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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Neubau Rathaus Steinheim und Gestaltung Murrterrassen

Anerkennung

Architekturbüro KNERER UND LANG

Architektur

RSP Freiraum GmbH

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Am östlichen Zugang zu den Murrterrassen wird ein „Parkhaus“ angeboten, was prinzipiell der gewünschten Funktion der Parkierungsentlastung dient, jedoch über die Bezeichnung hinweg und seine Ausformulierung noch mehr dem Mobilitätswandel dienen sollte und zukünftig auch dem Wandel entsprechend wandelbar sein sollte. Dies ist nicht ablesbar - die Kubatur lässt ein reines Stellplatzraster dahinter vermuten und ist für diese Eingangssituation zu raumgreifend. Die Umnutzung des Bauhofgebäudes wird begrüßt, sie könnte mehr Bezug zum Mobilitätspunkt „Parkhaus“ aufnehmen. Der neue Freibereich dort ist südseitig und attraktiv am Fluss angeordnet und ein Auftakt für den Uferweg. Die Zweiteilung des Murrtals in wilden Uferhang und ausgestatteten Uferpark ist tragfähig, wirkt jedoch im zweitgenannten Bereich übererschlossen und überfrachtet. Die Ergänzung von Wohngebäuden am Mühlweg ist gut vorstellbar, die Körnung könnte zeitgemäßer etwas großvolumiger und somit bspw. auch für neue Wohnformen geeigneter gewählt werden (keine freistehenden EFH). Die grüne Verbindung Badtorstraße wird über die Ergänzung mit Baumstandorten gestärkt, diese „Gasse“ sollte sich am Marktplatz allerdings dem Gefüge der Plätze unterordnen. Die Setzung der neuen Kubaturen und Freiräume um das neue Rathaus ist eine gute Ausgangslage für eine gute Ausformulierung der neuen Räume der Bürger Steinheims, so gefällt auch das Zurückversetzen bzw. Staffeln der Baukörper an der Marktstraße. Dieses so geschaffene Potential bleibt leider wenig bis ungünstig ausformuliert (kahler Marktplatz, rückwertiger Anlieferbereich). Es wäre auch unbedingt zu prüfen, ob die wichtigen Eingangssituationen ohne Stufenvorgelege zugunsten einer durchgängigen Barrierefreiheit auskommen und auch, ob auf Parkbuchten am Marktplatz verzichtet werden kann. Wie bei allen in diesem Verfahren gezeigten Entwürfen wäre bei einer Umsetzung zu prüfen, wo im Sinne stadtklimatischer Aspekte weitere Entsiegelungen, Baumpflanzungen und vertikale Gebäudebegrünung implementiert werden können, passend zur Entwurfskonzeption und die Funktion nicht konterkarierend.

„Rücksichtsvoll“ ist das Schlagwort, mit dem die Architekten die städtebauliche Haltung des Entwurfs betiteln: dem denkmalgeschützten Gebäude „Badtorstr. 2“ wird ein Haus zur Seite gestellt, das zusammen mit den 2 größeren Häusern das neue Rathaus als Ensemble von 3 giebelständigen voneinander versetzten Baukörpern zur Marktstraße bildet. Der mit einem Meter sehr geringe seitliche Abstand zum Gebäude „Badtorstr.2“ wird städtebaulich und brandschutzrechtlich kritisch gesehen. Die 3 Baukörper werden zur Badtorstraße jeweils deutlich versetzt und formen so einen neuen Marktplatz. Geschickt wird der mittlere größte Baukörper von der Marktstraße zurückgesetzt, und bildet mit dem so entstehenden Vorplatz den Auftakt zum Marktplatz. Hinter dem Gebäude „Badtorstr. 2“ entsteht ein zweiter „Ratsplatz“, der gut als Pausenhof für die städtischen Mitarbeiter genutzt werden kann. Durch die Verlagerung der Badtorstraße entlang des historischen Rathauses entsteht eine größere Marktfläche, wenngleich die Gestaltung des Marktplatzes viele Fragen offenlässt. Die aus Richtung Marktstraße betrachteten Baukörper wirken durch ihre große Gebäudebreite und abgeschrittenen Firste etwas gedrungen und entsprechen nicht der Bedeutung eines Rathauses. Sowohl die äußere Anmutung als auch die innere Struktur vermitteln das Bild eines „offenen Hauses“. Das Sockelgeschoss aus Stahlbeton ist zum Marktplatz hin fast gänzlich verglast und lädt die Bürger über den erhöhten Eingangsbereich über die Rampe bzw. Treppenstufen ins Rathausfoyer ein. Die Obergeschosse sind in Fachwerkbau aus Holz errichtet, was sich konsequenterweise auch an der Holzfassade widerspiegelt.

Aus statischer Sicht werden die sehr breiten verglasten Öffnungen zum Marktplatz hin kritisch gesehen, weil wirtschaftliche Spannweiten deutlich überschritten sind; die Auskragung der Decke im Eingangsbereich wird mit einem Maß von 3.00m ebenfalls kritisch gesehen. In den Obergeschossen ist ein für Holzkonstruktionen geeignetes Rastermaß nicht zu erkennen. Kritisch wird die geplante Dacheindeckung mit Titanzink gesehen, die im Kontext des innerstädtischen Umfeldes nirgends vorhanden ist. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist eine Blechdeckung abzulehnen; in diesem Fall würde das zum Marktplatz hin ausgebildete Zwerchhaus vermutlich als Fremdkörper wirken. Photovoltaikanlagen sind generell nur auf der marktplatzabgewandten Seite zulässig. Beim südlich gelegenen Baukörper wäre eine vollflächige Photovoltaikanlage an der Südfassade möglich. Die innere Organisation der Grundrisse ist übersichtlich gegliedert.
Allerdings sind die Mindestmaße der Räume teilweise nicht eingehalten. Der seitliche Zugang zum südlich gelegenen Baukörper am Haupteingangsbereich erscheint für den Besucher verwirrend, weil er lediglich zu bedienenden Räume führt. Der Zugang auf der Ostseite des mittleren Baukörpers ist ausreichend. Behindertengerechte Toilettenanlagen fehlen im Entwurf gänzlich. Die TG-Ein-/Ausfahrt wird kritisch gesehen, weil sie in einspuriger Ausformung mit ihrer fehlenden Aufstellfläche zu nah an der Marktstraße liegt. Als weiteres Problem wird die Anordnung von Doppelparkern gesehen, vor allem bei Nutzung der Parkplätze für Besucher. Insgesamt stellt die Arbeit einen interessanten Beitrag dar, weil sie mit ihrer stimmigen Gestaltung das Thema „Sockel“ und der darüberliegende Geschossfassade neu interpretiert. Auf das historische Rathaus wird Rücksicht genommen.