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2. Rang 3 / 3

Hochbauliches Werkstattverfahren | 11/2022

Neuentwicklung Karstadt-Areal am Bergedorfer Markt in Hamburg

3. Rang

Preisgeld: 9.000 EUR

DFZ ARCHITEKTEN

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliches und architektonisches Konzept

Der einmalige Standort im Herzen der Bergedorfer Altstadt bietet die Möglichkeit, einen Entwurf im Zusammenhang mit der umgebenden Bebauung, der Geschichte des Ortes und den funktionalen Anforderungen zu definieren, der mit seiner Einzigartigkeit ein hohes Maß an Identität und Eigenständigkeit aufweist. Es wird ein klares und zugleich impulsgebendes Neubauensemble entwickelt, das sich mit seiner städtebaulichen Körnigkeit, den Dachformen und seiner Materialität in das Umfeld einfügt. Einerseits werden hierbei historische Bezüge hergestellt und auf die Maßstäblichkeit der Umgebung angemessen reagiert, um die Umfelder miteinander zu verknüpfen, andererseits treten die neuen Baukörper jeweils in differenzierter und zeitgemäßer Form selbstbewusst in Erscheinung. Bestehende städtebauliche und architektonische Qualitäten werden erkannt und auf zeitgemäße Weise weiterentwickelt. Die im direkten baulichen Umfeld vorhandenen vielfältigen Baukörper- und Dachstrukturen, die zwischen Trauf- und Giebelständigkeit wechseln, werden neu interpretiert. Insbesondere die beiden zu den Platzseiten orientierten Giebelfassaden erhalten eine ablesbare moderne Adaption klassischer Dachformen und -Gauben. Eine lebendige Dachlandschaft entsteht, die sich in die Umgebung einfügen.
Die neuen Strukturen gliedern sich dadurch behutsam ein, zugleich entstehen unterschiedliche "Atmosphären" und Identitäten der Straßenräume.
Ziel ist zudem, die öffentlich wirksamen Erdgeschossnutzungen innerhalb der als eigenständige Häuser ablesbaren Baukörper so zu integrieren, dass die einzelnen Gebäude „geerdet“ sind und „auf dem Boden stehen“, die einladende EG-Zone sich jedoch zugleich durch großzügige Fassadenöffnungen absetzt.

Die Materialisierung der Neubauten interpretiert das bestehende Erscheinungsbild der baulichen Umgebung in Materialität und Farbigkeit neu, je nach Lage werden Putz- oder Fachwerktypologien in abgewandelter und zeitgemäßer Form umgesetzt. Hierbei orientieren sich die nördlichen und westlichen Gebäudeteile an den hellen Fassaden der Umgebung, an der Straße Hinterm Graben nehmen die Glasfaserbetonelemente in Kombination mit Strukturputzflächen wiederum die hier vorherrschenden Rotklinkertöne auf. Die Farben der Dacheindeckung orientiert sich an den Farbigkeiten der Fassaden, so dass in sich einheitliche Bausteine ablesbar sind.
Jedes „Haus“ erhält eine eigenständige Ausbildung einer modernen Lochfassade. Leichte Versätze steigern diese feinen Unterschiede nochmals, Eingänge sind individuell und gut auffindbar gestaltet. Farbige Fensterrahmen, Markisen und Absturzsicherungen setzen subtile Akzente und tragen im Zusammenhang mit den haptischen Oberflächen der Werksteinelementen und Strukturputze zu dem angestrebten lebendigen Erscheinungsbild bei.
Auf Balkone an den Außenfassaden wird generell verzichtet, hier bieten Loggien qualitätsvolle und geschützte Freisitze an.

Die vorliegende Planung schafft vielseitige räumliche Möglichkeiten für die Realisierung publikumswirksamer Nutzungen im Erdgeschossbereichen. Hierbei wurde darauf geachtet, dass auch nach Geschäftsschluss Bereiche des Erdgeschosses belebt bleiben.
Im Sinne eines verantwortlichen Handels bezüglich der Themen Nachhaltigkeit und „grauer Energien“ ist ein Erhalt des Untergeschosses möglich und ist in weiteren Planungsphasen konstruktiv und wirtschaftlich zu prüfen.
Im vorliegenden Entwurf wird die flexibel bespielbaren Erdgeschosszone auf wirtschaftliche Weise in Stahlbetonbauweise geplant. Die darüber liegenden Gebäudekonstruktionen werden in Holzhybridbauweise, alternativ in monolithischer Bauweise errichtet.
So entsteht ein lebendiges Stadtquartier, bestehend aus kompakten und differenziert gestalteten Einzelbaukörpern mit einem starken Bezug zum Bergedorfer Markt und zum neu gestalteten Wiebekingplatz. Die aufgehenden Baukörper basieren durchweg auf effizienten Gebäudetiefen, so dass sich die vielfältigsten Wohnungstypologien umsetzen lassen. Im vorliegenden Entwurf wird angestrebt, die geförderten Wohnungen entlang der Straße Hinterm Graben vorzusehen, eine alternative Verortung ist jedoch aufgrund der hohen Flexibilität machbar. Der vorgegebene Wohnungsmix wird eingehalten, die Anzahl der Wohnungen konnte jedoch weiter gesteigert werden. Die Erschliessung der Wohnungen erfolgt überwiegend von der Straße Hinterm Graben aus, so dass die Erdgeschosszonen an den Platzsituationen konfliktfrei bespielt werden können. Der Zugang für die auf Innenhofniveau liegenden als Stadthäuser konzipierten Wohneinheiten erfolgt über einen separaten Zugang über eine einläufige Treppe in der Gebäudefuge, hier ist ebenso ein Gemeinschaftsraum vorgesehen, der zugleich der sozialen Kontrolle dient.


Freiraumkonzept

Die Freiräume des Projektgebiets gliedern sich klar in öffentliche Straßen- und Platzraum sowie die privaten
Freiflächen für die neuen Bewohner*innen.

Wiebekingplatz:
In Sichtweite zum Bergedorfer Markt wir im Zuge der Neubebauung ein kleiner neuer Stadtplatz geschaffen.
Die heutige Parkplatzfläche wird zum Wiebekingplatz, der den Bergedorfer*innen unter den großen Bestandsbäumen
einen schattigen attraktiven Stadtraum bietet. Der Platz erhält eine einheitliche Pflasterung in die die großen raumprägenden Bestandsbäume
behutsam integriert werden. Die Gastronomie Nutzungen in den Erdgeschossen erhalten eine Möglichkeit der Außenbestuhlung.

Hinterm Graben (geht’s weiter):
Die Straße „Hinterm Graben wird behutsam als nachbarschaftliche Quartiersstraße umgebaut. Kleinkronige Straßenbäume werten den Straßenraum
auf und erhöhen die räumliche und klimatische Qualität.

Hof- und Dachgärten:
Mit der neuen Bebauung werden kleinteilige private und gemeinschaftliche grüne Rückzugsräume geschaffen.
Als grüne Nischen in der Innenstadt wird der Hof als Spielort für die Kinder der Bewohner*innen gestartet und zusätzlich im Hof und auf dem Dach
Kleinteilige nutzbarer Freiräume geschaffen. Die Dachflächen werden als Retentionsdächer gestaltet, so dass zusätzlich Regenwasser zurückgehalten
werden kann.


Statisches und konstruktives Konzept / Nachhaltigkeit / Wirtschaftlichkeit

Durch die Wahl der Materialien und die effiziente Ausnutzung der beplanten Flächen wird ein Beitrag zum klimagerechten und ressourcenschonenden Bauen geleistet. Entsprechend den vorgegebenen Inhalten werden angemessene konstruktive und haustechnische Systeme ausgewählt, die einer positiven wirtschaftlichen Bilanz Rechnung tragen. Der Einsatz von elementierten Bauteilen ist zum Erreichen einer wirtschaftlichen Bauweise möglich.

Im Planungsprozess wird eine Optimierung – z.B. über eine Simulationssoftware im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung - zwischen Gebäudehülle und Anlagentechnik angestrebt, die sowohl die Investitionskosten wie auch die späteren Betriebskosten berücksichtigt. Aufgrund der sehr guten Wärmedämmung und der luftdichten Gebäudehülle ist der Wärmebedarf der Gebäude sehr gering. Die Konstruktionsabmessungen ergeben sich aus den Anforderungen der Tragwerksplanung unter Berücksichtigung der Schwingungsfreiheit und der Bauphysik, insbesondere im Hinblick auf einen gesicherten Schallschutz sowie eine optimierte energetische Hülle. Auf Technik in Form von Rückkühlgeräten auf dem Dach wird verzichtet, dementsprechende Technikflächen werden im Untergeschoss vorgehalten.
Um dem hohen Anspruch an die Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen, wird ein Planungsansatz verfolgt, welcher ganzheitlichen, ökologischen und nachhaltige Betrachtungen folgt und alle Phasen des Bauens einbezieht – Rohstoff, Materialbeschaffung/-einsatz, Nutzungsdauer, Rückbau, Wiederverwertung. Insbesondere nachwachsende Rohstoffe mit ihrer Eigenschaft der CO2- Speicherung stehen hier im Mittelpunkt.

Das Tragwerk des geplanten Neubaus kann als hybride Konstruktion aus Holz und Stahlbeton in Skelettbauweise charakterisiert werden. Die Erdgeschosszone, die Gründungsbauteile, die tragenden Bauteile des in das Erdreich einbindenden Sockels sowie die aussteifenden Erschließungskerne sind in Massivbauweise aus Stahlbeton geplant. Bei Erhalt des Untergeschosses dient im Bedarfsfall die nachträgliche Einbringung von Mikropfählen der statischen Ertüchtigung für die aufgehenden Bauteile.
Die oberirdischen Deckenkonstruktionen (ab Erdgeschoss bis zur Dachkonstruktion) sind überwiegend als Holz-Beton-Verbundkonstruktion geplant, welche die Vorteile der unterschiedlichen Materialien Holz und Beton im Bereich Brand-, Schallschutz und Statik kombiniert.
Die kombinierte Bauweise bietet dabei die optimale Nutzung der spezifischen Materialeigenschaften von Holz und Beton – hoher Vorfertigungsgrad, große Spannweiten, thermische Masse, Brandschutz, Schallschutz etc. Die sich u.a. daraus ergebenden Vorteile sind:
hohe ökologische Qualität durch CO2-Speicherung, einfache Demontage und Rückbau, hohe Nutzungsflexibilität, hohe Qualitätsstandards des Ausbaus bei minimierter Bauzeit. Alternativ kann auf eine monolitische Konstruktion (z.B.: Poroton) zurückgegriffen werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen platzieren ein Ensemble aus Häusern mit Satteldächern sehr selbstverständlich auf dem Grundstück. Diese grundsätzliche Entscheidung wird von der Jury positiv gewertet. Ebenso positiv gewertet werden die leichte Akzentuierung der räumlichen Situationen am Markt und am „Wiebekingplatz“ durch einzelne giebelständige Gebäude, die diesen Situationen angemessen sind. Obwohl die Gebäude alle auf einem gemeinsamen Sockelgeschoss stehen, lassen sich einzelne Häuser ablesen. Auf dem Sockelgeschoss befindet sich ein Gartenhof, der für die Bewohner*innen zugänglich ist. Die Dimension des Hofes wird – vor allem im westlichen Bereich – im Hinblick auf die Privatsphäre der Bewohner*innen kritisch gesehen. Die Jury würdigt die professionelle und funktional gut durchdachte Durcharbeitung der Grundrisse und Fassaden, vermisst jedoch in dem Projekt etwas deutlichere Akzente, die das neue Ensemble in Bergedorf sichtbar und herausragend machen.

Insgesamt wertet die Jury diesen Entwurf als eine dem Ort und der Nutzung angemessene, gut durchdachte Lösung.
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