modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Einladungswettbewerb | 01/2023

Neugestaltung Bahnhofsumfeld in Traunstein

Blick auf das Busbahnhofsgebäude und den Auftakt der neuen Radbrücke

Blick auf das Busbahnhofsgebäude und den Auftakt der neuen Radbrücke

Anerkennung

Preisgeld: 4.000 EUR

dreisterneplus GmbH (ehemals Meili Peter München)

Stadtplanung / Städtebau, Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Räume in der Stadt
Wir nehmen unsere Umgebung als eine Folge unterschiedlicher Räume war. Insbesondere das Bahnhofsumfeld in Traunstein ist geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher Funktionen und Raumfragmente. Ziel unserer Arbeit ist es, Funktionen und Raumfragmente durch gezielte Eingriffe auf neue Art lesbar und damit dem Bürger eine selbstverständliche Wahrnehmung und Nutzung zu ermöglichen.

Bahnraum
Durch die neue bahnbegleitende Bebauung über dem Busbahnhof sowie die lineare Bebaung oberhalb des Bahnhofs (Hartinger-Areal) wird das charakteristische Strömungsbett der Bahntrassen gestärkt und gefasst. Der Brückenschlag ebenso wie die Inseln der Bahnsteige oder der Felsen des Stellwerks werden dadurch eigenständige Elemente von denen und durch die das Strömungsfeld der Bahn charakterisiert wird und erfahren werden kann.

Bahnhofsplatz
Die vorhandenen Hochpunkte (Kinohaus, Posthaus) prägen den Bahnhofsplatz in seiner modernistischen, industriellen Struktur. Der Kopfbau oberhalb des Busbahnhofs fasst den Bahnhofsplatz durch einen dritten Hochpunkt nach Südwesten. Das prägende Rondell bleibt im Zentrum erhalten und wird durch Bepflanzung zusätzlich gestärkt. Der umgebende Raum wird durch Leuchtenketten gegliedert, sodass Ruhezonen und Bewegungszonen selbstverständlich voneinander getrennt sind und auf einem Shared Space ein Miteinander der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer unterstützen.

Bahnhofstraße und Brückenschlag
Der Bahnhofsplatz bildet Auftakt und Endpunkt der Achse zwischen Stadtplatz über Maxplatz und Stadtpark bis zum Bahnhofsplatz. Auf dieser zentralen Achse ist die Entwicklungsgeschichte Traunsteins ablesbar. Beides wird durch den Brückenschlag über den Bahnraum nicht nur funktional sondern auch durch neue räumliche Sequenzen weitergeführt.
Um die Bahnhofstraße als vitale Verbindung bis zur Innenstadt zusätzliche zu stärken regen wir an, die Unterführungssituation an der Herzog-Friedrich-Straße zu ändern.

Busbahnhof
Unter das neue Gebäudevolumen werden die Parkbuchten für die Busse entlang der Bahnhofstraße räumlich gefasst und als Ort definiert. Eine Stadtterrasse inszeniert das Verschneiden der unterschiedlichen Niveaus. Hier werden Fahrräder und Gespanne durch einen große Lastenbühne transferiert. Ein großes in den Stadtkörper zusätzlich einschneidendes Verkehrsbauwerk wird vermieden.
In EG und 1.OG finden sich öffentliche Funktionen und Einzelhandelsflächen, darüber kann das Gebäude bedarfsgerecht z.B. für Startups, Co-working, Praxen, Büros oder temporäre Wohnformen (Hotel, Boarding-House) programmiert werden.

Martin-Luther-Platz
Das Quartier Crailsheimstraße ist durch den stillgelegten diagonalen Gleisraum geprägt (Martin-Luther-Platz), ebenso wie durch parkartigen Baumbestand. Ziel der Entwicklung ist es, beide räumlichen Entitäten stadthistorisch zu erhalten und zu charakteristischen Räumen im Stadtkörper zu entwickeln.
Der Parkraum soll hierzu zu einem Grünzug ausgebaut werden, der von der Rosenheimer Straße im Südwesten bis an den Bahnhofsplatz heranreicht und das stadträumliche Gegenüber für den Busbahnhof bildet.
Der städtische, enge Gassenraum der Martin-Luther-Straße wird durch durchlaufende Vordachzonen und eine kleinteilige Ladennutzung im EG-Bereich als Ort für kreatives Miteinander gestärkt. Als Platzraum bildet er das Zentrum des neuen Quartiers. Die Bebauung entwickelt die vorhandene Struktur weiter. Eine moderate Volumetrie schließt den von der Innenstadt heranwachsenden Stadtkörper ab.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Grundkonzeption der Arbeit basiert auf einer Stärkung der Bahnhofstraße im Zusammenhang mit der gewählten Ausprägung des Bahnhofsvorplatzes, einer bauplanerischen Neuorientierung des südlichen Areals im Anschluss an die körnige Struktur der Innenstadtbebauung und einer dominanten bahnbegleitenden Bebauung im Bereich des bestehenden Busbahnhofs. Differenziert betrachtet bieten die Ideen entlang der Bahnhofstraße durchaus räumlich funktionale Anreize, können aber mit einer vorgeschlagenen Unterquerung durch den Fahrverkehr an der Herzog-Friedrich-Straße und der raumgreifenden Fassung des Bahnhofsvorplatzes mit Straßenlaternen weniger überzeugen. Insbesondere die artifizielle Choreografie der Leuchtkörper zoniert den Bahnhofsvorplatz allzu sehr in „davor und dahinter“.

Die Neusortierung der südlichen Quartiersbebauung ist in Teilen des Bestandes am Kino durchaus nachvollziehbar, verliert aber im weiteren Bereich mit der direkten „Übersetzung“ des Abstellgleises in ein neues Quartier ohne Anschluss an die Nachbarschaft, erheblich an Qualität und Glaubwürdigkeit.

Die an sich interessante bahnbegleitende Neubebauung über dem bestehenden Busbahnhof verliert insbesondere im Modellmaßstab an Qualität, da sie im Kontext betrachtet zu mächtig, zu hoch und zu massiv erscheint. Die Idee, die Bahnbrücke für Radfahrer und Fußgänger mittels zweier Brückenkopfbauwerke zu bewältigen, führt zur berechtigen Frage in der Jury nach der Akzeptanz von zwei mechanischen Erschließungsbauwerken, insbesondere für Fahrradfahrer:innen.

Der in der Jury viel diskutierte Aspekt der angemessenen Körnung und Dimensionierung der Planungen auf dem Grundstück der Hartinger Unternehmensgruppe zeigt auch hier die Fragwürdigkeit der Ausbildung eines Doppelturms im Gegensatz zur Stärkung des bestehenden Hochpunkts mit einer durchaus dichten, aber eher flachen Bebauung gen Norden.

Die vorgeschlagenen Bausteine und Elemente zur Gestaltung der öffentlichen Räume sind in Teilen nachvollziehbar, zeigen aber in der Summe zu viele versiegelte Bodenbeläge und auch zu wenig erhaltenen und ergänzten Baumbestand. Dies wird im Sinne der Klimaresilienz und der Schwammstadtdiskussionen kritisch bewertet.

Die Verfasser:innen zeigen mit hoher Ambition auch viele Gestaltungsbausteine, die aber in ihrer konsequenten Darstellung und gestalterischen Ausformung zu kontroversen Diskussionen in der Jury führen. Vielleicht hätte ein Eingehen auf eine identitätsstiftende Architektur für ein Traunstein im 21. Jahrhundert mehr kontextuelle Betrachtungen der Besonderheiten dieser Stadt erfordert.

Die Realisierbarkeit der Entwurfsvorschläge könnte in vielen Teilen gegeben sein, da sie sich auf städtischem Grund und Boden befinden, wobei die Frage einer zielführenden Etappierung in der Jury unterschiedlich gesehen wird. Insgesamt bietet die Arbeit einen diskutablen und anregenden Beitrag zu den vielen Fragestellungen dieses Ideenwettbewerbs, der jedoch auch etliche kontrovers diskutierte Bausteine zur Diskussion gestellt hat.
Blick auf die Stadtterrasse zum Martin-Luther-Platz

Blick auf die Stadtterrasse zum Martin-Luther-Platz

Blick auf den Bahnhofsplatz und in die Bahnhofsstraße

Blick auf den Bahnhofsplatz und in die Bahnhofsstraße

Piktogramm

Piktogramm

Schnitt A-A

Schnitt A-A

Schnitt B-B

Schnitt B-B

Lageplan

Lageplan

Vertiefungsausschnitt

Vertiefungsausschnitt