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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2023

Neubau der Hochschule für Gestaltung HfG Offenbach

3. Preis

Preisgeld: 60.000 EUR

Kim Nalleweg Architekten

Architektur

STUDIO RW | Landschaftsarchitektur + Stadtplanung

Landschaftsarchitektur

Ingenieurbüro Hausladen GmbH

Bauphysik, TGA-Fachplanung, BIM-Management

ArtefactoryLab

Visualisierung

Erläuterungstext

Der Entwurf für den Neubau der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main schlägt eine prägnante Kunst-, Design- und Kulturfabrik des 21. Jahrhunderts mit explizitem Bezug zum Wasser am Hafen von Offenbach vor. Die robuste Architektur fördert die Prozesshaftigkeit einer Hochschule, die sich als Ort der Lehre, des Forschens, der Produktion, Reflexion und des Diskurses versteht, aber auch der Herausforderung etablierter Kulturverständnisse stellt, indem sie Spielräume in der Nutzung in Form von flexibler und unprogrammierter Flächen bietet. Das Werkstattgebäude befindet sich im Zentrum des neuen Campus. Nach Westen hin spannt sich mit dem Park der Durchsicht und dem dahinterliegenden Hauptgebäude der repräsentative Teil der Hochschule auf. Gen Osten befindet sich der hochschulinterne Bereich mit dem Möglichkeitsraum des Versuchsfeldes und dem neben der bestehenden Wohnbebauung angeordneten Studierendenwohnheim.
Die Hochschule ist als eine Stadt in einem Haus konzipiert; eine Struktur aus industriellen Fertigteilen mit großer Kapazität, reichhaltige und diverse Aktivitäten im Interesse der Hochschule, der Stadt und der kreativen, industriellen Umgebung zu ermöglichen. Diese Struktur soll der Hochschule die Möglichkeit geben, sich zu jedem Zeitpunkt neu definieren zu können, verschiedene Interventionen, Rückwandlungen und Kursanpassungen fördern, gleichzeitig aber einen Punkt der Identifikation mit Ort und Gebäude schaffen. Die großen Räume in beiden Gebäuden schaffen eine ständige Konfrontation mit der Frage ihrer Nutzung und Aneignung und fordern Studierende, Lehrende und Besuchende auf, eine stets im Wandel befindliche, eigene Praxis des Raumes zu entwickeln.
Konstruktion und Materialität sind industriell und einfach gehalten - in der daraus entwickelten Form findet sich wiederum der Wille, der Hochschule einen eigenen Ausdruck zu verleihen. Die Form macht die Eigenständigkeit des Gebäudes in der Nachbarschaft aus und lässt die Funktion als Kunsthochschule erkennen. Sie vermittelt durch das Abtreppen der Gebäude hin zum Wasser und durch die zur Straße ausgebildeten Hochpunkte zwischen kleinteiliger Wohnbebauung und den großen Blöcken der industriellen Umgebung.
Terrassen ergänzen auf allen Geschossen die intensive Arbeitsumgebung und bieten hohes Potenzial für zufälliges und auch gezieltes Zusammenkommen.
Die Funktionen werden auf drei Häuser aufgeteilt: Das Hauptgebäude C1-2 mit Ausstellungflächen, Bibliothek, Mensa und Verwaltung auf Baufeld A; das Werkstattgebäude C3-5, welches die Werkstätten, einen Großteil der Studioflächen und informelle, nutzungsoffene Räume vereint und das Studierendenwohnheim C6 auf Baufeld B. Die Fassadenschicht aus großen Toren, Schiebe- und Faltelementen im Erdgeschoss erlaubt ein fließendes Zusammenspiel von Innen und Außen. Rückgrat und roten Faden des Ensembles bildet die Passage, welche parallel zur Straße, zweigeschossig auf Bodenniveau durch die beiden Gebäude führt. Hier befinden sich zur Durchsicht gerichtet die Haupteingänge der beiden Häuser. Um die Idee einer „Sollbruchstelle“ abzubilden, kann das zurzeit am meisten benötigte Werkstattgebäude zuerst, später dann das Hauptgebäude errichtet werden. Platz für eine Erweiterung bietet die große Fläche auf Baufeld B, die unterschiedliche, zukünftige Erweiterungsszenarien erlaubt und bis dahin als minimal gestaltete Freifläche genutzt werden soll. Diese Fläche soll an Nutzungen des brachliegenden Grundstücks durch die HfG in der Vergangenheit erinnern und durch ihren experimentellen Charakter als Versuchsfeld Nährboden für in der Zukunft liegende Imagination der Institution sein.
In Verbindung zu dieser hauptsächlich der Hochschule und ihrer Entwicklung zugeschriebenen Freifläche steht die Gestaltung der Durchsicht, welche den öffentlichen Charakter und die Verzahnung mit der Struktur der Umgebung unterstreicht. Hier und im Raumkomplex des Foyers, der Ausstellungsräume und der Aula im Hauptgebäude sind die Orte, an denen die Hochschule ihre Strahlkraft in die Öffentlichkeit entwickeln kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit positioniert sich mit 2 geschwisterlichen Hauptvolumina auf Baufeld A & B. Die beiden kartesischen Volumina, die wie passgenaue Puzzleteile auseinandergeschoben erscheinen, sind präzise entlang der Baulinien zur Hafenallee hin ausgerichtet und spannen aufgrund ihrer leicht unterschiedlichen Ausrichtungen wie selbstverständlich einen sich öffnenden parkartigen Raum als Durchsicht zum Hafen auf.

Durch die Kompaktheit und Anordnung der beiden Baukörper entstehen in diesem Entwurf zwei größere Freiräume, die parkartig mit viel Grün gestaltet sind. Dabei ist der Raum zwischen Gebäuden an der Straße enger und öffnet sich in Richtung Main. Die Baumsetzungen wirken hier sehr zufällig und verstellen die Durchsicht. Beim zweiten Freiraum, könnte man erwarten, dass selbst mit der Erweiterung ein großzügiger und qualitätvoller Freiraum erhalten bleibt. Die Potentialfläche zur Erweiterung zwischen Bauteil B und Studierendenwohnheim wird konzeptbedingt zu einem Freiraum, der zu mindestens maßstäblich in Konkurrenz mit der Durchsicht tritt. Gleichzeitig lässt dieser jedoch erahnen, dass selbst mit dem Erweiterungsbau ein großzügiger und qualitätvoller Freiraum erhalten bleibt. Eine mögliche Bauabschnittsbildung (Sollbruchstellen) auch im Baufeld B ist nicht ausreichend differenziert dargestellt.

Beide Hochschulgebäude arbeiten in ihrer Volumetrie primär mit den zwei Adressen zur Hafenallee einerseits und zum Wasser andererseits. Tektonisch auf einem simplen Konstruktionsraster aufbauend, wird die Baumasse einerseits zur Durchsicht und zum Wasser hin abgetreppt und generiert eine Architekturlandschaft, die auf allen Ebenen Innen- und Außenräume miteinander verwebt. Andererseits wird die Baumasse zur Hafenallee aufgetürmt, sodass die Traufhöhen des Bebauungsplanes hier erheblich überschritten werden.

Das Preisgericht würdigt ausdrücklich diese Konzeption und Komposition, ist sich aber der deutlichen städtebaulichen Kontroversen bewusst.

Das Studierendenwohnheim wird als dritter Teil eines Ganzen am östlichen Rand von Baufeld B positioniert. Die Westund Ostausrichtung der Appartements mit umlaufendem Balkon ist sinnfällig und attraktiv, die Abtreppung über zwei große Dachterrassen zum Main, zugänglich über extra programmierte Gemeinschaftsräume schafft eine städtebauliche Zusammengehörigkeit des Campusgeländes an der Wasserkante.

Die Sozialräume der Mensa und interne Funktionsbereiche müssen der Funktionseinheit zugeordnet werden und können auch im Keller vorgesehen werden. Eine Fremdnutzung in diesen internen Bereichen ist auszuschließen.

In Bezug auf die Hochschulgebäude würdigt das Preisgericht insbesondere die tektonische Struktur & Figur eines skelettartigen simplen Gerüstes aus STB-Fertigbauteilen mit großer Spannweite von 14 m, das sowohl Spielraum zur Aneignung belässt, aber auch im Ausdruck eine adäquate Erscheinung und Atmosphäre für eine zeitgenössische Kunsthochschule generiert. Durch sichtbare und sinnfällige Differenzierung in Rohbau und Ausbau ist größte langfristige Flexibilität gewährleistet.

Das Stahlbetontragwerk kann ohne größere Probleme im geforderten Feuerwiderstand von 90 Minuten hergestellt werden. Es wird eine flächendeckende Löschanlage in öffentlichen und halböffentlichen Bereichen zur Kompensation der 22 Brandabschnittsbildung geplant. Eine Löschanlage in Teilbereichen wird aufgrund der Anforderungen zwischen den Bereichen als kritisch beurteilt.

Die Eingangssituationen für Bauteil A und B liegen sich sichtig gegenüber und leiten beide in offene hallenartige Raumkontinuen, die sowohl auf der Horizontalen Ebene als auch in der Vertikalen über verschiedene offene Treppen alle Bereiche fließend miteinander verbinden.

Zugunsten größtmöglicher Flächen für Kommunikation, Produktion und Ausstellung wird auf eine Flurbildung fast verzichtet. Unter quantitativen Gesichtspunkten wird dieses Angebot jedoch kritisch bewertet, der Verkehrsflächenanteil ist zu hoch.

Die gewünschten räumlichen Beziehungen zwischen Innenräumen und dem Außenraum (vor allem zur Wasserseite), auch damit einhergehend mögliche temporäre Programmierungen, werden in dieser Arbeit mit großer Selbstverständlichkeit auf allen Ebenen angeboten, die Grenzen zwischen Innen und Außen durch eine Glas-Fassade und textile Schichten transparent aufgelöst.

Hinsichtlich ihrer Größe und funktionaler Parzellierung bedürfen die Technikflächen einer Konkretisierung.

Die hessischen Anforderungen zur Erreichung des Niedrigstenergie-Standards können mit dem vorliegenden Entwurf gut erfüllt werden. Dennoch lässt der hohe Glasflächenanteil in der Fassade den Rückschluss zu, dass zumindest einzelne Gebäudeflächen technisch konditioniert werden müssen.

Der Wärmebedarf soll durch den Fernwärmeanschluss gedeckt werden. Der Strombedarf soll ergänzend zum Netzanschluss durch eine Fotovoltaikanlage gedeckt werden.

Insgesamt werden das Energiekonzept und der geplante Einsatz von erneuerbaren Energien positiv bewertet. Die vorliegenden Potenziale werden dennoch nicht vollständig ausgeschöpft. Zur Verringerung der Energiegehalte in den Baustoffen werden Vorschläge zur Verwendung von recycelten Materialien gemacht.

Insgesamt erscheint das Nachhaltigkeitskonzept plausibel und öffnet den Blick für die Hebung weiterer Potenziale.

Der Wettbewerbsbeitrag liegt – bezogen auf den vorgegebenen Kostenrahmen – in der vergleichenden Kostenbetrachtung über dem Durchschnitt aller Wettbewerbsbeiträge und über dem Wert der Vorgaben aus dem „0"-Projekt.

Die Arbeit liefert insgesamt einen Beitrag, der trotz größerer städtebaulicher Kontroversen, überaus attraktive, flexible und atmosphärisch sinnfällige Innen- und Außenräume anbietet. In ihrer gesamten Erscheinung liefert sie einen unaufgeregten und äußerst lebendigen Auftritt, der für eine Kunsthochschule der Zukunft und für die das Hafenquartier der Stadt Offenbach auch ikonischen Wert generiert.