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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2022

Neubau Feuerwache 1 Süd in Stuttgart

Teilnahme

PLANUNGXGRUPPE

Architektur

Erläuterungstext

Neubau der Feuerwache 1 in Stuttgart: bewahren, gestalten und öffnen
1888 – die Geschichte des Ortes Die Feuerwache 1 in Stuttgart stellt als erste Feuerwache der Stadt überhaupt eine unverzichtbare Funktion der Sicherheitsarchitektur im Innenstadtbereich dar. Das nach den Plänen von Baudirektor Prof. Alexander von Tritschler im Jahr 1888 errichtete, prachtvolle Gebäude wurde lange Zeit hybrid genutzt. Hinter den hohen Bogenfenstern über der Fahrzeughalle beherbergte es ursprünglich auch die Turnhalle der gegenüberliegenden, von Stadtbaurat Adolf Wolff geplanten Jakobschule. Feuerwehr und Schule bildeten gestalterisch ein Ensemble, das den Stolz der aufstrebenden Stuttgarter Bürgerschaft zum Ausdruck brachte. Ein weit sichtbarer Übungsturm mit einem schiefer-gedeckten Turmhelm bildete einen städtebaulichen Akzent, wodurch er weit über seine eigentliche Funktion hinauswies. Stallungen und Diensträume wurden in Nebengebäuden errichtet, welche ebenfalls noch erhalten sind.

1950 - Wiederaufbau in Zeiten des Mangels Die Feuerwache 1 wurde im 2. Weltkrieg stark beschädigt. Die Instandsetzungsmaßnahmen beließen zwar nahezu alle Wandbauteile, jedoch wurde der Turm niedergelegt und das freiwerdende Material vermutlich als Baustoff für die einfach gehaltene Aufstockung des Dachstuhls zu einem Vollgeschoss wieder verwendet. Der prägnante Natursteinsockel sowie die tragenden Innenwandelemente blieben dagegen fast vollständig erhalten. Im Bereich der ehemaligen Turnhalle wurden Decken eingezogen, die einstmalige Nutzung wurde zugunsten von Dienst - und Schlafräumen der Feuerwehr aufgegeben. Die historische Fassade mit dem Sichtmauerwerk und den vielen Sandsteinzierelementen wurde oberhalb des Sockels in Gänze verputzt, um eine einheitliche Wirkung nach außen zu erzielen. Die öffentliche Platzwirkung als Ensemble in Kombination mit der Jakobschule ging dadurch jedoch verloren. Das Ergebnis der Wiederherstellungsmaßnahmen zeigt die Feuerwache in der Gestalt, wie sie sich uns heute noch darbietet. In den 70er / 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Bögen im mittleren Sockelbereich vermutlich zugunsten breiterer Tordurchfahrten durch einen durchgehenden Flachsturz ersetzt.

2022 - Neubau der Feuerwache 1: Stadtbaukollage Grundlagen und Vorgaben zum Neubau der Feuerwache 1: Die Verortung der Berufsfeuerwehr in einem historischen Viertel mit überwiegender Wohnbebauung aus der Gründerzeit und einer Schule in unmittelbarer Nachbarschaft wurde sowohl 1950 als auch 2022 bestätigt. Die gestiegenen Anforderungen an den Ablauf der Tätigkeiten, an die Arbeitssicherheit, aber auch an soziale Aspekte und dergleichen mehr, machen jedoch einen Neubau der Feuerwehr 1 an gleicher Stelle erforderlich. Dabei sind ein umfangreiches Raumprogramm und hohe technische Bedarfe mit den Forderungen nach einem gut durchdachten Energiekonzept und Nachhaltigkeit übereinzubringen.

Übergeordnetes Entwurfskonzept
Der geplante Neubau der Feuerwache 1 in Stuttgart Süd greift das Konzept des Weiterbauens und Wiederverwendens auf und integriert Teile der historischen Bausubstanz von 1888 und 1950 in die Fassadengestaltung. Wie in dem umgebenden, über Jahrhunderte gewachsenen und sich verändernden Stadtviertel, collagiert der Entwurf die unterschiedlichen Funktionen des Feuerwehrgebäudes; Verwaltungsbau, Feuerwache usw. werden in einem neuen Ensemble zusammengefasst. Sie bilden nach außen eine Einheit und umschließen mit drei mehrgeschossigen, riegelförmigen Bauteilen einen Innenhof entlang der Katharinenstraße, der Jakobstraße und der Heusteigstraße. Der Neubau wird unmittelbar an das bestehende Gebäude des Marienheims und an das neu geplante Gebäude des Siedlungswerks angeschlossen, die Häuserfluchten werden dadurch fortgesetzt. Die neuen Gebäude werden in die vorhandene Bausubstanz integriert, die gewachsen Stadtbaucollage somit fortgesetzt.

Fassadenrhythmus Katharinenstraße
In der Gestaltung der Fassaden und der Baumassen der Jakobschule und des Marienheims ist eine abwechselnde Rhythmisierung von flächigen und hervortretenden Fassadenteilen im Schema „a-b-a-b“ erkennbar. Dies bewirkt den angenehmen Effekt, dass diese großen Baumassen eine Vermittlung erfahren und nicht monoton wirken. Sowohl Jakobschule und Marienheim waren mit enormen Ziergiebeln angelegt, die ein Aufbrechen der Traufen bewirkten. Während diese beim Marienheim erhalten sind, gingen sie bei der Jakobschule im Zuge von Kriegseinwirkungen und Wiederherstellung verloren. Der Neubau adaptiert das klassische Motiv der alten Meister invers. Das Schema „a-b-a-b“ wird aufgegriffen. Die schmaleren Fassadenteile treten zurück. Auf diese Weise entsteht eine Auflockerung der Baumassen und ein Aufbrechen der Traufe in dezenter Weise. Die Übernahme dieses Motivs führt überdies zu einer zweite Bezugsebene: die Assoziation zu einer gewachsenen, kleinteiligen Struktur, wie sie sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite finden lässt. Zur Ecke Katharinen-/Jakobstraße entsteht eine angemessene Eckbetonung, wie sie sich auch bei der Jakobschule in Form eines Eckrisalits findet, welcher ursprünglich durch einen Ziergiebel noch überhöht war.

Fassadengestaltung: Integration der historischen Bausubstanz
Der Sockelbereich der Gründerzeit, der sich durch die Integration der Bestandsfassaden entlang der Heusteigstraße und Teilen der Jakobstraße ergibt, wird in gleicher Höhe bis zur Katharinenstraße und bis zum Anschluss an das Marienheim verlängert. Zur Katharinenstraße hin werden die Ein- und Ausfahrt für die Feuerwehrfahrzeuge von und in den innenliegenden Alarmhof klar konzipiert und erkennbar gehalten, um die ungehinderte permanente Durchfahrt der Feuerwehrfahrzeuge zu gewährleisten. Besondere Bedeutung kommt der Fassade zum verkehrs-beruhigten Bereich der Jakobstraße zu. Ein Einschnitt im Sockelbereich, der zum Innenhof durch ein „Schaufenster“ getrennt wird, erlaubt allen Passanten, Fußgängern und Interessierten Einblicke in die spannenden Abläufe des Feuerwehrbetriebes. Hier befindet sich auch der neue Besucherzugang, der u.a. zur Feuerwehrhistorischen Sammlung und auf den Stadtbalkon führt. Dieser Stadtbalkon entsteht oberhalb des „Schaufensters“ durch einen Rücksprung in der Fassadenflucht als begrünte Dachterrasse, welche einen wunderbaren Ausblick in die Stadt bietet und bei verschiedenen Anlässen als hochwertiger Außenraum genutzt werden kann.

Die Fassade der dahinter liegenden Räumlichkeiten wird begrünt und schafft eine qualitätvolle Ansicht zur gegenüberliegenden Jakobsschule. 1 8 3 1 8 7 2 Ebenfalls an der Jakobstraße wird ein Turm errichtet, welcher über die Beherbergung der Alarmsirene hinaus eine Reminiszenz an die ursprüngliche Feuerwache darstellt und die Funktion der Feuerwehr intuitiv vermittelt. Damit wird ein sich in Stuttgart mehrfach auffindbares Bauelement wiederholt, das sich an markanten Gebäuden wiederfindet (z.B. Graf Eberhard-Bau). Hier besteht die Möglichkeit, die Aktivität der Feuerwehrleute durch Illumination auf der perforierten Ziegelhaut abzubilden – „Alarm = Illumination“.

Große Bogenöffnungen im Sockelbereich der Fassade entlang der Jakobstraße stellen nicht nur wieder eine formale Verbindung zur Jakobschule im Sinne eines Ensembles her, sondern zitieren gleichzeitig die Gestaltung des Ursprungsbaus. Auch der umlaufende Sockel und die verwandten Gestaltungselemente in den Bestands- und Neubaufassaden machen die kontinuierliche Entwicklung des Gebäudes ablesbar.

Entlang der Katharinenstraße schafft die feingliedrig strukturierte Lochfassade aus Ziegeln und Holzfenstern menschliche Maßstäbe und gibt dem Gebäude eine städtische, klassische Erscheinung. Die möglichst wiederzuverwendenden Abbruchziegel des Altbaus werden in der Fassade verbaut und durch einen schützenden Schlämmputz vor Feuchtigkeit geschützt. In der Heusteigstraße überwiegt die historische Fassade - während sich die ergänzte Fassade in Sprache und Position unterordnet. Die Bestandsfassade tritt leicht vor die des Ergänzungsbaus hervor und erhält einen Exponatscharakter. Vom Putz der Nachkriegszeit befreit werden sich die Schichten der Zeit wiederfinden: Das alte zweifarbige Sichtmauerwerk, mit den plan behauenen Sandsteinelementen, sowie die aufgefüllten und aufgestockten Wandteile der Fünfzigerjahre.

Beide Fassaden werden durch Vor- und Rücksprünge gegliedert. Gleichzeitig wird auch die Firsthöhe variiert, um das beträchtliche Gebäudevolumen optisch aufzulösen. Auch hier findet sich der Bezug zu den umliegenden, teilweise historischen Fassaden wieder, die eine ähnliche, kleinteilige Rhythmisierung aufweisen.