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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2023

Neue Fuß- und Radwegebrücke in Bramsche

2. Preis

Preisgeld: 18.510 EUR

Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG

Tragwerksplanung

Architekturbüro Jean-Jacques Zimmermann

Architektur

Kienleplan GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Gestaltungsidee/Leitbild
Ein- und zweiläufige Rampen zeigen unmittelbar Anfangs- und Zielpunkt auf. Ganz bewusst wird hier durch die Wendelung eine spannungsvolle Annäherung an den Zielpunkt abgebildet. Lebens-, Erlebnis- und Interventionsraum für die Stadtgesellschaft. Mit dem Bild der dynamischen Schleife erklärt sich der neue Brückenschlag. Es macht Spaß die Dynamik mit allen Sinnen zu erfahren und zu ergehen, in dieser Doppeldeutigkeit verstehend wissend.

Freiraum – Raum für Leben – Neuer Lebensraum für Bramsche
Städtebauliche Einbindung - Raumbildung
Mit der Setzung des neuen Brückenschlages entstehen fünf unterschiedliche Raumtypologien:
- Auftakt und Ankunft auf der Westseite
- Durchgangsraum zwischen bestehender Unterführung und neuem Brückenbau-werk
- Spiel- und Bewegungsraum im Rampenauge
- Aufenthaltsraum zwischen Bahnhofsgebäude und Beginn der Rampe
- Begegnungsraum im aufgewerteten Bahnhofsvorplatz

Ein neuer Freiraum im Korrespondenzbereich zwischen Infrastruktur und Stadtraum. Nichts Artifizielles, kein Fremdkörper, sondern Sinnlichkeit und Sinnstiftung. Die Gestalt- und Farbgebung schaffen einen unverwechselbaren und unerwarteten genius loci. Wege und Verbindungen für Fußgänger und Radfahrer schmiegen sich wie selbstverständlich in den engen Topos der verbleibenden Raumbildungen im Westen, respektieren die geplante Randbebauung entlang der neuen Anliegerstraße, knüpfen an, an Bestehendes, schaffen neue, wertige Makro-Verbindungen sowie Anbindungen an angrenzende Siedlungsstrukturen.

Freiraum
Raumbildungen unterschiedlicher Ausprägung, gleichwohl Auftakt- sowie Aufenthaltsräume an beiden Enden mit unterschiedlichstem Charakter, dem die geplante Nutzung durch seine Robustheit nichts anhaben kann. Die Grünstrukturen werden auf ihre jeweiligen Typologien reduziert und klar ausformuliert. Lockere Baumstrukturen bespielen die parkartigen Räume, beschatten und erzeugen fließende Übergänge in den urbanen Stadtraum, den Bahnhofsvorplatz. Ein wechselvolles Spiel aus Licht und Schatten erzeugt interessante, aber auch sozial verträgliche, da einsehbare, Räume. Das Sonderelement des Rampenauges wird mit eigenen Elementen bespielt. Langfristig hoch aufgeastete Kiefern sorgen für ausreichend Schatten, ermöglichen gleichzeitig eine Korrespondenz zwischen oben und unten, zwischen Brücke und Bewegungs-raum, setzen sich bewusst aus dem langgestreckten Korpus der parkartigen Umgebung ab. Der beschützte Raum des Rampenauges bildet Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten für Jung und Alt. Balancierelemente, Baumschaukeln und ein hohes Maß an Sitzmöglichkeiten, witterungsgeschützt unter der Rampe, schaffen wertige, quartiersnahe und niederschwellige Nutzungsangebote. Eine grüne Raumkante aus Bäumen entlang der neuen Erschließungsstraße grenzt den bebauten Raum zum Park hin ab. Sitzelemente im Bereich der Fahrradabstellanlagen laden zum Plausch und Austausch ein, ein Ort sozialer Kommunikation an der Schnittstelle unterschiedlicher Verkehrsmittel-Nutzungen entsteht.

Verkehrskonzept
Der erweiterte Bahnhofsplatz wird Ort für alle, ein shared space. Gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt sind die Attribute. Das Miteinander, das Durchmischen aller Verkehrsteilnehmer bildet sich in einer geschwindigkeitsreduzierten Nutzung mit Tempo 7 km/h ab. Abstellanlagen für Fahrräder unterschiedlichster Art und Größe werden in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof situiert. Ein Fahrradsilo (Radhaus) mit automatisierter Einstellmöglichkeiten für ca. 120 Fahrräder sorgt für ein hohes Maß an Sicherheit und Nutzungsqualität. Als Rad-Kurzparker werden weitere ca. 60 ebenerdige, mit Glas überdachte Einstellsysteme angeboten, kombiniert mit Ladestationen, niederschwelligen Angeboten für Kleinreparaturen und abschließbaren Safes für Nutzerinventar.
Die neue Erschließungsstraße ist gleichzeitig Zufahrt für die insgesamt 16 PKW-Park&Ride-Plätze. Die gemittelte Entfernung zum Bahnhof beträgt ca. 80 m und ist damit zumutbar. Ein Stellplatz für Behinderte grenzt dabei unmittelbar an den Platz an, um die Wege kurz zu halten.
Auf der Westseite verbindet eine Treppenanlage das Brückenbauwerk mit dem Quartiersplatz. Der Quartiersplatz erhält durch die Anordnung von Sitzstufen zusätzliche Aufenthaltsqualität.
Grundsätzlich sind alle Fuß- und Radwege barrierefrei, mit max. 6 % Neigung und barrierefreien Übergängen zu den angrenzenden Straßen.

Sicherheit und Funktionalität
Übersichtlichkeit, Einsehbarkeit und eine gute Orientierung sind Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Stadtraum. Alle Baumkronen sollen langfristig auf mind. 4 m Höhe, die im Rampenauge liegenden Kiefern auf mind. 10 m aufgeastet werden, damit der gesamte Park-raum einsehbar wird, um Raum für Sicht und Kommunikation zu schaffen. Im südlichen Teil des Parks wird das Gelände zu den Gleisbereichen hin um ca. 1 bis 1,50 m angehoben, um diesen Effekt zu stärken. Die gegenüberliegenden, transparenten Schallschutzelemente zum Gleisbereich entlang der West- und Ostseite hin sorgen für Einblicke und Ausblicke.

Wirtschaftlichkeit & Nachhaltigkeit
Aus dem Brückenbauwerk abgeführtes Niederschlagswasser wird über die Bauwerksstützen in die angrenzenden Grünflächen zur Versickerung eingeleitet. Leichte Eintiefungen von ca. 30 cm erlauben eine vollständige Muldenversickerung und sorgen für einen nachhaltigen Umgang mit Regenwasser. Die Verwendung örtlich hergestellter Materialien, wie Klinker und lokaler Natursteinvorkommen, generieren einen geringen ökologischen Fußabdruck. Soweit möglich werden vorhandene Vegetationselemente geschützt und beibehalten.
Die Beleuchtung wird ausschließlich mit LED-Lichtelementen in warm-weißer Farbtemperatur mit hoher Farbwiedergabe vorgesehen. Wenige Lichtstelen mit intelligenter Beleuchtungsgeometrie sorgen für ausreichend und flächendeckende Ausleuchtung der Platzflächen und Wegeverbindungen. Bodenstrahler unter der gewendelten Rampe und der Anrampung-West verhindern Angsträume, inszenieren das Bauwerk ohne die Umgebung mit Licht zu ‚verschmutzen‘, sorgen gleichzeitig für hohe Aufenthaltsqualität.
Das Bauwerk besteht zu einem Großteil aus Stahl, welcher beliebig oft zu 100% recycelbar ist. Die Stahlhohlkästen besitzen zudem glatte, ungegliederte Außenflächen, welche mit geringem Aufwand instand zu halten sind und keine Nischen für Nistplätze aufweisen. Auch die Ansichtsfläche, bei der die Applikation von Korrosionsschutz erforderlich ist, wird so auf ein Minimum reduziert.
Auf Lager- oder Übergangskonstruktionen konnte aufgrund der Grundrisskrümmung des Bauwerks vollständig verzichtet werden, es handelt sich um ein modernes, integrales und wartungs-armes Bauwerk.

Konstruktion & Herstellung
Der Überbau sowie die geneigten Streben werden aus Stahl hergestellt. Die Feldweiten der Stahlbrücke betragen 23,0 m in den Randbereichen bis hin zu 39,5 m über den Verkehrsräumen, die Gesamtlänge ergibt sich zu 194,5 m. Für den Überbau wird eine moderne Stahl-Hohlkasten Konstruktion mit minimalistischer Formensprache vorgeschlagen. Die Brücke sitzt auf V-förmigen Stützen, welche zwar filigran wirken, aber dem Bauwerk durch ihre Spreizung auch die nötige Stabilität und Steifigkeit in Querrichtung gewährleisten.
Die Wahl fiel auch auf den Werkstoff Stahl, da dies eine schnellere und einfachere Herstellung über dem Gleisbereich ermöglicht, wo Sperrungen in jedem Fall vermieden werden müssen. Es wird zudem ein Dünnschichtbelag vorgeschlagen, welcher frost- und tausalzbeständig ist und auch eine beliebige Farbgebung ermöglicht.
Es werden sowohl für die Widerlager als auch die V-Stützen Flachgründungen vorgesehen, welche ca. 1,5 m unter Geländeoberkante zum liegen kommen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit einer „dynamischen Schleife“ wird der Brückensteg über die Bahn geführt und vor dem Bahnhofsvorplatz auf die ansteigende ´Erdrampe´ aufgesetzt. Es entsteht ein kontinuierlich fließender Schwung des Brückenbauwerks, der geschickt eine Beeinträchtigung der im Osten angrenzenden privaten Grundstücke vermeidet und zum Bahngleis einen noch ausreichenden Abstand einhält, was je-doch eine voraussichtlich genehmigungsfähige Grundstücksneuordnung des Randstreifens zur Bahn erfordern würde.
Die Vernetzung mit dem Wegenetz des westlichen Brückenzugangs ist gut gelöst, allerdings verzichtet der Entwurf an der Südspitze der östlichen Schleife auf einen Treppenabgang, sodass insbesondere die Vernetzung in Richtung Innenstadt erschwert scheint. Die Freiraumkonzeption der Ostseite mit baumbestandenen Freiflächen, Wegenetz, einigen Parkplätzen und der Unterbringung von Fahrrädern in einem mechanischen Parksafe ist sinnvoll gelöst, allerdings ist das Angebot an Stellplätzen sehr reduziert.
Die Ausbildung des Umfelds der Brückenschleife als begrünte und baumbestandene Erdmodellierung ist richtig, bedürfte jedoch einer vertiefenden Ausarbeitung. Die räumlichen Darstellungen zeigen überzeugend eine ausgesprochen leichte und elegante Stahlkonstruktion mit nur wenigen V-Stützen und einem filigranen Geländer, was die Ersatzweise für das verlorengegangene Modell zur Verfügung gestellten Modellfotos bestätigen. Im vergleichenden Aufwand von Brückenbauwerk und Erdrampen liegt die Lösung im unteren Be-reich, wobei die wünschenswerten zusätzlichen Treppenabgänge noch zu berücksichtigen wären.
Der Entwurf zeugt von einer hohen Kohärenz von konstruktiver Formgebung und stadträumlicher Erscheinung. Der torsionssteife Querschnitt wirkt auskömmlich und dank seiner schlanken Ränder den-noch leicht. Die geringe Spannweite über dem Gleiskörper verspricht einen geringen Ressourcenverbrauch. Beim östlichen Pylon bleibt zu prüfen, ob Anprallasten infolge der Schrägstellung anzunehmen sind oder ob etwa die Position nachjustiert werden sollte.
Die schlicht wirkende Konstruktion braucht nur wenige Details, deren Bearbeitung über die vorgestellten Ansätze hinaus zu bewältigen sein dürfte. Die Arbeit besticht durch ihre Klarheit und der Angemessenheit bei den vorgeschlagenen Freiräumen. Der Antrittsplatz an der Gerhardt-Hauptmann-Straße ist in seiner Dimensionierung richtig und führt gut hinüber in das filigrane Brückenbauwerk. Der Höhensprung zum richtig dimensionierten Quartiers-Platz wird durch eine Sitzstufenanlage und eingeschnittene Treppenanlage verbunden, was in seiner Angemessenheit überzeugt. Auf der Ostseite wird das Loop-Auge mit den aufgeasteten Kiefern spannungsreich besetzt; wobei der darunterliegende Kinderspielplatz in seiner Verortung und Funktionalität kritisch betrachtet wird. Ansonsten gelingt es den Brückenfuß sinnhaft in den Bahnhofsvorplatz zu integrieren. Die Stellplatzanlage ist unterdimensioniert, die Erschließungsstraße ist für Senkrechtparker zu schmal.
Allgemeine Anmerkungen vom Sachverständigen der Deutschen Bahn: Die bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Grenzabstände wären im Rahmen der Überarbeitung des eingereichten Entwurfes einvernehmlich mit der DB abzustimmen und ggf. anzupassen.