinder zum Spielen im Schatten des Prachtbaumes ein. Am "Jahnplatz" selbst akzentuiert ein neues, bodenbündiges Wasserspiel mit den umgebauten Brunnenskulpturen am Rande sitzend die Sichtachse zur Kirche St. Rupert und schafft eine einladende Aufenthaltsqualität und gleichzeitig Flexibilität für großflächigere Nutzungen. Am anderen Ende der Hauptstraße, weiter südlich, gliedert ein neues lineares Wasserspiel, die ‘Wassertränke’, den Zugangsraum und weist in Richtung der weiter entfernten Almen und Berge. Dies erinnert an die tiefe Geschichte der Region, die mit den Alpen und ihren Kulturlandschaften verbunden ist.

3) Sieben programmatische Zonen
Der Entwurf gliedert die Hauptstraße in sieben Teilbereiche. Diese sind durch eine durchgehende Formensprache miteinander verknüpft und vermitteln die Idee einer Reise entlang des Straßenverlaufes. Zudem verstärken die sieben Teilbereiche einige bestehende Elemente und Potentiale an den Randbereichen der Hauptstraße. Der erste Bereich auf dem Gelände ist der (1) Salzburger Platz, der als formales Tor zur Hauptstraße in Freilassing fungiert. Hier schafft eine große Wassernebel-Skulptur eine symbolische Geste und gleichzeitig eine kühlende Atmosphäre. Dieser Platz ist für temporäre Veranstaltungen gedacht, dafür werden an den Wochenenden die bestehenden Parkplätze (insgesamt 28) besetzt. Der nächste Bereich, der (2) Interaktive Spielbereich, verbindet die alte Eiche, das Wasserspiel und eine Reihe von interaktiven Spielmöglichkeiten im Schatten für Kinder unterschiedlichen Alters. Auch für die Eltern gibt es Sitzgelegenheiten, um sich während des Verweilens austauschen zu können. Der (3) Brotzeit-Bereich lädt die Gemeinschaft ein, sich an langen Tischen zu einem informellen, kommerzfreien Treffen, Austausch oder einer Mahlzeit im Schatten zu versammeln. Dieser Bereich befindet sich in der Nähe des "Jahn-Platzes" und soll diesen wichtigen Fußgängerknotenpunkt auf dem Gelände unterstützen. Der (4) Ruhige Raum ist der Übergangsbereich zwischen dem nördlichen und dem südlichen Abschnitt der Straße und bietet die Möglichkeit, einen ruhigen Moment zu erleben. Hier werden Sitzgelegenheiten und Ruhezonen angeboten, um diese Nutzung zu fördern. Der nächste Bereich ist der (5) Wochenmarkt. Verschiedene Zelte (23x2) sind rund um die "Schwamm-Oasen" organisiert und verteilen sich zwischen den Zubringerwegen Edingerweg und Josef-Bredle-Straße. Angrenzend daran befindet sich der (6) Parkbereich. Die neue Stellplatz-Organisation (insgesamt 20) bietet temporären, aber auch Wochenmarktbesuchern eine zentrale Parkmöglichkeit. Der letzte Bereich, (7) Platz am Alpen- Blick, gliedert den Raum an diesem Eingang an der Hauptstraße und Rupertusstraße. Das neue Wasserspiel schafft eine klare Abgrenzung zwischen dem Verkehrsbereich der Hauptstraße und der Fußgängerzone mit dem Ziel, ein angenehmes und integriertes Erlebnis für die verschiedenen Nutzer zu schaffen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit präsentiert eine klare Konzeptidee, die einen durchgängigen urbanen Charakter aufweist und von einer markanten grünen Zone mit einer üppigen Baumreihe begleitet wird. Abgeleitet wird dieser Ansatz aus der Gliederung der umgebenden Felder, die sich in den Streifungen der Pflasterbänder widerspiegeln. Ein weiterer wichtiger Ansatz ist der Beleg und Umgang mit dem Schattenverlauf übers Jahr hinweg. Damit wird die Setzung der Bäume im östlichen Bereich, und die offene Struktur westlich, nachvollziehbar. Die Beleuchtung am Abend greift das Raumprinzip auf und schafft unterschiedliche Lichtatmosphären, eine helle auf der baumarmen Zone und eine indirekte durch Poller unter den Bäumen gegenüber. Die Nutzungen und Infrastrukturen sind selbstverständlich integriert. Genügend Parkplätze befinden sich am nördlichen Salzburger Platz als auch am südlichen Bereich und sind geschickt in die Baumreihe integriert. Auch ausreichend Radstellplätze verbergen sich unter der Baumreihe. Die Angebote zwischen Nord und Süd wechseln sich in Form von 7 programmatischen Zonen ab, durch Spielpunkte, Aufenthalt, Gastroaußenbereiche, Sitzflächen, Brunnen, temporären Wochenmarkt und Ruhezonen.
Der Stadtboden wirkt durchgängig, belegt mit einem Material aus Pflaster und recycelten Kleinpflasterstreifen. Einheitliche Schirme ermöglichen einen angenehmen, schattigen Aufenthalt an Gastronomiezonen. Der Marktplatz bietet ausreichend Fläche für die Organisation der Marktstände.
Der gestalterische Auftakt an der Hubertusstraße mit Brunnen und Wasserrinne ist gelungen, wohin gehend der Auftakt am Salzburger Platz wenig Neues erwarten lässt.
Ein Wasserkonzept ist schlüssig und differenziert dargestellt, je nach bestehender oder neugepflanzter Baumart.
Insgesamt stellt diese Arbeit einen gelungenen Beitrag zur Weiterentwicklung der Hauptstraße in eine zukunftsorientierte Aufenthaltszone dar. Die Nutzerbelange mit offenen Angeboten werden genügend berücksichtigt, mehr Grün in der Stadtmitte wird sichtbar, den wassersensiblen Maßnahmen wird Rechnung getragen. Letztlich kann ein identitätsstiftender atmosphärischen Raum geschaffen werden, der die räumliche Wirkung der Fassaden berücksichtigt.
Lageplan

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Ausschnitt Jahnstraße

Ausschnitt Jahnstraße

Ausschnitt Gewerbegasse

Ausschnitt Gewerbegasse

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