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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2023

Park am Hochwasserbassin in Hamburg

1. Preis

atelier le balto

Landschaftsarchitektur

Büro c/o zukunft - Stadtplanung und Stadtentwicklung

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Entwurfsleitende Idee
Der Anspruch des Park in Progress knüpft an den von Otto Linne konzipierten ehemaligen Stolten-Park an. Durch die neuartige Verbindung sozialer, ästhetischer und ökologischer Aspekte setzt er baukulturelles Erbe fort und schafft zudem einen zeitgemäßen klimaresilienten Park der Zukunft. Der Entwurf schlägt räumliche Interventionen vor, die den Bestand auf landschaftlicher, baulicher und sozialer Ebene behutsam einbeziehen. Das Prinzip der Kümmer*innenschaft dient dabei als prozesshafte Ergänzung einer Grundgestaltung.
Freiraumplanerisches Konzept:
Grundidee, Maßstäblichkeit der Freiräume, Vielfalt und Zonierung der öffentlichen Freiräume, Aufenthaltsqualität, Barrierefreiheit, Freiraumverbindungen und Anschlüsse, Einbindung in die Umgebung, Berücksichtigung der vorhandenen Nutzungen und Akteure Die verzweigte Wegeführung schafft mit den Pflanzeninseln auf den schmalen Flächen die Atmosphäre eines weitläufigen Parks. Die wechselnde Ausrichtung der Wege verwebt Grün- und Wasserraum miteinander. Dadurch, dass Strukturen erhalten bleiben, gibt es immer Neues zu entdecken: Spielplätze, Pflanzen, Klinkergebäude, Sportflächen, Boote.
Wegeverbindungen/-profile und Bewegungsflächen Das Wegenetz besteht aus barrierefreien Wegen mit unterschiedlichen Bodenbeläge: Granitpflaster, Beton, Asphalt, Wassergebundenewegedecke. Einzelne Wege enden mit Ausblickspunkte auf die Kanäle, so dass spielerische Gegenüber-Situationen entstehen. Eine Stahlrampe ermöglicht einen barrierefreie Erschließung von der Süderstraße zum niedrigen gelegenen Parkbereich. Dort enden schmaleren Wege im Biotop in kleinen Pontons auf dem Wasser. Eine zweite Rampenanlage bietet einen ebenfalls barrierefreien Wasserzugang am Alten Recyclinghof. Eine weitere Rampenanlage führt in Richtung Kraftwerk Bille unter der Bahnbrücke.
Sport, Spiel- und Freizeitflächenangebote
Spiel-, Bewegung- und Freizeitflächen alternieren mit Verweilorten im Park mit mehr oder weniger gärtnerischen Atmopshären. Besuchende können zwischen Bewegungs- und Motorikangebote und nutzungsoffenen Orten aktiver Freizeitgestaltung wählen. Angebote von Kümmer*innen regen zur Mitgestaltung an. Wichtige Impulse geben digitale Tools - Civic Tech -, die als Kommunikations- und Buchungsplattform dienen. Siehe Detail dazu Tafel I.
Öffentliche Wasserzugänge
Der Fokus liegt auf der Schaffung einer ausgeprägten Verbindung von Wasserraum und Pflanzenwelt. Mit gezielten gärtnerischen Mitteln werden Blickbeziehungen geschaffen. Zwei Pontons mit Einlassstellen (nördlich und südlich) ermöglichen Nutzungen, während auf die Kanäle und im Bereich zwischen Süderstraße und Bullerdeich ruhige Verweilorte am Wasser vorgesehen sind.
Nutzungskonzept bzw. Berücksichtigung und Umsetzung von Nutzungsideen der beteiligten Akteurinnen und Akteure
Die Mischung von sportlichen und kulturellen Nutzungen sowie die Einbindung neuer Akteur*innen in der Gestaltung und Programmierung ist eine Qualität, die in Zukunft erhalten werden soll. Hier setzen die Konzepte der Kümmer*innen und der Parkmeister*in an. Sie ermöglichen ein ökologisch bewusstes Miteinander, das zudem Potenziale des Selbermachens entfaltet. Siehe Details dazu Tafel II. Nachhaltigkeit und Ökologie sowie deren Umsetzbarkeit Klimakrise und künftige städtebauliche Veränderungen im Quartier erfordern eine Anpassungsfähigkeit des Parks, die sich in Kleinteiligkeit und Diversität begründet. Kümmer*innen ermöglichen, dass ökologische Nachhaltigkeit, Klimaresilienz, Kultur und Soziales sich gegenseitig stärken. Der Umgang mit Bestand ist ressourcenschonend, vorhandene Dächer und Wände werden teilbegrünt, Bauten klimagerecht saniert. Siehe Details dazu Tafel I.
Gestaltqualität, Atmosphäre und Aufenthaltsqualität der Freianlagen
Die Nutzungen Sport, Spiel, Kultur definieren einzelne Bereiche. Wiederkehrende Gestaltungselemente durchziehen wie ein roter Faden diese unterschiedlichen Landschaften: Einfaches und elegantes Mobiliar besteht u.a. aus klassischen Holzbänken, schwimmenden Holzflächen, Leuchtelementen und hochwertigen Stabgitter- oder Maschendrahtzäunen. Die Wege werden mit gesägtem Granitstein gepflastert, erhalten eine pflegeleichte Beton- oder Asphaltoberfläche bzw. einen durchlässigen Bodenbelag. Die Bestandsvegetation erhält einen professionellen Pflegeschnitt und wird durch neue Bepflanzung erweitert. Pionierbäume, wie Birke, Weide, Pappel ergänzen zügig wachsend das Parkbild. Langlebige Bäume, wie Eiche, Vogelkirsche, Weißdorn bilden die zweite Generation.
Städtebauliche Maßnahmen zur Stärkung des Parks
Die städtebauliche Maßnahmen (Rückbau Gelbklinkerbau, Neuordnung Süderstraße, visuelle und physische Durchbrüche) folgen dem Ziel die umgebende Parknutzungen zu unterstützen und räumlich gefasste, abwechslungsreiche Landschaften zu bilden. Neue Baukörper (Multifunktionsgebäude, Mobilitäts-Hub, Dach, Orangerie) heben sich durch eine leichte Bauweise vom erhaltenswerten Bestand ab. Relikte der industriellen Geschichte des Alten Recyclinghofs bleiben erhalten oder werden mit durchlässigen Stahlstrukturen neu interpretiert: das Parkhaus und das Dach. Dieses wird rekonstruiert und erhält als Pendant die Orangerie. Beide behüten sportliche bzw. gärtnerische Aktivitäten.
Wirtschaftlichkeit in Erstellung, Unterhalt und Betrieb Die Realisierungskosten belaufen sich auf ca. 4.000.000€. Der laufende Unterhalt soll den Möglichkeiten des Bezirks entsprechen und betrifft vor allem die Ufer- und Randbepflanzung, um Blicke freizuhalten und die Grundgestaltung im Stand zu halten. Einzelne Abschnitte werden durch Kümmer*innen gepflegt. Grössere Bereiche, die als Wiese angelegt sind brauchen zwei halbjährlicher Schnitt, und die mit robusten Sträuchern und Stauden werden nach drei Jahren Entwicklungspflege zu extensiven Pflegebereichen.
Zusammenfassung (max. 400 Zeichen inkl. Leerzeichen)
Park in Progress berücksichtigt den Bestand und hebt durch gezielte behutsame Eingriffe die einzigartige Qualität des Ortes hervor. Durch die mäandernde Wegeführung erfahren Besuchende die beiden Räume Wasser und Pflanzen auf unterschiedlichen Ebenen. Das Zusammenwirken aus Mensch und Raum schafft neue Nutzungsmöglichkeiten von Freiräumen. Dadurch bleibt der baukulturelle Wert des Bestandes sichtbar, was zu einer Wertschätzung und Identifikation mit den Räumen führt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch einen progressiven Parktypus aus, der die vorhandenen Nutzungen und Freiraumstrukturen als DNA des Geländes erkennt und zur Basis für eine dynamisch-kuratierte Parkentwicklung macht. Dadurch entsteht eine prägnante Freiraumverbindung mit einer besonderen Nutzungsmischung, die dem Park über die angrenzenden Wohnquartiere hinaus Bedeutung verleiht.

Der Arbeit gelingt es in besonderer Weise, auf der einen Seite lokale Talente und spezifische Situationen neu in Wert zu setzen und auf der anderen Seite einen überzeugenden gestalterischen Rahmen zu entwerfen, der die Vielfalt zu einem Ganzen verbindet. Die Bestandsbauten werden in eine gärtnerische Matrix eingebettet und zu einem selbstverständlichen Teil der Parkidee. Eine feingliedrige Struktur schafft hier einen menschlichen Maßstab, der wie eine Kippfigur zwischen Stadt und Quartier vermittelt. In diesem Sinne wird die Erschließung auf schmale Pfade verteilt, die die gewünschte langsame Bewegung durch den Park ermöglicht. Unterstützt wird dies durch ein differenziertes Bepflanzungskonzept, das in den verschiedenen Parkbereichen ganz eigene Atmosphären kreiert. Im Norden entsteht so ein parkartiger Auftakt, wo größendifferenzierte Gehölze den Maßstabssprung zum Berliner Bogen vermitteln. Auch der Süden wird als Park entwickelt, wobei hier die Struktur als zu kleinteilig empfunden wird. Hier könnten manche Wege zugunsten weiterer Wiesenflächen entfallen.

Auch die Wasserzugänge sind sehr sorgfältig auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt: die Stege am Ende des Hochwasserbassins, die Pontons in den Ostkanälen als Verbindung ins Quartier, poetische Julia und Romeo-Stege oder die minimalen Wasserzugänge an der als Biotop geschützten Uferböschung. Der Steg am südlichen Parkende ist gut proportioniert, auch wenn die vorgeschlagene Lage noch nicht alle Aspekte für eine wasserrechtliche Genehmigung erfüllt.

Die Bahnerweiterung ist teilweise berücksichtigt. Hier sind geringfügige Korrekturen in der Lage notwendig sowie ein gestalterischer Umgang mit der östlichen Parkgrenze, die durch die Lärmschutzwand des Bahndamms bestimmt ist.

Kontrovers diskutiert wird die Notwendigkeit weiterer Nutzungsangebote. Berücksichtigt werden muss der eingefriedete Kitafreibereich im Norden sowie ein Alternativstandort für den Spielplatz im Bereich der Feuerwehrerschließung des BSV-Gebäudes.

Die Arbeit scheint im Kostenrahmen realisierbar, allerdings erfordert die gärtnerische Umsetzung eine besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf den Unterhalt. Der Kuratierung der Nutzerinnen und Nutzer kommt ebenfalls eine besondere Bedeutung zu. Hier gilt es ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, dass auch in einem öffentlichen Interesse funktioniert, wenn Akteure wechseln.

Insgesamt besticht die Arbeit durch eine Vision, die weit in die Zukunft gedacht ist und zugleich im Realisierungsbereich bereits schnell umsetzbare Maßnahmen aufzeigt. Durch die geforderte Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und lokalen Nutzerinnen und Nutzern sowie die Verbindung von städtischen sowie gärtnerischen Maßstäben entsteht hier ein innovativer Parktypus, der soziales Handeln und gestalterische Ansprüche auf ideale Weise miteinander verbindet.