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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022

Umbau ehemalige Theaterwerkstätten zum Bürohaus für die Region Hannover

Anerkennung

Preisgeld: 18.000 EUR

AHM Arnke Häntsch Mattmüller Architekten GmbH

Architektur

Ingenieurgesellschaft Zimmermann mbH

TGA-Fachplanung

Drees & Sommer Advanced Building Technologies

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Leitidee und Städtebauliches Konzept
Das Gebäude der ehemaligen Theaterwerkstätten stellt ein herausragendes Beispiel frühmoderner Klinkerarchitektur dar und steht für eine Verbindung von Funktionalität und Ästhetik. Dies zeigt sich insbesondere in der repräsentativ ausformulierten Fassadegestaltung und dem unaufgeregten Zusammenwirken von Stahlskelett und Backsteinbau.
Das Konzept für die künftige Büronutzung trägt diesen Qualitäten in besonderem Maße Rechnung, indem es die strukturellen Besonderheiten und Baudetails des Bestands bewahrt und Eingriffe auf das zwingend notwendige reduziert.
Der Erweiterungsbau steht gleichfalls für eine zeitgemäße Verbindung von Funktionalität und Gestaltung. Eine eingeschossige aufgeständerte Holzrostkonstruktion ermöglicht einerseits die notwendigen Erweiterungsflächen und trägt gleichzeitig darüber eine attraktiv begrünte Dachlandschaft, die sich mit den Gärten und Höfen der kleinteiligen nachbarschaftlichen Bebauung zu einem gemeinsamen Grünraum verbindet.
Die Gebäudekubatur der ehemaligen Theaterwerkstätten bleibt in der ursprünglichen Dimension und Größe erhalten und bildet weiterhin den räumlichen Abschluss zum südlich angrenzenden Campus Region Hannover.
Auf der Nordseite wird anstelle des ehemaligen Parkhauses ein eingeschossiger Neubau ergänzt, der an den Bestand anschließt und im Erdgeschoss einen großzügigen Übergang ermöglicht. Die Dachfläche des Neubaus wird intensiv begrünt und steht den Mitarbeitern als begehbarer Dachgarten zur Verfügung. Die beiden im Maßstab deutlich kleineren Aufbauten gliedern den Grünraum und vermitteln in ihrer Dimension und der geneigten Dachform zu der angrenzenden Wohnbebauung.
Die Brandwand bleibt fast gänzlich in Dimension und Homogenität ablesbar. Die darin erforderlichen Öffnungen zur Belichtung der Büroflächen macht die neue flexible Büronutzung in den ehemaligen Werkstatträumen außen ablesbar und bildet gleichzeitig Hintergrund und Kulisse für die bauliche Erweiterung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit stärkt mit ihren Vorschlägen zur Freiraumplanung die Idee eines öffentlichen Campus des Verwaltungszentrums der Region Hannover, indem die bisher scharf formulierte Ost-West Kante an mehreren Stellen durch Treppen und Rampen unterschiedlicher Breite perforiert wird. Im Sichtschatten der bestehenden Stützwand sind geschickt 80 Fahrradstellplätze, E-Ladesäulen und ein Müllstandort untergebracht. Die Zone vor der Hauptfassade wird begrünt sowie durch einen Außenbereich für die Cafeteria und weiteren Angebote zum Aufenthalt aufgewertet. Der neue Haupteingang befindet sich im westlichen Bereich der Südfassade und nutzt das historische Schiebetor zur Adressbildung.

Im nördlichen Gebiet des Grundstücks wird das derzeit vorhandene Parkhaus durch einen eingeschossigen, querrechteckigen Pavillon ersetzt, den eine bauliche Fuge dezent vom Baudenkmal absetzt. Das Flachdach wird als opulenter, intensiv bepflanzter Dachgarten mit zwei freistehenden Raumvolumen für die Sondernutzungen „Ruheraum“ und „Bibliothek“ ausgebildet. Die Abstandsflächen zu der sensiblen Grenze im Norden erscheinen eingehalten. Typologisch, materiell, farblich und gestalterisch setzt sich der Pavillon sehr deutlich vom Baudenkmal ab und geht mit diesem in einen starken Kontrast. Der Pavillon wirkt durch die hohe umlaufende Attikazone etwas schwerfällig und unproportioniert. Der Dachgarten und seine beiden freistehenden Häuser mit Schrägdächern können als eine ironische Referenz an die für Blockinnenbereiche typische kleinteilige Struktur aus Remisen, Garten- und andere Nebengebäuden gelesen werden und versteht sich als eine kontextuelle Überleitung zur kleinteiligeren Körnung der nördlichen angrenzenden Wohnbebauung. Der Dachgarten und seine Bebauung wirkt dadurch wie ein in die Höhe gehobenes Stück „Gartensiedlung“.

Der Entwurf respektiert die materielle Substanz und die visuelle Integrität des Baudenkmals sehr weitgehend und verzichtet nahezu vollständig auf eine Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes oder auf innenräumliche Interventionen. Auch auf neue Dachaufbauten wird - mit Ausnahme einer PV-Anlage - verzichtet. Die vorgeschlagenen Maßnahmen
zur bauphysikalischen Qualifizierung des Bestandes erscheinen angemessen und denkmalverträglich.

Der in der Auslobung als technisches Denkmal definierte Lastenaufzug wird nur als Luftraum erhalten und verliert damit seinen markanten Zeugniswert für die ehemalige Nutzung des Werkstattgebäudes. Interessant ist der Umgang mit der historisch ungegliederten nördlichen Fassade, die durch eine „anarchische“, spielerisch freie Durchörterung mit Fenstern unterschiedlicher Größe und Höhenlage als eine ehemals geschlossene Brandwand erkennbar oder wenigstens erahnbar bleibt.

Die Durchfensterung verweist zudem auf die Transformation eines Werkstattgebäudes zu einem Verwaltungsbau mit höheren Anforderungen an die Versorgung mit Tageslicht und Außenraumbezug.

Der Haupteingang führt in eine offene Erdgeschosszone, die mit einem fließenden Raumkonzept von dem Empfang und der Cafeteria zu den öffentlichen Workshop- und Seminarbereichen im Pavillon überleitet. Die Veranstaltungsräume sind schlüssig und sehr flexibel konzipiert. Ein Schiebetor erlaubt das Foyer und den Erschließungskern im Veranstaltungsfall leicht zu trennen. Die Raumodule werden im Sinne eines „Haus im Haus“ als Boxen frei in den Raum eingestellt; deren Decken sind teilweise von Niveau der Galerien im 3.OG begehbar. Podeste und freistehende raumbildende Wände bilden zusätzliche Angebote innerhalb der ansonsten großräumlich belassenen Raumkompartimente. Die modularen Raumelemente lassen eine hohe Aufenthaltsqualität und eine nachhaltige Flexibilität erwarten. Die Zonierung geht geschickt mit den Potentialen und Defiziten der jeweiligen Raumbereiche um und nutzt die Dunkelzonen im Bereich der nordöstlichen Brandwand für Nebenfunktionen.

Die Umsetzung des Raum- und Funktionsprogramms ist handwerklich solide aber lässt innovative, originelle oder unkonventionelle Ansätze oder Elemente weitgehend vermissen. Die Verortung von Sondernutzungen auf dem Dachgarten ohne einen wettergeschützten Zugang erscheint aus funktionaler Sicht fragwürdig. Die Nutzung des Erdgeschosses entspricht ansonsten vollumfänglich den Vorgaben der Auslobung, das Erdgeschoss des Pavillons wird durch eine Ringerschließung an den Bestand angebunden. Einige Büros im Verlauf der neu durchfensterten nordwestlichen Brandwand erscheinen ungenügend belichtet. Das robuste Konzept lässt eine unkomplizierte Integration der Ergebnisse aus dem weiteren Partizipationsprozess erwarten. Das Verhältnis von Standard- zu Mehrwertmodulen weicht mit 58% zu 42% geringfügig von der Vorgabe ab.

Durch Verzicht auf innovative Aspekte ist die technische Realisierbarkeit des Entwurfs nicht eingeschränkt. Der Dachgarten mi 80 cm Substrathöhe auf einer Holzdachkonstruktion birgt langfristig Risiken, die untersucht werden sollten.

Die resultierende Nutzfläche liegt mit 3.700 m² leicht unter dem Mittel von 3.910 m² die Flächen-Effizienz liegt mit 0,6 NUF/BGF nahezu im Durchschnitt. Durch den weitgehenden Verzicht auf Interventionen - wie etwa für eine neue Haupttreppe - sowie durch den vergleichsweise kleinen Neubau sind moderate Baukosten zu erwarten.

Mit der Beschreibung der Versorgung über Wärmepumpen und die Integration von PV auf dem Altbau folgen die Verfassenden den Anforderungen der Auslobung.
Gründächer werden auf dem Neubau vorgesehen und ermöglichen aufgrund der hohen Substrataufbauten eine glaubhaft extensive Begrünung, die zur Retention des Regenwassers und zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen kann. Technikflächen werden im EG und im neunen Untergeschoss vorgesehen.

Die Berücksichtigung der Auslobung hinsichtlich der zu erwartenden Fernwärmeanschlusspflicht müssen in der weiteren Planung berücksichtigt werden.

Unter energetischen Aspekten wird der Altbau mit Innendämmungen und Kastenfenstern zu dem avisierten Standard ertüchtigt. Tageslicht wird über neue Oberlichter im Ostteil des Daches ergänzt. Sonnenschutzmaßnahmen werden nur als innenliegende Rollos vorgesehen und müssen in der weiteren Ausarbeitung nachgewiesen werden.

Die Verfassenden entwerfen als Neubau einen eingeschossigen, wenig kompakten Holzhybridbaukörper auf dessen Dach weitere Baukörper platziert werden. Eine Anbindung dieser Bereiche und des Gründachs ist nur über das 1. OG des Altbaus möglich. Zwar wird an allen Fassaden Sonnenschutz vorgesehen, dennoch führen die hohen Glasanteile der entworfenen Fassaden zu Überhitzungsproblemen.
02 - Grundrisse, Ansicht, Längsschnitt

02 - Grundrisse, Ansicht, Längsschnitt

03 - Grundrisse OGs, Ansicht, Querschnitt

03 - Grundrisse OGs, Ansicht, Querschnitt

04 -Fassadenschnitt, Isometrien, Ansicht

04 -Fassadenschnitt, Isometrien, Ansicht