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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2023

Neue Fuß- und Radwegebrücke in Bramsche

Anerkennung

Preisgeld: 6.170 EUR

Sweco GmbH - Sweco Architects

Architektur

Sweco GmbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

1) Gestalterische Leitidee
Die neue Fuß- und Radwegbrücke über die Bahntrasse in Bramsche wird die Innenstadt mit dem sich weiter entwickelnden westlichen Stadtgebiet verbinden und enger verknüpfen. Die Verbindung wird ein wichtiges Element im Sanierungsgebiet „Bahnhofsumfeld“ werden und darüber hinaus die Wahrnehmung der Stadt beeinflussen.
Die hier vorgestellte Fuß- und Radwegbrücke versucht dieser besonderen Stellung im Stadtraum erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und entwickelt sich über die rein funktionalen Anforderungen eines Infrastrukturbauwerkes hinaus zu einem attraktiven und modernen Bauwerk mit Aufenthaltsqualitäten und Wiedererkennungswert weiter.
Die elegante und dynamisch geschwungene Brückenform ergibt sich selbstverständlich aus dem einfachen Grundsatz heraus, eine stufenlose, durchgehende Verbindung unter Einhaltung von max. 3% Neigung über die Bahntrasse hinweg zu ermöglichen. Aus der dafür benötigten Brückenlänge entwickelt sich die prägnante Form einer 360º Kurve, es entsteht eine 3-dimensionale „Brückenschleife“.
Diese einfache Drehung um sich selbst ermöglicht nicht nur die bequemste Überquerung der Bahngleise, sie schafft zusätzlich vielfältige Blickbeziehungen und Perspektivwechsel auf dem Weg über die Brücke und macht aus der schlichten Notwendigkeit der Überquerung des Bahngeländes ein attraktives Erlebnis. Ohne formale Anstrengungen zu unternehmen entsteht so eine Setzung, ein Ort mit Wiedererkennungswert und ein Wahrzeichen für die Stadt Bramsche, der sich auch und gerade aus Sicht der Bahnreisenden vorteilhaft präsentiert. Sowohl für Durchreisende aus dem Zug wie auch für am Bahnsteig Wartende wird die geschwungene Schleifenform in ganzer Breite sichtbar und sich als eindrucksvolles Bild in die Wahrnehmung einprägen.
Die Brücke ist monolithisch in rötlichem Corten-Stahl gehalten, der in den mechanischen Charakter der Bahnanlagen passt, eine farbliche Verbindung mit den Backsteinbauten der Umgebung schafft und wartungsarm zu geringen Unterhaltskosten des Bauwerks beiträgt. Die Brückenoberfläche ist in hellem Grau, die Geländer sind durchgehend und optisch ohne Pfosten gehalten, um die dynamische und fließende Form der Brücke weiter zu unterstützen. Westlich der Bahntrasse verbindet eine Treppe die Brücke mit dem zukünftigen Quartiersplatz. Östlich ermöglicht eine weitere Treppe eine Abkürzung für Fußgänger auf dem Weg zum Bahnhof. Eine Verbreiterung des Brückenquerschnitts bietet hier fast am höchsten Punkt der Brücke Platz für eine geschwungene Sitzbank und Blickbeziehungen zurück zum Bahnhofsgelände. An der Innenseite der Brückenschleife schaffen begrünte Sitzstufen einen weiteren Ort zum Verweilen.
2) Materialität, Konstruktion, Statik und Gründung des Brückenbauwerkes
System
Das Brückenbauwerk ist eine Corten-Stahlbrücke (wetterfester Baustahl) mit einer Gesamtlänge von 214,15 m. Sowohl westlich als auch östlich der Brücke schließt jeweils ein Stahlbeton-Rampenbauwerk an, dessen Außenansichten (Corten-Stahlbleche) dem Erscheinungsbild des Brückenbauwerks entsprechen. Das statische System des Brückenbauwerks ist ein 6-feldriger Durchlaufträger, wobei das Hauptfeld mit einer Stützweite von 50 m im Bereich der DB-Strecke 1502 (Lichte Höhe ≥ 6,20 m) liegt. Das semi-integrale Bauwerk erhält an beiden Widerlagern eine längsfeste Lagerung. Durch die gewählte Geometrie der Stützen (geringe Ersatzfedersteifigkeit) soll sich der Überbau zwängungsarm verformen.
Der vorgesehene Brückenquerschnitt stellt die Besonderheit des Entwurfes dar. Dieser besteht aus zwei Hauptträgern, wobei der etwa 1,80 m hohe Corten-Stahlhohlkasten den Hauptlastabtrag übernimmt. Corten-Stahl als Material für den Überbau wurde gewählt, da dieser unempfindlich gegenüber Witterungseinflüssen sowie vollständig recyclebar ist und die Materialeigenschaften von Baustahl aufweist. Dabei hat Stahl (Corten-Stahl und Baustahl) grundsätzlich gegenüber Beton eine deutliche bessere Ökobilanz in Herstellung und Verwertbarkeit. Corten-Stahl hat zusätzlich den Vorteil, dass auf einen zusätzlichen Korrosionsschutz, der einerseits zu einer höheren Umweltbelastung und andererseits zu höheren Instandhaltungskosten führen würde, verzichtet werden kann.
Die Stützen bestehen aus zwei Stahlrohren, die sowohl mit dem Überbau als auch dem Fundament monolithisch verbunden werden. Durch die in Längsrichtung verschobenen Fußpunkte der beiden Stahlrohre entsteht in der Außenansicht zwar der Eindruck von zwei sich kreuzenden Stützen, jedoch kreuzen sich die Stützen geometrisch nicht.
Die Stützen in der Stützenachse 30 sind so positioniert, dass diese nach DIN EN 1991-1-7 nicht auf Anprall gefährdet sind.
Das Bauwerk wird gemäß der ersten Baugrundeinschätzung durch das Büro Umtec mit einer ggf. erforderlichen Baugrundverbesserung flach gegründet.
Ausstattung
Das Geländer auf der Südseite des Brückenbauwerks bzw. auf der Schleifen-Innenseite ist ein nach innen geneigtes 1,30 m hohes Füllstabgeländer. Das Stahlgeländer besteht ausschließlich aus Füllstäben und erhält keine Pfosten. Der Handlauf besteht aus einem Rohrprofil. Das Geländer auf der Nordseite des Brückenbauwerks besteht aus dem Corten-Stahlhauptträger und den oberen Elementen des Stahlgeländers auf der Südseite.
Für die spätere Elektrifizierung der DB-Strecke 1502 wird im Bereich der Gleisanlagen ein beidseitiger Berührungsschutz vorgesehen. Der Berührungsschutz, dessen Pfosten aus Stahlhohlprofilen bestehen, wird parallel zum Geländer nach innen geneigt. Die gewählte Form der Pfosten führt dazu, dass die transparenten Kunststoffscheiben nur 1-fach gekrümmt (Gradiente) hergestellt werden müssen.
Auf dem Brückenbauwerk ist ein rutschfester RHD-Belag (reaktionsharzgebundener Dünnbelag) mit Quarzsandabstreuung geplant. Im Bereich der Stahlbeton-Rampen besteht der Belag aus Asphalt mit einer farbigen Beschichtung, die der Farbe des RHD-Belages entspricht.
Beleuchtung
Die normgerechte Beleuchtung der Verkehrsfläche erfolgt aus den Handläufen heraus. Gleichzeitig findet eine Akzentuierung der geschlossenen, inneren Brückenseite statt, die dadurch eine optische Leitfunktion für alle Nutzer der Brücke übernimmt. Eine Blendung des Bahnverkehrs wird durch die verwendeten Optiken ausgeschlossen. Die Umsetzung wird durch LED-Systeme zum Einbau in Handläufe mit asymmetrischer Optik gewährleistet.
Die Herausstellung der äußeren Cortenstahl-Flächen durch Streiflicht erzeugt eine Fernwirkung des eleganten Baukörpers vor dem Hintergrund des Nachthimmels. Die Umsetzung erfolgt durch lineare LED-Systeme entlang der gesamten Brückenlänge in formal integrierten Kanälen. Die Blendkanten zur Bahntrasse hin schließen eine Blendung heranfahrender Züge aus.
3) Gestaltung der Frei- und Verkehrsanlagen
Freianlagen
Das dynamische Brückenbauwerk verschmilzt in einem fließenden Übergang mit dem angrenzenden Freiraum. Die Synergie zwischen beiden wird durch die geschwungene Wegeführung und Pflanzflächen verstärkt. Eine Vielzahl an hochstämmigen Bäumen interagiert, über das gesamte Plangebiet verteilt, mit der Brückenanlage und bietet den Nutzern spannende Blickbeziehungen.
Dabei liegt der Fokus auf der guten Orientierung für den Fuß- und Radverkehr, sowie auf klar strukturierte Aufenthaltsbereiche in Verbindung mit dem Brückenraum. Neben der neuen Brücke als Hauptverbindung über die Gleise beziehen ein durchgängiger Weg vom Bahnhof zum Friesenweg und zusätzliche Durchgänge zur Breuelstraße die Umgebung mit ein.
Als Orientierung gebender Auftakt im Plangebiet Ost werden Fußgänger und Radfahrer durch Markierungen im Bodenbelag auf die Brücke geleitet. Die Zufahrt zur Park-and-Ride-Anlage sowie die Durchfahrt für Anwohner (im Falle einer Nachverdichtung) verläuft, getrennt vom Rad- und Fahrradweg, entlang der östlichen Lärmschutzwand.
Im direkten Anschluss zum Bahnhof befindet sich ein kleiner Vorplatz mit insgesamt 80 überdachten Fahrradstellplätzen und direktem Zugang zur Breuelstraße. Der für unterschiedliche Nutzergruppen gestaltete Treffpunkt erhält durch robuste Sitzmöbel und blühende Bäume einen komfortablen Charakter.
In dem Bereich unter der Brückenschleife bilden bepflanzte Terrassen einen eleganten Übergang zwischen Brücke und Freiraum. Die Pflanzterrassen werden zur Reinigung des Oberflächenwassers und als Abschirmung der Gleisanlage genutzt sowie als Gestaltungselement in den Sitzbereich mit eingebracht.
Die begrünten Freiflächen in Richtung Friesenweg bieten Platz für weitere Fahrradstellplätze und dienen zur Versickerung und Speicherung des Oberflächenwassers.
Auch im westlichen Planbereich wird die Brücke großzügig in den Freiraum und den städtebaulichen Bestand mit integriert. Neben der Funktion als Transferraum lädt der mit Pflanzflächen eingefasste Platz zum Verweilen ein.
Von hier aus besteht die Möglichkeit über eine Treppenanlage zum tiefer gelegenen Quartiersplatz zu gelangen. Entsprechend dem östlichen Plangebiet ist auch hier der Zugang zur Brücke durch Markierungen im Bodenbelag verdeutlicht.
Verkehrsanlagen
Die neue Fuß- und Radwegbrücke ist für alle Verkehrsteilnehmer barrierefrei nach DIN 18040 mit einer maximalen Längsneigung von 3,00 % geplant. Westlich der DB-Strecke 1502 ergibt sich eine Längsneigung von 2,88 % und östlich von 3,00 %. Durch den Verzicht auf eine maximale Längsneigung von 6,00 % mit zugehörigen Zwischenpodesten wird ermöglicht, dass einerseits das Überqueren des Bauwerks durch mobilitätseingeschränkte Personen und andererseits das Überfahren des Bauwerks durch Radreisende komfortabel gestaltet ist. Eine dennoch kurze Wegeverbindung für nicht mobilitätseingeschränkte Fußgänger ist über die zusätzlich vorhandenen westlichen und östlichen Treppenanlagen sichergestellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Bahnhof weisende aufgeweitete Rampenkurve bietet Fußgänger:innen ein vom Radverkehr abgesicherten Aussichts- und Aufenthaltsbereich. Kontrovers wird der engere Kurvenradius auf der Südseite - der aber bewirkt, dass der Radverkehr hier in seiner Fahrgeschwindigkeit gebremst wird - diskutiert. Mit durchschnittlich ca. 3 % Neigung ist die Brücke insgesamt barrierefrei und erfüllt mit 4,50 m Breite die Vorgaben für den Fuß- und Radverkehr.
Positiv hervorzuheben sind auch die jeweiligen Antrittsbetonungen der Rampenaufgänge durch eine in den Boden eingelassene lineare Balkenstruktur. Dagegen korrespondiert die etwas sperrige Anordnung von überdachten Fahrradständern und Parkplätzen nur bedingt mit der elastisch geschwungenen Rampenfigur. Problematisch ist der zu geringe Abstand des Rampenbauwerks zur östlichen Grundstücksgrenze und dem hier unmittelbar angrenzenden giebelständigen Gebäude. Ebenfalls überprüft werden müsste das unmittelbare Ablagern des Rampenbauwerks auf der Westseite des Bahnkörpers, welches in der Visualisierung jedoch weniger problematisch dargestellt ist. Während der die Rampenschleife unterlaufende Fußweg zur Friesenstraße ausreichend breit ist, erscheint der Erschließungsweg entlang der Breuelstraßen-Grundstücke zu schmal.
Gestalterisch interessant ist die unterschiedliche Geländeausbildung mit einseitig geschlossener, skulptural anmutender Brüstung zum gegenüberliegenden offenen Stabgeländer mit jeweils integrierter Beleuchtung, die bei Dunkelheit die elegante Linienführung des Bauwerks unterstreicht.
Fazit: Aus städtebaulich gestalterischer Sicht ist der Entwurf ein insgesamt positiver Beitrag zur gestellten Aufgabe. Das statische System entspricht einem im Grundriss gekrümmt verlaufenden Durchlaufträger, der bekanntlich mit torsionssteifen Querschnitten gut funktionieren kann. Die Gestaltung des Quer-schnitts folgt der Prämisse eines möglichst ruhigen Erscheinungsbildes sowie der für die Nutzenden wahrnehmbaren unterschiedlichen Brüstungsausbildungen. Mit dieser Entscheidung wird in Kauf genommen, dass allein aus Umlagerungen zwischen den sehr unterschiedlich steifen Randträgern wesentliche Beanspruchungszustände und folglich Materialaufwendungen zu erwarten sind.
Die Ausführung aus wetterfestem Stahl wird hinsichtlich des Instandhaltungsaufwands positiv gesehen. Bei der Arbeit gelingt es das Brückenbauwerk mit dem Freiraum in überzeugender Weise in einen Kontext zu stellen. Die Übergänge der Brücke in die Plätze werden über in den Boden eingelegte Corten-Bänder akzentuiert und so mit den angrenzenden Stadträumen verwoben. Auf der Ostseite werden die funktionalen Anforderungen (Stellplätze, Spiel) souverän gelöst. Die vorgeschlagenen Pflanzterrassen im Loop werden in ihrer Funktion als Lärmschutz und Retentionsraum positiv bewertet, wobei das vorgeschlagene große Holzdeck kontrovers diskutiert wird.
Allgemeine Anmerkungen vom Sachverständigen der Deutschen Bahn: Die bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Grenzabstände wären im Rahmen der Überarbeitung des eingereichten Entwurfes einvernehmlich mit der DB abzustimmen und ggf. anzupassen.