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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2023

Neubau des Illerstegs in Kempten (Allgäu)

Ansicht bei Abenddämmerung - Visualisierung

Ansicht bei Abenddämmerung - Visualisierung

Anerkennung

DR. SCHUETZ INGENIEURE Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

1. Gestaltungsidee/Leitbild
Der bestehende Illersteg ist durch eine neue Fuß- und Radwegbrücke zu ersetzen. Das außergewöhnliche Naturerlebnis der Iller und der Illerauen wird durch den Entwurf akzentuiert und hervorgehoben werden. Die möglichst flach gehaltene Gradiente mit der großzügigen Brückenbreite soll in Verbindung mit den seitlichen Tragwerken platzartig überführen und zum Verweilen einladen. Die neue elegante Brücke ist dynamisch und selbstbewusst und fügt sich trotzdem sensibel in den Naturraum ein. Die moderne Formensprache, die sich auch durch die Formgebung der Querschnitte und die helle Farbgebung konsequent durchzieht, soll keine Konkurrenz zum historischen Stadtbild darstellen; der neue Steg wird die Brückenfamilie der bereits bestehenden Illerbrücken um ein weiteres attraktives und eigenständiges Bauwerk ergänzen.
Der spannende Wechsel von Stadt – Flusslandschaft sowie Illerauen wird erlebbar gemacht, ein Spaziergang durch drei Zonen; auf dem Weg in die Innenstadt, oder zurück in die Wohnquartiere. Durch das gewählte Tragwerk kann die Konstruktionshöhe der Fahrbahnkonstruktion minimiert werden. Ein barrierefreier Übergang mit geringem Längsgefälle wird dadurch ermöglicht und es entsteht eine attraktive und sichere Querung mit vielfältigen Blickbeziehungen. Der integrale Entwurf der nahezu einfeldigen Brücke erlaubt einen optimalen Hoch-wasser¬abflussquerschnitt. Es werden lediglich beidseitig Widerlager hergestellt. Diese werden konsequent in hoher gestalterischer Qualität ausgebildet und folgen dem optimierten Kraftfluss. Der Eingriff in den Naturraum wird dadurch im Bau und in der Nutzung minimiert.

2. Integration des Bauwerks in die Umgebung (städtebaulicher und natur- beziehungsweise landschaftsräumlicher Kontext)
Die Brücke dient einer wichtigen, hochfrequentierten Geh- und Radwegverbindung über die Iller, mit unmittelbarem Zugang zur historischen Altstadt. Der markante Grünzug entlang der Iller bildet einerseits Räume für die Naherholung und trennt andererseits die östlich gelegenen Wohnquartiere von der Innenstadt. Das Bauwerk wird trotz seines Tragwerks über der Fahrbahn so zurückhaltend wie möglich in den wertvollen Natur- und Landschaftsraum eingefügt und bildet zusammen mit dem grünen Rahmen eine elegante Zäsur. Ziel ist der Erhalt des Charakters des Planungsgebietes. Der prägende Baumbestand wird erhalten. Die Eingriffe in Boden und Vegetation werden ebenfalls möglichst gering gehalten. Die Aufenthaltsqualität entlang des östlichen Brückenanschlusses wird durch die Sitzplatzangebote deutlich verbessert, die bestehenden Wegeverbindungen auf der Westseite werden erhalten und aufgewertet, da großzügiger ausgelegt. Die Brücke und ihre Anschlüsse werden sensibel in die Gegebenheiten eingefügt und bilden das zukünftige „Tor zur Innenstadt“. Durch die neue Brücke werden die Wege- und Freiraumverbindungen zwischen der östlichen Stadt und der Kernstadt deutlich verbessert und im Hinblick der Entwicklung als Naherholungsraum optimiert. Insgesamt wird die Ertüchtigung des Wegenetzes aber zurückhaltend durchgeführt, um den sensiblen Naturraum und Dammbereich der Iller nicht allzu sehr durch Baumaßnahmen zu stören. Die natur- und artenschutzfachlich hochwertigen Bäume können allesamt erhalten werden.

3. Verkehr und Wegekonzept (Anbindung des Brückenbauwerks an bestehende Wege)
Die Brücke mündet auf der westlichen Stadtseite in platzartigen Aufweitungen, welche den Anschluss an die bestehenden Verkehrswege herstellen und gleichzeitig als Verteiler für Fußgänger und Radfahrer dienen. Die Plätze und Wege sollen mit hochwertigem Belag befestigt sein, um den hohen technischen Belastungen im Übergangsbereich Brücke – Wegenetz standzuhalten. Die Plätze sind in Form und Ausgestaltung bewusst einfach gehalten und werden sich in die urban geprägte Umgebung ruhig und selbstverständlich einfügen. Der von der Jahnstraße kommende Fuß- und Radweg auf der Ostseite wird unverändert geführt, es wird vorgeschlagen, dass dieser zukünftig besser ausgebaut wird. Die neue Gradiente wird eng an der bestehenden Gradiente geführt, um den Eingriff in das Gelände zu minimieren und die Barrierefreiheit ohne störende Zwischenpodeste zu gewährleisten. Die Längsneigung in Brückenachse ist mit max. 1,8 % sehr gering. Die Gefälle in dem westlichen Vorplatz überschreitet an keiner Stelle 3,6 % auf kurzer Länge. Die Anbindung am östlichen Illerdamm ist ebenfalls mit 3,3 % sehr moderat.

Die Brücke weist über die gesamte Länge eine konstante Breite von 6,50 m zwischen den Handläufen auf.

4. Tragwerk und Konstruktion: Überbau, Rampen, Lagerung, Widerlager, Pfeiler, Gründung
Das Netzwerkbogentragwerk aus Stahl erlaubt sehr schlanke Querschnitte und erfüllt die zahlreichen Anforderungen, insbesondere der Stützenfreiheit im Abflussquerschnitt, sowie der Barrierefreiheit, optimal. Charakteristisch ist ein klares, einfaches Konstruktionsprinzip. Die Konstruktion ist mit ihren glatten Flächen optimiert, einfach in der Herstellung und im Unterhalt. Das Tragwerk wird in Stahl S 235 hergestellt. Die Hänger werden vollverschlossenen Seilen mit 19 mm Durchmesser hergestellt.Gemäß statischer Vorbemessung sind für die Gurte Blechdicken von maximal 25 mm, für die Stege 15 mm ausreichend. Diese moderaten Blechdicken sind gut geeignet um auch die dynamisch geformten Querschnitte herstellen zu können. Die Bauhöhe der Fahrbahnkonstruktion ist mit 60 cm minimiert und doch sehr robust. Es wird vorgeschlagen, zwischen den Querträgern, die im Abstand von 2,50 m angeordnet sind, Gitterroste aus leichtem GFK einzubauen. Durch die konstruktive Durchbildung wird einerseits eine „taubensichere“ Lösung erreicht und andererseits eine dauerhafte Zugänglichkeit zur Fahrbahnkonstruktion und den Sparten ermöglicht. Die Brücke wird integral, fugenlos und ohne Lager ausgeführt. Die Widerlager auf der West- und Ostseite werden nach dem vorliegenden Baugrund-gutachten tief mit Kleinbohrpfählen gegründet. Hier können ohne weiteres ggf. auch kostengünstige Gewi-Pfähle zur Ableitung der Kräfte in den Baugrund verwendet werden. Eingriffe in das Flussbett sind nicht erforderlich.

4.1 Wesentliche Kenngrößen der Entwurfsstatik
Gemäß beiliegender Vorbemessung sind die maximalen vertikalen Verformungen im Feld unter charakteristischer Beanspruchung ca. 43 mm aus voller Verkehrsbelastung. Dieser Wert ist gering und entspricht ca. l/840. Die zulässigen Verformungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit werden somit problemlos eingehalten; eine Schwingungsanfälligkeit des Bauwerks ist aufgrund der ausreichenden Steifigkeit nicht zu erwarten; die Eigenfrequenzen wurden untersucht und liegen oberhalb der kritischen Bereiche. Ein kosten- und unterhaltsintensiver Schwingungstilger ist nicht erforderlich.

4.2 Technische Ausstattung, Beleuchtungskonzept, Geländer, Belag
Die Fahrbahnfläche wird mit einem V-förmigen Quergefälle ausgeführt. Das Wasser kann über drei Brückeneinläufe gesammelt und direkt in die Iller abgeleitet werden. Die Beleuchtung erfolgt kontinuierlich mit in den Handläufen integrierten LED-Leisten. Diese strahlen die hellen Oberflächen der Konstruktion und den hellen Fahrbahnbereich an, was zu einer sehr angenehmen Ausleuchtung führt. Eine Blendwirkung für den Benützer kann ausgeschlossen werden. Als Absturzsicherung dient ein 1,30 m hohes Geländer, das neben einer Edelstahlnetzfüllung einen einfachen Handlauf aus Edelstahl erhält. Am Fahrbahnrand wird im Sinne der Barrierefreiheit ein Radabweiser angeordnet, der auch als Abschluss zum Asphalt dient.

4.3 Materialkonzept und -auswahl
Der Überbau der integralen Brücke wird aus Stahl, die Widerlager und Fundamente werden in Beton hergestellt. Die Materialien sind äußerst robust und dauerhaft, was in dem relativ feuchten Flussklima zu einer langen Lebensdauer führt.
Für den Beton wird vorgeschlagen CO2 armen Zement zu verwenden, um die Emissionen aus der Herstellung zu verringern. Die Materialwahl ist ressourcen-schonend, erprobt und langlebig. Der Farbasphalt und der Anstrich der Stahlflächen ist in einem angenehm hellen Ton vorgesehen.

4.4 Geschätzte Mengenangaben (Beton, Stahl etc.)
Für den gesamten Überbau incl. der Schrägstreben auf der Ostseite werden ca. 220 t Stahl S 235 benötigt, für Fundamente und Widerlager ca. 210 m³ Beton. Diese Tragkonstruktion hat aufgrund der hohen Tragfähigkeit einen relativ geringen Material- und folglich Ressourcenverbrauch. Der Materialverbrauch bei vergleichbaren klassischen Bogenbrücken liegt um ca. 20 % höher.

4.5 Kostenschätzung
Die Baukosten (brutto) belaufen sich gemäß beiliegender Kostenschätzung auf ca. 3,65 Mio. € brutto; auf die Bauwerksfläche bezogen entspricht dies ca. 6.500 €/m² brutto.

5. Herstellungsverfahren und Montagekonzept (mit Bauphasen, Inanspruchnahme Flächen für Baustellenlogistik)
Die gesamte Herstellung des Stahlüberbaus ist mittels Hubmontage gut realisierbar.
Für die Phasen des Einhubs sind kurze Vollsperrungen der begleitenden Straßen möglich. Während der restlichen Bauphasen kann der Verkehr hier nahezu ungehindert fließen. Für die Herstellung der Widerlager ist eine gute Zugänglichkeit außerhalb des Normalwasserabflusses gegeben. Der Systemschluss zum integralen Bauwerk erfolgt nach dem Aushärten der Widerlager und dem Freisetzen der Hilfsauflager durch das Zusammenschweißen der Bindebauteile am Widerlager West bei gleichmäßigen Temperaturen. Die gesamte Stahlbauherstellung erfolgt im Werk, die Anlieferung kann in wenigen Einzelelementen auf die Baustelle erfolgen. Für die Montage der Stahlelemente können die bestehenden Stützen als Hilfsstützen verwendet werden. Dadurch erfolgt eine sichere Montage ohne Eingriff in die Iller. Nach Fertigstellung der neuen Brücke werden die bestehenden Pfeiler und Fundamente während einer Niedrigwasserperiode rückgebaut.

6. Wartung und Instandhaltung
Die integrale Brücke ist vollständig zugänglich und auch aufgrund der eingesetzten Materialien und Bauweise bewährt und wartungsarm. Die Stahlkonstruktion ist gut prüfbar; die Anzahl an Hohlräumen ist minimiert und wartungsfrei dichtgeschweißt. Die Unterhaltung kann einfach von der Fahrbahnseite her erfolgen. Auf dem Bauwerk kann ein Brückenuntersichtgerät als Korbgerät (z.B. Wemo AB 19) mit bis zu 32t Eigenlast für die Brückenprüfungen verwendet werden. Das Gerät kann über die Bögen greifen kann, dadurch ist eine Brückenprüfung der Untersicht vollständig möglich.
Die Brücke ist deshalb für die in der Auslobung vorgegebenen Fahrzeugklasse bis zu einem Gesamtgewicht von 12 t ebenfalls gut befahrbar.

Beurteilung durch das Preisgericht

Entwurfskonzept
Die Bogenbrücke mit ihrem filigranen Tragwerk bildet ein geeignetes Verbindungselement beider Illerufer sowie eine angemessene Eingangssituation in das Stadtzentrum von Kempten.

Städtebau
Auf die unterschiedliche Situation auf beiden Uferseiten wird mit differenzierten Wiederlagerausbildungen reagiert. Dadurch kann der obenliegende Bogen vollumfänglich wahrgenommen werden. Die Aufenthalts- und Freizeitpotentiale im Bereich der Illerauen auf der östlichen Uferseite werden dabei vorbildlich genutzt. Die städtebauliche Einbindung des Brückenbauwerks erfolgt wie selbstverständlich.

Statisch-konstruktives System
Die Kombination aus obenliegendem Bogen mit einseitig unterhalb der Gehwegplatte liegender Stützkonstruktion spiegelt die Asymmetrie des Ortes wider. Dadurch wird eine städtebauliche Alleinstellung erreicht, die an diesem Ort stimmig erscheint und sich in das Umfeld einfügt.
Durch den Bogen und die Fahrbahn mit zueinander passenden Steifigkeiten sowie den dazwischen gespannten, netzartig angeordneten Hängeseilen vermittelt das Bauwerk Leichtigkeit und Transparenz. Kritisch ist anzumerken, dass die Brückenunterseite keine besondere gestalterische Qualität aufweist.
Die Anbindung an das westliche Wiederlager nimmt die Bogenform auf und leitet diesen harmonisch in den Unterbau. Im Osten werden sinnvollerweise die Kräfte entlang der Topographie fachwerkartig aufgelöst.

Funktionalität und verkehrsplanerische Funktion
Die Funktion als Geh- und Radwegbrücke ist mit nebeneinanderliegenden Bereichen in ausreichender Breite ohne weitere bauliche Trennung erfüllt. Materialaufwand/Wirtschaftlichkeit und Aufwand zum Unterhalt Durch das klassische und effiziente Tragwerk wird der Materialaufwand minimiert. Die Wirtschaftlichkeit in der Herstellung ist gegeben. Der Bauunterhalt erscheint bei dem gewählten oberliegenden Tragwerk teilweise aufwändig, da die Brückenunterseite nur durch hohen technischen Aufwand geprüft werden kann. Bedingt durch die gewählte Stahlkonstruktion muss damit gerechnet werden, dass der Anstrich nach 10 bis 15 Jahren zu erneuern ist, was auf Grund des Gewässerschutzes mit erhöhtem Aufwand (z.B. Einhausung) verbunden wäre.

Die vorliegende Arbeit bildet insgesamt einen wertvollen Beitrag zur Lösung der Wettbewerbsaufgabe.
Ansicht von Süden - Visualisierung

Ansicht von Süden - Visualisierung

von Norden - Visualisierung

von Norden - Visualisierung

Einbindung Widerlager Ost

Einbindung Widerlager Ost

Einbindung Widerlager West

Einbindung Widerlager West

Querschnitt

Querschnitt

Lageplan

Lageplan