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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Deutsche Oper am Rhein - Opernhaus der Zukunft in Düsseldorf

Preisgruppe / Am Wehrhahn

gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

POLA

Landschaftsarchitektur

Kunkel Consulting International GmbH

Szenographie

Erläuterungstext

Ein Kaufhaus wird Kulturhaus

Im Gegensatz zum historischen Opernstandort am Hofgarten bietet der Standort am Wehrhahn weniger Repräsentation und Glanz, wie es zwischen Königs- und Heinrich-Heine-Allee möglich scheint. Dieser vermeintliche Nachteil will der Entwurf aber vielmehr als Vorteil nutzten: der bürgernahe Standort kann einen niedrigschwelligen Zugang zur Kultur ermöglichen und ein Publikum anziehen, dass bislang den Weg zum „Musentempel“ gescheut hat. Die zentrale Lage in einem der wichtigsten Einkaufsgebiete Düsseldorfs ermöglicht durch einen unmittelbaren und einfachen Zugang ein wesentlich breiteres Spektrum an Nutzern anzusprechen. Vor diesem Hintergrund sollte ein klassisches Opernhaus als Repräsentanz einer gehobeneren Bürgerschicht vermieden werden, vielmehr sollte die Oper der Zukunft durch sein breites Angebot an Nebennutzungen ein selbstverständlicher Bestandteil eines Einkaufsbummels oder mit seinen Spielstätten Ziele für einen ungezwungenen Abend werden.

Das Grundstück am Wehrhahn ist mit einem weiteren vermeintlichen Nachteil behaftet, den der Entwurf ebenso zu einem grundlegenden Vorteil verwandelt: der Bestand, mit dem fast das gesamte Grundstück überbaut ist und von dessen Abriss ausgegangen wird, da dieser mit der Opernnutzung vermeintlich nicht in Einklang zu bringen sei. Vor dem Hintergrund der offensichtlichen Klimakrise ist jedoch jeder Abriss kritisch zu hinterfragen, da erhebliche Mengen an Grauer Energie vernichtet und danach noch einmal in erheblichem Umfang neu investiert werden. Neben diesem zwingenden Argument ermöglicht die Nutzung des Bestandes aber eben auch den intendierten niedrigschwelligen und selbstverständlichen Zugang, da jegliches Pathos der Kulturinstitution vermieden wird. Vielmehr bleibt die Oper der Zukunft Bestandteil der bürgernahen und etwas raueren Einkaufsstraße und vermeidet jegliche Gefahr als Fremdkörper im bestehenden urbanen Umfeld zu erscheinen.

Die genaue Analyse des Bestandes erlaubt es, den modernen, allen Anforderungen des Raumprogramms entsprechenden Bühnenkörper mit dem angeschlossenen Zuschauersaal passgenau in die bestehende Betonkonstruktion einzupassen. Lediglich in diesem zentralen Bereich wird der Bestand rückgebaut. Hier werden nicht nur Bühne und Auditorium eingepasst, sondern auch andere großformatige Säle wie die Orchesterprobe unterhalb und die Studiobühne mit ihrer schweren Bühnentechnik über dem Zuschauersaal. Durch diese Strategie wird der Bestandsbau nicht überlastet und eine Nachnutzung der Betonkonstruktion realistisch umsetzbar. Durch dieses Vorgehen zeigt sich entlang der Fassaden der Tonhallen- und Schadowstraße der Betonskelettbau des Bestandes, in dessen Tiefe der neue Saalkörper zu erkennen ist. Einem Stadtregal gleich ergeben sich auf diesen „rohen“ Ebene flexible Orte, die die Stadtöffentlichkeit zur Nutzung und Aneignung einlädt. Einem Palimpsest gleich wird die ehemalige kommerzielle Nutzung nun durch eine für alle offene kulturelle, kreative Nutzung überschrieben.

Die für die Statik des Bestandes konstituierenden Kerne werden fast vollständig erhalten und für Fluchtwege und Aufzüge weitergenutzt. Auch das Garagengebäude entlang der Oststraße wird erhalten, lediglich die nicht mehr notwendige Rampe wird rückgebaut. Ein minimalisierter, nachhaltiger Ausbau ohne abgehängte Decken erlaubt auch in diesem Teil des Bestandes eine uneingeschränkte Nutzung für Verwaltung und Werkstätten. Der straßenbegleitende Bestandbau wird rechtwinklig im Südwesten des Grundstücks ergänzt und stellt so eine funktionale Verbindung von Front und Back of the House dar. Der sich ergebende dreieckige Hof wird als Anlieferfläche genutzt, dessen Laderampe unmittelbar an die Seitenbühne mit vorgelagertem Montageraum, bzw. den großen Lastenaufzug ebenengleich anschließt.

Durch die Wahrung des Bestandes wird auch die vorhandene blockschließende Raumwirkung im Stadtraum beibehalten. Aber im Gegensatz zum ehemals hermetischen Kaufhaus öffnet sich die Oper der Zukunft durch eine Vielzahl plastischer Eingriffe in das „Stadtregal“. Der neue Saalkörper befindet sich analog zum Karstadt-Gebäude von der Schadowstraße nach Süden zurückversetzt, so dass sich der südlich gelegene Platz als öffentlicher Innenraum in der Oper fortsetzt. Die offene verglaste Fassade lädt alle Besucher der Einkaufsstraße zum Betreten des „Kulturhauses“ ein und bietet einen direkten Einblick in den roh belassenen Skelettbau und dessen mit seinen neuen Lufträumen und Treppen komplexes innenräumliches Gewebe. Dieses dient als Hauptfoyer der Oper, bietet aber gleichzeitig zahlreiche Flächen zur flexiblen kulturellen Nutzung. Das Foyer ist hierzu den ganzen Tag geöffnet, um dann, wenn die Schadowstraße am belebtesten ist, zahlreichen neugierige Bürger in das Haus zu ziehen und mit seinem umfangreichen kulturellen Angebot zu überraschen. Im 4. OG erreichen die Besucher das Restaurant, an das eine großzügige Terrasse angeschlossen ist. Hier springt die Glasfassade zurück und erzeugt so eine großzügige Stadtloggia, die den Gästen einen einzigartigen Blick entlang der Schadowstraße nach Süden, zum Hofgarten im Westen und zu den Türmen von St. Mariä-Empfängnis bietet.

Über der luftigen Stadtloggia sind die Bühnenkörper der Probebühnen und versetzt nach hinten die der Studiobühne angeordnet und betonen so auch baukörperlich den städtebaulichen Schwerpunkt an der Kreuzung Schadow- und Oststraße. Einerseits wird so die Oper auch im umliegenden Stadtraum als öffentliches Bauwerk sichtbar und erlaubt im Gegenblick von den öffentlichen Terrassen dieser Kuben auch den Blick in den Stadtraum. Entlang der Westfassade wird in den Skelettbau eine großzügige Treppenanlage integriert, die die Ränge des Opernsaals, die Foyer- und Aktionsflächen und schließlich das Foyer der Probebühnen erschließt und der Fassade eine lebendige Erscheinung gibt. Von der Bar in diesem Foyer bietet sich ein großartiger Blick vom Dreischeibenhaus, über den Hofgarten bis zum Rhein. Noch uneingeschränkter ist der Blick von der Dachterrasse, die auf den Probebühnen liegt und vom Studiobühnenfoyer aus erschlossen wird.

Der Baukörper stellt sich als einfache Überlagerung zweier Rechtecke dar, die sich aus der Geometrie des Baublocks logisch ergeben. Das untere generiert sich aus dem umgenutzten Garagengebäude entlang der Oststraße, das höhere, das durch kubische Aufbauten überhöht wird, aus der Geometrie des Bestandes. Dies entspricht auch der städtebaulichen Gewichtung: während sich der Verwaltungs- und Werkstattflügel entlang der Oststraße bescheiden und selbstverständlich in den Blockrand einfügt, markiert die Kubenkomposition, die im Nordwesten Ihren Höhepunkt findet, die Zuwendung zur Innenstadt, zum Hofgarten und zu den Bürgern der Stadt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen schlagen vor, das vorhandene Kaufhaus im Rohbau und im Fußabdruck weitgehend zu erhalten und zum Opernhaus der Zukunft umzubauen. Zwei zukunftsweisende Zielsetzungen werden damit erfolgreich umgesetzt. Zum einen ist der Erhalt der Betonstruktur ein wesentlicher Beitrag zur CO2-Einsparung/Klimaneutralität und zum anderen kann es durch den Umbau vom Kaufhaus zum Kulturhaus gelingen, ein niederschwelliges Opernhaus in der Einkaufsstraße zu platzieren, welches sich frei macht vom Pathos konkurrierender Opernhäuser. Überraschenderweise gelingt es, die komplexe Nutzungsstruktur der Oper innerhalb der Restriktionen, die sich aus dem Bestand ergeben, ohne wesentliche Funktionseinschränkungen unterzubringen.
Die Nutzfläche ist nachgewiesen, es ergeben sich keine wesentlichen Unter- oder Übererfüllungen. Lediglich die Anlieferung ist bezüglich der Anfahrbarkeit eng. Das Opernhaus wird über ein großzügiges Foyer an der Ecke Am Wehrhahn/Tonhallenstraße erschlossen. Im Erdgeschoss – auch getrennt erschließbar – befindet sich ein eigenes Foyer für die Studiobühne. Diese liegt prominent im 6. Obergeschoss in einem eigenen, erkennbaren, neuen Aufbau.
Die Lage der Studiobühne ermöglicht spektakuläre Ausblicke über die Innenstadt. Die gesamte Gebäudeecke Am Wehrhahn/Tonhallenstraße soll über sechs Geschosse verglast werden und damit einladend in den Straßenraum strahlen. Vom Dach und von einer großen, zweigeschossigen Loggia wird der Kontakt aus dem Opernhaus zurück in die Fußgängerzone versinnbildlicht. An die in den Stadtraum gerichtete Loggia schließt sich sinniger Weise ein großes Restaurant an. Der Bestandsbaukörper einschließlich nötiger Auf- und Anbauten fügt sich schlüssig in die nähere Umgebung ein ohne diese dominieren zu wollen. […]
Insgesamt bietet die Arbeit einen überzeugenden Vorschlag für eine gut funktionierende, niederschwellige und bestandsorientierte Oper der Zukunft, Düsseldorf.