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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Neubau Rathaus Steinheim und Gestaltung Murrterrassen

Visualisierung Rathaus I Marktplatz

Visualisierung Rathaus I Marktplatz

1. Preis

baurmann.dürr Architekten

Architektur

BHM Planungsgesellschaft mbH

Landschaftsarchitektur

loomn architekturkommunikation

Visualisierung

Modellbau Eichenlaub

Modellbau

Erläuterungstext

Steinheims Ortskern ist geprägt von seinem umfangreichen frühneuzeitlichen Baubestand insbesondere an Fachwerkhäusern. Unser Entwurf nimmt die Typologie des giebelständigen Hauses mit steilem Dach auf und gliedert die Baumasse in einzelne Gebäudeteile, die, zueinander versetzt, das Thema des Holzgefachs auf massivem Sockel modern interpretieren. Auf diese Weise gelingt es, die funktionalen Zusammenhänge zu wahren ohne die ortstypische Körnung zu verlassen. Damit bleibt die örtliche Identität bis in die Materialwahl gewahrt. Die ortstypische Fachwerkbauweise wird auf ihre charakteristischen Gestaltungselemente reduziert und über Prinzipien der Abstraktion und Transformation in einen modernen Kontext gebracht und so eine im Ort verankerte Architektursprache geschaffen.

Die Setzung des Neubaus ermöglicht eine ungehinderte Sicht auf das historische Rathaus, wobei die Staffelung der einzelnen Gebäudeteile eine adäquate Rahmung des Marktplatzes ermöglicht bei gleichzeitiger Stärkung der innerörtlichen Wegebeziehungen. Zum Marktplatz hin öffnet sich der Neubau über ein großzügig verglastes Erdgeschoss, in dem sich das Bürgerbüro als leicht erreichbare und gut einsehbare Anlaufstelle für die Bewohner Steinheims befindet. Zugleich signalisiert der verglaste Giebel die Öffentlichkeit des großen Sitzungssaals und stellt den Bezug zum Alten Rathaus her. Das Bestandsgebäude Badtorstraße 2 wird denkmalgeschützt saniert und zum „Haus der Vereine“ revitalisiert und erhält im Erdgeschoss die öffentliche Nutzung eines Cafés, das sich zu beiden Seiten auf den Platz erweitert. In den Obergeschossen befinden vielfältig nutzbare Vereinsräume.

Durch die Umgestaltung des Marktplatzes werden die historischen Fassaden herausgestellt und der Durchgangsverkehr optisch und funktional reduziert. Hierfür wird der historische Brunnen in die Mitte des Gesamtplatzes verlagert und durch eine Fläche großformatiger Platten gefasst. Zu den Platzrändern wird durch einen richtungslosen Pflasterbelag eine offene und einheitliche Platzfläche gestaltet. Sitzelemente in freien Formen schaffen Akzente. Das gesamte Quartier, vor allem um die neuen Gebäude, wird durch Baumreihen und ein Baumkarree gefasst.
Die Verlagerung der Stellplätze ermöglicht die Gestaltung eines durchgehenden, multikodierten Uferparks entlang der Murr. Neue Gestaltungselemente, Modellierungen und eine fließende Wegeführung machen den neuen Park am Fluss erlebbar. Gleichzeitig schaffen sie eine attraktive Verbindung zum neuen Quartier. Dieses ist geprägt von einem lockeren Ensemble aus Einzelbaukörpern, die sich um einen offenen Platz gruppieren. Sowohl die Bebauung als auch der Platz öffnen sich zur Murr hin und binden das bestehende Gebäude mit Café ein.

Die Errichtung des Neubaus als modularer Holz-Hybridbau trägt dem Wunsch nach höherer Nachhaltigkeit in der Erstellung öffentlicher Bauten Rechnung. Die wesentlichen Teile der Tragstruktur wie Stützen und Träger bestehen aus Holz, während die Decken aus Schallschutz- und Brandschutzgründen in Holz-Beton-Verbundbauweise vorfabriziert werden. Die dadurch eingebrachte Masse der Deckenelemente trägt zur besseren thermischen Nutzung der Gebäudemasse bei. Die Erschließungselemente aus R-Beton übernehmen die Aussteifung des Holztragwerks. Eine nachhaltige Energieversorgung des neuen Rathauses wird durch eine dachintegrierte Photovoltaikanlage unterstützt.

Durch die modulare Bauweise ist eine hohe Flexibilität im Innenausbau auch bei nachträglichen Veränderungen der Raumstruktur gewährleistet. Eine freie Möblierung der Kombizone zwischen den fassadenbegleitenden Räumen in den Obergeschossen wirkt auf die Besucher gleichermaßen einladend und freundlich. Das durch Arkadenelemente aus eingefärbtem Beton abgesetzte Erdgeschoss nimmt das historische Sockelthema der Fachwerkhäuser auf und bildet den städtebaulichen Rahmen des Ensembles. Darauf erhebt sich eine filigrane Holzstruktur als zeitgenössische Interpretation des ortstypischen Fachwerks.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die von den Verfassern vorgeschlagene Wohnbebauung mit einer darunterliegenden großen öffentlichen Tiefgarage überzeugt nicht. Auch der privat wirkende Wohnhof steht in Konflikt mit der öffentlichen Nutzung des Bauhofs als Biergarten oder Café und der gewünschten öffentlichen Zugänglichkeit zum Murrufer. Die Umnutzung des Bauhofs und die Ausbildung einer Gastronomieterrasse wird begrüßt und ist hier richtig verortet. Die großflächige Abgrabung des Murrufers und der weit in das Gewässerprofil hineinragende Steg wirken als überzogene Geste. Eine komplette Entfernung der Ufergehölze wie dargestellt ist nicht vorstellbar. In der Badtorstraße wird eine durchgängige Gestaltung im Zusammenhang mit dem Marktplatz vermisst. Gelungen ist der kleine mit Bäumen überschirmte Platz hinter dem Backhäuschen mit loungeartiger Möblierung. Dieselbe Möblierung entlang der Marktstraße dürfte hier jedoch kaum angenommen werden. Die Verschiebung des Marktbrunnens in die Mitte des Platzes erschwert die Nutzung als Festplatz. Die vorgeschlagene Stelle entspricht in etwa dem historischen Standort.

Städtebaulich fügt sich der Rathausneubau durch die Gliederung in vier zur Marktstraße giebelständige Baukörper gekonnt in die historische Altstadt von Steinheim ein. Die Reihung der Satteldächer schafft ein adäquates Gegenüber zur bestehenden Häuserreihe an der Marktstraße. Durch das subtile Zurückstaffeln der Baukörper reagiert der Neubau angemessen auf das historische Rathaus, das somit in seiner baukulturellen Bedeutung und Präsenz nach wie vor den Ort prägt. Das Fachwerkhaus in der Badtorstraße 2 wird freigestellt und in das städtebauliche Gesamtensemble als wichtiger Baustein integriert. Die Idee hier eine gastronomische Nutzung anzubieten, die sowohl den Marktplatz nach vorne bespielt als auch mit einem Biergarten nach hinten zum Backhaus vermittelt, wird positiv gewertet. Die Barrierefreiheit des Hauses ist nicht gegeben. Der Marktplatz wird zwischen neuem und altem Rathaus räumlich gut gefasst und ist von seiner Größe her angemessen dimensioniert. Durch die Trassenverschwenkung und einem durchgehenden, einheitlichen, großformatigen Plattenbelag aus Naturstein wird die Marktstraße räumlich in den Platz einbezogen. Die Vereinheitlichung des Bodenbelages über die Straße hinweg wird begrüßt, die Materialwahl ist hinsichtlich der starken Verkehrsbelastung zu überdenken. Die Platzgestaltung kommt über den gesamten Platz ohne Barrieren und Stufen aus. Kritisch bewertet wird hingegen das fehlende Grün auf dem Marktplatz. Zwischen Marktstraße und Brunnenweg wird im Gebäude ein Durchgang angeboten, der als kurze Verbindung positiv gesehen wird. In der Ausführung ist auf eine ausreichende Belichtung und helle Gestaltung zu achten. Der Haupteingang zum neuen Rathaus erfolgt klar erkennbar über den Marktplatz. Direkt am Eingang liegt das Sozial- und Einwohnermeldeamt. Hinsichtlich der räumlichen Akustik und aus Datenschutzgründen wird das Angebot einer großräumlichen zusammenhängenden Raumstruktur hier kritisch bewertet. Die innere Organisation des Rathausneubaus ist klar strukturiert und bietet flexible Gestaltungsmöglichkeiten auch für die Zukunft. Zwei Treppenhäuser mit jeweils einem Aufzug gliedern den Grundriss und ermöglichen einen gleichberechtigten Zugang für alle. Auch eine getrennte Nutzung von öffentlichen und privaten Bereichen ist dadurch gegeben. Der Rathaussaal befindet sich im Obergeschoss des vierten, zurückspringenden Gebäudevolumens und hat einen unmittelbaren Blickbezug zum Marktplatz. Kritisch bewertet werden der außenliegende Sanitätsraum am Durchgangsweg und das Fehlen des barrierefreien WCs für die Mitarbeiter und Besucher im Rathaus. Die Tiefgarage ist knapp bemessen aber ausreichend. Die hier vorgesehen Lagerflächen sollten besser an andere Stelle verortet werden. Eine weitere Fahrspur bei der Einfahrt zur TG wäre aus verkehrlichen Gründen wünschenswert.

In der äußeren Gestaltung überzeugt der Entwurf durch eine klare Differenzierung eines massiven Sockelgeschosses aus rötlich eingefärbtem Sichtbeton und einem fein strukturierten, aufgesetzten Holzbau. Die Ausbildung von erdgeschossigen Arkaden ist grundsätzlich gut ist aber nicht überall konsequent durchgestaltet. Insbesondere vor dem Haupteingang wird ein wettergeschützter Bereich vermisst. Die vorhandenen Themen der historischen Fachwerkstadt werden hier gekonnt weitergedacht. Wünschenswert wäre, wenn die Wahl der Materialien auch im Innenraum erlebbar würde. Insbesondere im Erdgeschoss spiegelt sich die Massivität des eingesetzten Materials nicht wider.

Eine großzügige Verglasung in den Obergeschossen sorgt für ein transparentes Erscheinungsbild, das auch in den Abendstunden zur Belebung der Ortsmitte beitragen kann. Zur Gestaltung der vorgeschlagenen, außenliegenden Verschattung werden leider keine weiteren Aussagen getroffen. Bei der Dachfläche als Blechdach mit vollflächig integrierter PV -Anlage ist auf ein ruhiges und farblich mit der Altstadt abgestimmtes Erscheinungsbild zu achten. Die Aussage zur Begrünung der Fassade im Süden wird angedacht, bleibt aber in der Ausführung und Gestaltung sehr vage. Zum weiteren Klimakonzept (Heizung und Retention) ist keine Aussage getroffen worden. Von Seiten des Denkmalschutzes wird die Arbeit grundsätzlich positiv bewertet. Insgesamt eine Arbeit, die einen wertvollen städtebaulichen Beitrag für die Stadt Steinheim bietet und auch in der funktionalen und gestalterischen Ausarbeitung an vielen Stellen überzeugen kann.
Visualisierung Bürgerservice

Visualisierung Bürgerservice

Lageplan Gesamtgebiet

Lageplan Gesamtgebiet

Schnitte und Ansichten

Schnitte und Ansichten

Schnitte und Ansichten

Schnitte und Ansichten

3D-Skizzen Rathaus

3D-Skizzen Rathaus

Konstruktionsprinzip

Konstruktionsprinzip

Konzeptherleitung Rathaus

Konzeptherleitung Rathaus

Grundriss EG Rathaus

Grundriss EG Rathaus

Grundriss 1.OG Rathaus

Grundriss 1.OG Rathaus

Grundriss 2.OG Rathaus

Grundriss 2.OG Rathaus

Grundriss UG Rathaus

Grundriss UG Rathaus

Fassadenschnitt I Ansicht

Fassadenschnitt I Ansicht